Gedenkkultur in Passau

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Passau war zuletzt Gegenstand einer Berichterstattung auf „hagalil“. Für uns ein willkommener Anlass doch einmal Erinnerungsarbeit in unserer Stadt, die gleichzeitig auch Zukunftsarbeit ist, für eine größere Öffentlichkeit darzustellen und einen Einblick zu geben in vielleicht nicht uninteressante Strukturen…

Von Rita Loher-Bronold
Kulturamt der Stadt Passau

Das Erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus hat sich bei uns in Passau, vor allem im Laufe der vergangenen 2 Jahrzehnte, Stück für Stück in unterschiedlichen Facetten zu einer Kultur des Gedenkens entwickelt. Der Blick zurück zeigt, dass dieses Erinnern vor rund 30 Jahren noch schwer gefallen ist. Die Autorin Anna Rosmus hat damals damit begonnen in ihrer Heimatstadt Passau den Ereignissen und Entwicklungen während der Zeit des Nationalsozialismus nachzugehen und ihre Erkenntnisse zu publizieren. Unsere Stadt hat in der Folge den Weg der bewussten und wissenschaftlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit beschritten. Der Prozess der damit verbunden gewesen ist, war nicht bequem und ist auch nicht emotionslos verlaufen.

Damals wurde eine Entwicklung in Gang gebracht, die bis heute positiv nachwirkt. Die Kultur des Gedenkens gehört heute als wichtiger Bestandteil zum öffentlichen Leben in unserer Stadt. Eine Vielzahl von Aktionen, Initiativen und Projekten von Stadt und engagierten Bürgern, allen voran der seit Jahren aktive Arbeitskreis Christen und Juden, belegen das Bedürfnis der Stadt und ihrer Bürger aufmerksam und achtsam mit dem Thema umzugehen und Bewusstseinsarbeit für die Zukunft zu leisten.

Erinnerungsarbeit ist wichtig und notwendig, um den Weg in eine gute Zukunft zu bereiten, denn sie soll uns und die uns nachfolgenden Generationen schützen vor menschlichen Katastrophen, wie sie die nationalsozialistische Ideologie produziert hat. In diesem Sinne ist uns in Passau vor allem wichtig den Stab des Gedenkens auch an die jungen Leute weiterzugeben. Die Stadt versucht die Jugend aktiv in die Erinnerungsarbeit einzubeziehen und wird dabei von den Schulen unterstützt.

Wichtige Grundlagenarbeit wurde geleistet durch die wissenschaftliche Aufarbeitung und Dokumentation der Zeit des Nationalsozialismus und die Geschichte von jüdischem Leben in Passau. Buchprojekte, wie das in der Schriftenreihe der Universität Passau von Prof. Dr. Winfried Becker herausgegebene Werk über „Passau in der Zeit des Nationalsozialismus“ mit einem Beitrag auch zur Geschichte der Passauer Juden in der Zeit von 1933-1945 und ein in der Dokumentation zur Errichtung des Mahnmals erschienener Beitrag über „Aspekte jüdischen Lebens in Passau“ geben umfassend Information. Eine interessante Ergänzung dazu bieten Zeitzeugenberichte im Buch „Alltag, der nicht alltäglich war“, das vom Stadtarchiv Passau herausgegeben wurde. Im Oberhausmuseum Passau informiert die Abteilung Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Minderheiten im 15. Jh. unter anderem mit einer Multimediaschau über das Thema Antijudaismus.

„Der Name ihrer Stadt gibt mir Hoffnung“ – das waren die Worte von Dr. Ralph Giordano, dem für sein journalistisches Werk und politisches Engagement mehrfach ausgezeichneten Holocaustüberlebenden, am Ende einer vielbe-achteten Rede am 9. November 2008 in Passau, im Rahmen des Gedenkens an die Reichspogromnacht vor 70 Jahren. Damit brachte er seinen Respekt vor der Erinnerungsarbeit, die in unserer Stadt geleistet wird, zum Ausdruck. Hier nun einige Facetten der Gedenkkultur in Passau…

Das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Passau

Ein wichtiger Baustein der Gedenkkultur in Passau ist das „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus“ an der Innpromenade. Das vom österreichischen Bildhauer Wolfgang Kirchmayr geschaffene Mahnmal, dessen Realisierung einiger Anläufe bedurft hat, ist seit seiner Enthüllung am 10. November 1996 ein weithin sichtbares Zeichen unseres Bemühens um das Erinnern und gegen das Vergessen. Die Stadt organisiert dort alljährlich Gedenkveranstaltungen, begleitet von kulturellem Programm und versucht in diesem Rahmen ein Bewusstsein zu geben für die elementaren Lehren von der Würde des Menschen und ihrer Verletzlichkeit, zu sensibilisieren für die Gefährdungen der Demokratie und für die Verantwortung jedes Einzelnen.

