Die Islamische Republik Iran und Israels Existenzrecht – ein Testfall für das deutsche Verhalten

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Erweiterte Fassung der Rede zur Holocaustgedenkveranstaltung der „Initiative 27. Januar“ (München) in Zusammenarbeit mit der „STOP THE BOMB„-Kampagne am 26.01.2009 im Senatssaal des Bayerischen Landtags unter Schirmherrschaft der Bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm…

Von Klaus Faber

Sehr geehrter Herr Kalmanowicz, sehr geehrter Herr Eckert, meine Damen und Herren,

der 27. Januar ist als Gedenktag an die Opfer des Holocaust, richtiger: als Tag, an dem auch der Opfer des Holocaust gedacht werden soll, erst verhältnismäßig spät in Deutschland eingeführt worden. Auch andere Staaten und die Vereinten Nationen haben den 27. Januar, den Tag, an dem 1945 die Rote Armee Auschwitz befreite, als Holocaust-Gedenktag gewählt. Israel gedenkt an einem anderen Tag der Schoa-Ermordeten. Ursprünglich war an den Jahrestag des Beginns des Warschauer Ghettoaufstandes im Jahre 1943, nach dem christlichen Kalender den 19. April 1943, gedacht, später aber, wegen zu großer Nähe dieses Tages zum Pessach-Fest, ein anderer Termin gewählt worden, der acht Tage vor dem israelischen Unabhängigkeitstag liegt. Der Bezug zum Warschauer Ghetto-Aufstand ist aber auch dabei präsent.

Im Januar 1943, zwei Jahre vor der Auschwitz-Befreiung, stießen die SS-geführten Truppen zu ihrer Überraschung im Warschauer Ghetto auf den ersten militärischen Widerstand. Die jüdischen Kämpferinnen und Kämpfer zeigten während des Aufstands auch diejenige Fahne, die später die Fahne Israels werden sollte. Es gibt eine Reihe von historischen Vorläufer-Organisationen der „Streitkräfte für die Verteidigung Israels“, wie sie nach der israelischen Staatsgründung heißen. Die wichtigste war zuletzt die Haganah, die Selbstverteidigungsorganisation des Jischuw, der jüdischen Gemeinschaft im früheren britischen Mandatsgebiet von Palästina. Im historisch-moralischen Selbstverständnis der israelischen Streitkräfte gehören aber auch die Ghettokämpfer von Warschau und von anderen Orten in die eigene Traditionslinie.

Voltaire hat den Spartakus-Aufstand als den gerechtesten Krieg aller Zeiten bezeichnet. In unserer Zeit müsste er diesen Rang dem Warschauer Ghetto-Aufstand einräumen. Die Ghettokämpfer von Warschau wussten, dass sie keine militärischen Siegchancen und, das galt zumindest für die meisten, auch keine oder nur sehr geringe Flucht- oder sonstige Überlebensmöglichkeiten hatten. Sie kämpften deshalb nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, für ihr Überleben und für ihre Befreiung von einem Zustand, in dem sie weniger Rechte als Sklaven und sogar Haustiere hatten, für die Befreiung von einem Zustand, in den sie der deutsche Staat gebracht hatte. Sie kämpften gegen einen Gegner, der sie vernichten wollte und ihr Lebensrecht nicht anerkannte. Sie kämpften für das Recht, über den Zeitpunkt und die Art des eigenen Todes selbst zu bestimmen. Sie kämpften, mit Wirkungen über ihren Tod hinaus, auch für das Recht auf jüdische Selbstverteidigung und Selbstbestimmung.

Es ist nicht bekannt, ob es in den Vereinten Nationen überhaupt Alternativüberlegungen zum 27. Januar als Erinnerungstag für den Holocaust gegeben hat. Vielleicht war, falls derartige Überlegungen angestellt wurden, der israelische Gedenktag oder ein anderer mit der Erinnerung an den Warschauer Ghettoaufstand verknüpfter Tag zu sehr mit Israel verbunden, mit Konnotationen, die die jüdische Selbstverteidigung und Selbstbestimmung legitimieren. Das hätte möglicherweise gegen eine derartige Gedenktagwahl sprechen können. Ein Blick auf die Stimmenverhältnisse in der UN-Vollversammlung und auf die Anteile derjenigen Staaten, die der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) angehören, oder, im konkreten Einzelfall, auf die Tätigkeit des UN-Menschenrechtsrats, der diesen Namen nicht verdient und in dessen antiwestlicher und israelfeindlicher Propagandaagitation diese Mehrheitsverhältnisse Ausdruck finden, genügt, um einen Eindruck von der Richtungsorientierung dieser Organisation zu gewinnen, soweit sie von der Vollversammlung beeinflusst wird. Das gilt ebenso für die Grenzen ihrer Objektivität, auch wenn sie an Minimalstandards gemessen wird. Die Staaten selbst, darunter Deutschland, hätten aber andere Anknüpfungsdaten für die eigene Gedenkkultur wählen können. An entsprechenden Beispielen hat es nicht gefehlt. Die „Days of Remembrance“ der Vereinigten Staaten lehnen sich z. B. in der Datierung an den israelischen Erinnerungstag an.

