Wenn der Verfassungsschutz anruft

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Die von der schwarz-gelben Koalition forcierte Extremismusdiskussion hat schon jetzt konkrete Folgen. Antifaschistischen Initiativen wird in der politischen Bildungsarbeit das Leben schwer gemacht…

Von Thorsten Mense
Jungle World v. 4. März 2010

An dem Vorsatz der Bundesregierung, alle »verfassungsfeindlichen« Tendenzen zu bekämpfen, kann kein Zweifel bestehen. Zwei Millionen Euro hat die schwarz-gelbe Koalition für die Bekämpfung des linken und islamischen Extremismus schon bereitgestellt (Jungle World 05/2010). Vorerst wurde zwar darauf verzichtet, diese in einen gemeinsamen Fond mit den Mitteln zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu überführen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Extremismusbegriff als kleinster gemeinsamer Nenner eingesetzt wird, und zwar ganz unabhängig von Motivation und Zielsetzung. »Eine Unterscheidung zwischen bösen und guten Extremisten ist absurd.« Diese Feststellung machte Kristina Schröder (vormals Köhler) im Oktober vorigen Jahres, als sie noch für die CDU und CSU als Berichterstatterin über Extremismus arbeitete. Einen Monat später wurde sie Bundesfamilienministerin, und dieses Ministerium verwaltet das Budget, das für die Extremismusprävention vorgesehen ist.

Nicht erst seit dem Amtsantritt von Kristina Schröder (CDU) wird antifaschistischen Initiativen und Projekten das Leben schwer gemacht. Im Zuge der Extremismusdiskussion versuchen Landesregierungen und Behörden vielerorts, Linke aus der politischen Bildungsarbeit heraus zu drängen. Ein Beispiel dafür ist die mehrfach mit Preisen ausgezeichnete und seit 1990 tätige Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida). Im April vergangenen Jahres wurde sie aus dem bayerischen Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus ausgeschlossen. Das Netzwerk untersteht der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus (LKS), die im Rahmen des 2007 ins Leben gerufenen Bundesprogramms »Kompetent. Für Demokratie« entstanden war. »Wir nahmen auf Einladung der LKS an dem Netzwerk teil und engagierten uns dort anderthalb Jahre, bis Aida plötzlich im bayerischen Verfassungsschutzbericht unter der eigens geschaffenen Rubrik ›sonstige Linksextremisten‹ auftauchte«, erzählt der Vorsitzende Marcus Buschmüller im Gespräch mit der Jungle World. Daraufhin flog die Organisation aus dem Zirkel, im Dezember wurde ihr rückwirkend die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Eine Eilklage gegen die Erwähnung im VS-Bericht, für die es bisher keine offizielle Begründung gibt, ist noch anhängig. »Es ist ein Teufelskreis. Da der Verfassungsschutz als neutrale Organisation gilt, ist es schwierig, den Stempel ›linksextrem‹ wieder loszuwerden«, so Buschmüller.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung immerhin klagte 2009 in Baden-Württemberg erfolgreich gegen ihre Erwähnung im VS-Bericht. In Nordrhein-Westfalen wiederum musste ein ganzer Absatz aus dem Bericht gestrichen werden, nachdem sich die antifaschistische Zeitschrift Lotta juristisch gegen ihre Nennung gewehrt hatte. Dort hatte der Verfassungsschutz kurzerhand den Begriff »diskursorientierter Linksextremismus« erschaffen, um linke Verlage und Zeitschriften einbeziehen zu können.

Die Erwähnung von linken Projekten in VS-Berichten wird ein immer beliebteres Mittel zur Bekämpfung politischer Gegner. Es hat den Anschein, dass die »ideologischen Schützengräben des Kalten Krieges« wieder ausgehoben werden, wie es der Politologe Christoph Butterwege kürzlich formulierte. Dabei wird auf unterschiedliche Methoden zurückgegriffen. Durch die Intervention des Verfassungsschutzes wurde ein Vortrag eines Mitarbeiters im Beratungsnetzwerk der LKS verhindert. Das geschah noch vor der Erwähnung von Aida im Bericht des Verfassungsschutzes. Es passiert nicht selten, dass Mitarbeiter vom Verfassungsschutz oder des Innenministeriums im Vorfeld von Schulvorträgen oder Kommunalberatungen zum Thema Rechtsextremismus bei den Veranstaltern anrufen, um sie vor den eingeladenen »Linksextremisten« zu warnen. Referenten des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (Apabiz) aus Berlin etwa erfahren regelmäßig von solchen verdeckten Interventionen.