Die Errichtung des Mahnmals wurde begleitet von der Herausgabe einer Broschüre, die neben der Entstehungsgeschichte des Mahnmals, unter anderem auch Gedanken von Historiker und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter Steinbach zur „Anstrengung der Erinnerung“ und einen Beitrag des Passauer Autors Dr. Stefan Rammer über „Aspekte jüdischen Lebens in Passau“ beinhaltet.

Gedenktafel für die Jüdin Lydia Zach und ihren Ehemann Josef Zach verbunden mit dem Gedenken an die ehemaligen jüdischen Mitbürger in Passau

Seit 1994 erinnert, auf eine Initiative von Anna Rosmus zurückgehend, eine Gedenktafel an der Grabstätte von Lydia und Josef Zach im Passauer Innstadtfriedhof an die während der NS-Zeit in Passau verfolgten jüdischen Mitbürger und an all diejenigen, die ihnen damals geholfen haben. Dank ihres couragierten Ehemanns, des Passauer Katholiken Josef Zach, hatte die Jüdin Lydia Zach die NS-Zeit in Passau unbeschadet überstanden.

Gedenken an die ehemaligen jüdischen Mitbürger – ein vom Stadtjugendring Passau in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Passau im Jahr 2004 initiiertes Schulprojekt

Der Holocaust an den Juden, das schrecklichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, weist uns einen klaren Weg in die Zukunft. Von Generation zu Generation muss versucht werden ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig es ist Toleranz zu üben und Menschen, egal welcher Abstammung sie sind und welche Traditionen sie haben, mit Achtung und Respekt zu begegnen.

Im Jahr 2004 gab es in Passau anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938, ein Schulprojekt im Rahmen dessen mehr als 100 Schüler in der Altersstufe zwischen 15 und 20 Jahren die Geschichte der jüdischen Mitbürger während der NS-Zeit in Passau im Stadtarchiv recherchierten. Im Rahmen einer Gedenkstunde am 9. November 2004 wurden die so ermittelten Biografien der Familien verlesen. Vor den ehemaligen Wohn- und Geschäftshäusern der jüdischen Mitbürger brannten an diesem Tag von den Schülern dort platzierte Kerzen. So wurde an diesem 9. November 2004 jedem Einzelnen der ehemaligen jüdischen Mitbürger symbolhaft wieder ein Platz in unserer Stadt gegeben.

Erinnerung an das Judenpogrom im Jahre 1478 mit einer Gedenktafel an der profanierten Kirche St. Salvator

An der profanierten Kirche St. Salvator mahnt seit März 2005 eine Tafel zum friedlichen Miteinander von Völkern und Religionen sowie von Christen und Juden. An dem Ort, an dem die Kirche heute steht, befand sich im Mittelalter die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Passau. Die Gedenktafel erinnert an das Judenpogrom des Jahres 1478 sowie die damit verbundene Zerstörung der Synagoge und benennt genau die Ereignisse von damals, denn das Unrecht, das den Juden der damaligen Zeit zugefügt wurde, ist Teil der unheilvollen Geschichte, die schließlich im Holocaust ihren Höhepunkt fand.

Anstoß zu dieser Gedenktafel gab eine in den Medien geführte öffentliche Diskussion über den Umgang mit steinernen Zeugen einer antijüdischen Vergangenheit. Die Tafel wurde am 8. März 2005 vom
damaligen Oberbürgermeister Albert Zankl gemeinsam mit Diözesanbischof Wilhelm Schraml, im Rahmen einer großen Veranstaltung in St. Salvator, im Beisein von Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde Straubing, enthüllt.

