Der „Spiegel“ und sein Märchen vom bösen Juden Bruno Bettelheim

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Unmittelbar nach dem Freitod des jüdischen Psychoanalytikers Bruno Bettelheim am 13. März 1990 wurde posthum massive Kritik an diesem geäußert. Zu Lebzeiten war diese Kritik nicht zu hören gewesen. Ein amerikanischer Journalist, dessen Bruder etwa 40 Jahre zuvor Patient in der Orthogenic School gewesen war, publizierte 1997 in den USA eine wütende Polemik gegen Bettelheim. Danach versandete die Diskussion. Das Buch wurde von keinem deutschen Verlag übersetzt. Der Spiegel, in den Jahrzehnte zuvor ein begeisterter „Fan“ von Bettelheims Schriften, publizierte sogleich eine von fachlichen Kenntnissen gereinigte Polemik des deutschen Journalisten Johannes Salzwedel, die, wenn man sich freundlich auszudrücken geneigt ist, nicht frei von antisemitischen Begrifflichkeiten, Klischees und Ressentiments gegenüber jüdischen Überlebenden der Shoah war. Man könnten auch sagen: Seine Polemik war (um mit Heiner Otto von der TRIBÜNE zu sprechen) einzig und allein ein vulgäres antisemitisches Zerrbild. Der Journalist Salzwedel, gesegnet mit der Gnade der späten Geburt, schrieb im Spiegel von „zähen KZ-Überlebenden“, „jüdischen Überlebenskünstlern“, „geltungssüchtigen Patriarchen“, „zwanghaften Hochstablern“, „KZ-Kapos“ und „sadistischen Machtspielern“. Selten, so will mir scheinen, haben sich antisemitische Affekte derart skrupellos öffentlich im Spiegel in Szene gesetzt…

Von Roland Kaufhold

„Wer die Persönlichkeitsintegration anderer fördert, kann dadurch versuchen, auch die eigene Integration zu fördern, und im Dienst an den Lebenden kann man das Gefühl gewinnen, man habe seine Verpflichtung gegenüber den Toten erfüllt, soweit dies überhaupt möglich ist.
Persönliche Integration und damit Sinnerfüllung zu erringen, ist ein völlig individueller Kampf. (…) Als Forscher auf dem Gebiet der Psychoanalyse und als Anhänger von Sigmund Freud bin ich tief beeindruckt von Freuds kritischer Skepsis im Blick auf den Menschen und sein Wesen (…) ich weiß deshalb, dass bei allen Versuchen, dem Leben Sinn abzuringen, in Wirklichkeit sehr weitgehend der Sinn in das Leben hineinprojiziert wird.“

Bruno Bettelheim (1980a, S. 45)

1. Prolog: Die posthume Kritik an Bruno Bettelheim

„Ich bin (…) an der Befreiung des Menschen interessiert und nicht an der Veränderung des Symptoms. (…) Mein Therapieziel ist, dass der Mensch frei entscheiden kann, was für ein Leben er führen will. Wenn ich ihm helfe, sich frei zu entscheiden, ob er zum Beispiel psychotisch sein will oder nicht, dann habe ich mein Therapieziel erreicht.“
Bruno Bettelheim (1976, S. 14)

Nachdem der von den Nationalsozialisten verfolgte österreichische Jude Bruno Bettelheim am 13. März 1990, dem 52. Jahrestag der nationalsozialistischen Okkupation Österreichs, im amerikanischen Exil „freiwillig“ den Tod gewählt hatte (vgl. Kaufhold, 1994, 2001, Fisher, 2003, S. 159-172), gab es bereits einige Monate später den Versuch, Bettelheim zu „demontieren“: Von einer selbstgerechten Öffentlichkeit wurde der zuvor von eben dieser Öffentlichkeit idealisierte, tote Jude Bettelheim – da er sich nicht mehr zu wehren vermochte – binnen weniger Wochen ins „Gruselkabinett“ der Unperson (Die Zeit Nr. 39/1990, S. 78) befördert.

Es begann mit einem anonymen Leserbrief im „Reader“, einem kostenlosen Chicagoer Wochenblatt. Dann starten zwei frühere langjährige Patienten von Bettelheims legendärer Chicagoer „Sonia Shankman Orthogenic School“ die gezielte Rufmordkampagne: Charles Pekow, ein freier Journalist, lanciert einen Artikel in der Sonntagsausgabe der Washington Post unter dem Titel: „The Other Dr. Bettelheim; the Revered Psychologist Had a Dark, Violent Side“ (Washington Post, 26.8.1990), in dem er Bettelheim nicht nur als einen skrupellosen Sadisten, sondern gleich auch noch als einen Rassisten zu „entlarven“ glaubte. Ronald Angres führt die Kampagne mit „Who. Really. Was Bruno Bettelheim?“ (Commentary, 4/1990, S. 26-30) fort. Nun hätte man sich an dieser Stelle über Bettelheims offenkundige Behandlungserfolge erfreuen können – hatte er, der bekanntlich nur scheinbar „unheilbare“, jedoch nicht primär organisch beeinträchtigte Kinder und Jugendliche zur Behandlung in seine milieutherapeutische Einrichtung aufgenommen hatte (aber auch dies glaubte man später in Abrede stellen zu können), doch so wortgewaltige, arbeitsfähige Patienten ins öffentliche Leben entlassen.

Dieser offenkundige Widerspruch kam jedoch nirgends zur Sprache. Das Nachrichtenmagazin Newsweek setzte mit „Beno Brutalheim?“ (Newsweek, 10.9.1990, S. 57f) nach, und auch der Spiegel (Nr. 37/1990, S. 262f) mochte im Herbst 1990 nicht abseits stehen: „Rettender Diktator“ (nun ohne Fragezeichen) wusste er skandalträchtig zu titeln – und unterschied sich hiermit inhaltlich und stilistisch nur in Nuancen von „Bild“: „Nachts, wenn Bettelheim kam“. In seiner Einleitung schrieb der Spiegel 1990: „Mit viel Geduld und ohne Gewalt sollten Kinder erzogen werden, predigte der Psychoanalytiker Bettelheim. Nun kommt heraus: Er selbst verhielt sich autoritär.“ Das Weltbild war geordnet, die Einteilung in „gut“ und „böse“ gesichert. ((Dass der Atheist Bruno Bettelheim, der hier mit einem eloquenten Seitenhieb gleich zum „Prediger“ gemacht wird, niemals ein Apologet der antiautoritären Bewegung war, dürfte bekannt sein (s. Kaufhold 1994, S. 36f.). Der Spiegel hatte hierauf noch in Heft 39/1987, unter Verweis auf Bettelheims Auseinandersetzung mit Alexander S. Neill (vgl. Bettelheim, 1987), überzeugend hingewiesen.))

Es gab jedoch auch nachdenklichere Stimmen: „Hitting our heroes when they’re dead. Americans eager to fault the famous“ schrieben die San Jose Mercury News (9.3.1991, S. 20f) ((Dieser Aufsatz erschien am 17.3.1991 unter dem treffenden Titel „America looks to find fault in heroes“ auch in der Los Angeles Times.)). Und die Süddeutsche Zeitung (Das Streiflicht, 13.9.1990) kommentierte, die publizistischen Gesetzmäßigkeit solch selbstgerechter öffentlicher „Denkmalstürzerei“ benennend, ironisch-nachdenklich:

„Zum Beispiel Mozart: Dem würde mancher Verehrer seiner seraphischen Musik heute wohl gern noch begegnen. Doch der Schock wäre immens. Ganz gleich, ob Wolfgang Amadeus den Fan (männlich) um Geld angebettelt hätte – nicht ohne die durch faulende Zähne gemurmelte Beteuerung, er werde das Sümmchen infolge eines todsicheren Glückspieltipps schon morgen zurückzuzahlen in der Lage sein, (…) eines jedenfalls hätte er auf keinen Fall getan: dem Verehrer das Bild vorgeführt, das dieser sich aufgrund der Musik von Mozart zurechtgelegt hatte. Oder Albert Schweizer, den nur die entferntere Welt als sanftmütigen Urwalddoktor verehrte: Seine nähere Umgebung kannte ihn als tyrannischen Grobian.
Was wir mit alledem sagen wollen, ist nun klar. Von den Werken groß genannter Menschen (genauer gesagt: von dem, was in ihren Werken auf die Mit- wie Nachwelt fortwirkt) sind keinerlei Rückschlüsse auf deren Charakter möglich. Das stimmt selbst da, wo das Werk geradezu darauf angelegt ist, Charaktere zu prägen: Pestalozzi, der Urvater der modernen, kindgerechten Pädagogik, scheiterte kläglich an der Erziehung seiner eigenen Kinder. Und Bruno Bettelheim? Der vor kurzem in den Tod gegangene Analytiker und Kindertherapeut verdient es, groß genannt zu werden, weil er zum einen endgültig Schluss machte mit dem Irrglauben, Kindern müsse aus Erziehungsgründen die heillose Welt als eine heile vorgegaukelt werden, und weil er zum anderen, indem er mutig auf die Kraft des Bewusstseins setzte, selbst da Heilerfolge erzielte, wo alle anderen aufzugeben pflegten: bei der Behandlung autistischer (also extrem in sich verschlossener, ‚unansprechbarer‘) Kinder.
Gerade ein halbes Jahr ist Bettelheim nun tot, und schon rühren sich die Geier. Ausgerechnet der Mann, der immer wieder Geduld und Güte gepredigt habe, so schrillt es uns nun aus Washington Post und Bild und Spiegel entgegen, ausgerechnet der habe sich in seiner Klinik zuweilen wie ein Despot gebärdet, habe mindestens zweimal Kinder geschlagen und sei überhaupt, so eine seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen, manchmal unfähig gewesen, ‚zu tun, was er selbst als das Beste erkannt hatte‘. Sensationell? Eine Sensation wäre es, wenn es umgekehrt wäre, wenn Bruno Bettelheim der erste Mensch gewesen wäre, der das, was er wusste und aussprach, auch in all seinen Handlungen beherzigte. Er war es – möglicherweise – nicht; und so wird nicht er, aber werden wir leben müssen mit den läppischen Anwürfen, in denen psychoanalytisch geübte vielleicht den Versuch zum Vatermord erkennen können.“

In der Bettelheim-Biographie von Nina Sutton (1996) – die ich trotz einiger Schwächen, trotz eines gelegentlich irritierenden moralisierenden Untertons, für seriös und sorgfältig gearbeitet halte (vgl. Kaufhold, 1996) – ist diese populistisch-rufschädigende Auseinandersetzung aufgearbeitet worden (u.a. S. 7-28). Als Suttons Buchprojekt bekannt wurde, gab es in den USA nur eine Reaktion: „`Sie schreiben also eine Biographie über Bettelheim‘, hieß es. ‚Und auf welcher Seite stehen Sie?'“ (S. 11) Zutreffend verweist Sutton auf die Parallelität zwischen den Angriffen gegen Wilhelm Reich (vgl. Fallend/Nitzschke, 2003) und Bruno Bettelheim. Dem selbsternannten amerikanischen Psychoanalyse-Verächter Jeffrey M. Masson (1994) wuchs hierbei die Rolle zu, die Angriffe gegen Bettelheim zu koordinieren.

Welches Ausmaß diese „Affäre Bettelheim“ (Sutton) in den USA hatte, mag für den hiesigen Leser in der Bemerkung von Nina Sutton zum Ausdruck kommen:

„Ich sage ‚Affäre‘, weil der ungeheure, maßlose Skandal, der unmittelbar nach dem Tod Bettelheims ausbrach und sechs Monate lang hauptsächlich die USA erschütterte, in der akademischen Welt und der Welt der Psychoanalyse seinesgleichen sucht. Nicht etwa, dass Hass in diesen Kreisen unbekannt wäre, aber normalerweise wird er nicht so schnell so öffentlich ausgetragen. Und man muss schon zurückgehen bis zu der Zeit, als Wilhelm Reich ins Gefängnis kam, um auf ein so verheerendes Durcheinander von Schmähungen und Verrat zu stoßen, auf soviel rachsüchtige Zerstörung. (Sutton, 1996, S. 9) (…)
Während dessen kämpft Pekow weiter an vorderster Front und feuert aus allen Rohren. Der Golfkrieg wird vorbereitet – und er vergleicht die Orthogenic School mit dem Irak Saddam Husseins! Was zum Dialog werden sollte, endet als Predigt vor tauben Ohren. Und für das an einfache Botschaften gewöhnte Publikum, das möglichst schnell Ergebnisse sehen möchte, steht die Verteidigung schlecht da.
Gegen Ende des Herbstes 1990 hat der Kampf seinen Höhepunkt erreicht. Binnen sechs Monaten ist es unmöglich geworden, den Namen Bettelheim auszusprechen, ohne sofort eine ausufernde, feindselige, beleidigende Polemik zu provozieren, die sich letztlich gegen alle Beteiligten richtet: gegen jene, die versuchen, das Denkmal des großen Vorsitzenden zu schützen, das längst vom Sockel gestürzt ist, aber auch gegen jene, die einst seine Schüler oder Patienten waren“ (Sutton, 1996, S. 25).

Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle, dass die relativierenden, erklärenden Stellungnahmen einiger enger Freunde und Kollegen Bettelheims, so die von den ebenfalls aus Wien stammenden und in den USA emigrierten jüdischen Psychoanalytikern Rudolf Ekstein (1994) und Ernst Federn, sowie die von David James Fisher (2003f) von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurden. Ernst Federn, der wegen seines antifaschistischen Engagements von den Nazis sieben Jahre lang in Dachau und Buchenwald gefangengehalten worden ist und dort Bruno Bettelheim kennenlernte (vgl. Federn, 1999a, Kaufhold, 1999), bemerkte im Dezember 1990 in einem Leserbrief an den New Yorker Commentary zur Anklageschrift von Ronald Angres:

„In reading Ronald Angres‘ article: ‚Who really was Bruno Bettelheim?‘ in your issue of October 1990 I remembered a story which circulated among childtherapists in the sixties: ‚A child‘ so it was, ‚carried on at his home in such a violent manner that the parents were, unable to controll it. They called in a well known child psychiatrist and asked him for help. When he arrived he approached the boy und whispered in his ear. Immediately the child stopped acting up and went docilely out of his room. What did you tell the boy, the parents asked. I told him: You bastard if you don’t calm down immediatelly I smash your brains in.‘
It is regrettable that a magazine of reputation like Commentary allows the accusation of an expatient who obviously was helped by Bettelheim to appear in print after the man thus malignant could not answer any longer. This article is also an insult to all the people who worked for and with Bettelheim for so many years. They are all made in the eyes of the uninformed reader into crowds and brutes.
Autistic and otherwise severely disturbed children whom the parents cannot handle at home were before the existence of the Orthogenic School sent to institutions in which violence and sadism were commonplace. Later with the arrival of the transquilizing drugs restraints were replaced by chemical ones hardly less penicious for the patient allthough their terror became invisible to the ignorant observer. Bettelheim was a pioneer in what in the field is called ‚Milieutherapy‘, the only effective form of therapy for the severely disturbed patients. Anyone who has some knowledge or experience with this type of treatment knows that it cannot exclude violent acting out from the side of the patients as well as the therapists and caretakers. This violent is not corporal punishment in the sense of chastisement but the consequence of the disturbed behavior and is integrated into the therapy itself. Of course the patient himself may see it in retrospect differently. If Mr. Angres was never in need of such therapy the one against whom he ought to vent his anger would be his parents who exposed him unnecessarily to a painful and sad childhood experience. Considering the high costs of the Orthogenic School it can be doubted that the parents did not at least act in good faith and that Mr. Angres as a child was ‚quite‘ a handful to say the least. It is not unusual that the anger direct against the father is displaced on the therapist …“ (Federn, 1990).

2. „Falsche Fabeln vom Guru“? – Journalismus als Spiel auf der Klaviatur des Ressentiments

„Je gestörter ein Mensch ist, um so weniger glaubt er, was wir sagen, um so misstrauischer ist er gegen das, was wir tun. Aufgrund früherer Erfahrungen mit doppeldeutigen Botschaften kann er uns nicht trauen. Da der Patient weiß, er lügt, um seine wahren Gefühle zu verbergen, ist er um so mehr davon überzeugt, dass er dem, was jemand anderes sagt, nicht wirklich trauen darf. Eher traut er unseren Handlungen und unserer Art, mit ihm umzugehen. Am ehesten aber glaubt er dem, was er selbst mit eigenen Augen, durch Berührungen und vor allem durch eigenes Tun erlebt.“
Bruno Bettelheim (1975, S. 115)

Es vergingen einige Jahre. Die Polemiken flauten ab, das Thema war „abgehakt“. Im deutschsprachigen Raum wurde in der Zwischenzeit in zwei größeren Publikationen der Versuch unternommen, Bettelheims Leben und Werk systematisch aufzuarbeiten (Kaufhold, 1993, 1994). 1996 erschien dann die Bettelheim-Biographie von Nina Sutton. Im Januar 1997 meldete sich schließlich ein weiterer Autor zu Wort: Richard Pollak, ein New Yorker Journalist. Bei seinen Forschungen hatte er sich mit sehr freundlichen Worten u.a. an Rudolf Ekstein und Ernst Federn gewandt, mit der Bitte, ihm persönliches Material über Bettelheim zu überlassen. In einem Brief ((Rudolf Ekstein hat mir 1992 eine Kopie dieses Briefes anvertraut.)) hob er gegenüber Rudolf Ekstein seinen großen Respekt vor Bettelheim hervor und führte als Motiv für seine biographischen Bemühungen an, dass ein Bruder von ihm kurze Zeit Patient in der Orthogenic School gewesen, Ende der 1940er Jahre jedoch durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Von daher, so ließ Pollak anklingen, habe dieser hoffnungsträchtige Behandlungsversuch seines Bruders durch Bettelheims Orthogenic School leider nicht fortgeführt werden können. Sowohl Ekstein als auch Federn empfingen Pollak und überließen ihm das erwünschte „Material“. ((Persönliche Mitteilungen von Rudolf Ekstein und Ernst Federn.))

Der Titel von Pollaks 480-seitigem Buch ließ die unerwartete Stoßrichtung bereits erahnen: „The Creation of Dr. B. A Biography of Bruno Bettelheim.“ Es erschien, wie bereits erwähnt, im Januar 1997 bei „Simon & Schuster“ – und der Verlag wusste, wie man daraus ein gutes Geschäft macht. Er präsentierte der Weltpresse ein „Enthüllungsbuch“, das „die Wahrheit“ über diesen österreichischen jüdischen Emigranten zu bringen glaubte. Das Geschäft lief gut an: Bereits eineinhalb Monate nach dem Erscheinen des Buches in den USA brachte der „Spiegel“, der bereits 1990 mit „Rettender Diktator“ (s.o.) in die Kampagne eingestiegen war, die erwünschte „Entlarvungsstory“. Geschrieben wurde sie von Johannes Salzwedel ((Johannes Salzwedel: Falsche Fabeln vom Guru. Der Spiegel Nr. 7/1997, S. 166-169.)), einem Redakteur der Kultur-Redaktion des „Spiegel“.

Der „Spiegel“ kündigt sein Enthüllungs-Pamphlet bereits im Inhaltsverzeichnis mit der Schlagzeile „Die Lügen des Erziehers Bruno Bettelheim“ an, um auf der gleichen Seite, beim Porträt einzelner Schwerpunktartikel, in dicken Lettern fortzufahren: „Hochstabler Bettelheim: Kinder brauchen Märchen, Verständnis, aber nie Schläge – mit solchen Thesen wurde Bruno Bettelheim als Psychotherapeut weltberühmt. Dass er Schützlinge systematisch verprügelt hatte, kam erst nach seinem Selbstmord 1990 ans Licht. Nun belegt ein Biograph auch noch, dass der Emigrant ein Hochstabler war“ (S. 7). Die „Story“ wird im Inhaltsverzeichnis mit „Falsche Fabeln vom Guru“ (S. 166) angekündigt und sie beginnt mit den unmissverständlichen Worten: „Berühmt wurde er als Anwalt sanfter Erziehung und weiser Märchendeuter. Nun zeigt ein Biograph den Bestseller-Autor Bruno Bettelheim als sadistischen Machtspieler, der seine Karriere auf Lügen und Hochstapelei gründete.“ Und der „Spiegel“ verweist im Text auch gleich auf seine frühere „Enthüllungsstory“ über Bettelheim: „… ‚Unbeherrscht‘ und ‚unberechenbar‘ sei ihr Ersatz-Daddy gewesen; hinter den Mauern des Heims, das sein Direktor als Oase für verängstigte Seelen schilderte, habe sich eine ‚Welt à la Orwell‘ verborgen. Nicht selten habe Bettelheim, der in Büchern vehement jede Körperstrafe ablehnte, regelrecht drauflosgeprügelt“ (Der Spiegel 7/1997, S. 166).

Ich hatte 1991, nach der ersten „Spiegel“ – Polemik gegen Bettelheim, einige Deutungsversuche über die Motive für die Heftigkeit der Kontroverse um Bettelheim vorgestellt, die primär auf die psychologischen Aspekte dieser Auseinandersetzung bezogen waren: Die eigene narzisstische Kränkung über das Scheitern von übersteigerten Idealisierungen eines vermeintlichen „Vorbildes“, eines „unsterblichen Heroen“, ausgelöst durch die Erschütterung über den Freitod eben dieses Menschen, der die Bewältigung extremster Traumatisierung als Lebensaufgabe übernommen und diese authentisch gelebt hatte – um sich am Ende, da er scheinbar schon „gesiegt“ hatte, dennoch das Leben zu nehmen -, erschien mir als ein Motiv für das Verständnis der Heftigkeit der Polemiken Genugtuung über Bettelheims Sterben. Diese Deutung halte ich weiterhin für hilfreich.

Sutton (1996, S. 25) erwähnt einen weiteren Aspekt, der die „journalistische Dimension“ dieser Kontroverse anspricht: „Ein Toter kann keine Beleidigungsklage mehr erheben ((Anne C. Roark hat in ihrem bereits erwähnten Artikel „Hitting our heroes when they’re dead“ hierzu bemerkt: „Another reason for the country’s seeming preoccupation with debunking its heroes may have to do with the Amerikan judicial system: Under U.S. law, you cannot libel the dead. In his 1986 book, ‚Suing the Press‘, Rodney A. Smolla wrote that a biographer or scholar who discloses unflattering facts or allegations cannot be held financially responsible if they besmirch reputation after a person’s death, which is not the case before a person’s death.“ (San Jose Mercury News, March 9, 1991, 2C, sowie Los Angeles Times, March 17, 1991, D14).)), heißt es im anderen Lager, um mit den Worten einer etwas zynischen (oder zu ehrlichen) Journalistin das plötzliche Medieninteresse zu erklären. Und an dieser Stelle passt auch eine Bemerkung von Bill Blau: ‚Ganz klar, mit seinem Selbstmord hat Bettelheim uns in die Hände gespielt.'“

2.1 Historische Kontinuitäten und „vergessene“ Erkenntniszusammenhänge

„Ich gehe von dem Standpunkt aus, dass die meisten Menschen das möchten, was ich selbst auch möchte. Weil meine Standards für Wohnen, Essen und körperlichen Komfort ziemlich hoch sind, muss ich annehmen, dass der Kranke noch viel mehr davon braucht und nicht weniger. Denn ich bin ja gesund, und ich kann durch meine Aktivitäten in der Gesellschaft vieles kompensieren, z.B. dass ich keinen großen Komfort zu Hause habe. Der Geisteskranke kann das nicht. Daraus folgt, dass man ihm noch mehr solchen Komfort einräumen muss.“
Bruno Bettelheim (1976, S. 17)

Es hätte dem „Spiegel“ nicht schlecht angestanden, seine früheren begeisterten Aufsätze über Bruno Bettelheim nicht ganz unter den Tisch fallen zu lassen: Bereits 1971 hatte er wohlwollend über Bettelheims Kibbuz-Studie „Kinder der Zukunft“ geschrieben ((Der Spiegel: Niemals allein. Besprechung von Bruno Bettelheim: Die Kinder der Zukunft, Nr. 11/1971, S. 183f.)) (s. Heinsohn 1994; Sutton 1996, S. 457-478). 1977 veröffentlichte er unter dem Titel: „Märchen: `Lebenshilfe für Kinder´“ einen umfangreichen, faszinierten Artikel über Bettelheims soeben erschienene Studie „Kinder brauchen Märchen“ ((Der Spiegel: Märchen: „Lebenshilfe für Kinder“, Besprechung von „Kinder brauchen Märchen“, Nr. 10/1977, S. 153-158.)). Er machte ihn mit einer großformatigen Illustration zu „Hänsel und Gretel“ auf und untertitelt diese mit einem Bettelheim-Zitat: „Jedes Märchen ist ein Zauberspiegel für gewisse Aspekte unserer inneren Welt“ (S. 153).

Eingeleitet wurde dieser „Spiegel“-Artikel folgendermaßen: „Weil sie zu grausam seien, ‚Instrumente bürgerlicher Repression‘, müssten die Märchen aus der Kindererziehung verbannt werden, erklärten fortschrittliche Pädagogen vor einigen Jahren. Die entgegengesetzte Ansicht vertritt nur der – durch Therapieerfolge bei seelisch schwer gestörten Kindern berühmte – amerikanische Psychoanalytiker Bruno Bettelheim: Märchen helfen Kindern, ‚das Chaos in ihrem Unbewussten zu bewältigen‘.“ (S. 153)

Und der „Spiegel“ beendete im März 1977 seine Bettelheim-Lobeshymne auf diesen „weisen Mann“ (ebd., S. 153) mit der Bemerkung: „Den Frosch, der sich aufblasen kann, deutet Bettelheim als Penis, zugleich aber als Embryo in Symbiose mit der Mutter, auf deren Schoß er sitzen, aus deren Glas er trinken und in deren Bett er liegen will. Erst als die Prinzessin den Frosch aus dem Bett gegen die Wand wirft und ihn so aus den Fesseln seiner unreifen Existenz erlöst, gewinnt er männliche Gestalt. Märchen, die sich Erwachsene von Märchen machen? Einem Kind, mahnt immerhin Psychiater Bettelheim, dürfe solch tiefer Sinn eines Märchens niemals erklärt werden – denn sonst sei dessen Zauberkraft gebrochen“ (ebd., S. 158). Und noch 1987 brachte der „Spiegel“ einen großen, sehr verständigen Beitrag über Bettelheims Alterswerk „Ein Leben für Kinder“ (s. Kaufhold 2001), den er mit den Worten einleitet: „Bruno Bettelheim, der große alte Mann der Kinderpsychologie, hat ein neues Buch über Erziehung geschrieben“. ((Der Spiegel: Gibt es mich? Besprechung von Bruno Bettelheim: Ein Leben für Kinder, Nr. 39/1987, S. 247-253.)) Seine erneute Lobeshymne auf diesen „große(n) alte(n) Mann“ lässt er mit den Worten ausklingen: „So zieht Bettelheim nun das Resümee: ‚Trotz aller Experimente hat die menschliche Gesellschaft noch keinen besseren Weg gefunden, ihre Jungen aufzuziehen, als innerhalb der Familie.‘ Allerdings müssten Eltern die Gefühle ihrer Kinder (‚und insbesondere unglückliche Gefühle‘) ’sehr ernst nehmen‘. Dann könnten Kinder in der Familie zu Beziehungen gelangen, ‚die ihnen für den Rest ihres Lebens Sicherheit verleihen werden‘.“ (ebd., S. 253)

Nun, zehn Jahre später, ist alles anders. Der ehemals vom Reformeifer, von kraftvollen utopischen Entwürfen inspirierte Zeitgeist – dem sich der „Spiegel“ vor allem in den 1970er Jahren angeschlossen hatte – hat sich nach 14-jähriger konservativer Regierung grundlegend gewandelt. Was man gestern noch entschieden zum Ausdruck gebracht hatte, ist dem Vergessen anheimgefallen. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Der Kommunismus als Feindbild ist verschwunden, die Beschämung über das, was man früher selbst einmal als erstrebenswert angepriesen hatte, ist dafür um so ausgeprägter. Die Wiedervereinigung, vorgeblich sehnlichst erwünscht und durch historisch günstige Rahmenbedingungen unerwartet eingetreten, fordert Kosten. Das Unbewusste meldet sich zu Wort. Und im Exil erfolgreiche Juden gibt es immer noch. Und diese verfügen über die Unverfrorenheit – die Schweiz hat dies dieser Tage zur Kenntnis nehmen müssen -, ihr Schicksal nicht vollends in Vergessenheit geraten lassen zu wollen.

