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Französische extreme Rechte:
Umgruppierungen und Vorbereitungen auf ein munteres Parteien-Sterben

Jean-Marie Le Pen erwägt erstmals offiziell seinen Abgang aus der aktiven Politik, und von der Spitze des Front National (FN). Eine abschließende Regelung der bislang noch umstrittenen Nachfolgefrage - in seinem Sinne - deutet sich an. Der FN könnte damit unter Umständen aus der tiefen inneren Zerrissenheit und aus der Krise, in die er seit über einem Jahr schlitterte, herauskommen. Unterdessen scheinen die mit ihm konkurrierenden Parteigründungen, unter ihnen der MNR und die 'Nouvelle Droite Populaire', am Abgrund einer (tödlichen?) Krise zu stehen.

Von Bernard Schmid, Paris

Auf der extremen Rechten in Frankreich dürften einige es als gute Nachricht auffassen, andere wiederum als schlechte. Unerwartet hingegen kommt sie auf keinen Fall. Die Nachricht lautet: Jean-Marie Le Pen plant, "endlich", seinen Rückzug aus der aktiven Politik. Der rechtsextreme Politiker, der im Juni dieses Jahres das Alter von 80 erreicht hat, steht seit über einem halben Jahrhundert auf der politischen Bühne: Im Januar 1956 war er, für die antisemitisch grundierte Anti-Steuer-Protestpartei der "Poujadisten", als damals jüngster Abgeordneter ins französische Parlament gewählt worden.

Nun soll Schluss ein. Allerdings erst im Jahre 2010, also nach den Europaparlamentswahlen des kommenden Jahres - beim nächsten Parteikongress des Front National (FN), den Jean-Marie Le Pen im Oktober 1972 gegründet hat und dessen Vorsitz er seither ununterbrochen innen hat. Und es soll auch nur dann Ernst werden mit seinem Abschied von der Parteispitze, wenn nicht "außergewöhnliche Umstände" ihn dazu zwingen, so Le Pen, 2012 noch einmal als Präsidentschaftsbewerber anzutreten. Es wäre seine sechste Kandidatur für das höchste Staatsamt. Dabei waren Viele in seiner eigenen Partei schon der Auffassung, dass jene von 2007 bereits "die Kandidatur zu viel" gewesen sei. Laut zu sagen wagte das allerdings kaum jemand. Noch immer ist das Wort "des Chefs" beim FN quasi Befehl.

Wie sich bereits in den letzten Jahren abzuzeichnen begann, möchte Jean-Marie Le Pen dabei aber unbedingt seine Tochter Marine, die vor kurzem 40 geworden ist, zu seiner Nachfolgerin küren. Unüberhörbarer denn je verkündete der alternde "Chef" dies in seinem letzten gröberen Interview, das am 11. September 2008 in Valeurs Actuelles – dieses Wochenmagazin steht zwischen Konservativen und Rechtsextremen – erschien. Er lobte darin nicht nur Marine Le Pen, die aufgrund ihres Alters "den Leuten und ihren Alltagssorgen" näher stehe als er selbst und seine Altersgenossen. Er räumte dabei auch ihre wichtigsten Rivalen verbal aus dem Wege. Der Juraprofessor Bruno Gollnisch, der andere Vizepräsident der Partei neben seiner Tochter? "Bruno Gollnisch ist seit 30 Jahren da (gemeint: in der Politik). Er hat sich nicht nach vorne gedrängt, das ist vielleicht einer seiner Charakterzüge." Und Aus für den Mann, den er noch vor drei, vier Jahren offiziell als seinen "Kronprinzen" (dauphin) dargestellt hatte.

Unterdessen schieben die Le Pens, Vater und Tochter, noch weitere potenzielle Konkurrenten von Gewicht zur Seite. Zu ihnen zählt der frühere Generalsekretär der rechtsextremen Partei, Carl Lang, der im Oktober 2005 von seinem damaligen Amt zurücktrat. Seitdem hat er keine innerparteiliche Funktion mehr inne, sondern hat nur noch sein Mandat im Regionalparlament der französischen Nordregion in Lille, aber auch den Vorsitz der dortigen FN-Fraktion inne. Allerdings droht dieselbe Fraktion auch akut auseinanderzubrechen: Laut einem Bericht der rechtsextremen, aber vom FN unabhängigen Wochenzeitung 'Minute', der allerdings auch schon wieder ein paar Monate alt ist, sollen 12 von insgesamt 18 Regionalparlamentariern des FN dort mit einem Übertritt zur konservativ-reaktionären Mittelstandspartei CNI liebäugeln.(1)

