Erste israelische Untersuchung zur Mavi Marmara

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Der altgediente General Giora Eiland hat nach fünfwöchigen Untersuchungen die Ergebnisse eines militärischen Reports über die Vorgänge auf dem türkischen Schiff Mavi Marmara am 31. Mai vorgelegt. Neun Türken wurden bei der israelischen Kommandoaktion nach dem Entern des Schiffes getötet. Es handelte sich je nach politischer Ausrichtung um „gewalttätige Terroristen“ oder um Friedensaktivisten, die mit einem Schiff voller Hilfsgüter die von Ägypten und Israel verhängte Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollten…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 12. Juli 2010

„In keinem wichtigen Punkt gab es Pannen oder Vernachlässigungen“, sagte Eiland bei einer Pressekonferenz. Sein Mandat war allein auf den militärischen Aspekt der Operation beschränkt, und schloss nicht die vorausgegangenen politischen Beschlüsse oder die geheimdienstliche Arbeit ein. Es habe sich um eine „komplizierte und schwierige Operation“ gehandelt. Wegen falschen Beschlüssen auf hoher Ebene seien Fehler gemacht worden. „Deshalb hat das Ergebnis nicht den Erwartungen entsprochen.“

„Der gewalttätige Widerstand der Aktivisten auf dem Schiff ist nicht richtig eingeschätzt worden, die Geheimdienstinformationen waren lückenhaft, was man wusste, war nicht richtig ausgewertet worden und es gab kein Alternativprogramm für extreme Situationen.“ Weiter sagte Eiland, dass die Elitesoldaten auf Gewalt vorbereitet waren und deshalb mit „kalten und heißen Waffen“ ausgestattet waren. Doch hätten nicht mit unterschiedlichen Vorgehensweisen „des Feindes“ gerechnet wie Eiland die Friedensaktivisten aus Sicht der Soldaten bezeichnete. Dutzende Aktivisten seien mit kalten Waffen wie Kampfmessern und Äxten bewaffnet gewesen und hätten sich auf gewalttätigen Widerstand gegen die Soldaten vorbereitet: „Sie waren bereit zu töten und getötet zu werden.“ Dafür sei die israelische Armee nicht gerüstet gewesen. „Das hohe Niveau der Gewalt war nicht vorhergesehen worden und deshalb war auch keine geeignete Antwort vorbereitet worden.“

Giora Eiland hatte seinen Report am Montag dem Generalstabschef Gabi Aschkenasi und den Spitzengenerälen der Armee vorgelegt. Umgehend sollten daraus die Lehren gezogen werden, zumal sich weitere blockadebrechende Schiffe auf dem Weg nach Gaza befänden. Eiland erklärte, dass die Operation der Schajetet 13 Elitetruppe auf dem Schiff „sehr erfolgreich“ gewesen sei. Er war voll des Lobes für die reibungslose Evakuierung der Verletzten vom Schiff. Die Armee habe „sehr verantwortungsvoll und erwachsen“ gehandelt, sagte Eiland. Aus dem Report geht hervor, dass die verschiedenen Geheimdienste keinen Spion an Bord geschickt hätten, was den Verantwortlichen ein besseres Bild von den Vorgängen auf dem Schiff verschafft hätte. Die schon vorausgegangenen angespannten Beziehungen zwischen Israel und der Türkei seien ebenso wenig berücksichtigt worden wie die Beziehungen zwischen der inzwischen von Deutschland verbotenen Extremisten-Organisation IHH und der Türkei. „In der Realität agierte Israel gegen eine Organisation und nicht gegen einen Staat, der den Konflikt suchte.“ Eiland kritisierte weiter, dass die Armee auch andere Mittel hätte einsetzen können, „aber der Werkzeugkasten war leer.“

In Israel hat derweil eine weitere Untersuchungskommission mit einem erweiterten Mandat unter Richter Jakob Turkel ihre Aufgaben aufgenommen. Diese Kommission hat das Recht, auch Politiker zu befragen, nicht aber Soldaten, die an der Operation beteiligt waren. Der deutsche Bundestag und die Türkei fordern jedoch zusätzlich eines internationale Untersuchung der Vorfälle auf dem Schiff. Der amerikanische Präsident Obama hatte jedoch bei einem Treffen in Kanada den türkischen Premierminister Erdogan vor einer umfassenderen Untersuchung gewarnt, zumal dann Einzelheiten zu den Beziehungen zwischen der El Qaeda nahestehenden Organisation IHH und der türkischen Regierung aufgedeckt werden könnten.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

5 Kommentare

  1. @Mishehu: das sind leider Wunschgedanken. kennst du 10 Regeln für die Nahostberichterstattung?
     
