An irgendeiner israelischen Supermarktkasse

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Im ganzen Land springt es einem ins Auge: Werbung, Werbung überall! Rabatte, Sammelkarten, Kundenkarten, Supermarktpunkte, Schnäppchen und Deals. Manche Dinge werden wohl zu genau westlich genommen…

Von Benji Epstein

Der Ausflug in die Welt des Sherut-Taxis letzte Woche ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie einfach eine gute Idee in Israel umgesetzt werden kann, die in Europa oftmals ins Leere laufen würde. Manchmal hat man aber auch das Gefühl, in Situationen zu geraten, die in Europa zur Tagesordnung gehören, in Israel aber ein ganzes Prozedere darstellen. So zum Beispiel die Bezahlung an einer Supermarktkasse.

Bestimmt ist jeder schon mal auf Schnäppchenjagd durch den Supermarkt gewandert oder hat fleißig Punkte auf einer Sammelkarte seines Ladens gesammelt, um etwa „2 für 1“ oder die 10. Dose Mais zum halben Preis zu bekommen. Es liegt in der menschlichen Natur, möglichst viel und Gutes für einen möglichst kleinen Betrag im Tauschgeschäft zu erhalten. Wer möchte schon mehr bezahlen, wenn es auch billiger kommen kann. Wobei — kommt es wirklich immer billiger?

Schauen wir doch mal an eine Supermarktkasse in Israel. Das Abenteuer Einkaufen in einer der grossen Supermarktketten im Lande wäre eine Geschichte für sich. Das Spannende findet jedoch beim Bezahlen statt. Dass von zehn Kassen gerade mal zwei besetzt sind, ist das ganz normal, obwohl es im Supermarkt überdurchschnittlich viel Personal gibt. Reiht man sich nun in die nach Gutdünken schnellst vorankommenden Reihe ein, so stellt man ziemlich schnell fest, dass sie eigentlich die langsamste ist. Nicht, weil da mehr Leute vor einem stehen, sondern weil die Kunden in dieser Schlage besonders anfällig auf „Mifzaim“, also auf „Angebote“ sind oder weil die meisten von ihnen über eine Kundenkarte verfügen.

Hat man die Geduld nicht verloren und hat bis zur Kassiererin ausgeharrt, wird einem als Kunde die erste Frage gestellt, die man natürlich auch in manchem Supermarkt ausserhalb Israels antrifft: Haben sie eine Kundenkarte? Nicht dass das eine intime Frage wäre, aber jedesmal mit einem Nein antworten zu müssen, ist doch auch irgendwie langweilig. Der idealste Namen für eine Kundenkarte hat sich eine grosse israelische Drogeriekette ausgedacht: Lifestyle. Wird man an der Kasse gefragt, „Jesch lecha Lifestyle?“ Also, „Hast Du Lifestyle?“ Da kann man nur sehr schlecht mit „Nein“ antworten, was oft zur Verwirrung bei den Kassiererinnen sowie beim Kunden selbst führt.

Aber was soll’s. Wer jetzt denkt, das Abenteuer an der Kasse sei bereits überstanden, täuscht sich schwer. Während die Kassiererin die Produkte einscannt, macht sie den Kunden darauf aufmerksam, dass eines der Joghurts nur in einem Viererpack gekauft werden kann. Der Kunde wird also vor eine schwere Entscheidung gestellt. Soll er nun den Joghurt an der Kasse zurücklassen und auf ihn verzichten, oder soll er die Kassiererin durch den Laden schicken, um ihm die restlichen drei Joghurts zu bringen, während die wartenden Kunden in der Schlange vor Verzweiflung langsam aus der Fassung geraten?

Wurden alle gekauften Artikel in der Kasse erfasst, kommt die Kassiererin wieder zum Zug. Dabei wird einem meist vorgehalten, man solle doch statt einem Brot, zwei Brote kaufen, da man somit ein Shampoo zum halben Preis kriegt. Dies stellt den Kunden nicht nur vor eine finanzielle Frage, sondern brint ihn wieder zur Frage von vorhin zurück und er überlegt es sich lieber zwei Mal, ob er auch hier die Kassiererin wirklich durch den Laden jagen möchte.

So weit so gut, wäre da nicht noch eine weitere Entscheidung zu fällen. Während der Betrag vom Bildschirm an der Kasse mühsam entziffert und das Geld dementsprechend aus der Geldbörse gezogen wird, stellt sich die Frage, ob nicht eventuell doch zusätzlich fünf Schokoriegel zum Preis von vier gekauft werden wollen. Das Angebot klingt eigentlich nicht besonders verlockend. Die Tatsache, dass die Riegel bereits an der Kasse für den Kunden in einem brauen Karton bereitgestellt wurden, macht die Entscheidung als Konsument jedoch schwieriger.

Nach einer entscheidungsreichen Prozedur an der Kasse hofft man nur, dass auch genügend Kleingeld in der Kasse ist und nicht noch weiter Zeit verstreicht werden muss, bis das nötige Wechselgeld unter den Supermarktangestellten zusammengekratzt wurde. Am Besten man macht’s auf die israelische Art und bezahlt jeden Schekel mit der Kreditkarte.

Nun aber zur Anfangsfrage zurück, ob Schnäppchen beziehungsweise der Einkauf im richtigen Laden auch wirklich billiger kommt. Wahrscheinlich eher nicht. Verfügt man über eine Kundenkarte, kann es schon sein, dass Ende des Monats eine Gratis-Suppe beim nächsten Einkauf auf dem Kundenkonto gutgeschrieben wird. Hier muss nun gut überlegt werden, ob sich der Aufwand, jedes Mal die Kundenkarte zu zeigen auch wirklich auszahlt oder nicht, ganz nach der Maxime „Zeit ist Geld“ oder in Israel besser „Geduld ist Geld“. Fällt man auf den Joghurt-Trick rein und kauft vier statt keinen, so ist man ein paar Schekel ärmer, hat dafür aber vier Joghurts statt dem gewollten einen im Kühlschrank stehen. Das gleiche Problem stellt sich beim Shampoo und bei den Schokoriegel, den jedes Gut kostet natürlich Geld.

Das sich immer als westlich bezeichnende Israel liegt zwar im Nahen Osten, hat jedoch viele Prinzipien aus der Westlichen Welt, der Welt des Konsums, ziemlich schnell begriffen und gibt sich alle Mühe, möglichst modern dazustehen. Da fragt man doch, ob manche Dinge nicht ein wenig zu ernst genommen werden….

4 Kommentare

  1. Sehr interessant der Artikel, doch habe ich fast immer für einen Betrag über 60 Schekel einen Wochenend Maariv oder fast immer eine grosse Flasche Mineralwasser dazu erhalten. Hat seine Vorteile.

  2. vielen dank für diesen super realistischen artikel! aus der ferne (düsseldorf) vermisst man diese täglichen querälen an der kasse förmlich! p.s. hier in deutschland warte ich beim bezahlen vergebens auf das „kama tashlumim“? roy m.

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