Bedarf es in diesem Zusammenhang eines zusätzlichen Hinweises darauf, dass uns allen kein einziger arabischer Staat bekannt ist, der einen Holocaust-Gedenktag eingeführt hat? Tunesien, in dem zur Zeit der deutschen Besetzung die ersten antijüdischen Maßnahmen eingeleitet wurden, die nach den – dank des alliierten Sieges gescheiterten – deutschen Planungen zur Deportation und Ermordung aller tunesischen Juden führen sollten, hätte und hat dazu einen durchaus konkreten Anlass. Das gilt übrigens auch für die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Gebiete. Der Jerusalemer Mufti Amin al-Husseini, ein Verbündeter Hitlers und Führer der arabischen Palästinenser, war nicht nur als Ausbilder des Offizierskorps der bosnisch-muslimischen SS-Division „Handschar“ ein bekennender Antisemit und Judenverfolger. Viele Initiativen zeugen dafür, etwa seine diplomatische Intervention gegenüber der achsenfreundlichen bulgarischen Regierung, die bulgarischen Juden doch möglichst nach Polen „unter starke Kontrolle“, wie er das formulierte, also unter deutsche „Kontrolle“, verbringen zu lassen. Dass nach einem Sieg von Rommels Afrikakorps auch am Jischuw im britischen Palästina mit arabischer Beteiligung der Völkermord in eigenen Konzentrations- und Vernichtungslagern vollzogen werden sollte, wissen wir u. a. aufgrund der Forschungsarbeiten zweier deutscher Wissenschaftler sehr genau. Die Araber, auch die palästinensischen Araber, sind also, was den Holocaust anbelangt, keinesfalls nur unbeteiligte „Dritte“ gewesen – anders als dies vielfach behauptet wird.

Welche Schlussfolgerungen sind heute aus den Holocaust-Erfahrungen zu ziehen? Was folgt aus dem Gedenken an die Toten für die Sorge um die Überlebenden? Im Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Konzeptionen zum Gedenken an den Holocaust und den damit verbundenen inhaltlichen Interpretationen zu den „Lehren“ aus der kollektiven Erinnerung werden politische Optionen sichtbar, die aktuelle Bedeutung haben. Es gibt den zynischen Satz, dass aus der Geschichte in der Regel nichts oder, wenn doch, überwiegend das Falsche gelernt werde – ein Satz, der, wie so viele andere, häufig und auch hier zu Unrecht, Churchill zugeschrieben wird. Deutsche jedenfalls sollen, wie eine ganze Reihe von Beobachtungen zeigen und internationale Beobachter sagen, aus dem 2. Weltkrieg vor allem gelernt haben: „Nie wieder Krieg“. Weitere europäische Nationen teilen offenbar diese Einschätzung. Eine ganz andere Lernbotschaft, nämlich: „Nie wieder Hitler“, entnehmen etwa die US-Bürger, die Polen oder bislang noch die Briten und vor allem Israel den Ereignissen der Vergangenheit.

Wer, wie offenbar viele Deutsche, „Nie wieder Krieg“ als historische Tendenzlehre aus dem 2. Weltkrieg ziehen will, hält damit zu den früheren Kriegsgegnern – zu Hitlerdeutschland und zur Anti-Hitler-Koalition – in gewisser Hinsicht Äquidistanz. Soweit Deutsche das Bedürfnis haben, mit Blick auf bestimmte Aspekte der eigenen Vergangenheit „entlastet“ zu werden, leistet die Äquidistanzposition zumindest teilweise diese Entlastung. Wenn der Krieg das Hauptproblem war, sind alle Kriegsbeteiligten, also auch die Angreifer und Völkermörder, in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise belastet. Es ist demnach gut nachzuvollziehen, weshalb sich eine derartige These in Deutschland größeren Zuspruchs erfreuen kann. Kissinger hat dies, in seiner Sicht und in bestimmter Weise verständnisvoll, einmal mit der Erwägung beschrieben, dass es nicht verwunderlich sei, wenn eine große Nation, der militärische Aggressivität vorgehalten werde, die einen verheerenden Angriffskrieg verloren habe und auch keine Möglichkeit sehe, in einem neuen Anlauf erfolgreicher zu sein, zu dem Schluss komme, Krieg sei als solcher das Problem.

Die in Kommentaren der europäischen Politik und der EU-Administration neuerdings auch im Gaza-Zusammenhang sehr gern verwandte Formel, „militärisch sei der Konflikt nicht zu lösen“, passt übrigens gut zu derartigen Vorstellungen. Nahezu alle Menschen-Konflikte können selbstverständlich nicht allein mit „militärischen“ Mitteln „gelöst“ werden, was auch immer das Wort „Lösung“ meinen sollte. Aber militärische Intervention ist in vielen Fällen die unverzichtbare Voraussetzung für Lösungsansätze. Hätte es ohne den militärischen Sieg über Hitlerdeutschland eine Chance für die noch überlebenden Juden im deutschen Machtbereich und für eine demokratische Entwicklung in Deutschland gegeben? Trifft nicht ein berechtigter Vorwurf diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass dem Tutsi-Volk in Ruanda, den Menschen im Süd- und Westsudan oder den bosnischen Muslimen nicht rechtzeitig mit ausreichenden militärischen Mitteln geholfen wurde? Waren das alles „militärisch nicht lösbare Konflikte“? Manchmal enthüllen politische Formeln mehr, als sie eigentlich offenbaren sollen.