Hatte der „Spiegel“ seine Bettelheim-Aufsätze aus den Jahren 1987 sowie 1990 noch mit einem Photo aufgemacht, in dem ein vielleicht neunjähriges Mädchen, vermutlich Bettelheims Enkelkind, seine Arme liebevoll um den auf einem Stuhl sitzenden, etwa 80-jährigen Bettelheim legt, so macht der „Spiegel“ 1997 seinen Aufsatz mit einem großformatigen Photo des damals 85-jährigen, durch zwei Schlaganfälle geschwächten, von Sterbenswünschen bedrängten Bettelheim auf, knapp zwei Jahre vor dessen Freitod. Da dieses Photo dem Thema besonders angemessen erschien, untertitelt der „Spiegel“ den sterbenskranken Bettelheim mit „Autoritäre Persönlichkeit mit antiautoritärer Botschaft“ .

2.2 Exkurs: Verpasste journalistische „Gags“: „Bettelheim: Plagiarism Charged“

„Wir sollten immer davon ausgehen, dass ein Kind für alles, was es tut, seine guten Gründe hat, auch wenn es dem oberflächlichen Betrachter noch so befremdend und töricht erscheinen mag. (…) Wenn Erwachsene dagegen wichtige Beschäftigungen ihrer Kinder als dumme Kinderstreiche abtun oder wenn sie sie daran hindern oder dafür bestrafen, sollten sie sich nicht wundern, wenn Jugendliche, die so erzogen wurden, auf dem Standpunkt stehen, dass niemand über dreißig vernünftige Ansichten hat.“
Bruno Bettelheim (1987, S. 212f.)

Dabei hat der „Spiegel“ geradezu nachlässig recherchiert. Er hat einen besonderen „Gag“ verpasst: Bettelheim ist nicht nur ein Lügner, Hochstabler und sadistischer Kinderquäler, er ist darüber hinaus auch noch ein Plagiator. Selbst seine Bücher hat dieser österreichische Emigrant nicht selbst geschrieben – wie ein amerikanischer Anthropologe „enthüllt“ zu haben glaubte.

Nachdem Bettelheim, nach langem Leiden nahezu arbeitsunfähig, im März 1990 den Weg aus dem Leben beschritten hatte, nachdem sich eine massenmedial organisierte Öffentlichkeit einige Monate später an dem Sturz und der Verächtlichmachung des selbstgeschaffenen Heroen delektiert hatte, versuchte ein Anthropologe namens Alan Dundes im Februar 1991 im „Journal of American Folklore“ ((Journal of American Folklore Bd. 104, Nr. 411, Winter 1991.)) dem toten Bettelheim einen erneuten, diesmal wissenschaftlichen Todesstoß zu versetzen. Bettelheim sei ein Plagiator, der sein Buch „Kinder brauchen Märchen“ – für das er 1977 in den USA mit dem „National Book Award“ sowie dem „National Book Critics Circle Award“ ausgezeichnet worden war – aus fremden Quellen abgeschrieben habe: „Bettelheim Plagiarized Book Ideas, Scholar Says“, titelte die „Los Angeles Times“, und im Untertitel: „The late child psychologist is accused of wholesale borrowing for study of fairy tales“ ((Anne C. Roark: Bettelheim Plagiarized Book Ideas, Scholar Says. In: Los Angeles Times, Thursday, February 7, 1991, S. A1, A28. Pollak hat sich an dieser Geschichte offensichtlich sehr delektiert. Sein Verlag „Simon und Schuster“ lässt hierzu in seinem Pressetext wissen: „Pollak also spells out how Bettelheim plagiarized portions of his prize-winning book on the psychological meaning of fairy tales. The Uses of Enchantment.“)) (25). Abgeschrieben habe Bettelheim vor allem von Julius E. Heuscher, einem „clinical professor of psychiatry at Stanford University’s medical center“.

Auch Jeffrey M. Masson (s.o.) mochte da nicht abseits stehen. Er wusste zu vermelden: „I certainly wouldn’t put it past Bettelheim. … He was not an honest man … Furthermore, he was very rude to people. He was incredibly arrogant.“ (ebd., S. A2826)

Bruno Bettelheim hatte sein berühmtes Märchenbuch 1976 veröffentlicht. In ihm rehabilitiert er die in den 70er Jahren im Kontext der gesellschaftskritischen Reformbestrebungen in Misskritik geratenen Märchen als pädagogisch außergewöhnlich wertvolle kindliche Sinnstifter. Insofern stellte dieses Buch, insbesondere für verunsicherte Eltern, für Mütter eine außerordentliche Ermutigung dar, Kindern Märchen vorzulesen. In diesem Buch spricht Bettelheim in seiner unverwechselbaren, psychoanalytisch fundierten Diktion zu dem Leser – was ihm gelegentlich die Kritik einbrachte, historische Märchenforschung und die Popularisierung psychoanalytischer Entwicklungs- und Erklärungsmodelle zu sehr zu vermengen. Diese Verknüpfung von verschiedenen Ansätzen, von verschiedenen Ebenen, ist wesensbestimmt für Bettelheim, entspricht seiner Intention einer Synthese von Herz und Verstand, von Wissenschaft und Poesie (s. Schmauch, 1994), von intellektuell-emotionaler Durchdringung und gesamtgesellschaftlich verständlicher Darstellungsweise. ((Vgl. Kaufhold, 1997a, Fußnote S. 103.)) Sie macht einen großen Teil seines außergewöhnlichen öffentlichen Erfolges aus. Bettelheim wollte mit seinen Schriften die Leser zum Engagement, zur Einfühlungsbereitschaft ermutigen, ohne ihnen jedoch das trügerische Gefühl zu vermitteln, die existentiellen Schwierigkeiten des Menschen ließen sich „lösen“; die pädagogische Arbeit mit schwerstgestörten Kindern sei eine einfache, gefahrlose Tätigkeit. Bettelheim, so könnte man Ernst Bloch paraphrasieren, verknüpfte seinen theoretischen Pessimismus stets mit einem pädagogisch-therapeutischen Optimismus. Zum Ausdruck kommt dies auch in folgender Passage aus „Kinder brauchen Märchen“:

„Sehr viele Eltern sind nicht bereit, ihren Kindern zu sagen, dass vieles, was im Leben nicht richtig ist, seine Ursache in unserer Natur hat, in der Neigung aller Menschen, aus Zorn und Angst aggressiv, unsozial, egoistisch zu handeln . Unsere Kinder sollen vielmehr glauben, alle Menschen seien von Natur aus gut. Kinder wissen aber, dass sie nicht immer gut sind ; und oft, wenn sie es sind, wären sie es lieber nicht. Dies widerspricht dem, was sie von den Eltern hören, und auf diese Weise kann ein Kind in seinen eigenen Augen zum Ungeheuer werden .
In unserer Kultur besteht die Neigung, besonders wenn es um Kinder geht, so zu tun, als existiere die dunkle Seite des Menschen nicht. Sie verkünden einen optimistischen Fortschrittsglauben. Von der Psychoanalyse erwartet man, dass sie das Leben leicht machen solle, aber dies war nicht die Absicht ihres Begründers. Ziel der Psychoanalyse ist es, dem Menschen zu helfen, das Problematische des Lebens zu akzeptieren, ohne sich davon besiegen zu lassen oder in eine eskapistische Haltung auszuweichen. Freuds Rezept lautet: Nur durch mutiges Kämpfen gegen scheinbar überwältigende Widrigkeiten kann es dem Menschen gelingen, seinem Leben einen Sinn abzugewinnen .
Genau diese Botschaft vermittelt das Märchen dem Kind in vielfältiger Weise: Der Kampf gegen die heftigen Schwierigkeiten des Lebens ist unvermeidlich und gehört untrennbar zur menschlichen Existenz, wenn man aber nicht davor zurückschreckt, sondern den unerwarteten und oft ungerechten Bedrängnissen standhaft gegenübertritt, überwindet man alle Hindernisse und geht schließlich als Sieger aus dem Kampf hervor “ (Bettelheim 1977, S. 14).

Ich komme zum Ausgangspunkt dieses Kapitels zurück: Besagter Julius E. Heuscher nun, der ungefragt zum Autor wesentlicher Passagen von „Kinder brauchen Märchen“ gemacht worden war, meldete sich, als die erneuten Angriffe gegen Bettelheim losbrachen, selbst zu Wort: „Heuscher says he is not bothered at all. In fact, when he read Bettelheim’s book years ago, he remembered feeling no sense of violation. ‚We all plagiarize. I plagiarize. Many times, I am not sure whether it came out of may own brain or of it came from somewhere else. … I’m only happy that I would have influenced Bruno Bettelheim, I did not always agree with him. But that does not matter. Poor Bruno Bettelheim. I would not want to disturb his enternal sleep with this.'“ ((Anne C. Roark (1991), a.a.O., S. A1, A28.))

3. Von „zähen KZ-Überlebenden“, „jüdischen Überlebenskünstlern“, „geltungssüchtigen Patriarchen“, „zwanghaften Hochstablern“ und „sadistischen Machtspielern“

„Die Umwelt – und das ist es, was ich im Konzentrationslager gelernt habe – kann also eine ungeheuer zerstörerische Macht haben. Mir scheint, dass man aus dieser Erfahrung den logischen Schluss ziehen kann: wenn eine Umwelt diese ungeheure Macht haben kann, Veränderungen in den tiefsten Persönlichkeitsstrukturen zu bewirken – und nicht bloß, einen für das ganze Leben zu zeichnen, was auf der Hand liegt, denn im Lager konnte jeder einen niederschießen -, dann musste es möglich sein, eine Umgebung aufzubauen, die einen ebenso machtvollen Einfluss zum Guten hin haben würde, wie ihn das Konzentrationslager im Sinne der Persönlichkeitsvernichtung gehabt hat. (…) So ist die Orthogenetische Schule, ein Lebenswerk, zur Antwort geworden auf das Konzentrationslager, ein Todeswerk.“
Bruno Bettelheim (Bettelheim u. Karlin 1984, S. 112f.)

Nach der bisher erfolgten historisierenden Einordnung des „Spiegel“-Artikels möchte ich nun unmittelbar auf die Diktion sowie den Inhalt dieses Aufsatzes eingehen.

Der „Spiegel“ beginnt mit einer voyeuristischen Szene. Er lässt den Leser am Freitod des Juden Bruno Bettelheim teilnehmen: „Seelenloser hätte der Seelendoktor seinen Abgang nicht inszenieren können: Barbiturate und etwas Whiskey im Magen, eine Plastiktüte überm Kopf, so machte Bruno Bettelheim seinem Leben ein Ende“ (S. 166). Somit ist der Leser – der sich gewiss nicht der Menschenkategorie der „Bettelheim-Fans“ (S. 166) zugeordnet sehen möchte – bereits einführend über den „tristen Tod“ dieses „Erzvater(s) einfühlsamer Pädagogik“ und „zähe(n) KZ-Überlebende(n) und Emigrant(en)“ (!) (ebd.) in Kenntnis gesetzt worden. Um sich tiefergreifende Reflexionen, gar noch in den prätentiösen Kategorien von „Bewältigungsversuchen eines Überwältigten. Eros und Thanatos in der Biographie und im Werk Bruno Bettelheims“(Kaufhold 1997a), zu ersparen, ist der „Spiegel“ mit einer umfassenden Erklärung bei der Hand: Bruno Bettelheim, so wird suggeriert, habe sich nicht etwa im Kontext der durch die Inhaftierung in Dachau und Buchenwald erlittenen schwersten Traumatisierungen, aufgrund seiner Unfähigkeit, seine aufgezwungene Zeitzeugenschaft der willkürlich-sinnlosen, systematisch betriebenen Ermordung von Millionen von hilflosen Opfern zu „vergessen“, zu „verdrängen“, das Leben genommen – wie vor ihm Jean Amery und Primo Levi, um nur die Bekanntesten zu nennen -, nein: „rascher als erwartet kam Aufklärung“: Die Angriffe gegen Bettelheim – die erst nach seinem Selbstmord laut wurden – habe dieser quasi antizipiert und sich aus Schuld vor seinen Lebenslügen das Leben genommen. Bettelheim, so lässt uns der „Spiegel“ unter Berufung auf Pollak wissen, sei ein „geltungssüchtiger Patriarch und zwanghafter Hochstabler“ (S. 168) gewesen, der in seiner „Orthogenic School“ die Patienten aus purem Sadismus und grenzenlosem Größenwahn jahrzehntelang systematisch gequält habe. Dieser „kleine Mann mit den dicken Brillengläsern“ (S. 166), dieser „alte Selbsterfinder“ (S. 169), dieser „jüdische Überlebenskünstler“ (!) ((Man lese nach, wie Herr Salzwedel Bettelheim dessen vielfach missverstandenen Äußerungen zum „Ghettodenken“ (die Bettelheim u.a. mit Hannah Arendt und Raul Hilberg teilte) vorhält, wie er den Juden Bettelheim indirekt zum Antisemiten macht (S. 169), der Eltern „wie KZ-Kapos abgeurteilt“(!) habe, wie er sich am Selbstmord des jüdischen KZ-Überlebenden Bettelheim erfreut! Über Bettelheims Reflexionen zur „Ghettomentalität“ der Juden habe ich u.a. ausführlich geschrieben (Kaufhold, 2001); s. auch Suttons (1996) vorzügliche Darstellungen über Bettelheims Äußerungen zur „Ghettomentalität“ sowie sein Verhältnis zum Judentum bzw. zu Israel: S. 172, S. 192f.(!), S. 199, S. 251f., S. 288-298, S. 361f., S. 380, S. 386-422, S. 457-478, S. 516f., S. 520-524, S. 550.)) (S. 166), dieser „Seelenkenner aller Klassen“ (S. 169), dieser „Großbürgersohn“, der in Wahrheit(!) neben dem Kunstgeschichtsstudium ein paar Semester die Hochschule für Welthandel besucht hatte, bevor er zwölf Jahre lang, von 1926 bis 1938, die väterliche Holzhandelsfirma leitete (S. 169), habe im amerikanischen Exil aus purer Boshaftigkeit ein grenzenloses Terrorsystem errichtet:

„Dass im angeblichen Paradies für Schwererziehbare die Privatpost zensiert wurde, dass Widerspenstige zu hören bekamen, sie würden, wenn sie weiter renitent blieben, ins Irrenhaus wandern, dass nachts die quietschenden Kreppsohlen des Direktors manche Kinder in ihren Betten erschauern ließen – all das notiert Pollak ohne viel Beiwerk. Er berichtet von Faustschlägen und Hieben aufs nackte Hinterteil; ein 20-jähriges Mädchen peitschte der wütende Übervater mit dem eigenen Gürtel aus. Aber Gewaltexzesse sind für den Biographen nur traurige Symptome einer Emigranten-Existenz, die aus früheren Lügen nie mehr zur Wahrheit zurückfand“ (S. 168).

