Frankreich: Der Vorwahlkampf des Front National hat begonnen

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Bei den Veranstaltungen in Nizza und im westfranzösischen Bezirk Mayenne wurden neue prominente Unterstützer der Partei präsentiert. Auch der frühere Chef der politischen Polizei in Frankreich – die sonst „Extremisten beobachten“ soll – plädierte jüngst für ein Regierungsbündnis der Konservativen mit dem „erneuerten“ FN. Unterdessen versucht die rechtsextreme Partei, intensiv von der Euro-Krise zu profitieren…

Von Bernard Schmid, Paris

Man kann Geld zum Fenster hinauswerfen – manche Menschen schaffen das spielend. Man kann auch Dollarnoten an ein Streichholz halten und anzünden, Milliardäre führen es mitunter vor laufenden Kameras vor. Und man kann Geldscheine in den Fluss werfen und versenken. Letztere Methode wählte der Front National (FN), als seine Vorsitzende Marine Le Pen am 06. September dieses Jahres die Rückkehr ihrer Partei in die Medien nach der Sommerpause einläutete. Von einer Seinebrücke im historischen Zentrum in Paris aus schütteten junge Aktivisten der Parteijugend FNJ den Inhalt mehrerer Behältnisse voll mit 500-Euro-Scheinen in den Fluss. Unsere Leserinnen und Leser seien allerdings dahingehend beruhigt: Es handelte sich um falsches Geld.

An jenem Tag hatte die rechtsextreme französische Partei den Presseerfolg, und besonders die Aufmerksamkeit der Fernsehnachrichten – eindrückliche Bilder wirken -, auf ihrer Seite. Zeitgleich zu ihrem Happening stimmten, nur einige Dutzend Meter entfernt, die Abgeordneten der im Parlament vertretenen Parteien in der französischen Nationalversammlung über den neuen europäischen Rettungsschirm für Griechenland ab. Frankreich gab 15 Milliarden für diesen zweiten Rettungsplan hinzu, nach seinen 45 Milliarden Beitrag zum ersten. Was die Parlamentarier von UMP und Sozialistischer Partei da täten, tönte Marine Le Pen vor den Kameras, sei genau dasselbe wie die einen Monat zuvor vorgeführte Geldversenkung ihrer jugendlichen Parteigänger: Die Milliarden seien rettungslos verloren. Für den Fall ihrer Wahl zur französischen Präsidentin, nach dem zweiten Wahlgang im Mai 2012, versprach Marine Le Pen: „Kein Centime, kein Centime des von Franzosen erarbeiteten Geldes wird Frankreich verlassen dürfen!“ ((Vgl. Das Video unter: http://www.liberation.fr/politiques/01012358263-marine-le-pen-jette-l-euro-a-la-seine )) Ansonsten setzt die rechtsextreme Partei erklärtermaßen darauf, die von ihr prognostizierte bzw. prophezeite „Implosion“ der Einheitswährung in der EU werde sich in den kommenden Monaten beschleunigen – wovon sie sich eine massive Beihilfe zu ihrem angeblichen Wahlsieg erhofft. Entsprechend erwartet sie neue Krisenmeldungen mit manifester Vorfreunde.

Am darauffolgenden Wochenende des 10./11 .September 11 hielt die rechtsextreme Partei in Nizza ihre „Sommertage Marine Le Pen“ – so die, offenkundig stark nach Personenkult riechende, neue Bezeichnung der früheren „Sommeruniversität“ oder „Sommerakademie“ – ab. Die 43jährige Parteichefin und Präsidentschaftskandidatin spulte dabei besonders einen Law & Order-Diskurs ab und wetterte gegen das „Versagen“ der Rechtsregierung unter Nicolas Sarkozy auf dem Gebiet der „Inneren Sicherheit“. U.a. forderte sie die lebenslängliche Streichung von Sozialleistungen für „Wiederholungsstraftäter“ (aller Art & jeglicher Schwere des Delikts ab einem Jahr Haft als Strafandrohung). Sie sprach aber vor den rund 2.000 Anwesenden auch über die Einwanderungspolitik – „die Masse der Ankommenden seit 20 oder 30 Jahren, in großer Mehrheit aus einem sehr unterschiedlichen Kulturkreise als unserem, macht die Assimilation wirkungslos ja unmöglich“, behauptete sie dazu – und forderte die Einführung der ,préférence nationale’. Dieses Prinzip, das nichts andere als eine explizite rechtliche Diskriminierung bedeutet, nämlich die Reservierung von Arbeitsplätzen oder Sozialleistungen an Inhaber eines französischen Ausweises, bildet seit über 20 Jahren den Kernbestandteil des Parteiprogramms des FN. Trotz ihres ausdrücklich erhobenen Anspruchs, die Partei zu modernisieren und (wie sie es nennt) zu „entdiabolisieren“, rüttelt Marine Le Pen daran nicht nur nicht. Sondern sie bekräftigt diesen ideologischen Programmsatz ausdrücklich. In Nizza rief sie dazu aus: „Die nationale Solidarität muss für unsere Landsleute reserviert werden.“