Natürlich kann, um auch die Gegenposition anzusprechen, „Nie wieder Hitler“ nicht heißen, auf einen Wiedergänger Hitlers zu warten und erst dann – und nur dann – zu reagieren. Es heißt vielmehr, allgemein genug, dass Aggressoren und Demokratiefeinden rechtzeitig mit Widerstand begegnet werden sollte, soweit es um bewaffnete Angreifer geht, notfalls – notfalls! – auch mit bewaffnetem und militärischem Widerstand. Diese Maxime ist in den praktischen Wirkungen nicht weniger friedensorientiert als die Botschaft „Nie wieder Krieg“. Wer der Aggression überhaupt nicht oder zu spät mit Widerstand entgegentritt, erhält dafür, wie nicht nur die 1930er Jahre gezeigt haben, nicht den Zustand des Friedens, sondern erhöht in Wahrheit die Konflikt- und gegebenenfalls die Kriegsgefahr. Es bedarf nicht des Bezugs auf die Autorität Churchills, um diese Konfliktdynamik zu erkennen.

Bedeutung haben die damit beschriebenen mentalen Grundsatzorientierungen, um es zu wiederholen, auch für aktuelle Auseinandersetzungen. Es gibt in Deutschland einen weit reichenden, auf der Holocaust-Erfahrung beruhenden Konsens dazu, den Antisemiten von rechts entgegenzutreten. Nach wie vor ist der rechtsradikale Antisemitismus ein großes, auch im Straftatenbereich relevantes Problem. Die NPD verfolgt ganz offen antisemitische Zielsetzungen. Selbstverständlich müssen die Erfahrungen mit dem letzten NPD-Verbotsverfahren berücksichtigt werden. Es kann aber nicht richtig sein, wegen der früheren Probleme in dem Verbotsverfahren auf die Dauer die NPD unbehelligt verfassungsfeindliche Zielsetzungen verfolgen und nach Wahlerfolgen vom Steuerzahler mitfinanzieren zu lassen. Ich glaube auch nicht, dass eine derartige Position etwas mit Liberalität zu tun hat. Antisemiten sind keine Demokraten. Demokratische Antisemiten gibt es nicht.

Antisemitismus gibt es andererseits – und spätestens hier hört der Konsens wohl auf – nicht nur bei den rassistischen Neonazis. Manche sind, im Gegensatz dazu, der Auffassung, Antisemitismus sei im Wesentlichen ein Problem auf der rechten Seite des politischen Spektrums; 15 bis 20% der Bevölkerung seien damit, in unterschiedlicher Intensität, maximal angesprochen. Der aktivistische Neonazi-Kern derjenigen, die jüdische Gräber mit Hakenkreuzen beschmierten, umfasse nur einen winzigen Teil der Bevölkerung. Dieses Bild und ähnliche vergleichbare Interpretationen sind unter verschiedenen Aspekten problematisch. Dies gilt nicht nur deshalb, weil der „neue“ Antisemitismus, der israelfeindliche Antisemitismus, dabei vollkommen ausgeblendet wird, so als ob es die bekannte EU-Arbeitsdefinition von 2005 und die neue Bundestagserklärung vom 4. November 2008 zur Antisemitismusbekämpfung nie gegeben hätte, die diese Definition aufgreift und den Antisemitismus von Hisbollah, Hamas und der Islamischen Republik Iran sowie, allgemein, den arabischen und islamischen Antisemitismus ausdrücklich erwähnt.

Legt man die geschilderte Eingrenzung der Antisemitismuswahrnehmung zugrunde, muss man sich fragen, wofür eigentlich die europäischen Umfrageergebnisse stehen, nach denen gerade in Deutschland und Österreich große Bevölkerungsmehrheiten die Hauptbedrohung für den Weltfrieden in Israel sahen oder eine deutliche Mehrheit in Deutschland das Verhalten Israels gegenüber „den Palästinensern“ demjenigen von Hitlerdeutschland gegenüber den Juden gleichstellte; nicht nur Rechtsradikale unterstützen derartige Positionen. Haben sich diese Ergebnisse Israel – und die Juden – selbst zuzuschreiben, wie das einmal ein deutscher Politiker gesagt hat, und handelt es sich hierbei um legitime Israelkritik, wie dies eine deutsche Website, die den israelischen Ministerpräsidenten mit einer SS-Uniform abbildete, vielleicht formulieren würde? Nach ganz aktuellen Umfragen aus diesem Jahr hält übrigens etwa die Hälfte der Befragten Israel für ein „aggressives Land“. Nur 30% sind der Auffassung, dass Israel die Menschenrechte achte.

