antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Frankreich nach der Präsidentschafts- und  vor der  Parlamentswahl

Rechts wählte Sarkozy:
Was wird aus Jean-Marie Le Pen und seinem Erbe?

Von Bernard Schmid, Paris

Jean-Marie Le Pen, der seit über 50 Jahren in der französischen Politik unterwegs ist (im Januar 1956 wurde er Abgeordneter für die kleinbürgerliche, steuerfeindliche und antisemitisch grundierte  Protestbewegung der 'Poujadisten'), gehört zu einer Generation, die noch klassische Kultur angelernt hat. Am Abend des 22. April, dem ersten der beiden Wahlsonntage der französischen Präsidentschaftswahl, zitierte er vor seinen Getreuen aus dem Deuteronium, dem fünften Buch Moses'. Er wählte die Szene, in denen der 120jährige Moses sich gewahr wird, dass er selbst das Gelobte Land nicht mehr schauen wird, wohin er seit  Jahrzehnten mit seinem Volk unterwegs ist. "Du wirst diesen Jordan nicht überqueren", sagt ihm sein Gott.

"An diesem Abend hat Le Pen verstanden, dass er es nicht schaffen wird. Dass er nicht in den Elysée-Palast eintreten wird", übersetzt das von rechtsextremen Intellektuellen gemachte Hochglanzmagazin Le Choc du mois in seiner jüngst erschienenen Ausgabe für seine Leser. Es stellt sich also, fügt die Monatszeitschrift hinzu, nunmehr ernsthaft die Nachfolgefrage an der Spitze des Front National. Im Grunde stelle sie sich seit fünf Jahren, obwohl sie bislang in der rechtsextremen Partei tabuisiert worden sei, da den alternden Chef ein Zornesanfall packe, sobald das Reizthema "Das Alter des Kapitäns" angesprochen werde. Im Juni dieses Jahres wird er 79.

Seit 1984 war seine Partei fast kontinuierlich – langsam, aber stetig – aufgestiegen. Jedenfalls hatten seine prozentualen Stimmanteile bei Präsidentschaftswahlen bisher von Mal zu Mal zugenommen. Auch wenn diese, wie der Choc du mois hinzufügt, in absoluten Zahlen ausgedrückt, regelmäßig einem gleich bleibenden Anteil von 11 Prozent der in die Wählerlisten eingetragenen Stimmberechtigten entsprochen haben. Denn auch die Wahlenthaltung war in der Vergangenheit immer wieder gewachsen, während sie in diesem Jahr – unter anderem ein  Ergebnis der starken Polarisierung "pro oder kontra Nicolas Sarkozy" – erstmals stark angestiegen ist.

Im Soge des Nicolas Sarkozy?

Zum ersten Mal ist die Stimmenzahl des alternden rechtsextremen Politikers gleichzeitig real zurückgegangen. Sein diesjähriger Prozentanteil, circa 10,5 Prozent der abgegeben Stimmen, entspricht nur noch 8,6 Prozent der eingetragenen Wahlberechtigten. Oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: Von 4,8 Millionen Stimmen im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl von vor fünf Jahren blieben ihm, in diesem April, noch 3,8 Millionen. Wohin sind die ausbleibenden Stimmen gewandert?

Die Antwort lässt keinen Zweifel offen. Eine Million früherer Wähler Le Pens entschieden sich in diesem Jahr schon im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl am 22. April für den rechtsbürgerlichen Kandidaten Nicolas Sarkozy. Von den verbleibenden Wählern (und Wählerinnen) Le Pens gingen in der zweiten Runde, der entscheidenden Stichwahl, dann – trotz entgegenlautenden Willens ihres vormaligen Kandidaten -  nochmals zwei Drittel, also knapp drei Millionen zu Sarkozy über. Dieser hatte mit seinen Versprechen, die "nationale Identität" zu schützen und "die Ideen des Mai 1968 so schnell wie möglich zu liquidieren", einige ideologische Duftmarken gesetzt, die offenkundig anziehend wirkten.

Sarkozy ist dabei freilich kein Faschist, sondern verkörpert eine Mixtur aus autoritärem Populismus in der Innen-, Polizei- sowie Sicherheitspolitik und wirtschaftsliberalem Programm der "Weltöffnung" (im Namen der "Erfordernisse der Globalisierung"), aus einem Appell an die Leistungsträger und ihre Individualität (sowie ihr Arbeitsethos) einerseits und starkem Staat andererseits, aus Beschwörung der "nationalen Identität" und Neoliberalismus mitsamt einigen multikulturellen Salatblättern als Garnitur obendrauf. Kurzum, eine Art Mischung aus frühem Ronald Reagan, einer Dosis Jörg Haider (freilich klar ohne dessen Antisemitismus: Nicolas Sarkozy ist weitaus eher betonter Philosemit), einer ordentlichen Prise Silvio Berlusconi und ein bisschen Charles de Gaulle. Letzterer war historischer Antifaschist und beharrte außenpolitisch auf einer spürbaren Unabhängigkeit gegenüber den US-Amerikanern und ihrer Vormachtstellung. Für Nicolas Sarkozy und seine Generation von Politikern der bürgerlichen Rechten, hat alles beide an Bedeutung verloren.

