Oscar-Preisträger Branko Lustig engagiert sich in Braunau

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Branko Lustig (79) ist trotz traumatischer KZ-Kindheit ein freundlicher, interessierter , lebhafter und wissbegieriger Mann. Im kroatischen Osijek geboren, überlebte er Auschwitz und Bergen-Belsen. Auch den Einschränkungen der geistigen Individualität und der demokratischen Rechte im Staate des Jugoslawien-Diktators Tito widersetzte er sich. Er produzierte den Film „Schindlers Liste“ und bekam dafür zusammen mit Steven Spielberg einen Oscar. Jetzt engagiert sich der Gründer einer erst in Zagreb, dann in den USA ansässigen Filmfirma um eine neue Bestimmung für das Haus „Salzburger Vorstadt Nr. 15“ – das Geburtshaus Adolf Hitlers. Kein Museum, sondern ein „Haus der Verantwortung“ soll es werden…

Von S. Michael Westerholz

Nicht nur der rührige, verbindliche Branko Lustig ist ein Glücksfall für Braunau: Er verbündet sich vielmehr mit Andreas Maislinger (56), einem jetzt Innsbrucker Wissenschaftler, der schon in New Orleans, Jerusalem und Linz lehrte, Kibuzznik war, gegen Österreichs Präsident Rudolf Kirchschläger die Mitwirkung österreichischer Jugendlicher an der Gedenkarbeit in Auschwitz durchsetzte. Seit Jahrzehnten setzt sich Dr. Maislinger unbeirrbar kritisch mit dem Thema „Nationalsozialismus“ auseinander. Er gehört zu jenen immer noch seltenen Österreichern, die einen ehrlichen Umgang mit der Geschichte einfordern und nachgerade Beispiel gebend zur Bewältigung und Aufarbeitung der Verbrechen beitragen.

Vom 23. bis 25. September leitet er die 20. Braunauer Zeitgeschichts-Tage. Er hat sie selbst gegründet. Sie waren einst mit dem Titel „Unerwünschtes Erbe“ eröffnet worden und heißen heuer: „Schwieriges Erbe“ – getreu der These des Politologen und Historikers Maislinger, dass Österreicher Mittäter gewesen waren: 1938 hatte eine Mehrheit von ihnen den Anschluss ihrer Heimat an das Deutsche Reich und den gleich anschließend das Land durchfahrenden Österreicher Adolf Hitler frenetisch gefeiert. Beim totalen Zusammenbruch im Jahre 1945 wandelten sie sich flugs zu „ersten Opfern des Aggressors Hitler“.

Für Braunau, das zwar nur drei Jahre die Heimat des Kleinkinds Hitler gewesen war, der sich später kaum für die Stadt interessierte, könnte sich das Engagement der beiden auswärtigen Persönlichkeiten als Glücksfall erweisen. Auch in der Bewältigung der grausigen Hitler-Geschichte, der Frage nach der historischen Schuld der Deutschen und der Österreicher dürfte das Eingreifen der beiden Männer ein glückhaftes Ereignis sein: Lustig und Maislinger sind in nichts verstrickt, was den Mythos Braunau, Hitler oder die Neonazi-Erscheinungen in den beiden benachbarten Ländern betrifft: Das Haus aus dem 17. Jahrhundert, das Hitlers Parteikanzleichef Martin Bormann 1938 kaufte und 1945 an die Vorbesitzer zurückfiel, gilt ihnen nicht als Museums-würdig. Das eben war es viel zu lange für klammheimliche Besucher Braunaus aus dem ewig gestrigen braunen Bodensatz in der Bevölkerung. Dass der Sozialverband Lebenshilfe, der behinderten Menschen hilft, Menschen-würdig und soweit eben möglich selbstbestimmt zu leben, das Haus aufgegeben hat, bedauerte nicht nur Braunaus Stadtspitze: Waren ja die Behinderte ein Ziel des Vernichtungswillens Hitlers und seiner Mitverbrecher gewesen. Hier, ausgerechnet in Hitlers Geburtshaus, demonstrierte ihre bloße Anwesenheit als Bewohner und Werkstättenarbeiter den Triumph: „Wir sind trotz der Euthanasie noch da!“