Gedenktafel für ermordete russische Kriegsgefangene am Adalbert-Stifter-Gymnasium Passau

Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus verband sich am 27. Januar 2009 mit der Enthüllung einer vom Kulturamt der Stadt Passau initiierten Gedenktafel am Passauer Adalbert-Stifter-Gymnasium. Diese Tafel soll ins Bewusstsein bringen, was Krieg, Gewalt und eine menschenverachtende Ideologie in der Zeit des Nationalsozialismus an Leid über die Menschen gebracht haben.

In den Jahren 1945 – 1956 befand sich auf dem jetzigen Sportplatzgelände der Schule die letzte Ruhestätte von russischen Kriegsgefangenen, die am 26. April 1945 von einer militärischen Einheit, deren Identität nie geklärt werden konnte, im Neuburger Wald im Bereich Ingling erschossen wurden. Ebenfalls hier bestattet wurden die wenigen ihrer namentlich bekannten Kameraden, die in Passauer Lazaretten verstorben waren. Im Oktober/November 1956 wurde der Friedhof aufgelöst und die sterblichen Überreste der 139 russischen Kriegsgefangenen in die Kriegsgräberstätte Neu-markt/Oberpfalz umgebettet.
Die Gedenktafel am Gebäude des Adalbert-Stifter-Gymnasiums erinnert an diese Opfer und mahnt Verantwortung zu übernehmen für eine demokratische, freie und friedlich–tolerante Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft.

Gedenktafel für die jüdischen Niedernburg-Schülerinnen Margot u. Rosa Grünebaum und alle ehemaligen jüdischen Mitbürger in der NS-Zeit

Im Rahmen eines Projekt-Seminars haben sich Schülerinnen des Gymnasiums der Gisela Schulen Niedernburg im Herbst 2009 auf die Spuren der in der NS-Zeit in Passau lebenden jüdischen Familien begeben.
Diese Spurensuche hat eine Gedenktafel für ehemalige jüdische Schülerinnen in Niedernburg hervorgebracht, die sich auch mit der Erinnerung an alle ehemaligen jüdischen Mitbürger in Passau verbindet. Die Gedenktafel wurde am 27. Januar 2011, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Projekt das nicht nur für die Schule, sondern vor allem auch für unsere Stadt von Bedeutung ist, geht es dabei doch um einen wichtigen Beitrag zur Gedenkkultur. Die Schülerinnen haben das Unrecht von damals in einer sehr nachhaltigen Form sichtbar werden lassen und geben im Besonderen den namentlich auf der Gedenktafel genannten früheren Niedernburg-Schülerinnen Margot und Rosa Grünebaum, die beide ihr Leben lang die alte Heimat sehr vermisst haben, wieder etwas von der ihnen damals verwehrten Achtung und Wertschätzung zurück. Auch diese Gedenktafel wird dazu beitragen, dass Erinnerungsarbeit in unserer Stadt eine Zukunft hat. Von ihr sollen Impulse ausgehen für Mitmenschlichkeit und Toleranz und sie soll auffordern wachsam zu sein gegenüber Vorurteilen und Klischees. Auch künftige Schülerinnen-Generationen werden durch die Gedenktafel in Berührung gebracht mit der Bedeutung, der in unserem Grundgesetz verankerten Unantastbarkeit der Würde des Menschen und mit der Verantwortung, die für jeden Einzelnen daraus erwächst.

Gedenkkultur in Passau – ein Prozess der, wie wir denken, weitergehen wird! Mittlerweilen kümmern sich auch unsere jungen Leute in besonderer Weise um das Thema, wobei jede Generation gewiss ihre eigene Form dafür entwickeln wird. Der Blick zurück ist und bleibt notwendig, denn er gibt Orientierung für die Zukunft. In diesem Zusammenhang gilt es sich um das Denken unserer Jugend zu kümmer-n und demokratisches Verhalten, ziviles Engagement, Toleranz und die Weltoffenheit der jungen Leute zu fördern.