Derzeit versuchen in Stuttgart vier Stadträte der CDU, mit einem Antrag eine für diesen Monat geplante Veranstaltung des Stadtjugendrings zum Thema »Rechtsrock« zu verhindern, da die eingeladene Referentin Janka Kluge Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ist. Auch anderenorts wird die VVN-BdA angegriffen. In der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle an der Saale, deren Stiftungsbeirat der VVN-BdA angehört, soll Ende März eine zweitägige Lehrerfortbildung zum Thema »Diktaturvergleich als Methode der Extremismusforschung« stattfinden. Unter dem Titel »VVN-BdA – Ein trojanisches Pferd für das Engagement gegen Rechtsextremismus« will dort Rudolf van Hüllen, ehemaliger Extremismusexperte beim Verfassungsschutz, einen Vortrag halten. Er wird den Pädagogen wohl erzählen, dass die VVN-BdA »für die Einführung einer stalinistischen Variante des Sozialismus und für die Abschaffung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten« eintrete, wie er im Jahr 2009 in einem gleichnamigen Artikel schrieb. Das wird nun auch von Politikern kritisiert. Der Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD) hat sich offiziell von der »Gleichsetzung von NS-Verbrechen und SED-Diktatur« und der Tagungskonzeption distanziert und kritisierte den Vortrag van Hüllens »angesichts des Leidens von Mitgliedern dieser Organisation in Konzen­trationslagern und Gefängnissen des NS-Staates«. Van Hüllen sieht das anders: Zwar verdienten VVN-Mitglieder für ihren Widerstand gegen die Nazis »Respekt«, aber »dies umfasst nur zwölf Jahre ihrer Biographie. Und nach 1945 hätte man nicht nur akzeptieren dürfen, wogegen sie stritten, sondern man musste auch kritisch fragen, wofür sie eintraten.«

Der Druck auf alles links von der SPD dürfte mit der Bundesfamilienministerin Schröder weiter zunehmen. Die Ministerin warnte bereits in der Vergangenheit unermüdlich vor einer Vernachlässigung des Linksextremismus. In der Debatte zum »Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus« kritisierte sie 2007, dass »die Frage des Rassismus in Deutschland hier allein auf die Konstellation ›Täter Deutscher, Opfer Migrant‹ heruntergebrochen« werde, und forderte die Bekämpfung des »deutschenfeindlichen Rassismus«. »Rechts- und Linksextremismus sind wie die Enden eines Hufeisens: weit auseinander und doch nah beieinander«, fasste die Ministerin ihre Sichtweise auf Twitter prägnant zusammen. Die Ministerin steht mit ihrem Hufeisen-Weltbild exemplarisch für ein sich ausbreitendes Demokratieverständnis, das antifaschistischen Projekten und emanzipatorischen Bewegungen in Zukunft vermehrt Probleme bereiten könnte. Das verstärkt wahrnehmbare und bisweilen hysterische Gerede von einer Zunahme linker Gewalt oder die voreiligen Warnungen vor linkem Terrorismus haben ein klares Ziel: die Ausgrenzung linker Menschen, Initiativen und Meinungen.

Das grundlegende Problem dieses Extremismus der Mitte besteht in der relativen Positionierung. Denn was die Mitte ist, bestimmt die Mitte selbst – unabhängig von Inhalten, Werten und Überzeugungen. Wenn nun eine extrem konservative Ministerin die Definitionshoheit darüber besitzt, werden viele Meinungen delegitimiert, die sich zuvor noch gesellschaftlich akzeptiert wurden. Und die NPD arbeitet womöglich bereits an einem Fördermittelantrag für ihr Projekt »Mehr Toleranz für Deutsche«.

5 Kommentare

  1. < "Liebe Freundinnen und Freunde,

    liebe Kameradinnen und Kameraden,

    Die Geschichtspolitische Konferenz der VVN-BdA in Berlin, 24./25. April 2010, findet statt im Kinosaal und Audimax der Humboldt-Universität zu Berlin – Campus Mitte – Unter den Linden 6, 10117 Berlin. Das Thema lautet:

    EINSPRUCH! Antifaschistische Positionen zur Geschichtspolitik – 65 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg

    Im Einladungstext heißt es u.a.:

    Das vergangene Jahr der „historischen Jahrestage“ hat es gezeigt: Aus dem Kalten Krieg stammende Thesen wie „rot = braun“ und „Sozialismus = Faschismus = Diktatur“ sind wieder salonfähig und bestimmen die staatliche Geschichts- und Gedenkpolitik. Sie werden bewusst und mit politischem Kalkül propagiert, denn die Deutung der Geschichte zielt auf die Gegenwart.