Auf ein paar Widersprüche kommt es, im Übrigen, bei diesem Profil nicht an. Ab seinen Reden vom 11. März in Caen und vom 13. März 2007 in Besançon beschwor Nicolas Sarkozy immer wieder die bedrohte nationale Identität als Schutzwall gegen den "Zerfall des sozialen Zusammenhalts" und gegen die Verwerfungen der "Globalisierung". Derselbe Kandidat, der wie kein zweiter für eine Entfesselung der Marktkräfte auf wirtschaftlicher Ebene und für eine neue Achse Washington-Paris eintritt, beschwor die Gefahren eines "seelenlosen Kapitalismus" und malte die Gefahr einer "Uniformierung der Welt" durch die "Dominanz der englischen Sprache" in finstersten Farben aus. In seiner Rede von Besançon, in der Sarkozy sich gegen reale und imaginäre Angriffe verteidigte und sich selbst als Opfer der Political Correctness -- der an einem Tabu zu rütteln gewagt habe – präsentierte, benutzte er nicht weniger als 28 mal die Worte "Identität", "nationale Identität" und "identitär". Teilweise schon im ersten, spätestens aber im zweiten Wahlgang zog die Masche: Reihenweise  gingen die Le Pen-Wähler dem geschickten Fischer ins Netz. (Und nun gibt es für ebendiese bedrohte "nationale Identität" ja sogar ein eigenes Ministerium, nachdem Sarkozy Präsident geworden ist: Sein neuer Minister Brice Hortefeux ist, laut offizieller Amtsbezeichnung,  für "Zuwanderung, Integration, nationale Identität" zuständig.)

Jean-Marie Le Pen hatte noch gegensteuern, und seine Anhängerschaft gegen den "Sog" hin zu Nicolas Sarkozy immunisieren wollen. Der "harte Kern" der Parteigänger des Front National hat den Appell, den Le Pen vor circa 4.000 bis maximal 5.000 Teilnehmern an seinem jährlichen "Marsch für die Nationalheilige Jeanne d'Arc" (Siehe Fotostrecke) vor der Pariser Oper erließ, sicherlich unterstützt und befolgt. Ihnen ist der Hass auf Nicolas Sarkozy, den "Schwindler" und "politischen Hochstapler", der ihnen die Stimmen weggenommen hat, der in ihren Augen ein "Ausländer" und gar noch "Jude" ist (1), anzusehen  und –hören. Aber das Gros der "einfachen" Wähler, des Massenpublikums der rechtsextremen Partei lieb sich davon nicht beeindrucken. In Scharen liefen sie zu dem Kandidaten über, der ihnen Autorität, "nationale Identität", harte Strafen für Übeltäter oder einen positiven Arbeits- und Leistungsbezug versprach – und dabei im Unterschied zu Jean-Marie Le Pen auch reale Chancen hatte, das höchste Staatsamt zu übernehmen.

Die organisierte extreme Rechte ist damit nicht von der Bildfläche verschwunden. Sie wartet auf die konkreten Entscheidungen, die der gewählte Präsident Nicolas Sarkozy treffen wird, um zukünftig seine "Inkonsequenz" und den "Bruch" seiner Wahlkampfversprechen anzuprangern. Den Anfang dazu macht sie noch vor der offiziellen Amtseinführung des neuen Staatsoberhaupts am 16. Mai 2007. Eine knappe Woche zuvor, am 10. Mai 2007, nimmt Nicolas Sarkozy an der Seite des noch amtierenden Präsidenten Jacques Chirac an einer offiziellen Zeremonie teil, mit der staatlicherseits der Abschaffung der Sklaverei in Frankreich im Jahr 1848 gedacht wird. Prompt klagt die extreme Rechte die Ankündigung Nicolas Sarkozys ein, der in seiner Rede vom Wahlabend am 6. Mai proklamiert hatte, künftig sei es mit der "Reue" (repentance: Reue, Büßertum) über die negativen Seiten der französischen Nationalgeschichte - die "eine Form von Selbsthass" sei - zu Ende. Den Ausspruch des Wahlsiegers aufgreifend, denunziert der FN die Teilnahme Nicolas Sarkozys an einer Zeremonie, die just "das Büßertum" zum Gegenstand habe (2). Ähnlich äuberte sich auch der Europaparlaments-Abgeordnete Paul-Marie Coûteaux, der 2004 auf der Liste des Nationalkonservativen Philippe de Villiers ins EP in Strasbourg gewählt worden ist (3).

Dennoch wird die parteiförmig strukturierte extreme Rechte in naher Zukunft Schwierigkeiten haben, sich neben dem regierenden konservativen Block zu behaupten. Zumal damit zu rechnen ist, dass der Streit um die Nachfolge von Jean-Marie Le Pen an der Parteispitze, aber auch um die einzuschlagende Strategie und Orientierung des FN nunmehr voll ausbrechen wird. Der Abgang des Chefs aufs Altenteil ist durch sein Abschneiden bei der  ersten Runde der Präsidentschaftswahl sicherlich beschleunigt worden. Aber auch die Rezepte seiner "strategischen Beraterin" im Wahlkampf, der Cheftochter Marine Le Pen, haben eher keine Bestätigung erfahren. Aller Wahrscheinlichkeit nach entbrannt damit in den kommenden beiden Jahren nun ein neuer Richtungskampf.

>> Weiter: Rückblick auf die Wahlgänge

>> Fotostrecke zum "Marsch für die Nationalheilige Jeanne d'Arc"

Anmerkungen:
(1) Aufgrund seines ungarischen Vaters sowie seiner griechisch-jüdischen Grobeltern mütterlicherseits hatte  Jean-Marie Le Pen in der Schlussphase des Wahlkampfs Nicolas Sarkozy als "Kandidaten aus der Zuwanderung"  bezeichnet, obwohl er im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine geboren, aufgewachsen und am Wahltag  noch immer wohnhaft ist.
(2)
Vgl. dazu das Pressekommuniqué: http://www.frontnational.com/communique_detail.php?id=1397
(3) Vgl. dazu http://www.lemonde.fr/web/article/0,1-0@2-823448,36-908682@51-908574,0.html.

hagalil.com 30-05-2007

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved