Antik: Die Geschichte der arabischen Juden

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Alle reden vom Nahostkonflikt, die einen machen dafür die Israelis verantwortlich, andere wiederum die Araber, die wenigsten aber wissen, welch enge Bande zwischen den Juden und den Arabern schon in der Antike bestanden und welch tiefgreifenden Einfluss die jüdische Lehre auf die Entstehung des Islam hatte…

Rezension von Elvira Grözinger
über: Gordon Darnell Newby, A History of the Jews of Arabia. From Ancient Times to Their Eclipse under Islam

Seit Abraham Geigers Schrift von 1833 „Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen“ gab es bei westlichen Wissenschaftlern nur wenig Interesse dafür, was die Forschung behinderte. Das Buch von Gordon Darnell Newby, Professor für West- und Südasiatische Religionen am Department for Middle Eastern and South Asian Studies der Emory University, über die Geschichte der Juden Arabiens in der Antike bis zum Aufstieg des Islams, ist zwar schon 1988 erschienen, wurde aber wohl angesichts seiner Aktualität für die heutige Diskussion, genährt nicht zuletzt durch das provokante Buch des israelischen Historikers Shlomo Sand, Die Erfindung des jüdischen Volkes: Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, 2009 erneut aufgelegt. Der schmale Band, vom Autor als Essay bezeichnet, wendet sich an die Islamwissenschaftler, Nahost-Historiker, Semitisten und Religionshistoriker. Es stellt eine Zusammenfassung dessen dar, was über das Thema zwar bekannt ist, was aber von manchen Parteien bewusst oder aus Unkenntnis dennoch oft geleugnet wird, um die jeweilige ideologische oder politische Position zu untermauern – hier fällt mir z. B. auch der jetzige Mufti von Jerusalem ein, der, wie sein Vorgänger, der Naziverehrer Hadsch Amin el-Husseini, und sonstige fanatische Moslems, leugnet, dass auf der Stelle der heutigen El Aksa-Moschee und des Felsendoms der jüdische Tempel zu Jerusalem jemals gestanden hatte.

Der Autor versucht, „die Teile des arabisch-jüdischen Puzzles in einem Band zusammen zu stellen“, seit der römischen Zeit bis zum Umbruch nach dem Tod Mohammeds. Ihm ist es ein Anliegen, den Mut der jüdischen Bevölkerung, nach der Zerstörung des Zweiten Tempels in Arabien (der Halbinsel zwischen dem Roten Meer und dem Persischen Golf, die zwar wegen ihres z. B. auf dem begehrten Exportartikel Weihrauch beruhenden Reichtums Arabia Felix genannt wurde, deren extreme Natur aber von ihren Bewohnern sehr viel abverlangte) zu überleben. Über ihre Existenz in der vor-islamischen Zeit gibt es neben den Quellen wie der Bibel, dem Talmud, dem Koran, den Apokryphen und Reiseberichten vor allem Legenden, Inschriften und Gedichte, wie eines aus der Feder des jüdischen Dichters As-Samawal b. Adija, das in der Kairoer Geniza gefunden wurde. Doch wenig Verbürgtes ist bekannt, zumal viele dieser Texte aufeinander basieren, so dass stets ein Türchen für Spekulationen offen bleibt. Hinzu kommt, dass die muslimischen Schriften zum Thema den Juden, die mit den Römern kamen, in ihrer Mitte lebten mehrheitlich feindlich gesinnt sind und die Geschichte entsprechend gefärbt haben. Die vor-islamischen Araber wie Juden lebten in Stammesverbänden und waren Beduinen, d. h. Nomaden, die von der Landwirtschaft lebten, wobei sie die fortschrittlichen nabatäischen Techniken übernahmen, wie auch vom Handel, indem sie ihre Waren auf den kurz davor domestizierten Kamelen über die Wüsten transportierten. Newby zitiert auch Ignaz Goldzihers Aufsatz von 1901, in dem dieser von der höchsten Qualität der von Juden erzeugten Weinen schreibt, die die vor-islamischen Araber genossen. Auch die Qualität der von Juden hergestellten Seide soll der arabischen überlegen gewesen sein.