Prominent oder peinlich? Der Anwalt Gilbert Collard…

In Nizza konnte Marine Le Pen sich auch mit (alt-)neuen prominenten Unterstützern schmücken. Als Vorsitzender ihres „Unterstützerkomitees“, das im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2012 ihre Kandidatur stützt, stellte sich der Anwalt Gilbert Collard den Anwesenden vor. Collard war sehr viel früher – vor über zwanzig Jahren – eher in einem linken und antirassistischen Milieu unterwegs gewesen, war jedoch damals schon von Karrierismus und Geltungssucht zerfressen. Die Antirassismusbewegung MRAP schloss ihn im Jahr 1990 aus, weil er den notirischen Auschwitzleugner Bernard Notin gerichtlich verteidigte und dabei einen Titel (als Ortsvorsitzender) usurpierte, den er in Wirklichkeit nicht trug, um die Aufmerksamkeit für seine Verteidigung in den Medien zu erhöhen. Collard hatte bereits am 16. Juni 2011 auf einem Kolloquium des FN über „rechtsfreie Räume in der Republik“ gesprochen. In Nizza präsentierte er nunmehr seine neueste Masche: Er sei angeblich „der Anwalt der Kinder von Izieu“ – es handelt sich um 39 jüdische Kinder, die 1944 aus dem Raum Grenoble in die Todeslager deportiert wurden – gewesen. Diese hätten angeblich bei ihrem Abtransport patriotische Lieder gesungen, und deswegen finde er es schändlich, wenn heute die Nationalhymne missachtet werde. Mit Pathos in der Stimme erinnerte er an „den kleinen André“, der damals die Reise in den Tod antreten musste. Kleiner Schönheitsfehler: Die Gedenkstätte für die Kinder von Izieu betonte, es habe „überhaupt keinen André unter den betroffenen Kindern“ gegeben, und die patriotischen Lieder anzustimmen – dazu seien diese durch ihre Bewacher gezwungen worden. ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2011/09/13/gilbert-collard-accuse-d-instrumentaliser-la-memoire-des-enfants-d-izieu_1571839_823448.html#ens_id=1556164 )) Außerdem sei es eine Lüge, dass Collard ihr Anwalt gewesen sei. Vielmehr habe Collard lediglich als einer von Anwälten am Prozess gegen den früheren Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie (der 1987 in Frankreich verurteilt wurde, unter vielen Anklagepunkten u.a. auch für die Deportation der Kinder von Izieu), teilgenommen. Er sei jedoch nur einmal aufgetaucht, als besonders viele Kameras anwesend gewesen seien, um ein kurzes Plädoyer zu halten – ohne weitere Bedeutung für den Prozess als solchen.

Weitere prominente Unterstützer

Daneben wurden als neue prominente Unterstützer für Marine Le Pen auch der frühere Bürgermeister von Nizza, Jacques Peyrat (vor 1994 beim FN, 1995 zum Bürgermeister gewählt, 1996 zu den Konservativen übergetreten und 2008 abgewählt) sowie der frühere Europaparlamentsabgeordnete der nationalkonservativen EU-Skeptiker, Paul-Marie Couteaux – ein von „patriotischem“ Pathos notorisch verwirrter Schwurbelkopf – präsentiert.