    Die Liste der ReferentInnen weist hochkarätige WissenschaftlerInnen, engagierte AntifaschistInnen aus dem In- und Ausland aus, die eine Konferenz mit hohem Niveau versprechen.

    Unterstützt und getragen wird die Konferenz der VVN-BdA von der FIR, DRAFD, KFSR(Freunde der spanischen Republik) Lagergemeinschaften Buchenwald, Neuengamme, Ravensbrück, den Komitees Auschwitz, Mauthausen, Sachsenhausen, der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz.

    Und im Kulturprogramm Esther, Edna und Joram Bejarano und die Microphone Mafia."

    Jaja. Typische populistisch-kommunistisch-linksextremistische Propaganda auf Dummenfang, im harmlosen Schafsfell. Die sich auch noch mit gleich drei Alibijuden
    schmückt. Aber mündige Deutsche fallen suf sowas nicht rein. Schon 1949 forderte eine der jetzigen Bundestagsparteien

    http://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/Nachkriegsjahre_plakatFDPSchlussMitEntnazifizierung/index.html

    einen Schlusstrich zu ziehen unter die unerträgliche Entnazifizierung, und die andere

    http://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/JahreDesAufbausInOstUndWest_plakatCDUAlleWegedesMarxismus1953/index.html

    machte vier Jahre später klar, dass der Weg des Marxismus immer nach Moskau führt.

    Kein Wunder, wenn getroffene Hunde bellen bzw. die linke Hetze gegen die deutsche Regierung wieder zunimmt, weil sie nun aus genau diesen beiden Parteien gebildet ist.

    Aufrechte Deutsche lässt sowas kalt. Von wegen "krank"! Man wird ja wohl noch die Wahrheit sagen dürfen.

    ego

  2. „Das Geschrei war groß, als Hagalil spitz bekam, dass der hessische CDU-Abgeordnete Hohmann die überproportional große Beteiligung von Juden am Sovjetbolschewismus zur Sprache brachte und für eine Drosselung der Zahlungen gen Israel plädierte, gerade in Zeiten, da der Deutsche den Gürtel enger schanllen soll. Hagalil, selbst Proviteur am Abfließen deutscher Steuergelder gen Israel, musste Hohman zu Fall bringen. Juden und Sozialismus das durfte nicht in einem Satz genannt werden.“

    Kränker gehts nimmer?

  3. Inzwischen existieren zahlreich Dossiers, die Verbindungen zwischen haGalil und dem organisierten Linksextremismus nachweisen.
    Das Geschrei war groß, als Hagalil spitz bekam, dass der hessische CDU-Abgeordnete Hohmann die überproportional große Beteiligung von Juden am Sovjetbolschewismus zur Sprache brachte und für eine Drosselung der Zahlungen gen Israel plädierte, gerade in Zeiten, da der Deutsche den Gürtel enger schanllen soll. Hagalil, selbst Proviteur am Abfließen deutscher Steuergelder gen Israel, musste Hohman zu Fall bringen. Juden und Sozialismus das durfte nicht in einem Satz genannt werden. Schon garnicht im Zusammenhang zu Hagalils Lieblingsthema: Geld. Gerne gibt sich haGalil ein “ausgewogenes” und “demokratisches Image”, tatsächlich aber ist haGalil eng mit dem organisierten Linksextremismus nicht nur in Israel, sondern gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland verbunden.

    Die Akte Max Brym und eine dubiose Veranstaltung an der Münchner Universotät sind interessant. Max Brym gehört zum “Schreib-Kader” von haGalil und darf auch schonmal als Vertreter von haGalil öffentlich auftreten. So etwa bei den Münchner “haGalil Soliwochen”, in deren Rahmen auch eine Podiumsdiskussion mit dem haGalil-Herausgeber David Gall und Vertretern vom Verfassungsschutz beobachteten linksextremistischen ak Organisationen.

    Brym´s Vortrag wurde vom Israel-Soli-Club wie folgt angekündigt: Max Brym -Mitarbeiter von haGalil- wird in einem kurzen Einführungsreferat über die Arbeit von haGalil und den Stand der Auseinandersetzung informieren.

    Quelle: http://www.ak-antisemitismus.de/postings/hagalil-soli-woche-veranstaltungen-in-munchen

    Dass hier auch noch die sehr umstrittene Studie aus dem linken Umfeld stammende zur „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht fehlen darf ist klar.