In diesem Ton geht es weiter. Eines steht hierbei fest: Der Jude und Konzentrationslager-Überlebende Bruno Bettelheim, allen früher vom „Spiegel“ selbst verkündeten Einsichten zum Trotz, ist – wenn man sich gnädig auszudrücken beliebt – ein skrupelloser Lügner.

Der „Spiegel“ möchte sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, schlecht recherchiert zu haben. So zitiert er gleich zwei Bettelheim-Biographen (Sutton und Pollak), mit der erkennbaren Absicht, Nina Sutton eine gewisse Naivität zu unterstellen. Den „Bettelheim-Fans“ (s.o.) hätten Suttons differenzierenden Interpretationen als Seelentrost gedient, den puren Sadismus von Bettelheim zu leugnen: „Nur zu gern akzeptierten daher viele, was die französische Journalistin Nina Sutton (…) erklärte: Auch der scheinbar ‚Heilige‘ Bettelheim sei ein ‚Mensch mit all seinen kleinen Lügen und großen Wutausbrüchen‘ gewesen“ (1997, S. 166). So ist es nur naheliegend, den Atheisten Bettelheim 1997 bereits in der Überschrift als „Guru“ zu disqualifizieren, der sein Leben damit verbracht habe, „Falsche Fabeln“ über sein Leben und Werk zu verbreiten – wobei man überrascht fragen könnte, inwiefern Bettelheim bzw. ob nicht der „Spiegel“ selbst, wie gezeigt, Bettelheim jahrelang als „weisen Mann“ (1977), als „großen alten Mann“ (1987) gefeiert hat. Was nicht sein kann, das darf nicht sein: 1990 macht der „Spiegel“ mit einem Federstrich aus dem „weisen“ Mann einen „predigenden … greise(n) Bruno Bettelheim“ (S. 262). Und für den Wahrheitsgehalt von Pollaks Buch bürgt dessen „Bemühen um Verständnis“: „Zwar hat er sich bei seinen Recherchen um Verständnis bemüht. Er notiert, dass ‚Dr. B.‘, wie Pfleger und Insassen der Orthogenic School ihren Leiter nannten, schon einmal eigenhändig Kamillentee kochte, wenn einem Kind übel war, oder märchenhafte Weihnachtsfeiern organisierte“ (1997, S. 168), weiß der „Spiegel“ zu vermelden.

In diesem Ton geht es weiter. Nun gilt es, Bettelheims berufliche Entwicklung in Wien sowie in seiner zweiten Heimat, den USA, als auf Lügengebilden beruhendes Schmierentheater zu desavourieren. Als besonders schmerzhaft empfindet der „Spiegel“ (S. 168f.) es offenkundig, dass der emigrierte Jude Bettelheim – der noch in Wien mit einer Psychoanalyse bei Richard Sterba begonnen hatte, diese wegen seiner Verschleppung nach Dachau und Buchenwald jedoch nicht beenden konnte, und der 1937 gerade noch rechtzeitig an der Wiener Universität mit dem kunstgeschichtlichen Thema „Das Problem der Naturschönen und die moderne Ästhetik“ promoviert hatte -, an seinen KZ-Erfahrungen nicht zerbrach bzw. das ihm von den Nazis zugewiesene Schicksal als „Untermensch“ nicht akzeptierte, sondern dagegen aufbegehrte und verzweifelt um sein Weiterleben, den Aufbau einer zweiten Identität „nach Buchenwald“, einschließlich eines beruflichen Neuanfangs im Exil, kämpfte.

Der „Spiegel“ nimmt Bettelheim offensichtlich insbesondere die Übernahme der Leitung der „Orthogenic School“ übel, einer 1912 (nach anderen Angaben 1915) gegründeten Forschungs- und stationären Behandlungseinrichtung, die in ihrer Konzeption vorher völlig gescheitert war. Der Dekan der Chicagoer Universität hatte Bettelheim 1941, weil er wusste, dass Bettelheim bereits in Wien sieben Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau ein autistisches Kind in seine Familie aufgenommen hatte, um ein Gutachten über die Arbeit der Orthogenic School gebeten.

Bettelheim legte ihm dieses allerdings nie vor. Zum einen, weil er zunächst aus persönlichen Gründen nicht als Psychoanalytiker arbeiten wollte (Bettelheim u. Karlin 1984, S. 194), zum anderen aber auch, weil sein schonungsloses Urteil, wie er drei Jahre später dem inzwischen befreundeten Dekan berichtete, hätte lauten müssen: „Brenn das Ganze nieder!“ (Bettelheim u. Karlin 1984, S. 126). Ab 1944 wurde er mit der Leitung der Orthogenic School betraut.

Zum angemessenen historischen Verständnis möchte ich anmerken: Die Orthogenic School war damals keineswegs eine „besondere“ Einrichtung, es war eine Institution, wie es Tausende in den USA gab. Die Übernahme ihrer Leitung war insofern kein besonderer „Aufstieg“, es war ein Job wie jeder andere. Bettelheim hätte anfangs sehr viel lieber seine Lehrtätigkeit an der Universität fortgesetzt. Wenn die Orthogenic School später so berühmt geworden ist, zu Recht als pädagogisch-therapeutische Modelleinrichtung gilt, so ist dies ausschließlich Bruno Bettelheims Verdienst! Und wenn sie personell und finanziell so großzügig ausgestattet war, so ist auch dies einzig und allein dem uns heute nur schwer nachvollziehbarem Engagement Bettelheims zu verdanken, der Mitarbeiter für einen außergewöhnlich belastenden Arbeitseinsatz zu motivieren und immer wieder Geldgeber im Interesse der ihm anvertrauten Kinder zu gewinnen vermochte. Nina Sutton hat dies in ihrer Biographie verdeutlicht, den „Spiegel“ kümmert es, ganz im Einklang mit dem neuen „Zeitgeist“, nicht. Er weiß vielmehr über das Jahr 1944 zu vermelden: „Die Begeisterung über Bettelheims grenzenlose Bildung, sein Lehrtalent und seinen psychologischen Scharfblick fegte beim Pädagogik-Dekan der Universität von Chicago alle Zweifel beiseite: Dieser Mann und niemand sonst könnte die heruntergekommene Orthogenic School für Problemkinder wieder in Schwung bringen. Sogar ein wenig bitten lassen durfte er sich, als er 1944 seinen neuen Job als Kinderpsychologe antrat, erzählte Bettelheim später gern voller Stolz“ (S. 168).

Und auch über die privaten Motive von Bettelheims damaligen MitarbeiterInnen weiß Herr Salzwedel, trotz eines zeitlichen Abstandes von 50 Jahren, genau Bescheid: „Als Erzieher heuerte er vorzugsweise blutjunge Mädchen aus der US-Provinz an, die zu ihm, dem alteuropäischen Bildungsbürger, genauso aufblickten, wie die Studenten in den Uni-Kursen. Logisch, dass jede einzelne der ‚counselors‘ zuerst beim Chef eine private Analyse durchmachen musste, so dass er, dem keine Kommission in die Karten guckte, bald zum Guru einer willigen Herde von Anbeterinnen avanciert war. Er konnte sie nach Wunsch Überstunden machen lassen oder im Dialog drangsalieren, bis sie in Tränen ausbrachen – trotzdem verehrten sie hernach in ihm den allwissenden Seelenführer“ (S. 169).

Und da Bettelheim ein so übermächtiger Tyrann war, führte er seine Despotie auch noch 30 Jahre später, nach seinem Abschied von der Orthogenic School im Jahre 1973/74, weiter – zu Zeiten, als der „Spiegel“ selbst, wie gezeigt, Bettelheim über einen Zeitraum von 16 Jahren als großen, weisen Psychoanalytiker und Pädagogen feierte: „Nicht einmal in Bettelheims letzten Jahren, als er die Schule längst willigen Helfern überlassen hatte, wagten Kollegen, die Legende des ‚Helden unserer Zeit‘ (wie die Zeitschrift `New Republik´ ihn nannte) anzutasten. (…) viel zu riskant wäre es gewesen, dieser ‚autoritären Persönlichkeit mit antiautoritärer Botschaft‘ (…) zu widersprechen“ (S. 169).

Der „Spiegel“ lässt sein Pamphlet mit der Bemerkung ausklingen: „Als der alte Selbsterfinder , nach dem Tod seiner Trude bitter geworden, in der Sackgasse seines glücklosen Ruhms verendet (!) war, fanden Kollegen in einem seiner letzten Aufsätze einen Hinweis. Mit diesem Erinnerungsfetzen ((Dieser „Erinnerungsfetzen“ aus Bettelheims Spätwerk „Themen meines Lebens“ erschien dem „Spiegel“ übrigens noch 1990 als so bedeutsam, dass er ihn in seinem Sonderheft zur Büchermesse 1990 als eine der bedeutendsten Neuerscheinungen dieses Jahres aufnahm. Er druckte Bettelheims Aufsatz Berggasse 19 aus den soeben erschienen „Themen meines Lebens“ (Bettelheim, 1990) in diesem Sonderheft nach.)) (32) fasst nun auch Richard Pollak sein Buch zusammen. Wegweisend, so sagte Bettelheim ohne weitere Deutung, seien für ihn in seiner Wiener Zeit zwei Werke der Philosophen Theodor Lessing und Hans Vaihinger gewesen, die heute nur noch wenige kennen. Auch Bettelheim hat sie wohl kaum ganz gelesen. Aber ihre Titel lassen aufhorchen: ‚Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen‘ und ‚Die Philosophie des Als-Ob'“ (S. 169).

Von den außergewöhnlichen Schwierigkeiten einer Arbeit, wie sie Bettelheim geleistet hat, ist nicht die Rede. Vielleicht hätte der Autor zumindest zwei Äußerungen von Kolleginnen bzw. Freunden Bettelheims aus der Sutton-Biographie zur Kenntnis nehmen können. In dem Kapitel „Orthogenic-School – die magischen Jahre“ (S. 303-346) hat Sutton verdeutlicht, wie Bettelheim seine MitarbeiterInnen für die außergewöhnlich schwierige Arbeit mit emotional stark beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen ermutigte und begeisterte:

„… was die Magie dieser ersten Jahre ausmachte, das Charisma Bruno Bettelheims, wie er seinen Mitarbeitern die Gewissheit vermittelte, Pionierarbeit zu verrichten: ‚Wir waren überzeugt, an einem revolutionären Experiment mitzuwirken, etwas zu tun, was noch nie zuvor getan worden war. Ich hätte mit niemandem getauscht, und wenn die Arbeit vierundzwanzig Stunden am Tag gedauert hätte ‚, sagte Gayle. Die Erzieherinnen der ersten Stunde denken alle wie sie“ (S. 314f., Hervorhebung d. Verf.).
Und Hans Bandler , ein angehender Ingenieur, der mit demselben Transport wie Bettelheim nach Dachau verschleppt worden war, bemerkte im zeitlichen Abstand von 53 Jahren zu der gemeinsamen Gefangenschaft mit Bettelheim: „Ich habe erlebt, wie Gefangene immer zum Leben erwachten, wenn Bruno von seinem erzählte“ (Sutton 1996, S. 203).

Sutton schreibt weiter: „In Dachau haben sie miteinander geredet, wenn sie Seite an Seite die Schubkarren mit den Steinen schoben. Hans ruft sich Vorlesungen und Praktika ins Gedächtnis; er erklärt Bruno Bettelheim, wie man eine Brücke baut und was man alles bedenken muss, damit sie nicht einstürzt. Bettelheim hört zu, fragt nach. Und wenn er dran ist mit dem Erzählen, redet er über die Psychoanalyse, über Freud und Wilhelm Reich … Hans, der davon noch nie etwas gehört hat, ist fasziniert“ (S. 204).