Am selben Wochenende, an dem in Nizza die FN-Veranstaltung tagte, erregte der frühere Chef der ,Renseignements Généraux’ (R.G.) – einer Art politischen Polizei in Frankreich, ungefähr mit den Verfassungsschutzämtern in Deutschland vergleichbar -, Yves Bertrand, frankreichweit für enormes Aufsehen. Er hatte in einem Interview mit dem neokonservativen Organ ,Causeur.fr’ für die Einbindung des Front National in eine Regierungskoalition mit den Konservativen plädiert. ((Vgl. http://www.causeur.fr/yves-bertrand-«-il-faut-en-finir-avec-la-diabolisation-du-fn-»,11323)) Unter Marine Le Pen habe die Partei sich ja zum Besseren gewandelt, dem Extremismus und dem Antisemitismus abgeschworen. Im Nachhinein publizierte Yves Bertrand kurz darauf ein Dementi, das jedoch nichts dementierte, sondern lediglich feststellte, er habe sich jetzt aber auch wieder „nicht Marine Le Pen angeschlossen“. ((Vgl. http://www.marianne2.fr/Exclusif-Yves-Bertrand-dement-avoir-rejoint-Marine-le-Pen_a210127.html?preaction=nl&id=5908561&idnl=26453&)) Sondern ihr lediglich Koalitionsfähigkeit attestiert. .

Am darauf folgenden Wochenende – genauer am Samstag, den 17. September 11 – hielt Marine Le Pen ihre erste Großveranstaltung im expliziten Zusammenhang mit dem beginnenden Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2012 auf. In Vaiges westfranzösischen Département Mayenne – einem Gebiet, in welchem der FN (wie in ganz Westfrankreich, westlich einer Nord-Süd-Linie von Le Havre nach Perpignan) bisher nur unterdurchschnittlich stark ist – trat sie vor rund 800 Personen in einem Schloss, das einer Parteigängerin des FN gehört, auf. Die Schlossherrin ist Marie-Alix Le Comte, seit 1982 Parteimitglied beim FN, wollte ihr Gut jedoch vor Presseleuten nur pseudo-bescheiden als „größeren Wohnsitz“ bezeichnet wissen. ((Vgl. http://www.marianne2.fr/En-Mayenne-Marine-Le-Pen-lave-plus-blanc-mais-regrette-TF1_a210378.html?preaction=nl&id=5908561&idnl=26463&)) Dort ging ihr als Redner u.a. Jean-Marc Lacoste-Reymondie, Bezirkssekretär im westfranzösischen Chartene-Maritim, der u.a. als „großen politischen Denker“ Charles Maurras zitierte. Also den langjährigen Chef der katholisch-nationalistischen und monarchistischen Bewegung Action française, einer der wichtigsten Organisationen der extremen Rechten in Frankreich während quasi der ganzen ersten Hälfte des 20. Jahrhundert. Die damalige AF (von ihr existieren heute noch kleine monarchistische Splittergruppen) war zwar noch prä-faschistisch und ging allen explizit faschistischen Bewegungsformen historisch voraus, war jedoch auch klar anti-demokratisch und anti-egalitär orientiert. Die eindeutigen historischen Bezüge in Teilen des FN – die in anderen Parteiflügeln mit anderen geschichtlichen Referenzen konkurrieren – wurden dabei einmal mehr deutlich.

Marine Le Pen, Auflöserin der „Wirtschafts- und der Moralkrise“ ?

Anlässlich ihres Auftritts in Westfrankreich schwang Marine Le Pen sich zur Sauberfrau der Nation auf. Vor allem in Sachen Ökonomie. So forderte die rechtsextreme Politikerin: „Man muss den Staat reinigen von den Profiteuren, den Geschäftemachern, den Korrupten.“ ((Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2011/09/17/marine-le-pen-se-pose-en-avocate-de-la-morale-publique_1573904_823448.html#ens_id=1556164)) Unter Berufung auf die „Nationalheilige“ der extremen Rechten – Jeanne d’Arc -, den katholischen Kirchenlehrer des 13. Jahrhunderts Thomas von Aquin, den früheren Präsidenten Charles de Gaulle und den 1914 ermordeten Sozialistenführer Jean Jaurès (wild durcheinander, um einmal mehr die politischen Codes durcheinander zu wirbeln und Verwirrung zu stiften) attackierte sie die „Oligarchen aller Art“.