Bei einem Treffen im Passauer Rathaus am 27. Mai 2009, zu dem alle Schulleiter der Stadt eingeladen waren, wurde von Oberbürgermeister Jürgen Dupper zum Ausdruck gebracht, dass die Stadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Schulen bei dieser für unsere Gesellschaft wichtigen Bewusstseinsarbeit unterstützen wird. Natürlich engagieren sich unsere Schulen bereits in vielfältiger Weise, so in ganz
besonderer Weise zum Beispiel die bei uns in Passau zertifizierten „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“. Dieses Engagement kann nicht früh genug beginnen und so wurde zum Beispiel in der Grundschule Innstadt schon vor längerem in Zusammenarbeit mit einer dem Arbeitskreis Christen und Juden angehörenden früheren Religionspädagogin ein Projekt gestartet. Alljährlich werden Schüler der jeweiligen 4. Klassen im Umfeld des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, anhand der Geschichte der Kinder aus Theresienstadt, mit dem Thema NS-Vergangenheit und dem in unserer globalisierten Welt zunehmend wichtigen Thema „Toleranz“ in Berührung gebracht und wird versucht ihnen eine Vorstellung von der Bedeutung des Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus in Passau zu
geben.

Anzumerken bleibt, dass es im Laufe der Zeit eine ganze Reihe, von der Stadt Passau realisierter großer Veranstaltungsprojekte gab, die die Erinnerungsarbeit in Passau unterstützen sollten, wie zum Beispiel Anne-Frank-Wochen mit Ausstellung und viel Programm, eine umfangreiche Veranstaltungsreihe die der Geschichte Israels und der Geschichte des Judentums gewidmet war, ein Baumpflanzprojekt in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Nationalfonds e.V. im KKL Park in Jerusalem, Ausstellungsprojekte über Strukturen des christlichen Antijudaismus, Ausstel-lungsprojekte mit dem MAGNUM-Fotografen und ehemaligen jüdischen Mitbürger Erich Hartmann über Konzentrationslager, eine Ausstellung mit Werken von Künstlern aus dem KZ Flossenbürg, eine Reihe von Zeitzeugen war mit interessan-ten Vorträgen in unserer Stadt zu Gast und vieles, vieles mehr.

Erinnerungs- und Zukunftsarbeit verstehen wir in Passau als einen immerwährenden gesellschaftlichen Auftrag, den wir mit unseren Möglichkeiten versuchen zu erfüllen!

6 Kommentare

  1. Wer immer noch Zweifel hegt, ob und in wieweit besonders sein katholisches Christentum Verantwortung für den mörderischen Antisemitismus des Nationalsozialismus‘ trägt, dem sei die Lektüre des Wikipediabeitrags „Gottesmord“ empfohlen:
     
    Als Gottesmord (lat. Deizid) oder – seltener – als Christusmord bezeichnen manche Vertreter des Christentums eine angebliche unaufhebbare Kollektivschuld des Judentums an der Kreuzigung Jesu von Nazaret als des Sohnes Gottes.
    Diese These begründete seit dem 2. Jahrhundert eine fundamentale Abwertung und Ausgrenzung („Verwerfung“) aller Juden in der Christentumsgeschichte. Sie ist damit ein Zentralmotiv des christlichen Antijudaismus. Diese religiöse Diskriminierung der Juden ging mit dem Aufstieg der Kirche zur Staatsreligion des Römischen Reiches einher und rechtfertigte fortan vielfach die Unterdrückung und Verfolgung der jüdischen Minderheit. Das in der Volksfrömmigkeit immer neu befestigte und verankerte Motiv trug wesentlich dazu bei, dass Judenfeindlichkeit nahezu 1800 Jahre lang ein „kulturelles Grundmuster“ (Stefan Rohrbacher) der Geschichte Europas wurde. Diese begünstigte Entstehung, Ausbreitung und Duldung des modernen Antisemitismus, der den mehrheitlich von Getauften ausgeführten Holocaust an den europäischen Juden im christianisierten Europa mit ermöglichte.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesmord

  2. Eine Gedenktafel aufzustellen, bedeutet oder ersetzt noch lange keine tiefgehende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Judenfeindschaft.
     
    Genau das ist es. Vielen Dank für diesen Gedaken, S.Mayer! Genau davor schrickt man bei uns in Bayern (und Deutschland) zurück. Man will es nicht, man will die breite Diskussion nicht, will weder Aufarbeitung noch Auseinandersetzung, weil man schon ahnt, dass noch mehr und noch mehr und noch mehr dabei herauskommt, was die ‚Ehre‘ des Landes bekleckern könnte, was uns unsere falsche Harmonie nehmen, was uns unser ‚unbeflecktes‘ Eigenbild rauben könnte.
     