Andreas Maislinger arbeitet seit 2000 an seiner Idee eines Braunauer Hauses des Gedenkens und der Begegnung. Kein österreichisches, sondern ein internationales Projekt sieht er vor. Er will keinesfalls den Menschen der heutigen Generation die Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit aufbürden. Dem Vorwurf einer „Kollektivschuld“ hat er stets widersprochen. Andererseits sei es aber doch klar, dass man an Hitler nicht vorbeikomme, weder in Braunau, noch in Passau, dem nächsten Wohnort der Familie Hitlers, noch in der Historie überhaupt. Und darum solle in dem eigentlich schönen, geschichsträchtigen alten Bürgerhaus ein Stockwerk der Gegenwart, ein weiteres der Zukunft gehören: Projekte der internationalen Verständigung und des Friedens sollten hier gezeigt, entwickelt, miteinander diskutiert werden. Wissenschaftler und Schüler sollten dort zusammentreffen, gemeinsam erarbeiten, wie der Weg aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft aussehen soll.

Dass der derzeitige Braunauer Bürgermeister Hannes Waidacher sich hinter Maislingers Idee und Vorstellungen stellt, ist ein Zeichen neuen Umgangs auch der Braunauer Stadtspitze mit der Vergangenheit. Er führt weg vom alljährlichen Ritual des Gedenkens, von dem so gut wie keine Impulse mehr für ein Engagement junger Menschen ausgingen. Bürgermeister Waidacher stellt sich vor, dass der Staat das Haus kauft. Dann könne es in etwa drei Jahren mit der neuen Zielsetzung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Prominente Hilfe erhofft man sich vom Ersten Präsidenten des Landtages Oberösterreichs, Friedrich Bernhofer (60): Dem Mann aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) wird Interesse an der guten Sache zugetraut, zumal er selbst aus dem Innviertel stammt, Bürgermeister in Engelhardszell an der Donau unweit Passaus und Braunaus war und dort von der stillen Loyalität und Toleranz der Trappisten-Schweigemönche aus deren uraltem örtlichem Kloster geprägt wurde.

Branko Lustig hat nicht einen Augenblick gezögert, sich in Maislingers gute Sache einzubringen. Im Jahre 2009 wurde der Österreicher Maislinger im Holocaust-Memorial in Washington geehrt. Zu seiner Freude stand Lustig neben ihm – ebenfalls zur persönlichen Ehrung angereist. Die beiden Ausgezeichneten kamen ins Gespräch. Lustig horchte auf, als Maislingfer ihm vom Geburtshaus Hitlers in Braunau erzählte und ihm seine Idee für ein „Haus der Verantwortung“ erläuterte. Er spürte, welches Feuer in Maislinger brannte, hielt dessen Idee für „wunderbar“. Vor einem Jahr trafen sich die beiden Männer anlässlich eines Filmfestivals in Zagreb. „Ich komm´ nach Braunau“, versprach Lustig dem Politologen aus Tirol – und nun ist er ab 23. September in der Grenzstadt zwischen Bayern und Österreich: Er will als Überlebender der KZ anwesend sein, ein Zeuge des Mordes an den sechs Millionen unschuldigen Juden. Und er will damit demonstrieren, dass nicht nur in Braunau kein Platz ist für die Nazis und für die Ewiggestrigen, dass sie keine Zukunft haben und dass er, der geschundene, verfolgte, verfemte Jude immer noch DA ist. Noch schöner ist es für Maislingers Idee von der internationalen Stätte, dass Branko Lustig versprochen hat, das Projekt in den USA bekannt zu machen und zu bewerben.

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