Avigdor Lieberman: Schande Israels

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Benjamin Netanjahus übertriebenem Ehrgeiz ist es zu verdanken, dass Israel die Bürde eines Außenministers der nationalen Schande bevorsteht…

von Neve Gordon

Man stelle sich einen Staat vor, der einen Mann zum Außenminister macht, der einen 12jährigen geschlagen hat, gegen den eine Untersuchung wegen Geldwäsche, Betrug und Vertrauensbruch läuft, ein Mann, der Bone-fide-Mitglied einer verbotenen rassistischen Partei war und heute Chef einer politischen Partei ist, die mit faschistischem Gedankengut flirtet. Zu allem Überfluss lebt er nicht einmal in dem Land, das er als Außenminister vertreten will.

Die Darstellung scheint weit hergeholt. Aber bis ins Detail ist es das Porträt des neuen israelischen Außenministers Avigdor Lieberman.

2001 wurde Lieberman schuldig gesprochen, einen 12jährigen Jungen verprügelt zu haben. Er hatte die Tat gestanden. Es kam zu einem Vergleich. Er musste u.a. eine Geldstrafe von 17500 Schekel zahlen und eine Erklärung abgeben, dass er nie wieder ein so kleines Kind schlagen werde.

2004 eröffnete Liebermans 21jährige Tochter Michal eine Beraterfirma, die 11 Millionen Schekel* aus anonymen ausländischen Quellen bezog. Avigdor Lieberman war Angestellter dieser Firma und erhielt für einen Zeitraum von 2 Jahren ein Gehalt von mehr als 2,1 Millionen Schekel, so die Polizei. Zusätzlich erhielt er – so eine Recherche der Haaretz – für 2006 und 2007 angeblich noch mehrere hunderttausend Schekel* aus der Firma. In diesen beiden Jahren war er bereits Minister für Strategische Angelegenheiten und stellvertretender Premierminister. Gemäß israelischem Gesetz wäre dies daher illegal.

Lieberman war früher ein Mitglied von Meir Kahanes Kach-Partei*. Die Kach wurde aufgrund ihres offensichtlich rassistischen Programmes verboten. Doch Liebermans Einstellung gegenüber den Arabern scheint sich in den Jahren nicht geändert zu haben. 2003 verpflichtete sich der damalige Premierminister Ariel Scharon, rund 350 palästinensische Gefangene zu amnestieren. Lieberman war damals Transportminister. Er reagierte, indem er sagte, er wäre mehr als glücklich, Busse zur Verfügung zu stellen, um die Gefangenen ans Meer* zu transportieren und dort zu ersäufen.

Im Januar 2009, während des israelischen Gaza-Krieges, sagte Lieberman, Israel „müsse weiter gegen die Hamas kämpfen, wie es die USA mit den Japanern im zweiten Weltkrieg getan haben. Auch damals war es nicht nötig, das Land zu besetzen“. Damit spielte er auf die beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki* an.

Lieberman lebt nicht innerhalb der international anerkannten Grenzen des Staates Israel. Er wohnt in der illegalen Siedlung Nokdim*. Rein rechtlich gesehen ist das, als ob US-Außenministerin Hillary Clinton in Mexiko leben würde oder der britische Außenminister David Miliband auf den Kanarischen Inseln.

Trotz dieser erschreckenden Übertretungen hat der neugewählte Premierminister Benjamin Netanjahu keine Probleme damit, Lieberman zum Vertreter des Staates Israel auf internationaler Bühne zu machen. Netanjahus Machthunger veranlasste ihn, einen Mann auszuwählen, der eine Gefahr für Israel darstellt. Liebermans Botschaft und Liebermans Stil sind nicht nur brutal, sie enthalten klar profaschistische Elemente. Lieberman ist extrem gefährlich – das haben israelische Kommentatoren bereits zur Kenntnis genommen.

Doch Politik ist, wie sie ist, und so werden die westlichen Führer zweifellos eine versöhnliche Haltung gegenüber Lieberman einnehmen und bereit sein, sich mit ihm zu treffen und außenpolitische Themen mit ihm zu erörtern. Eine solche Haltung kann man, aufgrund der demokratischen Wahl, in der Lieberman siegte, sicherlich rechtfertigen können. Wie sehr man Liebermans Ansichten auch hassen mag, er ist der (außenpolitische) Vertreter des israelischen Volkes. Wer sich entschließt, sich mit ihm zu treffen, kann argumentieren, dass ein kontinuierlicher Dialog und eine kontinuierlicher Debatte zur Internationalisierung der internationalen Normen beitragen und so den Extremismus abschwächen.

Diese Rechtfertigung wiegt schwer. Doch falls die Führer des Westens beschließen, Lieberman zu treffen, wird schnell die Assoziation ‚Bann gegen die Hamas‘ geweckt werden – zumindest bei den Menschen im Nahen Osten*. 2006 errang die Hamas einen Erdrutschsieg – in Wahlen, die nicht minder demokratisch waren als die jetzige Wahl in Israel. Die Hamas ist in vielerlei Hinsicht eine extremistische Partei, die mit der Gewalt flirtet. Dennoch sind die Hamas-Politiker auch Vertreter des palästinensischen Volkes. Sie werden als Personen gesehen, die für Selbstbestimmung und die Befreiung (der Palästinenser) kämpfen.

Wollen die westlichen Führer glaubwürdig erscheinen, so müssen sie auch ihre Politik gegenüber der Hamas ändern. Tun sie dies nicht, wird die Entscheidung, sich mit Lieberman zu treffen zurecht als heuchlerisch und doppelzüngig bewertet werden. In der Region herrscht allgemein die Ansicht, Amerika und Europa stünden mehr aufseiten Israels. Diese Sicht würde nur weiter gestärkt.

Neve Gordon leitet den Lehrstuhl für Politik an der Ben-Gurion-Universität, Israel. Sein neues Buch heißt ‚Israel’s Occupation‘ (erschienen bei University of California Press).
von Neve Gordon, 26.03.2009 — Guardian.co.uk / ZNet
Orginalartikel: Avigdor Lieberman, Israel’s shame
Übersetzt von: Andrea Noll