    Dabei schaden wir uns, unseren Kindern, der ganzen Gesellschaft mit jedem Jahr mehr, das wir mit Heucheleien und Lügen verbringen.
    Anstatt endlich zu beginnen, mit dem Großreinemachen in unserer Vergangenheit, schieben wir es auf Übermorgen, machen wir uns vor, dass die Zeit noch nicht reif ist, warten wir auf eine Lösung, die uns all das ersparen könnte, was wir befürchten.
    Aber so eine Lösung gibt es nicht.
    Gewaschen werden, ohne dabei mit Wasser in Berührung zu kommen, geht halt leider nicht.
     
    An meinen beiden Beiträgen zu Thannhausen und Passau erkennen wir nur zu deutlich, wie stark noch jene schädlichen Kräfte der Revision, des Festhaltenwollens an Lügen und Vorurteilen wirken, wie weit viele von uns noch im archaischen Denken verwurzelt sind.
     
    Der Jude ist schuldig! Er muss einfach schuldig sein – das wussten schon unsere Vorfahren. Also haben auch wir die Verpflichtung den Juden als schuldig anzusehen.
    Diese historische Schuld des Juden war denn auch mit ein Grund für seine Vernichtung im Dritten Reich…
     
    Es sind Leute wie dieser Diözesan-Archivar Wurster, die an solchem Quatsch festhalten und ihn bis in alle Ewigkeit lehren und propagieren wollen. Und Koopmänner und Co. haben nichts Besseres im Sinn als das Weiterleben dieser fürchterlichen Tradition der Lügen um eine weitere Generation zu verlängern.
     
    Leute wacht endlich auf, wir leben im 21. Jahrhundert! Schluss mit Lügen, mit Heuchelei und mit Selbstbetrug!
    Ihr seht doch selbst, wie den Katholiken die Schäflein davonrennen, zuerst wegen Benedikt, dann wegen der Pädophilen, nächstes Jahr wegen was anderem – Kirchenaustritte über Kirchenaustritte, weil die Leute die Lügen satt haben, weil sie ernst genommen werden wollen, weil sie doch innerlich spüren, dass es so nicht für immer weitergehen kann.
     

  3. Ohne die Verhältnisse in Passau genauer zu kennen, fällt auf, dass das Passauer Kulturamt auf Kritik mit der Wiederholung der üblichen Selbstdarstellungen reagiert. Allem Anschein nach hat man hierzu einfach den einschlägigen Inhalt der eigenen Homepage kopiert und als Beitrag für haGalil veröffentlicht.
    Auch wenn man Frau Rita Loher-Bronold die Rede vom immerwährenden gesellschaftlichen Auftrag (persönlich) gerne abnehmen möchte, ist es ein Armutszeugnis allein auf die städtischen Mahnmale hinzuweisen und also Werbung in eigener Sache zu betreiben.
    Eine Gedenktafel aufzustellen, bedeutet oder ersetzt noch lange keine tiefgehende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Judenfeindschaft. Der unbeabsichtigte Beleg dafür ist der Gedenktafel-Text zur Kirche St. Salvator, der mit einem ominösen Apell für ein friedliches Miteinander von Christen und Juden, von Religionen und Völkern endet.
    Eine breite und ernsthafte Auseinandersetzung mit christlicher Judenfeindschaft hätte zu anderen Ergebnissen und Formulierungen führen müssen.

  4. Sehr geehrter Herr Koopmann,
     
    und warum erhält man dann in den Buchhandlungen Ihrer Stadt nur Absagen, warum bekam ich auf meine telefonische Anfrage bei der Stadt Passau eine negative Antwort? Nicht nur diese Lehrer, auch ich habe mich im Buchhandel durchgefragt und nur ‚bedauerndes Achselzucken‘ zur Antwort bekommen. Probieren Sie’s ruhig selbst aus! Was nützt das Vorhandensein, wenn’s nicht publik wird?
     