Eine solche Versuchung wäre durchaus nachzuvollziehen, hat Jean-Marie Le Pen ihnen doch – gerade in ihrer Region – nicht wirklich einen Gefallen erwiesen: Als zu Anfang dieses Jahres der Kassenrenner 'Bienvenue chez les Ch'tis' (Ungefähr: "Willkommen bei den Nordfranzosen", Ch'tis ist ein Dialektwort zur Bezeichnung der Ureinwohner der Nordregion) in die Kinos kam – ein Film mit viel Lokalkolorit und Sozialromatik, der über 20 Millionen Eintritte erzielte – hatte Carl Lang den Erfolg des Films zunächst im Namen seiner Fraktion beansprucht. Dessen Erfolgszug sei, behauptete er, deshalb möglich geworden, weil der FN im Regionalparlament einer Subvention für das Filmprojekt zugestimmt habe. Was er in Wirklichkeit neben anderen Fraktionen, darunter jener der in der Nordregion politisch dominierenden Sozialdemokratie, tat.

Aber kaum hatte Carl Lang seine Argumentation aufgeschichtet, drehte Jean-Marie Le Pen sich um und "riss sie mit dem Hintern wieder ein" (lt. einem französischen Sprichwort): In aller Öffentlichkeit höhnte der alternde Chef des FN im April, dieser Film sei nicht nur "mittelmäßig", sondern gleich auch noch ein Ausdruck "der Dekadenz der französischen Kultur". Noch weiter ging Jean-Marie Le Pen kurz darauf, wobei er sich einmal mehr als Opfer einer "Meinungsdiktatur" hinstellte und über die Hauptdarsteller des Films, "alle beide Araber", spottete. Damit hatten die FN-Politiker vor Ort nun ein Problem mehr, auch wenn die Cheftochter Marine Le Pen sich beeilte zu vergewissern, dass der Film ihr gut gefallen habe. Nun versuchten manche örtlichen FN-Prominenten sich in delikaten Gleichgewichtsübungen zwischen der Loyalität "zum Chef" und ihrer lokalen politischen Anbindung... Na ja, vielleicht wird der Alte an der Parteispitze auch nur einfach senil?

Zurück zu Carl Lang: Der blonde 51jährige (mutmaßlicher "Thor-Gläubiger", also Neuheide in der Tradition der "rassialistischen" Nouvelle Droite) gilt als einer der Hüter der programmatischen "Orthodoxie" in der Partei, vor allem auch bezüglich ihrer rassistischen und nationalistischen Aussagen. Und er ist notorisch besorgt über eine "Modernisierung" des Parteiprogramms unter einer aufstiegsbewussten jungen Vorsitzenden Marine Le Pen, die "viel zu weit" gehen könnte. Le Pen (Vater) möchte ihm nun aber definitiv eine Kandidatur auf einem der Spitzenplätze zu den nächsten Europaparlamentswahlen verbauen: Wer "keine aktive Rolle im Parteileben" spiele, so zürnt der Gottvater-Parteivorsitzende, könne auch keinen vorderen Listenplatz erhalten. Umgekehrt hat Lang bereits angekündigt, er werde bestimmt keinen Platz als Nummer 2 oder 3 hinter Marine Le Pen auf einer der Listen zur Europaparlamentswahlen einnehmen.

"Traditionalist" Carl Lang oder "Erneuerer" Alain Soral?

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament bildet Frankreich – infolge der jüngsten Reform des Wahlrechts zu Anfang dieses Jahrzehnts, die dazu diente, kleineren Parteien den Erwerb von Mandaten zu erschweren – kein einheitliches Wahlgebiet, sondern wird in 8 Riesenwahlkreise eingeteilt. Marine Le Pen wird mutmaßlich in der erweiterten Hauptstadtregion – Ile-de-France – kandidieren. In ihrem Gepäck bringt sie, laut ersten Ankündigungen, als "Überraschungskandidaten" den Berufsprovokateur und Schriftsteller Alain Soral mit. Was nicht mehr gar so überraschend kommt: Der frühere Linke berät schon seit Februar 2006 offiziell die Le Pens, Vater und Tochter. Allerdings ist er innerparteilich heftig umstritten, u.a. weil Alain Soral der hauptsächliche Erfinder des Konzepts ist, wonach der FN sich auch an die französischen Staatsbürger/innen ausländischer Herkunft als Mitglieder einer nationalen Schicksalsgemeinschaft wenden müsse.