Man kann sich in diesem Zusammenhang ebenso fragen, wie bestimmte Verzerrungen und Voreingenommenheiten in der deutschen Medienkommentierung zum Gaza-Konflikt zu erklären sind. Seit dem Beginn der israelischen Militäroperation gegen Hamas-Stellungen in Gaza im Dezember letzten Jahres zeigte die deutsche Nahostberichterstattung in den Print- und sonstigen Medien, besonders deutlich aber im gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine zunehmend israelkritische bis -feindliche Tendenz. Der Konfliktanlass – die Aufkündigung der Waffenruhe und der Raketenbeschuss durch Hamas – geriet schnell in Vergessenheit oder wurde relativiert. Eine deutsche Berichterstatterin des ZDF sprach in einer ersten Stellungnahme zum Gaza-Konflikt von „selbstgebastelten“ Hamas-Raketen und erweckte damit den Eindruck, von diesen könne keine ernst zu nehmende Gefahr ausgehen. Dass durch die Kassam-Raketen Menschen getötet wurden, erwähnte sie in diesem Zusammenhang nicht, auch nicht, dass inzwischen längst nicht mehr nur „selbstgebastelte“ Kassam-, sondern auch Grad-Raketen iranisch-russischer Herkunft mit erhöhter Reichweite im Einsatz sind, über die die Terrororganisation Hamas dank der nachlässigen Grenzkontrolle durch Ägypten verfügt. Die ZDF-Berichterstatterin betonte in ihrem Kommentar mit deutlich propalästinensischer Empathie, die Gazabewohner hätten keine Möglichkeit, der Gewalt auszuweichen, als ob es auf der anderen Seite, in Israel, für jeden Bewohner Sderots, Beer Schevas, Aschdods oder Aschkelons, von denen sie nicht sprach, ganz einfach sei, unter Aufgabe von Haus, Wohnung, Familie und Arbeit in ein – nicht vorhandenes – großes israelisches Hinterland auszuweichen, als ob für die Abschließung der Fluchtwege aus dem Gazaland allein Israel die Verantwortung trage und als ob es keine gemeinsame Grenze zwischen Gaza und Ägypten gebe.

Ein ZDF-Nachrichtenredakteur hatte, um ein weiteres Beispiel zu nennen, in einem Kommentarbeitrag ebenfalls zu Beginn des Gaza-Konflikts behauptet, nur öffentlicher Druck auf Israel habe israelische Hilfslieferungen nach Gaza bewirkt. Abgesehen davon, dass es für eine derartige Behauptung kaum Belege geben dürfte, wird mit dieser einseitigen Bewertung auch nahe gelegt, es fehle Israel grundsätzlich an Empathie für die Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen – und vielleicht auch allgemein gegenüber arabischen Palästinensern, was wiederum der arabischen Propagandathese von israelischen „Massakern“ in Gaza gewollt oder ungewollt Plausibilität verleihen kann. Diese Art von Darstellung ist nur sehr schwer mit den bekannten und einigermaßen gesicherten Fakten in Einklang zu bringen, die in der Gesamtbilanz durchaus Rücksichtnahme gegenüber der Zivilbevölkerung sowie Zurückhaltung und Präzision bei den israelischen Militäroperationen belegen, die man sich auch bei anderen Kriegseinsätzen etwa in Serbien, im Kosovo, in Afghanistan, bei der türkischen Bombardierung von Dörfern in Irakisch-Kurdistan, beim Krieg in Tschetschenien, in Südossetien, in Darfur oder im Südsudan hätte wünschen können. Bei diesen Konflikten waren ähnlich kritische, scharfe und dem Anlass angemessene Stellungnahmen wie jetzt im Gaza-Fall von deutschen Medienvertretern oder Politikern kaum zu hören. Neuere israelische Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass höchstens 25% der arabischen Toten in Gaza Zivilopfer waren; nach einem italienischen Zeitungsbericht aus Gaza sollen die meisten Opfer junge, von Hamas rekrutierte Kämpfer sein.

Niemand fragt übrigens in den deutschen Medien bei dem Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen auf Sri Lanka, soweit man sich für diesen blutigen Konflikt überhaupt interessiert, nach dem Anteil der zivilen Opfer, niemand ebenso danach, ob und inwieweit die auch für interne Kriege geltenden Minimalregelungen in Sri Lanka eingehalten werden. Niemand sieht einen Anlass, eine Umfrage zur Beurteilung dieses Konflikts durchzuführen – vermutlich auch deshalb, weil in den deutschen Medien über diesen Krieg nur sehr wenig berichtet wird. Bei Israel ist alles anders: Zwar werden der gezielte Abschuss von Hamas-Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung und die Stationierung von Raketenabschussrampen in oder in der Nähe ziviler Einrichtungen eher selten als Kriegsverbrechen qualifiziert, umso deutlicher aber Israel unter Verdacht gestellt, „unverhältnismäßig“ zu reagieren. Dabei werden Zahlenangaben aus dem Hamas-Machtbereich zitiert, die nicht überprüft werden können und denen man nach Erfahrungen in ähnlichen Konfliktlagen nicht ohne weiteres trauen sollte. Der „Spiegel“ spricht – wieder einmal – von „blutiger Vergeltung“, wenn er israelische Handlungen beschreibt, als ob Israel, wie Hamas, gezielt und flächendeckend zivile Gebiete bombardieren würde. Dass die von der Islamischen Republik Iran unterstützte, finanzierte und mit Waffen belieferte Hamas eine antisemitische Terrororganisation ist, wird in den Medienberichten häufig nicht oder nicht mit der notwendigen Deutlichkeit gesagt.

Auch in den Tagesschau-Nachrichten fielen bestimmte Darstellungsmuster auf. Dies traf etwa auf die Bezeichnung zu, welche die Tagesschau für die von der Hamas-Terrororganisation mit Raketen angegriffenen Ortschaften in Israel gewählt hatte. Die Tagesschau verwandte dafür den Begriff „israelische Siedlungen“, der üblicherweise nur für Siedlungen im Westjordanland gebraucht wird, auch um damit Zweifeln an der Legitimität ihrer Gründung und Existenz Ausdruck zu verleihen. Wenn man der Logik dieser politischen Sprache folgt, stellt die Tagesschau damit auch die Legitimation der Gründung und Existenz Israels in Frage.

Am letzten Sonnabend, am 24. Januar 2009, berichtete das öffentlich-rechtliche Fernsehen, Solana habe im EU-Namen eine Untersuchung über israelische Kriegsverbrechen in Gaza gefordert. Kein Wort verlor die Nachrichtensprecherin über die Hamas-Kriegs- und sonstigen Verbrechen, die ja größtenteils nicht erst untersucht werden müssen, sondern bereits feststehen, etwa über den gezielten Raketenbeschuss von zivilen israelischen Zielen, häufig aus Stellungen in oder in der Nähe ziviler arabischer Einrichtungen, oder auch über die Tötung, Folterung und Verstümmelung von Oppositionellen in Gaza. Wann hat die Europäische Union entsprechende Untersuchungen z. B. über mögliche Kriegsverbrechen in Serbien, im Kosovo, in Afghanistan, im Westsudan, im Südsudan, in Tschetschenien, in Irakisch-Kurdistan, in Westneuguinea oder, ganz aktuell, in Sri Lanka gefordert? Wie ist diese Einseitigkeit der EU-Administration und der deutschen Berichterstattung zu erklären, die geradezu obsessiv das Ziel zu verfolgen scheinen, Israel und seine Selbstverteidigung zu delegitimieren? Was sagt die deutsche Regierung zu einer derartigen EU-Parteilichkeit, für die sie durch ihr Schweigen Mitverantwortung trägt?

Genug der Beispiele. Darf und sollte man überhaupt die Medien kritisieren? In der Politik und unter Politikern ist die These verbreitet, das sei nutzlos und deshalb falsch. Die Medien würden die Kritik ohnedies nicht vermitteln und, wenn doch, die Kritiker angreifen. Was für die Politik und Politiker im engeren Sinne unter Nützlichkeitsaspekten gelten mag, muss und darf aber nicht für die Gesellschaft insgesamt richtig sein. Den Medien steht in der Demokratie kein kritikfreier Raum zu, auch nicht unter Berufung auf die Pressefreiheit. Beim gegenwärtigen Stand der Gaza-Debatte in den deutschen Medien sind vor allem zwei miteinander verbundene Aspekte problematisch. Ein beunruhigendes Phänomen ist zum einem die Indifferenz der Medien gegenüber den dehumanisierenden Tendenzen in der Agitation gegen Israel – die übrigens nicht nur in der Gaza-Berichterstattung, sondern auch in derjenigen über den Iran deutlich wird. Über die entsprechenden, häufig offen antisemitischen Slogans und Sprechchöre auf antiisraelischen Demonstrationen, in denen auch muslimischer Antisemitismus zu erkennen ist, wird kaum und, wenn überhaupt, sehr selten kritisch berichtet. Parolen wie „Juden raus“, „Israel Kindermörder“ oder „Tod Israel“ sollten nicht zu den in Deutschland akzeptierten oder geduldeten Demonstrationsaufrufen gehören. Wohin eine dehumanisierende Propaganda ohne Widerspruch und Widerstand führen kann, zeigen außerhalb Deutschlands die aktuellen Absichtserklärungen von Hamas-Anhängerinnen, sich unter die „Schweine“ und „Affen“ – gemeint sind Juden – zu begeben, um sich mit ihnen in die Luft zu sprengen, und das Verhalten der pakistanischen Terroristen von Mumbai, die ihre Opfer vor der Ermordung gefoltert und sexuell erniedrigt haben, auch die verhöhnende Darstellung des von der Hamas in Geiselhaft gehaltenen israelischen Soldaten Schalit auf Hamas-Umzügen in Gaza oder die antisemitische Propaganda und Politik der Islamischen Republik Iran.