3.1 Exkurs: Von der Leichtigkeit der Geschichtsaufarbeitung

„Wenn wir die Opfer der Nazis als ‚Märtyrer‘ bezeichnen, verfälschen wir ihr Schicksal. (…) Millionen von Männern, Frauen und Kindern wurde der Prozess gemacht, nachdem man sie brutalst behandelt und ihre Menschlichkeit zerstört hatte und nachdem man ihnen die Kleider vom Körper gerissen hatte. Die Nackten wurden in zwei Gruppen eingeteilt – die eine Gruppe wurde sofort ermordet, die andere kurzfristig zur Sklavenarbeit eingeteilt. Doch schon nach kurzer Zeit wurden auch sie in Gaskammern getrieben, wo sie am Gas erstickten und im allerletzten Augenblick um das letzte bisschen frische Luft kämpften. Diese elenden Opfer einer mörderischen Wahnidee, einer amoklaufenden Zerstörungswut als Märtyrer oder Brandopfer (die wörtliche Übersetzung von ‚Holocaust‘, d. Verf.) zu bezeichnen, ist nichts anders als eine Verzerrung der Realität, mit dem Ziel, sich einen – wenn auch kläglichen – Trost zu verschaffen. Der zugrunde liegende Gedanke ist doch der, dass dieser Massenmord, der nicht bösartiger hätte sein können, eine tiefere Bedeutung gehabt haben müsse und dass sich die Opfer irgendwie wohl auch selbst geopfert haben müssen oder aber Opfer im Namen einer höheren Sache gewesen sind. Das aber beraubt sie der letzten Würde, die ihnen zusteht, der letzten Würdigung, die wir ihnen zuteil werden lassen können – ich meine, ihrem Tod, so wie er tatsächlich war, ins Auge zu sehen und diesen Tod zu akzeptieren, anstatt ihn zu verschönern, nur weil uns das innerlich ein wenig erleichtert.“
Bruno Bettelheim (1980a, S. 105f.)

Ich komme nun zu einer Passage, in der Herr Salzwedel noch einen Schritt weiter geht als bisher. Waren seine bisherigen Äußerungen primär auf die Person Bettelheims und auf dessen berufliche Tätigkeit gerichtet, so hebt er seine Polemiken nun auf eine Ebene, die nicht mehr nur eine biograhische, sondern zugleich eine historische Interpretation darstellt. Ich möchte dieses Thema in einem eigenen Unterkapitel abhandeln, weil ihm nach meinem Empfinden eine grundlegende gesellschaftlich-historische Bedeutung zukommt – der Frage nämlich, wie man die vielfältigen Auswirkungen des Faschismus „aufarbeiten“ kann.

Bei der Beschäftigung mit diesem Thema erinnerte ich mich an eine vergleichbare massenwirksame Polemik wie die des „Spiegel“: Nach meiner Erinnerung Ende 1995 oder Anfang 1996 brachte das Politik-Magazin „Report“ einen Bericht, in dem es die Integretät des Ausschwitz-Überlebenden Simon Wiesenthal in Gänze in Abrede zu stellen versuchte, und dies in einer Art und Weise, die den hier zu behandelnden „Spiegel“-Artikel noch übertraf. Auch Simon Wiesenthal, der die Tragödie seines jüdischen Volkes, von Millionen von Russen und Polen, Sinti und Roma, Kommunisten und Homosexuellen am eigenen Leibe als Zeitzeuge erlebt und die ihm aufgenötigte Zeitzeugenschaft als lebenslange moralische Verpflichtung angenommen hat, wurde als ein hartnäckiger „Lügner“ und „Wichtigtuer“ dargestellt. Ist es unpassend, dies als ein bewusst oder unbewusst motiviertes, gezieltes Spiel auf der Klaviatur des Antisemitismus zu interpretieren, welches die moralische Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen intendiert?

Der „Spiegel“ schreibt 1997 über den Autor von „Erziehung zum Überleben. Zur Psychologie der Extremsituation“, Bruno Bettelheim: „Seine Gabe als Seelenkundler hatte Bettelheim schon in einem Aufsatz angewandt, der als Bilanz seiner KZ-Erfahrungen gemeint war. Unter dem Profi-Titel ‚Individual- und Massenverhalten in extremen Situationen‘ führte er darin Mitgefangene von Dachau und Buchenwald als Wesen vor, die durch den Lagerzwang in frühkindliche Verhaltensmuster zurückgefallen waren. Die These, mit statistisch aussehenden Zahlen garniert, klang plausibel und erregte in den USA, wo vom Innern der NS-Terrormaschine noch kaum Genaues bekannt war, sofort Aufsehen“ (S. 168).

Um wenig später, weitere Klischees hinzufügend, zu ergänzen: „Zwar sahen Bettelheims publikumswirksame Behauptungen einander meist verdächtig ähnlich: Einmal wurden Eltern, besonders Mütter, als Hauptschuldige am Leiden ihrer autistischen Kinder gebrandmarkt und wie KZ-Kapos abgeurteilt . Das andere Mal schleuderte der Seelenkenner aller Klassen ausgerechnet Juden den Vorwurf entgegen, sie seien dank ihrer ins Infantile weisenden ‚Ghetto-Mentalität‘ am Antisemitismus selber schuld …“ (S. 169).
Ich habe über die Hintergründe von Bettelheims bedeutenden Studien zur Psychologie der Extremsituation ausführlich geschrieben (Kaufhold 1997a). Nach K. Reich (1993, 1994) gehören sie, gemeinsam mit den Studien Ernst Federns, „zu den Standards psychoanalytischer Betrachtung über das Thema einer Psychologie extremer Situationen“ (Reich 1993, S. 83).

Im gleichen Kontext habe ich über Bettelheim Theorem vom „Ghettodenken“ geschrieben; anzumerken bleibt, dass er dieses mit Autoren wie Hannah Arendt und Raul Hilberg teilt. Ihm zu unterstellen, er habe mittels des historisierenden Theorems des „Ghettodenkens“ postuliert, „die Juden“ seien „am Antisemitismus selber schuld“, ist grotesk. In diesem Sinne ist auch das Einleitungszitat zu diesem Unterkapitel zu lesen.

Es dürfte nicht unbekannt sein, dass die ersten Berichte über die Konzentrationslager keineswegs mit Interesse aufgenommen worden sind. Ernst Federns erste Studie zur Psychologie des Terrors aus dem Jahre 1945 (Federn, 1999) wurde erst 1989 erstmals auf deutsch veröffentlicht. Raul Hilberg hat in seiner biographischen Schrift „Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forscher“ die Schwierigkeiten und Widerstände beschrieben, denen er bei der Veröffentlichung seiner monumentalen Studien zur Erforschung der Vernichtung der europäischen Juden begegnete.

Bettelheims bewusst distanziert und „objektiv“ gehaltene erste Studie über Dachau und Buchenwald wurde über ein Jahr lang von allen amerikanischen Fachzeitschriften abgelehnt, weil man diese Schilderungen für übertrieben hielt. Auch glaubte man, sie der amerikanischen Bevölkerung nicht zumuten zu können (s. Bettelheim 1980a, S. 22-24). Gordon Allport veröffentlichte diese Studie des damals völlig unbekannten Bettelheim als Leitartikel im Oktober 1943 im „Journal of Abnormal and Social Psychology“, und Dwight

Mac Donald druckte sie im August 1944 in der auflagenstarken, progressiven Zeitschrift „Politics“ nach. Bettelheim bemerkte hierzu in einer Fußnote: „Wie wenig über die wahre Natur der Konzentrationslager sogar noch am Ende des Krieges bekannt war, ersieht man aus der Tatsache, dass damals General Eisenhower diesen Essay für alle Offiziere der US-Militärregierung in Deutschland zur Pflichtlektüre machte. Nur dass eben diese Erkenntnisse den Millionen, die in den Lagern ermordet worden waren, auch nichts mehr half“ (Bettelheim 1980a, S. 27).

Gordon Allport schrieb dementsprechend am 15.6.1945 an Bettelheim: „You will be interested to know that we received a cablegram signed by Eisenhower asking for permission to translate an reprint your article on ‚Individual and Mass Behavior in Extreme Situations‘. The Headquarters had only the mimmographed edition but we authorised the reprinting and hope that your contribution will play an active part in the education of occupation authorities. From returning army man who have seen conditions first hand I judge the psychological direction taken in your article has been wholly validated.“ ((Sutton hat diesen Brief in der französischsprachigen Originalausgabe ihres Buches als Dokument abgedruckt. Ihr ursprünglich 758-seitiges Werk würde für die deutsche Ausgabe um 150 Seiten gekürzt.))

Wie ich verschiedentlich geschildert habe (Kaufhold 1993, 1997a), war sich Bettelheim der letztendlichen Vergeblichkeit seiner Bemühungen um eine „Bewältigung“ der nationalsozialistischen Verbrechen wohl immer bewusst. Diese schmerzliche Erkenntnis traf sich mit seiner pessimistischen Sicht über die „Natur des Menschen“; sie bildete nach meinem Dafürhalten eine nicht unerhebliche Rolle für seinen Schritt aus dem Leben. Dies eben veranlasste ihn zu der Bemerkung: „Die Überlebenden zählen nicht; sie haben nie gezählt. Sie werden am besten vergessen. ‚Sehen Sie denn nicht, dass sie eine Peinlichkeit sind?‘ Wenn es sie nicht gäbe, wäre alles viel einfacher“ (1980a, S. 109).

Eben deshalb konstatierte er lakonisch, als sich Herlinde Koelbl im Kontext ihres Buchprojekts „Jüdische Porträts“ an ihn wandte: „Ich will Sie nicht desillusionieren, aber ich glaube auch, dass ein solches Buch gar keinen Einfluss hat. Denn diejenigen, die am stärksten beeindruckt werden, brauchen es nicht, die wissen es ohnedies. Und diejenigen, die beeindruckt werden sollten, weil sie noch nicht begriffen haben, an denen rinnt das wie Wasser ab. Der Wunsch zu vergessen ist so stark, dass es für sie schlechtes Benehmen ist, sie daran zu erinnern“ (Koelbl 1994, S. 61f.).

In diesem Sinne ist auch eine Episode, die Sutton (S. 251f.) schildert, zu lesen: „… Bettelheim hatte in Europa erfahren müssen, wohin solche Vorurteile führen können. Für ihn bestätigte sich hier aufs grausamste, dass sein Judentum, was er auch tat, immer als beschämendes und bedrohliches Etikett an ihm klebenbleiben würde. In Wien hatte er damit leben müssen, wie ale assimilierten Juden seiner Umgebung. Nun ertrug er er es nicht mehr. Und er witterte es schon von weitem, auch bei Leuten, denen ihre eigenen Vorurteile gar nicht bewusst waren. Doch solche Gefühle behielt Bettelheim meist für sich, er sprach darüber höchstens mit Trude (seiner Ehefrau, d. Verf.) und einigen wenigen Vertrauten. Vielen seiner Freunde war dieser Zug an ihm gänzlich unbekannt. Andere wiederum entdeckten ihn plötzlich, ohne zu verstehen, worum es eigentlich ging, und sahen sich, wenn sie am wenigsten darauf gefasst waren, unvermittelt vor Bettelheims Abgründen stehen. Das erlebte auch Stuart Brent, ein Büchernarr und Musikliebhaber, dem die erste psychoanalytische Buchhandlung Chicagos gehörte. Er hatte 1960 im noblen Hotel Drake über Bettelheims ‚Aufstand gegen die Masse‘ gesprochen, das eben erschienen war. Bettelheim bedankte sich überschwenglich und nahm seinen Arm, um mit ihm noch die paar hundert Meter vom Hotel am Ufer des Michigansees zur Buchhandlung gemeinsam zu gehen. Wie aus heiterem Himmel fiel plötzlich Bettelheims Bemerkung: ‚Weißt du, Stuart, wir müssen nicht darüber reden, wirklich. Aber ich bin eben doch nur ein alter Jude‘, über welche er dann den restlichen Weg brütete. Dabei war Bettelheim gerade dabei, unter allgemeiner Bewunderung den Gipfel seines Ruhms zu erklimmen …“

Und Herrn Salzwedel hätte bei der Lektüre der Sutton-Biographie vielleicht auch folgende Szene aus Bettelheims ersten Lehrjahren in Amerika auffallen können: „Obwohl er selbst nie etwas davon erwähnte, hatten sie (Bettelheims Studenten, d. Verf.) bald auch von seiner Vergangenheit erfahren. Sie redeten darüber untereinander, ohne genau zu wissen, was das eigentlich war, ein Konzentrationslager. Eine Studentin beobachtete Bettelheim einmal aus einem Fenster im ersten Stock, wie er über den Hof ging, und war so erschüttert von seiner Weise, die Arme an den Körper zu pressen, als wollte er sich vor Schlägen schützen, dass sie darüber ein Gedicht für die Hochschulzeitung schrieb“ (Sutton 1996, S. 254).

Oder er hätte sich an folgende Passage aus Suttons Buch (S. 202) erinnern können, in der Bettelheims körperliche Verfassung in Buchenwald geschildert wird: „Als Bettelheim nach Dachau eingeliefert wurde, wog er achtundsechzig Kilogramm, als er entlassen wurde (…) nur noch neununddreißig. Er hatte fast alle Haare verloren (aber, da es kaum Spiegel im Lager gab, es noch nicht bemerkt), seine Zähne waren in einem schrecklichen Zustand, und ein Magengeschwür machte ihm zu schaffen.“

4. Eine jüdisch-akademische Emigrantenkorrespondenz: Max Horkheimers Briefwechsel mit Bruno Bettelheim

Es mag Personen geben, die Bettelheim besser kannten, möglicherweise auch über ein angemesseneres Urteilsvermögen verfügten als Salzwedel. Ich möchte den jüdischen Emigranten Max Horkheimer – Mitbegründer der „Kritischen Theorie – nennen, der zu Bruno Bettelheim einen sehr intensiven Briefkontakt pflegte. Er war auf Bettelheim durch dessen Publikationen zur Vorurteilsforschung und zum Antisemitismus aufmerksam geworden. So hatte Bettelheim in seiner neuen Heimat, den demokratischen USA, bereits 1947 die Studie „The Dynamism of Anti-Semitism in Gentile and Jew“ publiziert.