Ihm wird von Teilen der Partei maßgeblich die Niederlage bei den Wahlen von 2007 angelastet. Alain Soral ist es auch, der den schwarzen bzw. "Mischlings"franzosen und ehemals prominenten Theatermacher Dieudonné, der seit 4 bis 5 Jahren zunehmend starke antisemitische Tendenzen an den Tag legt, erfolgreich an Le Pen und den Front National angenähert hat. Jüngst erst sorgte die Nachricht, wonach Jean-Marie Le Pen dem Vater seiner neuen Patentochter seit Juli 2008 –  also Dieudonné – 60.000 Euro für einen "Mietvertrag" über dessen Theater zugeschustert hatte, Streit und Verärgerung unter Parteifunktionären des FN aus.

Alain Sorals Organisation "Egalité & Réconciliation" – "E & R", also "Gleichheit und Aussöhnung" – versteht sich darauf, die faschistischen Potenziale auch innerhalb der "ethnischen Minderheiten" oder der aus Migration stammenden Bevölkerung(sgruppen) in Frankreich anzusprechen und aus- oder abzuschöpfen. So arbeitet er neben den Dieudonné-Anhängern auch mit der Gruppierung 'Banlieue Anti-Système' zusammen, die inzwischen mit den Anhängern des durchgeknallten schwarzen, "ethno-zentristischen" Antisemitenführers "Kémi Séba" alias Stellio Capochichi fusioniert hat. Soral gilt aber innerhalb des FN als, umstrittener, Wortführer einer "Modernisierung" des Parteiprofils – der von so manchen Parteimitgliedern glatt des Antirassismus geziehen wird.

Laut einer Umfrage, die Valeurs Actuelles zeitgleich zum Interview mit Jean-Marie Le Pen publizierte, wünschen sich gleichzeitig 76 % der FN-Sympathisanten Marine Le Pen zur künftigen Parteichefin, 14 % wünschen Gollnisch als Vorsitzenden und nur 7 % den persönlich eher blass wirkenden Lang. Keine guten Nachrichten für die Traditionalisten. Unterdessen scheint es aber noch heftige innerparteiliche Spannungen im Hinblick auf die Rolle Marine Le Pens zu gehen. Letztere sah sich jedenfalls veranlasst, eine durch die Wochenzeitung 'Minute' kolportierte Meldung, derzufolge die Gründung eines Unterstützerclubs für die Cheftochter unter dem Titel "Alliance Bleu Marine" (auch: "Bündnis Marineblau") unmittelbar bevorstehe, eigens durch ein Pressekommuniqué zu dementieren. Es handele sich, so die Pressemitteilung, bei der Veröffentlichung dieser – angeblichen – Nachricht lediglich um einen Versuch, ihr Schaden zuzufügen.

Pleite des FN abgewendet

Eine bessere Zukunft, als die Parteiführung sich noch in jüngster Zeit erhoffen konnte, scheint sich für den FN abzuzeichnen. Denn der noch vor wenigen Monaten drohende finanzielle Ruin der rechtsextremen Partei scheint abgewendet: Aufgrund der Tatsache, dass der frühere Parteisitz im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud sich im Verkaufsverfahren befindet (eine chinesische Universität im Raum Shanghai wird ihn voraussichtlich aufkaufen), hat der Anwalt des FN-Europaparlamentariers und früheren Druckunternehmers der Partei – Ferdinand de Rachinel – Ende September das von ihm angestrengte Bankrottverfahren gegen den FN als säumigen Zahler aufgegeben. Mit dem angestrebten Verkauf des bisherigen, von 1994 bis 2008 benutzten Parteisitzes werden sich die Schulden auch ohne Zwangsvollstreckung eintreiben lassen.