Zwischen den Juden und den damals noch heidnischen Arabern der vor-islamischen Zeit gab es einen regen Austausch. Unter den Arabern gab es viele, die unter dem Einfluss von missionierenden Rabbinern zum persisch geprägten Judentum konvertierten, wie in Himjar, dem heutigen Jemen, wo es sogar laut Prokopius von Cäsarea (518-610 n. d. Z. R.) und dem Buch der Himjariten ein vom Ende des 5. Jahrhunderts bis zum Anfang des 6. Jahrhunderts bestehendes jüdisches Königreich gab, welches als Gegengewicht zu den christlich geprägten Königreichen von Äthiopien und Byzanz betrachtet wird. Es ging erst nach 120 Jahren zu Ende, als es 515 von den Abessiniern zerstört wurde. Weitere legendäre jüdische Königreiche im ersten nachchristlichen Jahrtausend waren das Königreich von Adiabene (Assyrien, heutiges Kurdistan) und das Chasarenreich (auf dem Gebiet des heutigen Georgien und Armenien).

Im Zentrum des Interesses von Darnell Newby stehen die Juden von Hedschas, der etwa 300.000 km² großen Landschaft im nordwestlichen Teil der arabischen Halbinsel, die sich bis zum jemenitischen Bergland erstreckt und in der die früher von zahlreichen Juden bewohnte Städte Mekka und Medina im heutigen Saudi-Arabien liegen. Die dortigen Juden sprachen einen arabisch-jüdischen Dialekt, Al-jahudijja und hatten trotz Anfeindungen und Überfällen seitens der arabischen Bevölkerung offenbar eine reiche Diasporakultur entwickelt, wiewohl man bis heute wenig über ihre soziale Situation weiß. Nachdem es unter Mohammed (geb. c. 570/71 in Mekka – gest. 632 in Medina) Massenkonversionen zum Islam gab, hatten sich der Einfluss und die Sicherheitslage der Juden Arabiens erheblich verschlechtert. Sie spielten ab dann, insbesondere nach Mohammeds Hidschra – seiner Auswanderung von Mekka nach Medina im Jahre 622 -, in der arabischen Gesellschaft nur eine marginale Rolle, ihr spiritueller Einfluss auf die mohammedanische Lehre soll dennoch erheblich gewesen sein. Bekanntlich erwartete Mohammed anfangs, dass ihn die Juden als Gottes Propheten anerkennen, für den er sich ausgab, und als dies nicht erfolgte, wurde er zum erbitterten Gegner der Juden, was sich in der Haltung der Islamisten bis heute auswirkt und so dürfen zwar Mekka und Medina, früher Städte mit großer jüdischer Bevölkerung, heute nur von Moslems betreten werden. In der islamischen Lehre jedoch sind die Einflüsse des Judentums nach wie vor deutlich erkennbar und so gab es nach dem Ende der muslimischen Eroberungszüge viele Kalifate, die den Juden toleranter, auch toleranter als den Christen gegenüber, eingestellt waren und so insbesondere im Mittelalter, eine fruchtbare intellektuelle Symbiose geschaffen haben, von der jedoch in diesem Band nicht mehr die Rede ist.

Das Buch enthält zahlreiche Zitate, ist jedoch gelegentlich redundant und dient hauptsächlich als Einführung in den Gegenstand, wobei der Autor bei seinen Lesern zugleich fortgeschrittene Vorkenntnisse vorauszusetzen scheint. Ein Namens- und Ortsverzeichnis sowie eine umfangreiche Bibliographie sind hilfreich, doch die Letztere hätte für diese Ausgabe aktualisiert werden sollen.

REZENSION VON ELVIRA GRÖZINGER: GORDON DARNELL NEWBY, A HISTORY OF THE JEWS OF ARABIA. FROM ANCIENT TIMES TO THEIR ECLIPSE UNDER ISLAM
Studies in Comparative Religion, The University of South Carolina Press, 2009, 177 pp.
Rez. ersch. in SPME Faculty Forum German Edition, May 14, 2010