In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Soziologen Morris Janowitz – dieser sollte einer der renommiertesten Soziologen der USA werden – betrieb Bettelheim Studien zur Vorurteilsforschung, die zu mehreren gemeinsam verfassten Zeitschriftenaufsätzen führten und 1950 in dem gemeinsam verfassten Buch „Dynamics of Prejudice: A Psychological and Sociological Study of Veterans“ (Bettelheim & Janowitz, 1950) mündeten. Diese Studien führten zu einer lockeren Zusammenarbeit mit den Leitern des ins amerikanische Exil vertriebenen Instituts für Sozialforschung Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, wie auch zu einem sehr regen, zumindest 15 Jahre überspannenden Briefwechsel zwischen Max Horkheimer und Bettelheim – über welchen Adorno stets in Kenntnis gesetzt wurde.

Max Horkheimer war vom Talent des acht Jahre jüngeren Wiener Emigranten und KZ-Überlebenden beeindruckt. Am 13.11.1944 schrieb er an Adorno: „Bettelheim ist einer der intelligentesten, jungen Psychologen, denen ich bisher begegnet bin. Wenngleich seine Zeit übermäßig beansprucht ist, brennt er darauf, für uns etwas zu tun“ (Horkheimer, 1988). Einige weitere Ausschnitte aus dieser Korrespondenz zwischen Bettelheim und Horkheimer seien wiedergegeben: Am 16.5.1947 schrieb Horkheimer, auf eine soeben publizierte Studie von Bettelheim/Janowitz/Shils (1947) zur Vorurteilsforschung („Preliminary Study on the Evaluation of Intolerance Propaganda“) Bezug nehmend, an Bettelheim ((Diese Briefe waren z.T. auf englisch verfasst und wurden für die Buchpublikation sowohl im Original als auch, anschließend, in einer deutschsprachigen Übersetzung dokumentiert.)):

„Es kommt selten vor, dass streng empirische Forschungsberichte auch tieferen theoretischen Interessen gerecht werden und gleichzeitig den Leser geistig anregen. In Ihrer „Vorstudie“ (1947) fand ich genau diese Mischung, und ich kann ohne jede Übertreibung sagen, dass die Lektüre Ihres Manuskripts zu meinen erfreulichsten Erfahrungen gehört, weit ich das Problem des Vorurteils wissenschaftlich erforsche. (…) Besonders erfreut bin ich über den Nachweis in Ihrem Einführungskapitel, dass Propaganda für Toleranz tolerante Menschen nicht berührt. Das ist nur einer von vielen Fällen, in denen Sie etwas artikulieren, das mir seit langem vorschwebt: kritische Einsichten, die gewöhnlich ganz dem kritischen Denken oder der Intuition überlassen bleiben, müssen mit orthodoxen Forschungsmethoden überprüft werden. Auch dass der offizielle Optimismus in ihrer Arbeit völlig fehlt, ist wahrhaft tröstlich. (…) Das sind nur erste Eindrücke und Assoziationen. Auch Teddy hat Ihr Manuskript gelesen, und seine Einschätzung stimmt völlig mit meiner überein. Er lässt Sie herzlich grüßen und bedauert es sehr, dass wir unsere Westküsten-Projekte nicht mit Ihnen erörtern können“ (Horkheimer, 1988, S. 811).

Am 16.7.1947 schrieb Horkheimer einen fünf Seiten langen, euphorischen – („enthusiastischen Beurteilung“ von Bettelheims Studie, Horkheimer, 1988, S. 844) – , mit theoretisierenden Exkursen angereicherten Brief an Bettelheim, als Reaktion auf dessen bereits erwähnte Studie „The Dynamism of Anti-Semitism in Gentile and Jew“ (1947): „Lieber Herr Bettelheim! Vielen Dank für Übersendung von „Dynamism of Anti-Semitism in gentile and Jew“. Der Gegenstand gehört zu den wichtigsten, über die man auf unserem Gebiet sprechen kann und die Offenheit, mit der Sie es tun, ist befreiend. Mit allem, was Sie über das eigentliche Thema, die psychologische Dynamik, sagen, stimmen wir auch völlig überein. Dies gilt vor allem für die Theorie, dass der Antisemitismus aus der zwanghaften Tendenz entspringt, die eigenen antisozialen Triebe draußen zu verfolgen anstatt im eigenen Inneren. (…) Ihre Bemerkung, nach welcher die Juden sich deshalb zu Projektionsträgern eignen, weil sie als der „innere“ Feind sozusagen die gegebenen Symbole für die inneren Triebe darstellen, ist wahrhaft einleuchtend. (…) So weit es sich um Ihre eigene Besonnenheit (im Konzentrationslager, RK) handelt, stimmt in der Tat die psychologische Kennzeichnung: die Überwindung der Stereotypie hat Ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet. (…) Jeder Ihrer Aufsätze wirkt wie ein Hieb gegen die Ahnungslosigkeit des vereinsmäßigen Philosemitismus“ (Horkheimer, 1988, S. 838-840).

Bereits fünf Tage später, am 21.7.1947, antwortet Bettelheim Horkheimer mit einem drei Seiten langen Schreiben, in welchem er Horkheimer auch für die Zusendung seines Buches „Eclipse of Reason“ dankt: „…Ich möchte Ihnen also erneut danken und sagen, dass es mir ein großes Erlebnis war, Ihr Buch wiederholt zu lesen. Ich würde Tage brauchen, Ihnen von all den neuen Ideen zu berichten, die es mir gewährte und über die ich nachdenke, seit ich Ihr Buch kennenlernte. Sehr herzlichen Dank für Ihre freundlichen Bemerkungen über meinen Text; ich habe wirklich den Eindruck, dass Sie meinen schwachen Bemühungen zu viel Ehre erweisen“ (Horkheimer, 1988, S. 857).

Am 17.3.1948 dankt Horkheimer, erneut mit euphorischen Worten, in einem sechsseitigen Brief für den Vorabdruck von Bettelheim/Janowitz Buch „Dynamics of Prejudice. A Psychological and Sociological Study of Veterans” (1950): “Daß ich ihnen auf das mimeographierte Exemplar der Veteranen Studie erst heute antworte, hat zum Grund, dass wir einige Zeit brauchten, um uns mit der Arbeit einigermaßen vertraut zu machen. Heute möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken. Es ist darin etwas erreicht, das mir überaus selten zu sein scheint, nämlich die Research Methoden sind in einem gesellschaftstheoretischen Sinn zum Sprechen gebracht, so dass statistische Ergebnisse wirklich gedankliche Konsequenzen in Bezug auf das Phänomen gestatten“ (Horkheimer, 1948, S. 948).

Zehn Jahre später, am 12.6.1958, wendet sich Horkheimer mit der dringenden persönlichen Bitte an Bettelheim, ihm gutachterlich bzgl. des schweren Schicksals eines 73-jährigen jüdischen Überlebenden zu helfen – ein Briefwechsel, der sehr lesenswert und auch heute noch erschütternd und hochaktuell ist; wir mögen nur an den Hungerstreik Peter Finkelgruens vom November 2009 gegen die Berliner Entschädigungsbehörde denken (Kaufhold, 2009c; vgl. van Gelder, 2000). Horkheimer hatte sich acht Jahre lang, von 1956 – 1963, intensiv für diese von Israel nach Frankfurt/M. zurückgekehrte, schwer traumatisierte jüdische Familie eingesetzt – letztlich vergeblich. Allein die von Horkheimer für Bettelheim angefertigte knappe Einführung dieser „Fallgeschichte“, in welcher die furchtbaren Verfolgungen und Traumatisierungen dieses jüdischen Menschen beschrieben werden, ist erschütternd (Horkheimer, 1988, S. 424). Die diesbezügliche Korrespondenz und Materialien umfassten 200 Blatt.

Horkheimer bat Bettelheim nachdrücklich, ein wissenschaftliches Gutachten über diesen seelisch schwerst kranken Überlebenden zu verfassen, in welchem der in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland vorherrschenden medizinisch-psychiatrischen Ideologie über die ausschließlich endogene Ursache der Psychose für ein „Wiedergutmachungsverfahren“ widersprochen werden sollte. ((Der Arzt und Therapeut Christian Pross hatte hierzu in seinem Klassiker „Kleinkrieg gegen die Opfer“ ausgeführt: „In den gutachterlichen Beurteilungen vieler sog. deutscher Sachverständiger, Amtsärzte und Medizinaldezernenten … kommt den ärztlich feststellbaren Befunden ‚keine Überzeugungskraft‘ zu, und falls die schwerwiegenden Gesundheitsschäden sich vorwiegend im seelisch-nervösen Bereich befinden, fehlt ihnen ‚die organische Würde‘, wie in einem deutschen Gegengutachten wörtlich geschrieben steht. Tatsächlich lesen sich manche gutachterlichen Urteile solcher ‚Sachverständigen‘ wie Schreibübungen ehemaliger KZ-Wächter, und nicht wenige von ihnen waren höchstwahrscheinlich einst Nazis oder sind es im Innern noch immer. … Auch in den Wiedergutmachungsverfahren und noch heute befinden sich die von tiefem Leid und innerem Leiden so hart Betroffenen auf der Opferseite. Für ihr Leid und Leiden nach dem Überleben im KZ oder im verborgenen Keller eines polnischen Bauernhauses haben die von Pross und mir genannten sog. Sachverständigen kein Verständnis, des öfteren allerdings Hohn und Spott. Daß die Überlebenden – den Tod der eigenen Eltern, den Verfolgungstod ihrer Kinder, der Geschwister, fast aller Freunde und nahen Menschen ständig im Bewußtsein, nach dem Verlust ihrer sozialen und wirtschaftlichen Position, ihrer ehemaligen Wirkungsstätte und ihres damit verbundenen inneren Seins -, daß sie leiden, zumeist ein ganzes Leben lang, ist jenen ‚Sachverständigen‘ nicht beizubringen. Daß die Schrecken der Lager lebenslang nachwirken, bestreiten sie“ (nach van Gelder, 2000).)) Max Horkheimer führte aus: „Sehr verehrter, lieber Herr Bettelheim! Heute komme ich mit einer großen Bitte: Ich brauche Ihre Hilfe in einem besonders krassen Nachspiel zur Geschichte der Konzentrationslager. Es ist mir so, als hätte ich Ihnen sogar schon einmal davon gesprochen, jetzt aber kann ein entschiedenes Wort von Ihnen unendlich viel Gutes wirken. (…) Das Gericht, das im Grunde wohlwollend ist, würde die Grundlage dafür [Wiedergutmachungsrente] als gegeben ansehen, wenn A.s Geisteskrankheit mit den Ereignissen im Konzentrationslager in Verbindung gebracht werden könnte. Ja selbst, wenn anerkannt werden könnte, daß diese Ereignisse auch nur in irgendeiner Weise für den Zeitpunkt des vollen Ausbruchs der Krankheit im Jahre 1952 bedeutungsvoll waren. (…) Daß dem Gericht die Möglichkeit fehlt, ein günstiges Urteil zu sprechen, liegt einzig an dem Verhalten der medizinischen Gutachter. (…) Beide [Gutachter] haben sich auf Grund der Theorie von der endogenen Entstehung der Schizophrenie gegen eine Verbindung der Krankheit mit den Ereignissen erklärt. (…) (Horkheimer, 1988, S. 424-426).

Bettelheim bat um weitergehende Informationen; am 8.10.1958 verfasste Bettelheim eine neunseitige Expertise (Horkheimer, 1988, S. 431).

Am 16.7.1958 antwortete ihm Horkheimer: „Mein Dank kommt spät, aber ich darf Ihnen sagen, dass seit langer Zeit mir wenige Briefe eine so tiefe Freude verursacht haben wie Ihrer. Ich kann kaum ausdrücken, wie glücklich ich bin, dass Sie mich in der Sache S., die ich zu meiner gemacht habe, nicht allein lassen wollen. (…) Es kommt darauf an, darzutun, daß nach Ansicht namhafter amerikanischer Psychiater eine exogene Verursachung der Schizophrenie durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt. Die Argumentation der hiesigen Ärzte bestreitet dies und beharrt auf der traditionellen Theorie. Der Beweisgang dabei erscheint mir als keineswegs zwingend, ja, als höchst einseitig. (…) Rasch wird der Schluß gezogen, dass die Verweisung von der Schule als Jüdin, die Einpferchung ins Ghetto, der Verlust des Eigentums, der Hunger und die entsetzlichen Ereignisse im Lager an der Psychose nicht Schuld seien.“ (Horkheimer, 1988, S. 426-429).

Das tragische Ende dieser Geschichte ist wohl „typisch deutsch“. Nach jahrelangem Gerichtsprozess wurde die von dem Rechtsanwalt Erich Cohn-Bendit (dem Vater Daniel Cohn-Bendits, R.K.) vertretene Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz in zweiter Instanz abgewiesen. „Auf Initiative von Max Horkheimer beim Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz wurde daraufhin als Härteausgleich eine monatliche Rente von DM 250,- bewilligt. Diese Rente wurde dann zuletzt vom Landeswohlfahrtsverband Hessen als Kostenbeitrag für die psychiatrische Unterbringung vereinnahmt“ (Horkheimer, 1988, S. 431).

Ob unser tapferer, von antisemitische Anspielungen und Begrifflichkeuten nicht freier Journalist Salzwedel auch nur eine Zeile dieser Korrespondenz zur Kenntnis nehmen würde? Ob er, der von Bettelheim erkennbar wenig versteht und ihn vermutlich auch nie richtig gelesen hat, der Bettelheim auch nie getroffen hat, mehr von Bettelheim versteht als Max Horkheimer?