Ob, im Zusammenhang damit, noch weitere Deals hinter den Kulissen abgeschlossen wurden, ist nicht bekannt. Bis dahin hatte dem Vernehmen nach die "alte Garde" unter den Parteifunktionären, oder ein Teil von ihr, Ferdinand de Rachinel mit seiner Zahlungsklage unterstützt, um Druck auf den eigenen Parteiapparat auszuüben. Denn den "Modernisierern" unter Marine Le Pen wird unterstellt, einerseits de Rachinel (durch Nichtzahlung der ihm geschuldeten Summen) "hinausgeekelt" zu haben – andererseits aber auch die durch die Zahlungsschwierigkeiten der Partei ausgelösten Entlassungen von Hauptamtlichen zu nutzen, um ihnen Unliebsame auf dem Kündigungsweg loszuwerden. Rein zufällig wurde so beispielsweise Marine Le Pens Ex-Ehemann Eric Iorio auf diese Weise vor die Tür gesetzt.

Spaltprodukte des Front National (MNR, NDP…): Vor dem Aus? Jedenfalls aber tief im Schlamassel…

Und, was aus Sicht des FN vor allem wichtig ist: Seine diversen Spaltprodukte – andere rechtsextreme Parteien, die aus den wachsenden politischen Widersprüchen innerhalb des eigenen Spektrums heraus entstanden waren – zerlegen sich derzeit aktiv selbst.

Dies gilt insbesondere für den MNR (Mouvement National Républicain), der schon 1999 unter Bruno Mégret entstand und dessen damalige Abspaltung den FN seinerzeit über die Hälfte seiner Mandatsträger in (Regional-) Parlamenten, seiner Kader und "Intellektuellen" mit oder ohne Anführungsstriche verloren. Sein langjähriger Parteivorsitzender, Mégret, hatte sich im Mai 2008 aus der Politik verabschiedet und sich zurückgezogen, um auf Madagaskar für ein französisches Unternehmen zu arbeiten. Nun kehrte er aber zurück, um Mitte September 2008 einen Grobteil des aktuellen Vorstands zu stürzen. Unter anderem wurden Generalsekretär Nicolas Bay und sein Stellvertreter Jacques Gaillard wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus dem MNR ausgeschlossen.

Ihnen wird vorgeworfen, mit Hilfe einer neuen Struktur unter dem Namen Convergences nationales (ungefähr: "Konvergierende nationale Kräfte") eine Annäherung an Marine Le Pen einzuleiten – was mutmaßlich auch zutrifft. In der Tat antworteten die Betroffenen auf die Vorwürfe, die ihnen von anderen Teilen der Partei(führung) adressiert werden, auf Webpages, die offen (Marine) Le Pen unterstützen. Eine Wieder-Annäherung an ihre "Altpartei", den Front National, ist somit tatsächlich alles andere als ausgeschlossen.

Infolge des jüngsten innerparteilichen Umsturzes trat ein Grobteil der bisherigen Führungsmitglieder des MNR umgehend aus. Wahrscheinlich wird sich ein Teil dieser Funktionäre, das dem seit 1999 "blutleeren" FN fehlte, doch noch um ihre bisherige "Altpartei" scharen - trotz des Aufstiegs der den Ideologen eher suspekten Marine Le Pen. Unterdessen wird vermutet, dass sich das Aktivistenpotenzial des (bei Wahlen seit Jahren chronisch erfolglos erfolglosen) MNR perspektivisch in zwei Richtungen aufteilen wird: Einerseits wird ein Teil davon sein "Heil" im Anschluss an den, erfolgreicheren, FN suchen. Auf der anderen Seite wird eine andere Fraktion des bisherigen MNR voraussichtlich zum stiefelfaschistischen, offen neofaschistischen 'Bloc identitaire' überlaufen.(2) Dazwischen bleibt, vorläufig, ein winzigklein zusammengeschrumpelter Rumpf-MNR, den sein frührer Vorsitzender Bruno Mégret zwischenzeitlich faktisch wieder übernommen hat, bestehen. Der Letzte macht das Licht aus...?

Auch die Nouvelle Droite populaire (NDP), die am 1. Juni 2008 als weitere Abspaltung vom und "Alternative" zum FN gegründet worden war, zerfällt. Mitte September dieses Kahres schloss sie ihren bisherigen Generalsekretär Jean-François Touzé – einen früheren Anwärter auf die Nachfolge Jean-Marie Le Pens an der Parteispitze des FN – "mit Wirkung zum 17. September um 14 Uhr" aus. Ihm wurden "tiefgreifende ideologische Differenzen" vorgeworfen: Anlässlich des jüngsten Kräftemessens zwischen Grobmächten im Kaukasuskrieg (August 2008) hatte er eine pro-US-amerikanische Position – mit Tönen, die an den Kalten Krieg erinnerten – bezogen, während andere Teile der NDP-Führung unter Robert Spieler hingegen ein eng an Russland angelehntes "starkes Europa" befürworteten. In der Ausschlussbegründung werden Touzé "atlantizistische, zionistische, wirtschaftsliberale und bürgerliche" Positionen vorgeworfen.