Unter Berufung auf die Korruption, als vermeintliches Bindeglied zwischen beiden Thematiken, griff sie gleichermaßen „die moralische Krise“ und „die wirtschaftliche Krise“ an, wobei Erstere angeblich Zweitere erklärten soll. Die Chefin des Front National fügte dazu wörtlich hinzu: „Es ist eine doppelte Krise, für die wir sofort Lösungen finden müssen. Eine wirtschaftliche, finanzielle und soziale Krise und eine Krise der öffentlichen Moral (= Moral im Staate) und damit in der Politik. Die zweit(genannt)e hat natürlich die erste ins Rollen gebracht.“ Aufgrund der Politikerkorruption, so suggeriert diese Aussage. So stark kann in Wirklichkeit freilich überhaupt keine Korruption in der Republik sein, dass sie als solche den aktuellen Zyklus der Krise der Kapitalverwertung in Form der seit 2007 ausgebrochenen Finanz- u. Wirtschaftskrise internationalen Charakters erklären könnte…  

Pathetisch rief Marine Le Pen dazu aus: „Man muss die Ökonomie reinigen von den Spekulanten und Betrügern. Das ist es, was die Geschichte uns in Erinnerung ruft.“ Als konkrete Schritte suggerierte Marine Le Pen zunächst vor allem „Untersuchen zur moralischen Lebensführungen für öffentliche Persönlichkeiten wie beispielsweise Dominique Strauss-Kahn und Georges Tron.“ Gegen beide Politiker, den französischen Sozialdemokratischen (und früheren IWF-Direktor) Strauss-Kahn und gegen den konservativen Minister für den öffentlichen Dienst, welcher Ende Mai 11 zurücktreten musste, wurde und wird wegen jeweils mehrerer Vergewaltigungsvorwürfe – auch nach Einstellung des prominentesten Strafverfahrens gegen „DSK“ in New York – ermittelt. Sodann lobpreiste Marine Le Pen das noch nicht erschienene, aber aufgrund mehrerer Vorabdrucke in seinen spektakulärsten Enthüllungen bereits bekannte, neue Buch des französischen chauvinistisch-populistischen Schriftstellers Pierre Péan: La République des mallettes (Die Republik der Koffer).

Wer im Glashaus sitzt…

In diesem Buch von Péan – der mutmaßlich einmal mehr durch Quellen innerhalb der staatlichen und parastaatlichen „Apparate“, etwa bei den Nachrichtendiensten, „gefüttert“ worden war – geht es um diverse Finanzskandale, bei denen Politiker und ihre Günstlinge insbesondere zum Dank für das Einfädeln von Waffengeschäften mit Millionenzahlungen belohnt worden waren. Diese Affären sind durchaus sehr real, wie die jüngsten Enthüllungen im Juli/August 2011 durch die linke Internetzeitung Médiapart zu den Verstrickungen des französisch-libanesischen Geschäftsmanns Ziad Takieddine – als einer der Mittelsmänner für Waffengeschäfte im Auftrag von Nicolas Sarkozy, u.a. in Libyen zwischen 2005 und 2009, hatte er außergesetzliche Profite in mehrfacher Millionenhöhe eingestrichen – zeigten. Péan ist dabei des Öfteren (wohl im Auftrag einflussreicher politischer Kreise) unterwegs, um, ähnlich wie der als „Rachenputzer“ bekannte afrikanische Vogel einem Krokodil die Zähne säubert, bestimmte Einzelfiguren in der politischen Elite zu attackieren und dadurch bestimmte politische Rivalitäten zu regeln. So attackiert er in seinem neuen Buch auch im Afrikageschäft sowie auf dem Waffensektor tätige Protagonisten, wobei jedoch Nicolas Sarkozy selbst und seine engere Umgebung erstaunlich verschont bleiben. Nicht total, aber doch weitgehend.