    10 Regeln für die Nahostberichterstattung – für Anfänger und Fortgeschrittene
    Es folgen zehn neue “Regeln” für Nahost-Reporter, die aus Hunderten von Artikeln destilliert wurden, welche die neue Gewalttätigkeit umfassen:
    REGEL 1. SENSATIONALISIERE DIE INTENSITÄT UND DEN UMFANG ISRAELISCHER MILITÄRAKTIONEN
    Nenne die israelischen Aktionen “aggressiv”, “verwüstend”, “extrem”, oder “eskalierend“ [ CNN, 16. April ]. Schildere israelisches Eindringen in palästinensisches oder libanesisches Gebiet als “tief”, selbst wenn es nur 300 Meter sind. [The New York Times, 14. April ]
    Bezeichne andererseits palästinensische Raketen- oder Minenwerferangriffe als “erfolglos” oder “harmlos fallend”, “selbstgebastelt”, “ohne Wirkung”, obwohl die Absicht der Angriffe böswillig ist und getötet oder wenigstens verletzt werden soll.
    REGEL 2. WEISSWASCHEN VON PALÄSTINENSISCHEN GEWALTAKTEN
    Bezeichne weder palästinensische Schussangriffe und Bombardierungen israelischer Zivilisten als “Terrorismus” noch die Täter als “Terroristen”, Bezeichne die Täter als “Militante”, “Aktivisten”, “Freiheitskämpfer” oder besser als “Demonstranten“. [Associated Press, BBC; CNN, The Guardian und andere, 27. März]. Sogar die Selbstmordattentate inmitten israelischer Märkte und Cafes werden teilweise nicht als Terrorismus eingestuft.
    Reporter können Ausnahmen von den Regeln machen, wenn es um die eigene Sache geht, z.B. wenn sie irische Bombenleger als “Terroristen” bezeichnen.
    REGEL 3. BESCHULDIGE DIE SIEDLUNGEN
    Schwäche palästinensische Angriffe ab, indem Du israelische Opfer als “Siedler” etikettierst und die Ziele der Angriffe als “Siedlungen” oder “besetzte Gebiete”. Bezeichne die Jerusalemstadtteile “Gilo” und “French Hill“ als “Siedlungen” und “Siedlerenklaven”, obwohl sie seit 30 Jahren ein Teil von Jerusalem und für Zehntausende jüdischer Mittelklasse-Familien ein zu Hause sind. [ CNN, Reuters, AP und andere ]. Wenn möglich, bezeichne israelische Städte innerhalb der grünen Linie, wie Sderot, ebenfalls als “Siedlungen”. [The Guardian, 17.April ].
    Weiterhin betitle alle jüdischen Opfer in der Westbank (Samarai/Judäa) oder in Gaza als “Siedler”, sei es ein 14-jähriger Junge oder ein 10 Monate altes Baby.
    Schaffe für die israelischen Bewohner in den Bereichen von Jerusalem, der Westbank und von Gaza eine neue, nichtzivilistische Entität, wie die New York Times, die von israelischen “Soldaten, Siedlern und Zivilisten.” spricht. [10. März]
    REGEL 4. MISSBILLIGE ISRAELISCHE FÃœHRER; SYMPATHISIERE MIT ARAFAT
    Nenne Ariel Sharon/Lieberman/Netanjahu immer “Hardliner”, “Kriegsverbrecher“, “stramm rechts”, “rechtspopulistisch” oder “der Bulldozer”, “Türsteher” oder ähnlich.
    Bezeichne niemals Yasser Arafat/Nasrallah oder Abbas als “der ehemalige Terroristen”, streitsüchtig, korrupt, falsch, hinterlistig oder despotisch. Wann immer möglich, erbitte Sympathie, durch Ansprechen ihres fortgeschrittenen Alters, gemässigtem Auftreten oder ihrer/seines Parkinson-Leidens. [The Independent, 17.April 2001].
    REGEL 5. BESCHULDIGE ISRAEL FÜR ALLE PALÄSTINENSISCHEN UNFÄLLE
    Tadle Israel, ob für “Arbeitsunfälle” in den palästinensischen Bombenfabriken, für palästinensische Demonstranten, die von auf Israelis zielende palästinensischen Heckenschützen getroffen werden, oder für verletzte Araber, die sich während eines Selbstmordattentats oder einer Busbombardierung unter Israelis aufhalten.
    Für arabische Autounfälle kann Israel auch beschuldigt werden. Anfang Oktober 2000, tadelten einige Berichte Israelis für den Tod von Issam Yudeh Mustafa Hamed. Am 2. November stellten die Pathologen fest, dass Issam Yudeh in einem Verkehrsunfall starb. Es ist unbekannt, wie viele der palästinensischen “Märtyrer” an natürlichen Ursachen, an Unfällen oder an innerpalästinensischen Kämpfen starben.
    Zusätzlich verweise häufig auf palästinensische Kinder, die traumatisiert, verwaist oder schwer verletzt sind, selbst durch eigene Bomben und Gewehrkugeln der Palästinenser. Erwähne nicht israelische Kinder, die Opfer palästinensischer Angriffe wurden oder durch jahrelangem Kassambeschuss traumatische Erlebnisse haben.
    REGEL 6. GEBRAUCH VON AKTIV UND PASSIV
    Benutze aktive Formulierungen, um zu Schaden gekommene Palästinenser zu beschreiben, d.h. israelische Soldaten “erschossen” Palästinenser oder “schossen tot“.