Der andere Aspekt betrifft eine auch im letzten Libanonkrieg verbreitete Tendenz in deutschen Medien, durch Schaffung von pseudorechtlichen und pseudomoralischen Maßstäben, die nur für Israel und sonst für keinen anderen Staat gelten, eine Art von Sonderbehandlung für den jüdischen Staat zu propagieren. Eine entsprechende Ungleichbehandlung oder Dämonisierung Israels bezeichnet die bereits zitierte EU-Arbeitsdefinition, die auch der Bundestagsbeschluss zur Antisemitismusbekämpfung vom 4. November 2008 erwähnt, als eine Form von Antisemitismus. Wer sich fragt, wie das schlechte Umfragebild von Israel zu erklären ist und weshalb 70% der jüngeren Menschen in Deutschland meinen, es gebe heute keine besondere deutsche Verpflichtung mehr gegenüber Israel, der sollte auch an die deutsche Medienberichterstattung über Israel denken.

Der Bundestagsbeschluss vom 4. November 2008 zur Antisemitismusbekämpfung bezieht sich auf Antisemitismus in allen seinen Erscheinungsformen, in allen Gesellschaftsschichten, rechts, links und, wie die Bundeskanzlerin zu Recht betont hat, auch in der Mitte der Gesellschaft, sowie, um es zu wiederholen, ebenso auf den arabischen und islamischen Antisemitismus, auch denjenigen der Islamischen Republik Iran. Es geht dabei um eine Gefahr und eine Problematik, mit der sich, um diesen oft zu wenig beachteten Aspekt hervorzuheben, nicht in erster Linie Juden oder jüdische Gemeinschaften einschließlich derjenigen in Israel auseinander zu setzen haben, sondern vor allem Nicht-Juden – im Bündnis mit Juden. Sie, die Nicht-Juden, sind von diesem Jahrtausende alten pathologischen Syndrom befallen, unter dem Juden und andere zu leiden haben.

Man muss, als Nicht-Jude, keinen „Judenknacks“ haben, wie dies offenbar manche meinen, unterstellen und so formulieren, man muss auch nicht, was ja ungefähr auf dasselbe hinauslaufen würde, kompensatorische Bedürfnisse gegenüber einer „nationalen Schuld“ oder einer sonstigen nationalen Belastung haben, um die reale Gefährdung der jüdischen Gemeinschaften und Israels durch den Antisemitismus als Problem und als Gegenstand zivilgesellschaftlicher Intervention von Christen, Muslimen, Juden und Menschen anderer Glaubens- oder Nichtglaubensorientierung zu erkennen – von Menschen, die sich gemeinsam gegen die damit beschriebenen Angriffe stellen, z. B. im Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus, dem ich angehöre. Man muss auch nicht vor jeder Israelverteidigung, einem verbreiteten Ritual folgend, zunächst einmal Israel kritisieren und attackieren, um eine ausreichende Äquidistanzhaltung zu bezeugen oder etwa dem Vorwurf zu entgehen, man sei „islamophob“.

Bei dem neuen deutschen Antisemitismusstreit zur Vergleichbarkeit oder Gleichstellung von „Islamophobie“, einem Kampfbegriff aus der UN-Debatte, und Antisemitismus handelt es sich ohnedies um eine überflüssige und irreführende Auseinandersetzung, die von den sehr realen Gefährdungen durch antisemitische Strömungen in Europa, wie sie jetzt auch bei Gaza-Demonstrationen erkennbar wurden, und in anderen Regionen z. B. durch die atomare Aufrüstung der Islamischen Republik Iran ablenkt. Antisemitismus und Islamfeindschaft oder „Islamophobie“ kann man nicht gleichsetzen. Niemand will Muslime in allen Ländern angreifen und ausrotten oder ein muslimisches Land auslöschen. Niemand macht Muslime und den Islam für alle möglichen globalen Übel verantwortlich. Wenn man wahrnimmt, was dazu demgegenüber in vielen Medien islamischer Länder, auch im Iran, über Israel und die Juden tagtäglich geschrieben und auf andere Weise verbreitet wird, erkennt man den fundamentalen Unterschied. Er drückt sich auch darin aus, dass in unserem Land vor allem jüdische Kindergärten, Schulen, Einrichtungen oder Synagogen rund um die Uhr von Polizei und Sicherheitskräften bewacht werden müssen. Antiislamischen Terror gibt es dagegen in Europa praktisch nicht, sehr wohl aber enge Kooperation zwischen aggressiven, antisemitischen Islamisten und in gleicher Weise antisemitischen Neonazis, nicht nur in Deutschland.

Gegen antimuslimische Diskriminierung, die es bei uns auch gibt, sollten wir uns gemeinsam mit progressiven Muslimen, mit der großen Mehrheit der deutschen Muslime wehren, die für demokratische Werte und für Integration stehen. Reaktionäre oder konservative muslimische Verbände sind dafür und für den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus allerdings keine geeigneten Bündnispartner. Ein Lackmustest ist insoweit z. B. das öffentliche Verbandsverhalten gegenüber der antisemitischen Agitation der Islamischen Republik Iran sowie von Hisbollah und Hamas.