Viel-Parteigründer Touzé – er hat bereits mehrfach rechtsextreme Kleinparteien wie den, bedeutungslosen aber noch existenten, Parti populiste lanciert – gründete alsbald eine neue Organisation unter dem Namen Nouvelle Droite Républicaine (NDR). Er versucht sich unterdessen an den rechten Flügel der US-Republikaner dranzuhängen und wirbt für sich auf Webpages, die eine Wahl John McCains zum US-Präsidenten favorisieren. (Vgl.
http://serumdeliberte.blogspot.com/2008/09/un-nouveau-parti-de-droite-en-france-le.html) Eine Position, die stark jener von damaligen FN-Prominenter zur Unterstützung Ronalds Reagans in den 80er Jahren erinnert, die aber heute in der französischen extremen Rechten durchaus nicht en vogue ist.

Anmerkungen:
(1)
Vgl. 'Minute' vom 11. Juni 2008, Seite 3: 'Des lepénistes tentés de rallier le CNI'. Das CNI(P) oder "Nationales Zentrum der Unabhängigen/Selbständigen (und Bauern, so der historische Zusatz) ist eine traditionelle Mittelstandspartei, die vor allem unter der Vierten Republik in den 1950er Jahren stark war und sich damals an Regierungskoalitionen beteiligte. Ihr gehörte der – aufgrund einer Währungsreform populäre – damalige Finanzminister Antoine Pinay, ein früherer Vichy-Kollaborateur, an. In den Jahren 1958-60 gehörte auch ein gewisser Jean Le Pen (später Jean-Marie Le Pen), damals der jüngste Abgeordnete im französischen Parlament, ihrer Fraktion in der Nationalversammlung an. Er war zunächst, im Januar 1956, für die kleinbürgerliche (und z.T. antisemitisch geprägte) Anti-Steuer-Protestbewegung der "Poujadisten" gewählt worden, kehrte ihr aber dann den Rücken und wechselte nach der "Implosion" der poujadistischen Bewegung das politische Etikett.
Heute ist das CNI allerdings quantitativ quasi bedeutungslos. Es spielte vor allem in den 80er Jahren, als offene Bündnisse des Bürgerblocks mit der (parteiförmig auftretenden) extremen Rechten noch nicht ausgeschlossen schienen, zeitweise eine Rolle als Scharnierpartei zwischen den konservativ-liberalen Parteien RPR/UDF und dem Front National. Je circa die Hälfte der aus dem CNI kommenden Kandidaten, die zu den Parlamentswahlen im Mai 1986 antraten, fanden sich auf den Listen der bürgerlichen Rechten einerseits und des FN andererseits... Inzwischen, wo offizielle Bündnisse zwischen dem Bürgerblock und dem FN (als Partei) kaum noch denkbar erscheinen, hat sich das CNI zu einem Anhängsel der Konservativen auf ihrem rechten Randflügel reduziert. Zu ihm zählt etwa der (mit einer Art Doppelmitgliedschaft in beiden Parteien ausgestattete) Abgeordnete der konservativen Regierungspartei UMP für die Nordregion, Christiane Vanneste, der aufgrund homophober Äußerungen gerichtlich verurteilt worden ist und mehrfach als Kolonialismus-Apologet auftrat. Inzwischen ist Vanneste Vive-Vorsitzender des CNI geworden, das seinerzeit im Juni 2008 seine frühere Kollektivmitgliedschaft bei der UMP aufgegeben hat. In der parteiunabhängigen rechtsextremen Wochenzeitung 'Minute' kommen wiederholt Angehörige des CNI zu Wort.
Auch dem ehemaligen Schwiegersohn Jean-Marie Le Pens und früheren Chef der Parteijugend FNJ (Front national de la jeunesse) wurde jüngst durch das – zwischen Konservativen und Rechtsextremen angesiedelte – Wochenmagazin 'Valeurs actuelles' die Ambition nachgesagt, bei der nächsten Europaparlamentswahl im Juni 2009 für das CNI zu kandidieren. Dies ist allerdings von Seiten des FN höchst energisch dementiert worden. Möglicherweise gilt, dass "kein Rauch ohne Feuer" auftaucht. Allerdings dürfte das CNI derzeit auch absolut chancenlos sein, aus eigener Kraft (und ohne Listenverbindung mit der UMP, oder aber mit den Nationalkonservativen unter Philippe de Villiers) einen Sitz im Europaparlament zu gewinnen, wofür in einem der acht französischen "Superwahlkreise" in der Regel ein zweistelliges Prozentergebnis erforderlich ist.