    Andererseits, benutze passive Formulierungen, um zu vermeiden, Palästinenser für zu Schaden gekommene Israelis zu beschuldigen. Sage, dass eine Schiesserei oder ein Schusswechsel “ausbrach”. Die Schlagzeile, dass die 10-Monate alte Shalhevet Pass durch einen palästinensischen Scharfschützen getötet wurde liest sich dann: ” Jüdisches Kleinkind stirbt in West-Bank.” [Associated Press, 26. März].
    Wenn möglich, stelle zwei Tode nebeneinander, beschuldige die Israelis für den einen Tod und lasse die palästinensische Tat ungesagt. Zum Beispiel: ” Während Zusammenstössen in der Nähe des West-Bank Dorfs Dura, wurde ein 11 Jahre alter palästinensischer Junge von israelischen Truppen er/totgeschossen. Einem Bericht zufolge, hatte der Junge dem Schusswechsel israelischer Soldaten und palästinensischer Heckenschützen zugesehen, als er in der Brust getroffen wurde. Am Montag wurde ein 10 Monate altes israelisches Baby von Geschützfeuer im nahegelegenen Hebron getötet.” [BBC, 27. März].
    REGEL 7. GLEICHE EINEN ISRAELISCHEN TOD DURCH DAS ERWÄHNEN IRGENDEINES NICHT VERBUNDENEN PALÄSTINENSISCHEN TODES AUS
    Gleiche eine palästinensische Greueltat wie ein Bus-Selbstmordanschlag, durch das Berichten über den tragischen palästinensischen Tod einer älteren Frau oder einem Kind aus, auch wenn der palästinensische Tod lange zuvor war.
    Über die schockierende Entdeckung von zwei abgeschlachteten israelischen Jugendlichen nahe Tekoa berichtete der CNN-Artikel: “Zwei israelische Teenager sind tot aufgefunden worden”. Ein Foto unter der Schlagzeile zeigte ein palästinensischen Baby, daß einige Tage früher begraben wurde. [9. Mai].
    Am 1. Mai berichtete CNN: ” Ein Israeli wurde getötet und ein weiterer verletzt bei Schussangriffen auf Straßen der West-Bank am Dienstag. Die Angriffe folgten Explosionen und Zusammenstössen in Gaza und der West-Bank, die sieben palästinensische Leben forderten.” Dies wurde berichtet, obwohl die tödlichen Explosionen in Gaza ein “Arbeitsunfall“ in einer palästinensischen Bomben-Fabrik waren.
    REGEL 8. BENUTZE ARABISCHE BEZEICHNUNGEN FÜR HEILIGE STÄTTEN
    Benutze arabische Bezeichnungen für heilige Stätten, auch wenn der jüdische Begriff üblicher Standard in jedem Lexikon, Universitäts-Lehrbuch, diplomatischem Dokument, oder anderer westlicher Quellen ist.
    Vermeide, Dich auf den Tempelberg als “des Judentums heiligste Stelle“ zu beziehen, oder als “die jüdische Hauptstadt seit 3000 Jahren”.
    Verweise auf den Tempelberg sollen als bloße Ansprüche qualifiziert werden. Z.B: ” ….bei dem Israel behauptet, die Stelle des ersten und zweiten Tempels gewesen zu sein.” [New York Times].
    Beziehe Dich vorzugsweise auf den Tempelberg als “Haram al Sharif, die drittheiligste moslemische Stelle”, oder “die heiligste moslemische Stelle in Jerusalem”. Andererseits, beziehe Dich weder auf Hebron, wo die jüdischen Matriarchen und Patriarchen begraben sind, als “des Judentums zweitheiligste Stelle”, noch auf das Grab von Rachel nahe Bethlehem als “des Judentums drittheiligste Stelle” .
    Wenn notwendig, rackere Dich mit den arabischen Bezeichnungen ab, wie der Verweis auf das Jaffa-Tor, dem westlichen Haupteingang zu Jerusalems Altstadt, als “Bab al-Khalil” [CNN, 8. Januar 2001].
    REGEL 9. NENNE ISRAEL IN NEGATIVEN NACHRICHTEN AN ERSTER STELLE
    Schreibe: “Bei Schiessereien zwischen israelischen Soldaten und Palästinensischen Demonstranten …….“ Oder sage: “Der Israelisch-Palästinensische Konflikt“, oder “Israel lehnt Frieden ab”, Israel schuld an Arafats Tod”. Damit implizierst Du deutlich, wer eigentlich Schuld hat und wer wieder mal “angefangen“ hat. Wegen dieser Formulierung schreibe ich regelmässig an Tageszeitungen und beschwere mich.
    REGEL 10. VERKEHRE DIE CHRONOLOGIEN
    Berichte ausführlichst über eine israelische Militäraktion, um dann erst am Ende kurz zu erwähnen, dass es eine Reaktion auf ein vorausgegangenes palästinensisches Attentat oder auf Schussangriffe war. Am besten verzichte auf diese Information!
    Schlussfolgerung
    Obwohl keine ” Verschwörung “, so ist doch eine Anti-Israelische “Presse-Konvention” entstanden und klare Voreingenommenheiten sind offensichtlich.
    Wie wird dieses Stilbuch in der Zukunft aussehen? Es hängt alles vom Ergebnis unserer Aufmerksamkeit und unserer Anstrengungen ab!
    ACHTET EINFACH MAL DARAUF und ihr werdet feststellen, daß nach diesem Schema berichtet wird.