Auf die Vorankündigungen zu Pierre Péans Buch folgte am 11. September 11 ein Aufsehen erregendes Interview mit dem Pariser Anwalt libanesisch-senegalesischer Herkunft, Robert Bourgi. Letzterer war seit Jahren als ein Türöffner und Einfädler von Kontakten zwischen der französischen politischen Elite und Autokraten in der neokolonialen Einflusssphäre Frankreichs in Afrika bekannt. Seit 2008 häuften sich die Presseberichte über ihn. Im März jenes Jahres war Bourgi der führende Mittelsmann gewesen, als der Druck dreier Diktatoren in Erdöl produzierenden afrikanischen Ländern und „Partner“staaten der Neokolonialmacht Frankreich (Gabun, Kongo-Brazzaville, Kamerun) zur Absetzung des damaligen französischen Ministers „für Entwicklungszusammenarbeit“ – Jean-Marie Bockel – und seinem Austausch durch einen „willfährigeren“ Minister, Alain Joyandet, führte. (Joyandet selbst flog aufgrund flagranter Korruption im Amt dann Anfang Juli 2010 aus der Regierung. Zuvor war er der Mann gewesen, der die Beziehungen zwischen Frankreich und den „befreundeten“ Potentanten reibungsloser gestalten sollte, als dies unter seinem Amtsvorgänger Bockel der Fall war.) In seinem Interview für die Sonntagszeitung JDD erzählte Bourgi von gefüllten Geldkoffern mit Millionenbeträgen in bar, welche er selbst zwischen Ländern wie Gabun und Paris hin- und hertransportiert habe. Übergeben habe er sie direkt an Jacques Chirac und seinen früheren Berater und zeitweiligen Außenminister Dominique de Villepin, Bourgi beziffert die illegal und heimlich übermittelten Beträge dabei selbst auf „rund 20 Millionen Euro im Jahr“. Seltsam ist nur, dass Robert Bourgi zwar Sarkozys Amtsvorgänger Chirac sowie Sarkozys derzeitigen Erzrivalen de Villepin attackierte – aber Nicolas Sarkozy selbst nirgendwo angriff. Diese illegale Finanzierung französischer Politiker durch afrikanische Diktatoren – ein sehr realer und kritischen Geistern seit längerem bekannter Vorgang, der auf der Aufteilung der den afrikanischen Völkern gestohlenen Extraprofite auf Erdöl und andere Rohstoffe zwischen Spitzenpolitikern dort und in Frankreich beruht – ist jedoch seit Amtsantritt Nicolas Sarkozy keinesfalls gestoppt worden. Im Gegenteil, die Beziehungen zum allerwichtigsten dieser Mafiapaten, dem von 1967 bis zu seinem Tod im Mai 2009 lockere 42 Jahre lang regierenden Präsidenten von Gabun (Omar Bongo), wurden unter Sarkozy noch enger geknüpft. Omar Bongo war ein Finanzier bedeutender Teile der politischen Elite in Frankreich, von der Sozialdemokratie über den konservativen Bürgerblock bis zur extremen Rechten. Omar Bongos Tochter Pascaline, die für die Finanz-Angelegenheiten im Herrscherhaus zuständig war, war bei der Auftaktveranstaltung zu Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf im Januar 2007 (für diese „Krönungsmesse“ wurden 30.000 Leute zusammengekarrt) als geladener Gast in der ersten Sitzreihe platziert worden. Nicht zufällig.

Pech für die extreme Rechte und ihre zu erwartende Anti-Korruptions-Saubermann-Kampagne war nur, dass Robert Bourgi (einmal in Fahrt gekommen) am 12. September 11 auf mehreren Kanälen nochmals nachlegte. So war er beim Radiosender ,Europe 1’ eingeladen und plauderte dort noch einmal munter drauflos – und seine Enthüllungen zogen noch weitere Kreise. (Ursächlich für seine Gesprächigkeit sind mutmaßlich Rivalitäten innerhalb der politischen Mafia, um welche es dabei geh – aber auch eine narzisstische Kränkung des eitlen Fatzkes Robert Bourgi darüber, dass seine Bedeutung in den letzten anderthalb Jahren abgenommen hat und er seinen Stern am Sinken sah. Eventuell spielt auch ein Erpressungs- und Druckmanöver durch die gabunische Autokratie, wo inzwischen Omar Bongos Sohn – Ali Ben Bongo – als, hüstel, „gewählter“ Präsident amtiert, eine Rolle.) Dieses Mal bezog Bourgi auch Jean-Marie Le Pen, den langjährigen Chef des Front National von der Gründung der Partei im Oktober 1972 bis im Januar dieses Jahres, mit ein. Auch er habe Geld von Omar Bongo bezogen.