  4. Dass haGalil keine Fördergelder (mehr) erhält, ist eigentlich klar bei so einem zunehmend zwangsläufig rechtsbegünstigenden Linksextremismuswahn derjenigen Herrschenden, die z.Zt. die Finger am Geldhahn haben und überall Rot im Anmarsch sehen…

    Die sich ganz bewusst und mit Kalkül nicht konzentrieren auf, konkret, Positives oder auch Negatives, was irgendwie als evtl. „Rot“ nicht ins CDU/CSU/FDP – Konzept passt, sondern munter drauflosschwafeln von der dräuenden Roten Gefahr.

    Da wird denn, sicher ist sicher, gleich die beim BILDungsbürger und schon seit Adolfs Zeiten immer noch wirksame Antikommunismuskeule hervorgeholt und untadeligen Menschen um die Ohren gehauen.

    Ganz furchtbar auch die VVN-BdA, die sich offensichtlich die zu betreibende Abschaffung der BRD, das Wiederauferstehen der DDR-Diktatur samt Stasi, Mauer und Schießbefehl und natürlich kommunistische Unterwanderung demokratischer Strukturen auf die Fahne geschrieben hat.

    Dass, und das sollte auf einer jüdisch bestimmten Webseite ruhig gesagt werden, zu ihren Mitgliedern viele jüdische Menschen zählten und zählen, ist ohne Belang. Die haben halt keine Ahnung, mit wem sie da im Boot saßen/sitzen. Deshalb heißt es ja beim VS: kommunistische Tarnorganisation.

    Wofür haben wir den Verfassungsschutz oder auch Leute, die ihre Weisheiten in einem Verlag veröffentlichen, der aus einerseits einem Bertelsmann/Springer-Verlag und andererseits einem von einem früheren SS-Mann mitgeleiteten Verlag entstand.

    Nie wieder Links = linksextrem = kommunistisch = Stalinismus = Gulag = !

    ego

  5. „In der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle an der Saale, deren Stiftungsbeirat der VVN-BdA angehört, soll Ende März eine zweitägige Lehrerfortbildung zum Thema »Diktaturvergleich als Methode der Extremismusforschung« stattfinden.“

    Dieses Beispiel trifft es recht gut… da wird neben den vielen -gerade in Ostdeutschland dringend notwendigen- Lehrerinformationsveranstaltungen zum Thema Nationalsozialismus eine (!) Veranstaltung organisiert, die *auch* den diktatorischen Charakter der DDR thematisiert. Wär doch furchtbar, wenn die Lehrer danach den Schülern erzählen, daß im real existierenden Sozialismus auch einige wenige Dinge nicht so ganz perfekt waren… muß verhindert werden.

    PS – VVN:

    „Innerhalb der Organisation hatten kommunistische Kräfte im Hinblick auf ihre Rolle im Widerstand erheblichen Einfluss. Die Vereinigung wurde bis zur Wende 1989 von der SED und DKP gesteuert[3]. 1989 waren alle Landesvorsitzenden, nahezu alle hauptamtlichen Mitarbeiter sowie etwa zwei Drittel der Mitglieder des Bundesvorstandes und des Präsidiums Mitglied der DKP[3].

    Die politische Breite der Gründungsjahre wurde im Zuge des Kalten Krieges deutlich eingeschränkt. Zudem bewirkten der Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD vom Mai 1948 und der Austritt prominenter Nazigegner (Eugen Kogon, Heinz Galinski und Dr. Auerbach), dass in der öffentlichen Auseinandersetzung die VVN als „kommunistische Tarnorganisation“ angesehen wurde. Angehörige des öffentlichen Dienstes konnten entlassen werden, wenn sie – als Ãœberlebende des Naziterrors – weiterhin Mitglied in der VVN blieben.

    Nicht zuletzt aus solchen Abspaltungen und Ausgrenzungen ergab sich eine zahlenmäßige und politische Dominanz linker Mitglieder. In Zeiten des KPD-Verbotes fanden ehemalige kommunistische Widerstandskämpfer in der VVN einen politischen Raum, in dem sie weiterhin legal zusammenkommen konnten.

    Der Bericht räumte ein, dass die VVN-BdA seit 1989 darauf verzichtet hat, linksextremistische Gewalt- und Unrechtssysteme ausdrücklich als vorbildlich darzustellen; allerdings würden kommunistische Verbrechen konsequent relativiert, ignoriert oder sogar geleugnet.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/VVN

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