  2. Wenn die islamischen Staaten in der Minderheit blieben, bestünde die Chance auf Objektivität. Die EU wird vsl. die IHH demnächst auch verbieten. Stell Dir vor, die IHH wäre schon vor der Geschichte mit der Mavi Marmara in Deutschland verboten gewesen. Dann würden die Meldungen über diesen Vorfall anders lauten, z.B.:
    Die in Deutschland verbotene islamistische Organisation IHH mit nachgewiesenen Verbindungen zur Al Qaida versuchte gestern die von Israel und Ägypten gegen Gaza verhängte Seeblockade zu durchbrechen. Gaza wird von der international als terroristishce Organisation eingestuften Hamas kontrolliert. Nachdem mehrere Aufforderungen zur Umkehr und das Angebot die Fracht über den Landweg nach Gaza zu transportieren ignoriert wurden, enterte die israelische Armee das Hauptschiff. Dabei kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen den offensichtlich gewaltbereiten…
    Wunschdenken 😉 Es würde sich aber so ähnlich anhören.

  3. Dann soll doch ruhig die internationale Untersuchung stattfinden. Wenn ein Teil der Untersuchungsergebnisse die wahren Anliegen der IHH und die Verbindungen der türkischen Regierung zu dieser terroristischen Organisation aufdecken würden, wäre das für Israel nur vom Vorteil. Wenn im Nachhinein wenigstens einige der Bundestagsabgeordneten sich über ihr beschämendes Verhalten klar werden, könnte das auch Deutschland zu Gute kommen. Nur fürchte ich, dass sich kaum jemand für die Ergebnisse interessieren wird.

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