Seit längerer Zeit äußern der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad und andere Vertreter der Islamischen Republik Iran öffentlich die Absicht, Israel zu vernichten. Zu diesen Erklärungen passen die atomaren und die Raketenaufrüstungspläne dieser Republik. Der antisemitische Charakter des iranischen Regimes, sein auf ein bestimmtes Islamverständnis gestützter Messianismus und sein Expansionsdrang sowie der Terror gegen die eigene Bevölkerung – also seine ideologische und praktische Herrschaftsbasis – belegen die von ihm ausgehende Gefahr, die durch eine nukleare Bewaffnung bedeutend erhöht würde. Es wird hier bekannt sein, wie jede Form von Regimekritik in der Islamischen Republik Iran unterdrückt wird, dass Frauen wegen Ehebruchs und Homosexuelle öffentlich hingerichtet, religiöse Minderheiten, etwa die Baha’i, verfolgt und Frauen diskriminiert werden, dass nach der Verfassung der Islamischen Republik Iran eine bestimmte schiitische Variante unabänderbar als Staatsreligion festgeschrieben ist und dass nach dem Verfassungssystem Andersgläubige, im weitesten Sinne, keine vollwertigen Staatsbürger sein können, was etwa die Struktur der Staatsorgane und die Anforderungen für ihre Funktion oder die Bestimmungen für den Auftrag der Streitkräfte zeigen. Dass die Islamische Republik Iran selbst, also auch ohne Hisbollah- oder Hamas-Vermittlung, Terror verbreitet, ist nicht zuletzt durch das Mykonos-Attentat in Berlin oder den blutigen Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires deutlich geworden.

Mit einem derartigen Staatswesen kann man, parallel zu den notwendigen Sanktionen, Gespräche führen, die eine Einstellung der atomaren Aufrüstung und der Terrorförderung zur Folge haben. Ein umfassender kultureller „Dialog“, wie er gerade von Deutschen immer wieder vorgeschlagen wurde, macht aber mit einem Regime keinen Sinn, das zum Völkermord aufstachelt, antisemitische Propaganda betreibt und permanent fundamentale Menschenrechte verletzt.

Seit der „Islamischen Revolution“ von 1979 propagiert die Führung der Islamischen Republik Iran die Zerstörung Israels. In der Islamischen Republik Iran wird die antisemitische Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ regelmäßig neu aufgelegt und verbreitet. Ali Chamenei, der oberste geistliche Führer der Islamischen Republik Iran, bezeichnet Israel als ein „Krebsgeschwür“ und sieht die „Lösung für das Nahostproblem“ in der „Zerstörung und Vernichtung des jüdischen Staates“. Der zu Unrecht als gemäßigt bezeichnete frühere iranische Präsident Rafsandschani erklärte den Kampf gegen Israel zur Pflicht aller Muslime. Der angeblich reformorientierte frühere Präsident Chatami verteidigte den französischen Holocaust-Leugner Garaudy und nannte Israel „eine alte, nicht heilbare Wunde im Körper des Islam, die dämonisches, stinkendes und ansteckendes Blut besitzt“.

Präsident Ahmadinedschad nennt den jüdischen Staat einen „stinkenden Körper“, äußert Zweifel an der Schoah und organisiert Konferenzen mit Holocaust-Leugnern. Die Rede, in der Ahmadinedschad, ähnlich wie zahlreiche Aufrufe auf Straßenparaden in der Islamischen Republik Iran, die Vernichtung Israels forderte, hat er selbst in englischer Übersetzung auf seiner Homepage publiziert. Es handelt sich dabei also nicht, wie einige gerade in Deutschland immer wieder behaupten, um einen Übersetzungsfehler. Den Gaza-Konflikt hat Ahmadinedschad erneut zum Anlass für eine Erklärung genommen, für Israel gebe es im Nahen Osten „keinen Platz“. Die von der Islamischen Republik Iran aufgebaute und unterstützte antisemitische Terrororganisation Hisbollah verfolgt mit der Propaganda ihrer nach wie vor in Deutschland zu empfangenden Fernsehstation Al-Manar und mit Terroranschlägen ebenso offen und ohne Vorbehalt das Ziel, Israel zu zerstören. Hisbollah ist übrigens in Deutschland noch immer nicht verboten, ebenso wenig Hamas.

Die Islamische Republik Iran wirbt für die Tilgung Israels von der Landkarte und für einen religiös-politisch begründeten Völkermord. Die biologischen Metaphern, die die Islamische Republik Iran verwendet, erinnern an die Sprache Hitlerdeutschlands. Sie erinnern auch an die Hetzaufrufe der ruandischen Regierung zur Vernichtung der Tutsi. Ahmadinedschads Ansprache vor der UN-Vollversammlung im letzten Jahr war eine Verhöhnung des Völkerrechts und der Vereinten Nationen. Viele Unterzeichnerstaaten der UN-Konvention gegen Völkermord, zu denen auch Deutschland gehört, wissen offenbar nicht oder wollen nicht wahrhaben, dass sie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, die Anstiftung und Aufstachelung zum Völkermord auch im internationalen Rahmen zu verhindern. Die internationale Gemeinschaft darf nicht auf den Vollzug des Völkermordes warten. Sie muss zur Sicherung des Friedens und zur Gewährleistung der Sicherheit vorbeugende Maßnahmen einleiten. Dazu können und sollten, neben Wirtschaftssanktionen, auch gerichtliche Schritte etwa in internationalen Gerichtsverfahren wegen der Aufstachelung zum Völkermord gegen Verantwortliche der Islamischen Republik Iran, z. B. gegen ihren Präsidenten, oder, wegen Verstoßes gegen die Staatenpflichten aus der Anti-Völkermord-Konvention, gegen diese Republik selbst gehören. Vorschläge dazu sind von einer internationalen Expertengruppe ausgearbeitet worden.