Und tatsächlich ist diese Enthüllung mehr als nur „plausibel“, ja, sie trifft mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zu. Tatsächlich war bekannt, dass auch Jean-Marie Le Pen und sein Umfeld an den Ausbeutungspraktiken in der neokolonialen Einflusssphäre Frankreichs in Afrika partizipierten. So bereiste Le Pen (senior) im April 1987 drei Schlüsselstaaten der damaligen Einflusszone Frankreichs auf dem Kontinent, deren Grenzen sich zwischenzeitlich ein wenig hin- und herverschoben haben: Côte d’Ivoire, Gabun und das damalige Zaire unter dem operettenreifen Diktator Mobutu Sese Seko. Dort besuchte der damalige FN-Chef die „Auslandsfranzose“, von denen viele aktive Träger des Neokolonialismus waren. Seinen Präsidentschaftswahlkampf 1988 – den ersten, den Jean-Marie Le Pen an der Spitze einer bereits über einen Massenanhang bei Wahlen verfügenden Partei bestritt – eröffnete Jean-Marie Le Pen, nicht zufällig?, am 18. April 1987, der Hauptstadt von Gabun. Von dort aus verkündete er seine Präsidentschaftskandidatur in Frankreich. Dabei dürften, nun ja, finanzielle Motive in nicht gerinem Ausmaß den Ausschlag gegeben haben. ((Ferner könnte man bspw. hinzufügen, dass Jean-Marie Le Pens früherer Chef-Leibwächter, Bernard Courcelle, nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst 1999 sich als Söldnerführer den Erdöl-Diktator von Kongo-Brazzaville, Denis Sassou Ngessou, verdingte.))

Robert Bourgi formulierte dies am 12. September 11 nun wie folgt: „Es hat Jean-Marie Le Pen nicht gestört, das Geld von einem Neger zu nehmen.“ (Unter Anspielung, vielleicht, auf eine ironische Selbstbezeichnung Omar Bongos. Letzterer, der zeitlebens in der französischen Politik ziemlich präsent war – unter anderem eben als Finanzier, dank der „seiner“ Bevölkerung gestohlenen Profite aus den Erdölvorkommen des Landes -, publizierte im Winter 2000/01 ein autobiographisches Buch in Frankreich, um sich gegen damals bereits laut gewordene Vorwürfe zu verteidigen. Sein Titel lautete: Blanc comme nègre, also „Weiß wie ein Neger“. Dies sollte ungefähr so viel ausdrücken wie die Vorstellung, er selbst habe eine wirklich blütenweiße Weste, und alle Vorwürfe gegen ihn beruhten lediglich auf Rassismus. Solchen Rassismus gegen Afrikaner/innen gibt es in Frankreich natürlich nicht zu knapp, nur war und ist nicht gerade der Chef einer Frankreich unterworfenen Erdöl-Diktatur ihr Opfer…)

Jean-Marie Le Pen giftete unmittelbar darauf zurück, Robert Bourgi sei „ein Lügner“. Ferner sei er „ein schiitischer Araber“ ( Bourgi ist libanesischer Abstammung, in vielen französischen Ex-Kolonien in Westafrika kontrollieren libanesische Familien Teile des Handels, wie die seinige im Senegal), und er – Le Pen – glaube nun einmal „meinen Landsleuten eher als einem Ausländer“. Um das Ganze abzurunden, fügte Jean-Marie Le Pen auch noch hinzu: „Wenn wir gerade bei Gerüchten sind, es ist mir zugetragen worden, dass Bourgi im ,Bois de Boulogne’ (Anm.: einem als Prostitutionsgebiet bekannten Pariser Stadtwald) anschaffen geht. Aber mit dem Gesicht, das er hat, dürfte er nicht viel Geld verdienen!“

Auch Marine Le Pen hinderten die auch für ihre Partei unangenehmen jüngsten Enthüllungen – die freilich nicht auf schriftliche Beweise gestützt sind, denn Bargeldfinanzierungen hinterlassen nun einmal keine Spuren – nicht daran, weiterhin die Sauberfrau Nummer Eins zu spielen. Anlässlich ihres Auftritts in Westfrankreich erklärte sie dazu nur, es gehe darum, durch Verleumdungen „die einzige saubere Partei in Frankreich“ (d.h. den FN) und „die einzige saubere Kandidatin“ – nämlich sie selbst – hinterhältig zu „beschmutzen“. Also wirklich, wie gemein von den Verleumdern…

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