DVU: „Kernproblem“ wird zur Bruchlinie

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Nach dem Zugang von prominenten NPD-Parteigängern werden bei der Deutschen Volksunion (DVU) programmatische Pflöcke im Sinne der „Neuen Rechten“ eingeschlagen. Nicht nur Hitler- und NS-Nostalgie soll über Bord geworfen werden, sondern auch der bei der NPD eingefleischte Antisemitismus wird herunter gespielt. Das „Kernproblem“ seien nicht Juden, sondern Muslime, heißt es nun aus der Münchner Parteizentrale. Am 1. Mai will die DVU eine gemeinsame Veranstaltung mit dem saarländischen NPD-Landesverband durchführen…

ak, redok v. 22.04.2009

Thematisch hatte es seit Jahrzehnten praktisch keine Entwicklung bei der DVU gegeben, die vom Partei-Monarchen Gerhard Frey in Alleinherrschaft geführt wurde. Doch mit dem neuen DVU-Vorsitzenden Matthias Faust, dem Eintritt des NPD-Funktionärs Andreas Molau und dessen Beschäftigung als DVU-Pressesprecher werden nicht nur personell, sondern auch inhaltlich neue Akzente gesetzt.

Der Niedersachse Molau tingelte in den vergangen Tagen eifrig durch die Lande, um sich bei DVU-Verbänden vorzustellen. Zwischen Info-Ständen in Kaufbeuren und der brandenburgischen DVU-Landtagsfraktion in Potsdam pendelte Molau durch die Republik, um sein Projekt einer weichgespülten vereinigten Rechtspartei voranzubringen.

Als ersten Erfolg konnte Molau den DVU-Beitritt des schwedischen Millionärs Patrik Brinkmann verbuchen. In der deutschen extremen Rechten als Gönner und Geldquelle angesehen, hatte Brinkmann in den vergangenen Jahren wenig Substanzielles von sich gegeben. Nun jedoch wird der Schwede plötzlich redselig, wenn man den Brinkmann-Stellungnahmen und -Interviews in verschiedenen rechtsextremen Internetportalen Glauben schenken will. Allerdings liest sich manches wie aus der Feder eines Ghostwriters geflossen, als den man seinen Freund Molau vermuten darf.

Zunächst einmal rechnete Brinkmann mit der NPD ab, die nach ihrem Parteitag auf Bundesebene von Vertretern des „radikalen Flügels“ dominiert wird. Zwar war Brinkmann nie Mitglied der NPD, doch hatte er nach eigener Aussage der Partei „in einer schwierigen Situation geholfen“. Nun werde er von den Empfängern seiner Finanzspritzen zum Dank auch noch beschimpft. „Politisch eine totale Katastrophe“ seien NPD-Vorständler wie der Neonazi Thomas Wulff, der demnächst wegen der Hakenkreuzfahne auf einem Nazi-Sarg vor Gericht steht.

Dann wurden Brinkmann und sein Ghostwriter konkreter in Bezug auf politische Perspektiven. Der unverhüllte biologisch-völkische Rassismus der NPD sei „Reduzierung auf die Herkunft“, und das sei „wirklicher Rassismus, politisch dumm, unfruchtbar und provinziell“. Stattdessen wurde das neurechte Ideologie-Konzept eines vor allem kulturell geprägten Rassismus empfohlen, denn „was ein Volk zum Volk macht“, seien „die Herkunft, die Kultur und der Wille“. Schluss sein müsse mit dem „Wahnsinn der Einwanderung“, mit der man „kulturelles Treibgut an Land“ gezogen habe.

Selbst damit hätten die Neu-DVU-Mitglieder noch die eine oder andere Zustimmung aus den Reihen der NPD ernten können. Doch mit der folgenden Festlegung auf einen „Hauptfeind“ stellen Molau und Brinkmann eine Gretchenfrage, die als Bruchlinie in der extremen Rechten zwar schon seit Jahren vorhanden ist, aber nun offenbar als strategischer Markstein formuliert wird.

„Das Kernproblem sind nicht die Juden, sondern die Muslime“, legten Molau und Brinkmann sich auf ihre politische Perspektive fest. Es gebe „heute keinen politischen Antagonismus zwischen Judentum und Europa“, der Islam sei „gefährlicher für den Bestand der deutschen und europäischen Kultur“.

Damit ist zwar der Bruch zur neonazistischen Rechten vollzogen, die ihr antisemitisches Betriebssystem nicht ablegen kann, doch offenbar sehen die neuen Lenker der DVU ihre Vorbilder und möglichen Bündnispartner ohnehin woanders. Das nahe liegende Exempel der FPÖ setzt ebenfalls auf die anti-islamische Karte, obwohl auch in der österreichischen Partei aufgrund der tief sitzenden deutschnationalen und Nazi-verharmlosenden Tradition antisemitische Wurzeln zur Grundausstattung gehören. Dagegen haben sich andere westeuropäische Parteien wie der französische Front National, die britische BNP oder der flämische Vlaams Belang in jüngeren Jahren bei ihrem Kampf gegen Muslime mehr oder weniger offen auch um jüdische Unterstützung bemüht und zu Wahlen sogar einzelne jüdische Kandidaten aufstellen können.

Bündnis an der Saar

Die nächsten praktischen Schritte zur „vereinigten Rechtspartei“ sind derweil bereits in Arbeit. Gemeinsam mit dem saarländischen NPD-Landesverband organisiert die DVU am 1. Mai in Völklingen eine Saalveranstaltung, die als Auftakt zu den Wahlen am 7. Juni dienen soll. Bei der Europawahl tritt die DVU an, bei der Kommunalwahl im Saarland kandidiert die NPD in Saarbrücken und Völklingen. Am 30. August folgt im Saarland die Landtagswahl, zu der wiederum die NPD antritt.

Die Saar-NPD erhofft sich von diesen Wahlen den ersten Durchbruch in einem West-Bundesland; seit Jahrzehnten konnte die NPD in der alten Bundesrepublik in kein Landesparlament mehr einziehen. Bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2004 hatte Peter Marx in Völklingen 9,7 Prozent erreicht, bei der Landtagswahl 2004 hatte die NPD mit 4,0 Prozent schon an der Fünf-Prozent-Hürde geschnuppert.

Der NPD-Landesverband Saar hat sich mit seinem Vorsitzenden Frank Franz und dem dort nach wie vor einflussreichen früheren NPD-Generalsekretär Peter Marx bereits vor Wochen eindeutig auf die Seite Molaus geschlagen. Auch mit den aktuellen Parolen zur Wahl schwimmt Franz im Molau-Fahrwasser, wenn er gegen eine „Islamisierung Völklingens“ wettert und sich „für die europäisch-abendländische Kultur“ stark macht.

Als Redner sind in Völklingen neben den NPD-Männern Franz und Marx die DVU-Funktionäre Matthias Faust (Bundesvorsitzender), Andreas Molau (Pressesprecher), Liane Hesselbarth (Fraktionsvorsitzende im Landtag Brandenburg und Spitzenkandidatin zur Europawahl) sowie Patrik Brinkmann vorgesehen. Nicht dabei als Redner ist allerdings Udo Pastörs, der sich unlängst mit einer Aschermittwochs-Rede in Saarbrücken so gar nicht in das Weichspüler-Konzept einfügte. Durch antisemitische und fremdenfeindliche Tiraden vom „Judenstaat“ Bundesrepublik, von „Krummnasen“ und türkischen „Samenkanonen“ hatte sich Pastörs staatsanwaltliche Ermittlungen eingehandelt.

© redok