Rebellen in Bedrängnis

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Die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi sind in der Offen­sive. Nun wird lebhafter über eine Flug­verbotszone diskutiert…

Von Bernhard Schmid
Jungle World v. 17.3.2011

Nachträglich wirkt es wie ein Bild des Optimismus aus besseren Tagen. Am 1. März ging ein Foto um die Welt, das eine Hausfassade in der ostlibyschen Großstadt Bengasi zeigt. Man sieht drei Männer, die ein riesiges Transparent anbringen, das die Aufschrift trägt: »No foreign intervention – Libyan people can manage it alone.«

Es allein schaffen, das bezog sich auf den Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddafi. Zeitweilig schien es so, als wäre dessen Niederlage nur noch eine Frage von Tagen. Danach sieht es derzeit jedoch nicht mehr aus. Einstweilen jedenfalls ist der libysche Diktator in die Offensive gegangen, seine Truppen haben viele Stellungen der Rebellen überrannt. Die Küstenstädte Ben Jawad und Ras Lanouf am zentrallibyschen Golf von Syrte wurden erobert. Anfang der Woche rückten Gaddafis Truppen nach Ajdabiya vor, sie nähern sich allmählich der ostlibyschen Metropole Bengasi, wo sich die Führung der Aufständischen befindet.

Angesichts dessen wurde auch verstärkt über eine ausländische Militärintervention diskutiert. Anfänglich hatten die Rebellen, deren Führung in Bengasi, der Transitional National Council (TNC), aus Anwälten und Richtern, jungen Internetaktivisten, respektierten Stammespersönlichkeiten, abtrünnigen Militärs und ehemaligen Funktionären des Gaddafi-Regimes besteht, selbstbewusst eine Intervention abgelehnt. Mittlerweile befürwortet der TNC die Einrichtung einer Flugverbotszone, die Entsendung ausländischer Bodentruppen wird aber weiterhin abgelehnt.

Wie repräsentativ diese Ansicht für die libysche Opposition ist, bleibt unklar. Gaddafis Kampfflugzeuge fernzuhalten, würde den Rebellen sicherlich eine Erleichterung verschaffen, auch wenn ihnen die entscheidenden Schläge offenbar nicht aus der Luft zugefügt wurden. Ras Lanouf etwa wurde letztlich vom Meer aus eingenommen. Auch für die Unterdrückung der Proteste in Tripolis und anderen Städten, die vom Regime kontrolliert werden, sind keine Flugzeuge nötig.

Die Einrichtung einer Flugverbotszone war seit Ende Februar von den Großmächten mehrfach debattiert worden. Am 1. März erklärte US-General James Mattis vor einer Kommission des Senats, dies würde voraussetzen, dass man zuvor die libysche Luftabwehr durch gezielte Bombenangriffe ausschaltet, um eine Gefährdung der eigenen Flugzeuge auszuschließen. Wenn bei einer solchen Bombardierung auch libysche Zivilisten sterben, würde nicht nur das Regime Gaddafis entsprechende Bilder propagandistisch nutzen. In vielen Staaten der Region würde zumindest versucht, Protestierende als Agenten des Westens abzustempeln.

Die präventive Bombardierung ist militärisch nicht zwingend notwendig, doch es gibt andere politische Risiken. Vor allem hat wohl die Furcht, erneut in einen langwierigen Krieg hineingezogen zu werden, die US-Regierung zur Vorsicht bewogen. Bereits am 23. Februar hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates erklärt, Frankreich und Italien sollten die Führung übernehmen, sie seien die »am besten platzierten« Länder zur Durchsetzung eines Flugverbots über Libyen. Der damalige französische Verteidigungs- und gegenwärtige Außenminister Alain Juppé sagte zu dieser Zeit jedoch, es sei »keinerlei militärische Intervention« geplant.

Doch seit Donnerstag vergangener Woche befürwortet der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine militärischen Intervention. Einen Tag vor dem EU-Gipfel zu Libyen setzte er in Windeseile die Anerkennung des TNC als einziger legitimer Vertretung Libyens durch und sagte, Frankreich werde »notfalls im Alleingang« handeln. Unterstützung erhält Sarkozy vor allem von Großbritannien. Die deutsche Regierung ist sowohl hinsichtlich der Anerkennung des TNC als auch einer militärischen Intervention skeptisch, aber auch die US-Regierung will noch keine Entscheidung fällen und möchte erst einmal Gespräche führen, um die Vorhaben der Rebellenführer zu sondieren. Außenministerin Hillary Clinton, die sich diese Woche in Tunesien und Ägypten aufhält, wollte in Kairo mit libyschen Oppositionsvertretern verhandeln.

Das demonstrative Vorpreschen Sarkozys, der sich einmal mehr profilierungssüchtig zeigt, soll auch verdecken, dass Frankreich neben Italien noch in allerjüngster Zeit die intensivsten Kontakte zum libyschen Regime unterhalten hat. Erst in der zweiten Februarhälfte dieses Jahres, als Proteste und Repression in Libyen und im Golfstaat Bahrain bereits begonnen hatten, kündigte die französische Regierung an, umgehend »die Lieferung von Sicherheitstechnologie nach Libyen und Bahrain einzufrieren«. Dies bedeutet, dass beide Länder noch kurz zuvor beliefert worden waren.

Die Arabische Liga hat sich mittlerweile für eine Flugverbotszone über Libyen ausgesprochen, obwohl viele ihrer Mitgliedsstaaten selbst repressiv gegen die Proteste vorgehen. Beim Treffen der G8 am Dienstag konnten sich die Repräsentanten der Mitgliedsstaaten jedoch nicht einigen. »Ich habe sie nicht überzeugt«, sagte Juppé nach dem Treffen.