    Dass Sie ausgerechnet auf einen Beitrag des Diözesan-Archivars Wurster hinweisen, stellt Sie selbst in kein allzu gutes Licht, Herr Koopmann. Denn, wie ich in meinem Passau-Beitrag
    http://test.hagalil.com/2011/01/26/passau/
    gezeigt habe, handelt es sich bei diesem Archivar um keinen wirklich seriösen Autor, vielmehr um einen Apologeten der Kirchengeschichte, um einen Verdreher der historischen Wahrheit. Als Diözesan-Mitarbeiter erfüllt Wurster gewiss seine ‚Pflicht‘, nur zur Aufklärung ist sein Material eben leider ganz und gar nicht geeignet.
     
    Woran ich in meinem Beitrag zu Juden im bayerischen Heimatkundeunterricht in einer anderen Stadt des Freistaates
    http://test.hagalil.com/2011/03/21/thannhausen-2/
    erinnert habe, dass es eine Landeszentrale für politische Bildung gibt, die verlässliches Material zur Judengeschichte der einzelenen Orte anbietet und dass man dieses Material auch nutzen sollte, gilt auch für Passau.
    Herr Wurster jedenfalls bediente sich höchst zweifelhafter anderer Quellen.
     
    Außerdem, Herr Koopmann – wieso blenden Sie in Ihrem Einwand auf meinen Kommentar die Sinti-und-Roma-Geschichte völlig aus? Wo kann der Bürger sich über diese Minderheit informieren und über das Unrecht, das ihr auch in Passau angetan wurde, wo kann sich der Bürger über die inzwischen 600 Jahre alte Geschichte einer von allen vergessenen Minderheit in Bayern informieren? Nennen Sie mir eine Publikation der Stadt Passau! Auch die Veröffentlichungen des Freistaates zu Sinti und Roma gehen nur auf die NS-Zeit ein (wenn überhaupt) und blenden die lange Zeit davor und die nicht minder betrübliche Zeit danach vollkommen aus. Mit welcher Berechtigung? Sind Sinti und Roma für Euch bayerischen Katholiken keine Menschen? Gerade Bayern weist bekanntlich die blutigste und schändlichste „Zigeuner“-Geschichte aller deutscher Bundesländer auf. Nirgend wäre es daher angebrachter endlich aufzuklären und geeignete Publikationen anzubieten.
     
    Mit freundlichen…
     
    RS

  5. Sehr geehrter Herr Schlickewitz,

    gestatten Sie mir die Anmerkung, dass eine von Ihnen angemahnte Broschüre zur Geschichte der Juden in Passau sehr wohl längst vorhanden ist:

    Stefan Rammer (Hrsg.), Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Dokumentation und Aspekte zur Geschichte des „Dritten Reiches“ in Passau, mit Beiträgen von Peter Steinbach und Herbert W. Wurster. (Der Passauer Wolf. Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte Passaus 6) Passau 1996

    Die Publikation befasst sich schwerpunktmäßig mit der jüdischen Geschichte Passaus, insbesondere auch der Geschichte der mittelalterlichen Gemeinde. Sie kann über das stadtarchiv bezogen werden.

    Die große „Geschichte der Stadt Passau“, herausgegeben von Egon Boshof u.a. (1. Aufl. 1999) widmet der Geschichte der jüdischen Bevölkerung Passaus ebenfalls ein eigenes ausführliches Kapitel (S. 385-392).

    Vor diesem Hintergrund ist die angebliche Unfähigkeit von Passauer Lehrkräften, Informationen zur Thematik einzuholen, mehr als erstaunlich. 

    Mit freundlichen Grüßen

    Matthias Koopmann, cand. phil.

  6. Erinnerungs- und Zukunftsarbeit verstehen wir in Passau als einen immerwährenden gesellschaftlichen Auftrag, den wir mit unseren Möglichkeiten versuchen zu erfüllen!
     
    Wenn dies tatsächlich so wäre, warum erhielt ich dann auf meinen Passau-Beitrag hin dankbare Anrufe und Mails von Passauer Lehrern und Bürgern, die mir vorjammerten, es gäbe nichts, kein Buch, keine Broschüre, ja nicht mal ein Faltblatt, worin man sich über die Geschichte der Juden in Passau informieren oder gar womit man den Unterricht vorbereiten könne? – Man freue sich daher ganz besonders über die von mir bei haGalil veröffentlichten Daten, Fakten und Literaturangaben, so diese, unsere Landsleute weiter.
     