5. Unerbetene Reaktionen – werden nicht gedruckt

„Ich glaube, dass das Hauptproblem bei der Milieu-Therapie darin liegt, wie man ein Milieu schaffen kann, in dem sich die Mitarbeiter nicht gegen die emotionalen Verheerungen wehren müssen, welche die Patienten und ihre Bedürfnisse bei ihnen anrichten.“
Bruno Bettelheim (1975, S. 310)

Die Spiegel – Polemik ist nicht unwidersprochen geblieben. Nina Sutton schrieb einen Leserbrief an den Spiegel. Zusätzlich wandte sie sich an Ernst Federn und bat diesen ebenfalls um eine schriftliche Reaktion. Der Spiegel veröffentlichte keinen dieser Leserbriefe.
Ernst Federn war mit Bettelheim befreundet, hat sich jedoch, auch öffentlich, durchaus kontrovers zu einigen Positionen Bettelheims geäußert. Auch Bettelheims legendäre öffentliche Auftritte hat er nicht immer als glücklich empfunden (vgl. Federn, 1999b, 2003a).
Aus Gründen der Fairness veröffentliche ich an dieser Stelle die Reaktion von Ernst Federn auf den Spiegel“- Artikel:

„Sehr geehrter Herr Augstein, Wien, den 19.2.1997
Frau Nina Sutton hat mir eine Kopie der Besprechung von der Biographie Bruno Bettelheims, deren Autor Richard Pollak ist, zugesandt. Sie erschien im „Spiegel“ 7/97 und ist von einem Johannes Salzwedel verfasst. Darin wird behauptet, dass Bruno Bettelheim seine Karriere auf Lügen und Hochstapelei gegründet hat. Diese Behauptung muss auf das Schärfste zurückgewiesen werden. Sie ist eine reine Verleumdung.
Ich lernte Bettelheim im KZ Buchenwald kennen und war mit ihm bis zu seinem Tode befreundet. Ich traf mich mit ihm wiederholt in den Vereinigten Staaten und in Europa, wohnte mehreren seiner Vorträge bei, besuchte seine „Orthogenic School“ in Chicago und las seine Schriften. Bruno Bettelheim erhielt ein Doktorat in Philosophie von der Universität Wien und war seit früher Jugend an der Psychoanalyse interessiert, in der er sich ausbilden lassen wollte.
Seine erste Arbeit über das Leben im KZ ist eine Pionierleistung ersten Ranges, deren Bedeutung erst heute voll erkannt wird.
Bettelheim war sicherlich eine schwierige Persönlichkeit, wie es beinahe alle Menschen sind, die mit geisteskranken Kindern und Erwachsenen arbeiten. Es gibt Fachleute, die seine Auffassungen nicht teilen, aber auch solche, die ihn als Pionier der Milieutherapie ansehen.
Dass sein Selbstmord mit 86 Jahren, schwer krank und arbeitsunfähig, im Publikum der Vereinigten Staaten so schockierend gewirkt hat, ist psychologisch interessant, aber vom Standpunkt der Vernunft das einzig Richtige gewesen, was er hatte tun können.
Die Biographie von Pollak, die ich nicht gelesen habe und nach Kenntnisnahme Ihrer Besprechung auch nicht lesen werde, beruht auf feindlichen Aussagen ehemaliger Patienten, die nach seinem Tode plötzlich gegen Bettelheim losgingen. Aussagen von ehemaligen Patienten sind, wie die von Kindern, mit großer Vorsicht aufzunehmen. Aber selbst, wenn Bettelheim fünfmal in seinem langen Leben die Nerven verloren hat, ist das kein Grund, ihn einen Schwindler zu nennen. Dass er seine Erfolge betont hat, entspricht dem, was die meisten Autoren tun. Wenn er durch viele Jahre die Mütter als Ursache der Geisteskrankheiten bei Kindern ansah, so vertrat er damit nur eine allgemein in den Vereinigten Staaten angenommene Theorie. Wir wissen heute, dass sie nicht stimmt, aber zu Bettelheims Zeiten war sie weit verbreitet. Man braucht mit Bettelheim nicht übereinzustimmen, aber ihn zu verleumden und zu beschimpfen ist ein Skandal.
Hochachtungsvoll
Prof. Mag. Ernst Federn, Ehrenmitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“ ((Dieser Brief befindet sich in meinem Privatarchiv.))

6. „Autoritäre Persönlichkeit mit antiautoritärer Botschaft“? Zu Bettelheims Arbeits- und Erkenntnisprinzipien

„Der Wunsch, mit psychisch Kranken zu arbeiten, hat viele bewusste und viele unbewusste Gründe; manche von ihnen sind für die Arbeit konstruktiv und andere nicht. Ohne eine starke innere Motivation kann niemand psychisch kranken Patienten wirksam helfen. (…) Die erfolgreichsten Betreuer waren (…) diejenigen, die von Anfang an spürten, dass ihnen die Arbeit eine einzigartige Gelegenheit bot, einige ihrer eigenen Probleme zu lösen. Diese wussten, dass sie gezwungen sein würden, etwas in sich selbst durchzuarbeiten, um für ihre Patienten von größerem Nutzen zu sein. Der sicherste Hinweis auf die Eignung waren der tiefe Wunsch, persönliche Autonomie zu erreichen, und die Erkenntnis, dass dies möglich ist, indem man seine besonderen persönlichen Schwierigkeiten löst. Derjenige Mitarbeiter, der sich am ehrlichsten bemüht, sich selbst gegenüber wahrhaftig zu sein – herauszufinden, was das beinhaltet und es durch konstruktives Tun entschlossen in der Realität zu verwirklichen, war stets am besten geeignet, die gleiche Fähigkeit bei den Patienten zu entwickeln. Nicht nur verfügt er über ein großes Einfühlungsvermögen in das Bedürfnis des Patienten nach Selbständigkeit, sondern er wusste auch aus eigener Erfahrung, wie schwierig und wichtig das ist. Nur der Mitarbeiter, der den Mut hat, in sich selbst hineinzuschauen, hat das moralische Recht, das auch von seinen Patienten zu erwarten.“
Bruno Bettelheim (1975, S. 304, S. 275)

Wie erwähnt, gefällt sich der „Spiegel“ besonders in der Wiedergabe eines Zitates einer nicht genannten Person: Bettelheim sei eine „autoritäre Persönlichkeit mit antiautoritärer Botschaft“ (S. 169). Diese Formulierung sagte dem Spiegel so sehr zu, dass er sie auch als Bildbeschriftung für das Photo des sterbenskranken Bettelheim verwendete. Nun mag man darüber diskutieren, inwieweit sich Bettelheim gelegentlich „autoritär“ verhielt. Der Erziehungswissenschaftler Michael Löffelholz hat mir 1996 eine persönliche Erinnerung an einen Vortrag Bettelheims aus den 1950er Jahren – dem er als junger Student beigewohnt hatte – mitgeteilt. Diese Erinnerung empfand ich als so bemerkenswert, dass ich ihn bat, diese über 40 Jahre zurückliegende Erinnerung an seine Studienzeit noch einmal schriftlich wiederzugeben. Die im folgenden geschilderte Erinnerung war für Löffelholz offensichtlich so bedeutsam, dass er sich auch heute noch sehr unmittelbar und nah an diese eher zufällige Begegnung mit Bettelheim zu erinnern vermag:

„Es war Mitte der 50er Jahre, ich hatte gerade mein Studium in Frankfurt begonnen, dass ich Bruno Bettelheim begegnete. Ich nahm an einem Seminar teil, das er am Institut für Sozialforschung als amerikanischer Gastprofessor leitete. Für mich, und das galt sicher auch für andere, war Bettelheim damals noch kein besonderer Name. Thematisch ging es in der Veranstaltung um den Autoritarismus der Deutschen, jedoch sind meine Erinnerungen an sie so schwach, dass sich kein zusammenhängendes Bild mehr von ihrem Verlauf ergibt. Von diesem verblassten Eindruck hebt sich allerdings ein Erlebnis ab, das sich mir bis in Details der Wahrnehmung hinein unvergesslich eingeprägt hat.
Es war in einer der ersten Stunden des offensichtlich gruppenanalytisch konzipierten Seminars, dass, nachdem Bettelheim Platz genommen hatte, kein Wort sagte und ein von mir als zunehmend peinlich erinnertes, langes Schweigen eintrat und alles auf einen ersten erlösenden Einfall von jemand zu warten schien, ein Student aufstand und sich, an Bettelheim gewandt, in deutlichen Worten über den Seminarverlauf beschwerte: das sei doch kein richtiges Seminar, bei dem sich der Dozent einfach hinsetze, ohne etwas zu sagen, und zulasse, dass nichts geschehe. Das sei versäumte Zeit. Der Student hatte kaum ausgeredet, da schnellte Bettelheim hoch und schrie in äußerster Erregung, während er zugleich seine Blicke durch die Reihen von uns Teilnehmern gleiten ließ und unsere Reaktionen aufmerksam beobachtete: ‚Ich bin der Leiter des Seminars und ich bestimme, was hier gemacht wird.‘ Nach diesem Zornesausbruch setzte er sich in völliger Gelassenheit wieder hin und forderte mit den ruhig gesprochenen Worten: ‚Was ist hier geschehen?‘ das Seminar dazu auf, über das soeben Erlebte zu sprechen. Was bei dieser Besprechung zu Tage kam, weiß ich nicht mehr.
Wohl aber erinnere ich den Zustand der Düpierung, meine wunderliche zwiespältige Gefühlsverfassung – zusammengesetzt aus Schrecken und ebenso plötzlichem Erwachen, aus Verdüsterung und Erhellung -, die sich daraus ergeben haben musste, dass ich an einer Inszenierung teilgenommen hatte, die sich als solche nicht zu erkennen gab und ihre Wirkung dem Umstand verdankte, dass sie die Teilnehmer zunächst mit dem Schein des Ernstes überfiel und sie dann in der nagenden, von ihnen selbst zu lösenden Ungewissheit beließ, ob sie an einem ernsten Vorfall oder an einem Spiel teilgenommen hatten. Im Nachhinein vermute ich, dass auch der rebellierende ältere Student, der meiner Erinnerung nach am Institut für Sozialforschung schon mitarbeitete, von Bettelheim den Auftrag zu seiner Rolle erhalten hatte.
Außer dieser Szene ist mir von diesem Seminar nur eine andere noch im Gedächtnis, dass sich nämlich die Teilnehmer am Beginn einer der ersten Stunden, bevor Bettelheim erschienen war, aus eigener Initiative damit zu schaffen machten, die Anordnung des Mobiliars im Seminarraum so zu verändern, dass aus der gewohnten Frontalaufreihung der Stühle zum Pult hin eine symmetrische Gruppierung entstand. Ich spüre noch heute den Widerstand, den ich überwinden musste, um mich an dieser ungewohnten studentischen Initiative zur Veränderung der autoritären Raumeinrichtung nach dem Willen des amerikanischen Gastes zu beteiligen.“ ((Persönliche Mitteilung von Löffelholz vom 26.4.1997.))

7. Wer war Bruno Bettelheim? Oder: Grenzen einer biographischen Annäherung

„In den meisten mir bekannten Institutionen besteht, das gilt sogar für die Behandlung des psychotischen Kindes, der wesentliche Ansatz darin, dass man das kranke Kind die Welt so sehen lassen möchte, wie sie wirklich ist. Genau dazu aber ist das psychotische Kind nicht fähig. Wir sahen nun unsere Aufgabe darin, für das Kind eine Welt zu schaffen, die völlig verschieden ist von der, die es voller Verzweiflung verlassen hat, eine Welt auch, in die es jetzt schon, so wie es ist, eintreten kann. Das heißt, das Kind muss das Gefühl haben, dass wir in seiner privaten Welt bei ihm sind, und nicht, dass es noch einmal die Erfahrung macht, dass ‚jeder mich aus meiner Welt heraus in die seine holen möchte‘.“
Bruno Bettelheim (1983a, S. 12)

Sigmund Freud schrieb am 31.5.1936 an Arnold Zweig, der einiges Biographisches zu Freud publiziert hatte:
„… erst heute, am 1. Tag des lieblichen Festes, komme ich dazu, Ihnen einen Brief zu schreiben, geschreckt durch die Drohung, dass sie mein Biograph werden wollen. (…) Nein, ich liebte Sie viel zu sehr, um solches zu gestatten. Wer Biograph wird, verpflichtet sich zur Lüge, zur Verheimlichung, Heuchelei, Schönfärberei und selbst zur Verhehlung seines Unverständnisses, denn die biographische Wahrheit ist nicht zu haben, und wenn man sie hätte, wäre sie nicht zu brauchen“ (Freud u. Zweig 1984, S. 137).

Bruno Bettelheim hielt diese Bemerkung Freuds für so bedeutsam, dass er sie in der Einleitung seines letzten, autobiographisch getönten Werkes „Themen meines Lebens“ aufgriff. Bettelheim wollte hiermit seine tiefe Skepsis gegenüber autobiographischen Bemühungen zum Ausdruck bringen. Dementsprechend hat er sich dagegen verwahrt, „irgend jemandem die Zustimmung zu einer Biographie zu erteilen“ (Sutton 1996, S. 594) und hat wohl auch einen Teil seines privaten Materials zerstört (ebd.).