(2) Der 'Bloc identitaire' ist die Nachfolgeorganisation der früheren ultrarechten Sammelbewegung 'Unité Radicale' (UR), deren Aktivisten der Front National schon damals "zu schlapp" war. Unité Radicale wurde am 6. August 2002 verboten, nachdem eines seiner Mitglieder, der 25 Jahre junge Maxime Brunerie, am Nationalfeiertag – dem 14. Juli 2002 – Gewehrschüsse auf Jacques Chirac abgefeuert hatte. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen irgendwie gearteten politischen Putschversuch, sondern tatsächlich um die individuelle Tat eines "Durchgeknallten". Zuvor hatte derselbe Maxime Brunerie auch, bei den Parlamentswahlen im Juni 2002, in Paris für den MNR kandidiert.
Der Name 'Bloc identitaire' ist Programm, in Abgrenzung zum Front Natioonal: Ein "Block" ist stärker zusammengeschweißt als eine (ideologisch in der Regel relativ heterogene) "Front". Und "identitätsbezogen" als Adjektiv bezeichnet eine radikalere Konzeption als "national": Während die Zugehörigkeit zur Nation sich – jedenfalls im bürgerlichen Recht - über die Staatsbürgerschaft definiert, ist die ominöse "Identität" etwas Angeborenes, "im Blut" zu Suchendes, angeblich "viel tiefer Verwurzeltes". Das Paradebeispiel der Anhänger des 'Bloc identitaire' lautet: "Eine aus (dem westafrikanischen Staat) Mali stammende Familie kann, unter derzeitigen politischen Verhältnissen, qua Einbürgerung zu <Franzosen> werden. Aber ihre Mitglieder können deswegen noch lange nicht zu <Bretonen>, <Elsässern> oder <Auvergnaten> werden." Denn dies sei nun einmal nicht ihre "Identität".
Einer der führenden Aktivisten des 'Bloc identitaire', Philippe Vardon (aus Nizza), wurde soeben – zusammen mit weiteren Anhängern seiner Gruppierung – vom Berufungsgericht in Aix-en-Provence in einer doppelten Strafsache verurteilt. In dem Doppelverfahren ging es einerseits um die "Widergründung einer verbotenen Vereinigung", da die Jugendorganisation des 'Bloc' (die 'Jeunesses identitaires') als faktische Fortsetzung der verbotenen Organisation 'Unité Radicale' anzusehen sei. Auf der anderen Seite ging es um ein Flugblatt "gegen die Islamisierung" unter der Überschrift: "Weder Verschleierung noch Vergewaltigung" (gemeint: "unserer Frauen und Töchter" durch die bösen Muselmanen) vor Oberschulen verteilt worden war. Philippe Vardon, der das Flugblatt verfasst hatte, wurde der "Aufstachelung zum Rassenhass" für schuldig befunden. Neben ihm wurden auch Verteiler des Flugblatts belangt. Vardon muss nun in der ersten Angelegenheit 10.000 Euro Geldstrafe bezahlt (die 'Jeunsesses identitaires' insgesamt 30.000 Euro), in der zweiten Angelegenheit 5.000 Euro. Ferner wurde Ph. Vardon in beiden Angelegenheiten zu jeweils vier Monaten Haft auf Bewährung verdonnert. Infolgedessen erhielt Philippe Vardon inzwischen Solidaritätserklärungen aus quasi allen Teilen der französischen extremen Rechten. Dies reicht vom, als "modernistisch" und Marine Le Pen nahe stehend geltenden, FN-Generalsekretär Louis Aliot über den Sprecher der 'Nouvelle Droite Populaire', Robert Spieler (Originalton: "Die <Justiz> des Systems ist verrückt geworden") bis hin zu Neu-Parteigründer Jean-François Touzé (über ihn folgt Ausführlicheres im obigen Text).

hagalil.com 07-10-2008

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