Werden wir, werden der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft den beschriebenen Anforderungen gerecht? Deutschland steht nicht nur aufgrund seiner Geschichte in besonderer Verantwortung. Es ist der wichtigste internationale Handelspartner der Islamischen Republik Iran. Der Umfang der deutschen Lieferungen in den Iran hat in der letzten Zeit nicht ab-, sondern zugenommen. Viele deutsche Firmen, u. a. Siemens, haben Geschäftsbeziehungen mit der Islamischen Republik Iran, die kaum durch andere Länder ersetzt werden können, jedenfalls nicht auf kürzere Sicht. Deutschen Sanktionen, die über diejenigen vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen hinausgehen und etwa mit einer Aussetzung der Hermes-Bürgschaften für Iran-Geschäfte sofort anfangen könnten, kommt also eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht, eine atomare Bewaffnung der Islamischen Republik Iran zu verhindern. Das betont auch die „Stop the Bomb“-Kampagne, die der Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus mitträgt. Die Propaganda der Islamischen Republik Iran unterstellt den Gegnern ihrer atomaren Aufrüstung, auch denen, die umfassendere Sanktionen fordern, sie plädierten für eine militärische Intervention. Das Gegenteil ist aber richtig. Wer diese Intervention vermeiden will, muss jetzt für verschärfte Sanktionen eintreten.

Wie viele von Ihnen wahrscheinlich wissen, wird die „Stop the Bomb“-Kampagne morgen aus Anlass der Siemens-Jahreshauptversammlung gegen die Geschäfte mit der Islamischen Republik Iran demonstrieren. Man kann – und sollte – über die Mittel diskutieren, die verhindern können, dass demnächst eine atomar aufgerüstete Islamische Republik Iran ihre Völkermordpläne umsetzen kann. Wegsehen, Indifferenz und Nichtstun sind allerdings keine vertretbaren Alternativen. Das gilt für die Politik, aber ebenso für die Zivilgesellschaft. In der Sache sind zurzeit kaum Optionen erkennbar, die sich nicht auch auf Wirtschaftssanktionen beziehen.

Fragen zum Gedenken an den Holocaust und zur Sorge für die Überlebenden und ihre Nachkommen werden manchmal in sehr konkreten Problemstellungen sichtbar. Das Verhalten Deutschlands gegenüber den Vernichtungsdrohungen der Islamischen Republik Iran ist insoweit ein historischer Testfall. Wer Israel in dieser Gefahrenlage nicht beistehen will, hat aus Auschwitz nichts gelernt. Zu den Lehren aus dem Holocaust gehört die Aufgabe, das Recht auf die jüdische Selbstverteidigung und auf die jüdische staatliche Existenz auch durch eigenes Handeln zu unterstützen. In Israel lebt heute bereits die größte jüdische Gemeinschaft. Sie wächst, anders als die Bevölkerung in den meisten europäischen Ländern, in einem über längere Zeiträume mehr oder weniger kontinuierlichen Rhythmus. Das gilt auch für ihren Anteil an der weltweiten jüdischen Gemeinschaft, der in heute schon absehbarer Zeit die 50%-Grenze überschreiten wird. Man kann also Israels Schicksal immer weniger von demjenigen der gesamten jüdischen Gemeinschaft trennen. Es war und ist nicht gerechtfertigt, Israel zu delegitimieren und für Israels Vernichtung einzutreten. Es war und ist ebenso wenig glaubwürdig, dann auch noch zu behaupten, man sei kein Antisemit. Das sollte man auch denjenigen in der Politik, in den Medien und auf unseren Straßen sagen, die sich auf den Standpunkt stellen, man könne Israel in jeder Form und mit allen Mitteln angreifen, ohne damit antisemitisch zu sein.

Am Vorabend des 27. Januars 2009 sollten wir uns daran erinnern, welche Verpflichtungen wir haben, und überlegen, wie wir ihnen nachkommen wollen.

Klaus Faber, Staatssekretär a. D. (Jurastudium, Studium der Volkswirtschaft und orientalischer Sprachen; 1994 bis 1999 Staatssekretär des Kultusministeriums in Sachsen-Anhalt), Rechtsanwalt und Publizist in Potsdam, Mitgründer und Kuratoriumsmitglied des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, Geschäftsführender Vorsitzender des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-,Vorpommern e. V., Mitglied im Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus; Mitglied der Redaktionen der Zeitschriften perspektive 21, Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik, Potsdam, sowie perspektivends, Marburg; Publikationen zu juristischen, wissenschafts- und bildungspolitischen Fragen, zur Föderalismus- und EU-Politik, zu Nahost-, Islam- und Antisemitismusfragen; u.a.: „Neu-alter Judenhass – Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik“ (Berlin: Verlag Berlin-Brandenburg, 2006, 2. Aufl. 2007, hg. mit Julius H. Schoeps und Sacha Stawski).