    Bei meinen häufigen Besuchen in Passau, das ich mittlerweile gut kenne, ging ich in Buchhandlungen und Antiquariate und fragte: „Haben Sie etwas über die Juden in Passau?“ – „Nein, leider nicht. Haben schon viele danach gefragt, aber leider Fehlanzeige.“ Das war die Standardauskunft, die ich erhielt.
     
    Von Mitarbeitern der Stadt Passau erfahre ich auf Anfrage ebenfalls, dass „momentan nichts abrufbar“ sei.
     
    Ja, was nützen denn dann die schönen Mahnmale und Initiativen und anderen Aktivitäten, wenn der Bürger weiterhin nichts bekommt, wo er nachschlagen und nachlesen kann, außer – hier bei haGalil (?).
     
    Was hält denn die Stadt Passau davon ab, eine kleine Broschüre zu der Geschichte der Juden zusammenzustellen und im Buchhandel sowie im Rathaus auszulegen?
     
    Liegt’s denn wirklich nur am Geld? Falls ja, veranstaltet’s doch eine Sammlung unter Euren Stadträten und Bürgermeistern (darunter sollen sich übrigens einige ganz besonders wohlhabende Leute befinden, für die selbst eine größere Spende nur ein Taschengeld bedeuten würde) und bringt’s ein Heftl ‚raus, damit die oben aufgestellte, vollmundige Behauptung vom Bürger nicht nur als ein blutleeres Lippenbekenntnis empfunden wird, liebe, sehr geehrte Verantwortliche der Stadt Passau!
     
    Und weil wir gerade dabei sind, werte Frau Loher-Bronold:
     
    Oben schreiben Sie „Unsere Stadt hat in der Folge den Weg der bewussten und wissenschaftlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit beschritten. Der Prozess der damit verbunden gewesen ist, war nicht bequem und ist auch nicht emotionslos verlaufen.
     
    Warum nur der Aufarbeitung „der nationalsozialistischen Vergangenheit“, warum nicht auch der der mittelalterlichen Judengeschichte? Sind die jüdischen Menschen, die im Mittelater von Christenhand gemeuchelt wurden, weniger wert als die, die von Deutschen im 20. Jh. ermordet wurden? Mit nicht weniger Eifer und Einsatz hätte die Stadt Passau auch die frühere Judengeschichte erforschen lassen sollen! Viele, die sich mit mir in Verbindung setzten, beklagten gerade diesen Mangel. Es ist allmählich an der Zeit die frühere Geschichte einer ähnlich peniblen Betrachtung zu unterwerfen wie die NS-Zeit.
     
    Nicht nur die Judengeschichte der Dreiflüssestadt gehörte endlich gründlich aufbearbeitet und in Publikationen festgehalten, sondern auch die Geschichte der Sinti und Roma. Die nahe Umgebung Passaus war eine beliebte Durchgangsstrecke für nichtsesshafte Reisende aus und nach Österreich. In Passau selbst traten auf und zogen durch bzw. waren später sesshaft geworden – die letzten Bärenführer-Roma Deutschlands! Bis in die 1950er Jahre hinein waren sie fester Bestandteil der Passauer Lokalkultur. Ein einmaliges und volkskundlich hochinteressantes Thema, das leider bisher unbeachtet geblieben ist.
     
    Warum gibt es bis heute kein Projekt, keine Initiative, kein Denkmal der Stadt Passau, welche sich diesem Thema widmen, Frau Loher-Bronold. Warum?
    Weil man mit „dene Scheißzigeiner“ (so ein in unserm Bayern bis heute gebräuchlicher Ausdruck) nichts zu tun haben will, oder weil noch kein Anstoß in dieser Richtung erfolgt ist, oder weil schon wieder die Mittel fehlen?
    Wertvolle Aufklärungsarbeit bzw. Abbau von grässlichsten Vorurteilen gäb’s hier zu leisten und damit echten ‚Lorbeer‘ zu verdienen, wenn man nur wollte…
     
    Darüber sollten’s auch noch nachdenken, liebe Frau Kulturamtschefin!
     
     

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