Ich halte diese Skepsis von Bettelheim für berechtigt. In diesem Kontext möchte ich auch meine tiefe Skepsis über einige Passagen aus Suttons Biographie ausdrücken, beispielsweise ihr Versuch, die Hintergründe und Ausgestaltung von Bettelheims Arbeit mit dem von ihm in Wien von 1932-1938 „adoptierten“ autistischen Mädchens (s. Kap. 3 und 4 in Suttons Buch) zu erhellen. Ihre diesbezüglichen Interpretationen stützen sich primär auf die Aussagen von Bettelheims erster Frau, Gina Weinmann. Dies gilt ebenfalls für Suttons Versuch, die Hintergründe von Bettelheims Freilassung aus Buchenwald anhand von Aktenmaterial zu eruieren, sowie auch die Gründe seiner Inhaftierung (ob Bettelheim aus „politischen“ oder „nur“ „rassistischen“ Gründen nach Dachau verschleppt worden ist). Als ich mit Ernst Federn hierüber sprach, betonte er nachdrücklich, dass er solche Bemühungen für völlig unangemessen und aussichtslos hält. Kein Mensch kann heute wissen, ob bzw. in welcher Weise Bettelheim damals mit diesem autistischen Mädchen, das er immerhin für sechs Jahre in sein Haus aufgenommen hatte, gearbeitet hat. Dass diese Begegnung ein wesentliches Motiv für seine spätere Arbeit in der Orthogenic School war, kann nicht sinnvoll in Abrede gestellt werden. Weiterhin hat Ernst Federn in diesem Gespräch nachdrücklich betont, dass ihm Bettelheim 1938 in Dachau gesagt hat, dass er aus politischen Gründen, wegen seiner Unterstützung der linken „Vaterländischen Front“, festgenommen worden ist. ((In seinem Buch „Witnessing Psychoanalysis“ bemerkt Federn hierzu: „He was arrested by the Gestapo for his clandestine activities in the social assistance section of the resistance movement against the Austrian fascist government“ (S. 3).)) Bettelheim war damals ein völlig unbekannter Mensch, und es gab keinerlei Motiv für ihn, Ernst Federn damals die – wie es Sutton in ihrer Biographie in völlig unpassender Moralität mehrfach sinngemäß formuliert – „Unwahrheit“ gesagt zu haben.

Wozu taugen Biographien? Über Paul Parin wurde aus Anlass seines 80.ten Geburtstages vom Schweizer Fernsehen ein Filmporträt gedreht (Pletscher, 1996):. In diesem Film wird eine Überlegung von Paul Parin zum Aussagewert von Biographien wiedergegeben, die die diesbezüglichen Schwierigkeiten auf den Punkt bringen: „Biographien wollen meistens objektiv und neutral sein, und sie töten mit diesem Anspruch den zu porträtierenden Menschen. Nur da, wo innere und äußere Lebensgeschichte verknüpft sind, in der Autobiographie und vor allem in der Psychoanalyse, sind Wahrhaftigkeit und Authentizität möglich.“

8. Epilog: Wer war Bruno Bettelheim?

David James Fisher: At the Orthogenic School no one could get in without permission and anyone could leave at any time. Some people have called that a noble experiment with a utopian concept, not used in a denigrating but rather in the descriptive sense. Would you agree with that description?
Bruno Bettelheim: No, I think that what we did is what the patients required. I don’t think that it is utopian to do right by the patient. It seems to be the only thing that is appropriate.

Gespräch vom 28.11.1988 zwischen David James Fisher und Bruno Bettelheim (Kaufhold 1994, S. 21)

Man könnte die Polemik des Spiegel zum Anlass nehmen, über die durch die Konkurrenz zu seichten Blättern wie „Focus“ erwachsene schwierige Situation des Spiegel nachzudenken.
Ich vermute jedoch, dass dieser Artikel in einem größeren gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet werden sollte. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Spiegel in den 70er und 80er Jahren, in den Jahren gesellschaftlicher Reformbestrebungen und sozialen Engagements, außergewöhnlich positiv über Bruno Bettelheim schrieb – um dann in den konservativen, durch Egoismus und Ellenbogenmentalität geprägten 90er Jahren den toten Juden Bruno Bettelheim bzw. die biographisch inspirierten Ideale, die dieser repräsentiert, mit Zynismus „bloßzulegen“. Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter – der für sich in Anspruch nehmen kann, in vergleichbarer Weise wie Bruno Bettelheim den gesellschaftskritischen, aufklärerischen „Geist“ der Psychoanalyse in einer allgemeinverständlichen Diktion gesellschaftlich zugänglich und bewusst gemacht zu haben -, hat mir nach dem Erscheinen von „Bewältigungsversuche eines Überwältigten. Eros und Thanatos in der Biographie und im Werk von Bruno Bettelheim“ (Kaufhold 1997a) einen Brief geschrieben, in dem er diesen Zusammenhang diskutiert:

„Ich finde Ihren Bettelheim-Aufsatz sehr verdienstvoll, – um so mehr, als es beinahe üblich geworden ist, sich zu schämen, diesen Mann je geachtet und von ihm profitiert zu haben. Mich beschäftigt dieses Phänomen gegenwärtig, warum giert die Gesellschaft geradezu danach, einst idealisierte Figuren zu zerstören? Woher kommt die Befriedigung, dass Bettelheim angeblich nur ein eitler, betrügerischer Sadist gewesen sein soll? In meinem neuen Buch (eine Studie über Philosophie, Psychoanalyse und Zeitkritik, die im August 1997 bei ‚Econ‘ erscheint, R.K.) berühre ich dieses Thema wenigstens am Rande und stelle die These auf, dass eine im Grunde pessimistische Gesellschaft, die sich die Lösung ihrer großen Probleme nicht mehr zutraut, keine Leitbilder bzw. deren Repräsentanten erträgt, die sich von der eigenen moralischen Resignation wie ein großer Vorwurf abheben. Wir alle haben diesen Zwiespalt in uns. Diejenigen können dankbar sein, deren Zuversicht es noch zulässt, Vorbilder zu lieben, ohne ihre Schwächen zu verleugnen.“ ((Brief vom 16.5.1997.))

Wer war Bruno Bettelheim? Es hat gewiss „viele“ Bruno Bettelheims gegeben. Die Heftigkeit der Kontroverse um Bettelheim zeigt, neben vielem anderem, die Komplexität und Vitalität dieses herausragenden Vertreters der Pädagogik und Psychoanalyse.
Ich finde meine Vorstellung von Bettelheim in den Worten von David James Fisher wieder. Fisher, der zur europäischen Kulturgeschichte, insbesondere zur Geschichte der Psychoanalyse promoviert (Fisher 1991) und Russel Jacoby bei der Erstellung von dessen bemerkenswerter Streitschrift „Die Verdrängung der Psychoanalyse oder Der Triumph des Konformismus“ (Frankfurt/M. 1990) beratend hilfreich war, arbeitet heute als Psychoanalytiker und Historiker in Los Angeles. Er war ein Analysand von Rudolf Ekstein und war in Bettelheims letzten Lebensjahren einer von dessen intimsten Gesprächspartnern (vgl. Fisher, 2003, 2003a). In seiner „Hommage an Bettelheim (1903-1990)“ bemerkt Fisher:

„Ich lernte Bettelheim in jenen Jahren kennen, als sich sein Leben dem Ende zuneigte. Vieles trennte und vieles verband uns (…) Ihn umgab eine Stimmung von Ernsthaftigkeit, eine intellektuelle Seriosität und emotionale Tiefe, die größtenteils von der Kraft seiner Persönlichkeit herrührte, aber auch von dem tragischen Gewicht seiner lebensgeschichtlichen Erfahrung – vor allem von seiner Erinnerung an den deutschen Faschismus und die Konzentrationslager. Ich fand ihn immer höflich, formell im europäischen Sinne, ein bisschen unnahbar, doch umgab ihn immer eine bezwingende Ausstrahlung, eine persönliche Würde, ein Funkeln in seinen Augen, ein ironischer Sinn für Humor, eine Intoleranz gegenüber der Verrücktheit und Dummheit der Menschen, die Fähigkeit, ausgesprochen selbstkritisch zu sein. Seine Härte war legendär; er wandte sie auch auf sich selbst an, wie seine bemerkenswerte Arbeitsdisziplin und die fruchtbare Qualität und Quantität seiner Veröffentlichungen bezeugen. (…)
In unseren Gesprächen berührte er oft während er sprach seinen Kopf, massierte ihn fast; dies war ein Mensch mit einer deutlichen narzisstischen Besetzung des Geistes und wenn er nicht länger neue und originelle Gedanken hervorbringen konnte, wollte er nicht länger leben. (S. 95) (…)

Er war eine der letzten wirklich unabhängigen Stimmen der Psychoanalyse, einer jener respektlosen Bilderstürmer, die sich voll Verachtung für regionale, nationale, internationale Streits über psychoanalytische Doktrinen, niemals um Institutionen des Establishments oder psychoanalytischer Institute kümmerte. Er erachtete diese Streits als abwegig.

Als eine selbstsichere, kritische Stimme sagte er seine Meinung – oft in einer kämpferischen, beißenden, intoleranten Weise, immer aber wohlüberlegt, kurz, knapp und bestimmt. Ich lernte schnell, dass es sinnlos war, mit ihm über bestimmte Themen zu diskutieren; mehr als einmal empfand ich ihn als rechthaberisch, autoritär und ziemlich barsch in seinen Urteilen – beispielsweise über die Politik der Anti-Kriegsbewegung in den 1960er Jahren, der Kritik an der amerikanischen Außenpolitik, den theoretischen Versuchen Marxismus und Psychoanalyse zu verbinden. Doch auch in vorgerücktem Alter war ein Dialog mit ihm möglich; bei Problemen, von denen er wusste, dass sie existentiell oder psychologisch drängten, konnte er erstaunlich entwaffnend und einfühlsam sein. (S. 97) (…)
Bei meinem letzten Besuch Bettelheims bat ich ihn um einen klinischen Rat über anhaltende Probleme, die ich mit verschiedenen Patienten hatte, die alle Kinder von Überlebenden des Holocaust waren. Bettelheim drängte mich, geduldig, freundlich, empfindsam, gelassen und der Herr meiner eigenen Ängste zu bleiben, zu lernen, die ausgedehnte Phase des ‚Nicht-genau-Wissens‘ besser zu ertragen, nicht vorschnell in Interpretationen zu stürzen, die Erinnerungen an oder Phantasien über den Holocaust wachrufen, die oft heftigen negativen Übertragungen auszuhalten (was er als die am schwierigsten zu integrierende Aufgabe ansah) und die Gegenübertragung zu berücksichtigen und über sie als authentischen Weg zum Geist und der Seele des Patienten nachzudenken. Dann machte er eine Pause und sagte mit dem Schock einer schmerzhaften Erkenntnis: ‚Sie wissen, meine Kinder sind Kinder eines Überlebenden des Holocaust.‘ Das ist der Bettelheim, an den ich mich erinnere: hilfsbereit, scharfsinnig, fürsorglich, doch immer persönlich, den emotionalen und lebensgeschichtlichen Anteilen zwischenmenschlicher Begegnungen gefühlvoll zugewandt.

Mein Lieblingsbild von Bruno Bettelheim bleibt das, auf dem er im Flur der Orthogenic School seinen Arm um die Schulter eines Mädchens gelegt hat; es ist ein kraftvolles Bild, mit dem Rücken zur Kamera zeigt es einen Mann, der selbstsicher war, beschützend, beruhigend, empfindsam, Selbstvertrauen ausstrahlend, fähig seine eigenen Zweifel auszuhalten und das furchtbare Gewicht seiner eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen mutig und mit Würde zu tragen.“ (Fisher, 2003e, S. 95-98).

Literatur

Bettelheim, B. (1950/ dt. 1971): Liebe allein genügt nicht. Die Erziehung emotional gestörter Kinder. Stuttgart.
Bettelheim, B. (1955): Individual Autonomy and Mass Controls. In: Adorno, T.W/Dirks, W. (Hg., 1955): Sociologica. Frankfurt/M, S. 245-262.
Bettelheim, B. (1960/ dt. 1980/1989): Aufstand gegen die Masse. Die Chance des Individuums in der modernen Gesellschaft. Frankfurt/M.
Bettelheim, B. (1967/ dt. 1977/1983): Die Geburt des Selbst. The Empty Fortress. Frankfurt/M.
Bettelheim, B. (1969/ dt. 1971/1973): Die Kinder der Zukunft. Gemeinschaftserziehung als Weg einer neuen Pädagogik. München.
Bettelheim, B. (1974/ dt. 1975/1989): Der Weg aus dem Labyrinth. Leben lernen als Therapie. Stuttgart.
Bettelheim, B. (1975/ dt. 1977/1980): Kinder brauchen Märchen. Stuttgart. Bettelheim, B. (1979/ dt. 1980/1985): Erziehung zum Überleben. Zur Psychologie der Extremsituation. München.
Bettelheim, B. (1982/ dt. 1984/1986): Freud und die Seele des Menschen. München.
Bettelheim, B. (1987/ dt. 1987): Ein Leben für Kinder. Erziehung in unserer Zeit. Stuttgart.
Bettelheim, B. (1990/ dt. 1990): Themen meines Lebens. Über Psychoanalyse, Kindererziehung und das Schicksal der Juden. Stuttgart.
Bettelheim, B./Ekstein, R. (1994): Grenzgänge zwischen den Kulturen. Das letzte Gespräch zwischen Bruno Bettelheim und Rudolf Ekstein. In: Kaufhold, R. (Hg., 1994): Annäherung an Bruno Bettelheim. Mainz, S. 49-60 (nur noch beim Autor für 12 Euro plus Porto erhältlich: roland.kaufhold (at) netcologne.de).
Bettelheim, B. /Janowitz, M. (1950): Dynamics of Prejudice: A Psychological and Sociological Study of Veterans. New York.
Bettelheim, B. /Karlin, D. (1975/ dt. 1983/1984): Liebe als Therapie. Gespräche über das Seelenleben des Kindes. München.
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Diese Studie ist zuvor in der Zeitschrift Behindertenpädagogik, 38. Jg., Heft 2/1999, Seite 160-187 erschienen. Sie wurde vom Autor für diese haGalil-Veröffentlichung überarbeitet und um das Kapitel zum Briefwechsel Max Horkheimers mit Bruno Bettelheim erweitert. Die Zeitschrift Behindertenpädagogik erscheint heute beim Psychosozial-Verlag, Gießen.

Von Roland Kaufhold sind anlässlich des 20. Todestages Bruno Bettelheims soeben folgende Beiträge in Zeitschriften erschienen:

Roland Kaufhold: Vor 20 Jahren starb Bruno Bettelheim, in: Tribüne Heft 193, 49. Jg., Nr. 1/2010, S. 62-66.
Roland Kaufhold: Ein streitbarer Psychoanalytiker und Pädagoge. Vor 20 Jahren starb Bruno Bettelheim, in: Jüdische Allgemeine, 11. März 2010.

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