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Die Vorgeschichte im Maghreb: eine Geschichte der Gegensätze

Von Danny Leder

Die heutigen Beziehungen zwischen Juden und Moslems in Frankreich werden auch durch deren gemeinsame und gleichzeitig konträre Vorgeschichte in Nordafrika mitbestimmt. Um die Problematik vereinfacht auszudrücken (trotz etlicher Ausnahmen): Die Moslems aus Nordafrika, die Frankreichs Kolonialherrschaft erlitten haben, betrachten die Palästinenser unter israelischer Herrschaft als Schicksalsgenossen. Das Los der Palästinenser erscheint den moslemischen Maghrebinern als Wiederholung ihrer eigenen Geschichte. Die Juden aus Nordafrika empfinden die heutigen Spannungen und das Mobbing, das sie in Frankreich teilweise erleiden, auch als eine schmerzhafte Erinnerung an eine Situation, der sie entkommen wollten.

Viele Juden verließen ihre Heimatländer unter dramatischen Umständen, in den 50er und 60er Jahren, als diese französischen Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangten und sich als islamische Staaten definierten. Manchmal kam es zu Gewaltakten gegen Juden, manchmal war es eher ein Klima latenten Hasses und gelegentlicher Drohungen. Aber den meisten Juden wurde früher oder später klar, dass sie weg mussten, wenn sie in Sicherheit leben wollten, wenn sie auf Gleichberechtigung und religiöse Toleranz Wert legten.

Juden gab es im Maghreb seit etwa 2500 Jahren, also noch vor der Ankunft des Islams. Erste jüdische Migrationsströme gelangten aus dem Nahen Osten nach Nordwestafrika. Ein Teil der autochthonen Berberbevölkerung konvertierte zum Judentum; schließlich kamen zwischen dem 14. und 16.Jahrhundert Juden von der iberischen Halbinsel hinzu, die aus dem katholischen Spanien vertrieben worden waren.

Während der tausendjährigen islamischen Ära bis zur Ankunft der europäischen Kolonialmächte standen die Juden zwar zeitweilig unter dem Schutz von örtlichen Herrschern, wenn diese ihnen wohl gesinnt waren; sie konnten aber genauso der Willkür und dem Hass zum Opfer fallen.

Zieht man die grundsätzlichen islamischen Rechtsregeln in Betracht, war der Status der Juden (und der übrigen tolerierten religiösen Minderheiten) demütigend und gefährlich (2): Wurde ein Jude von einem Moslem tätlich angegriffen, durfte er sich nicht wehren, sondern nur um Nachsicht flehen. Die Ermordung eines Juden (durch einen Moslem) wog unvergleichlich geringer als die Ermordung eines Moslems (durch einen Moslem). Vor Gericht konnte ein Jude einer Beschuldigung durch einen Moslem theoretisch nichts entgegenhalten, zumal die Aussage des Juden durch die Aussage des Moslems formalrechtlich annulliert wurde. Auf Geschlechtsverkehr mit einer Moslemin oder Blasphemie gegen den Islam stand die Todesstrafe. Bei jedem Streit mit einem Moslem konnte dieser behaupten, der betreffende Jude hätte über Gott oder seinen Propheten gelästert, oder einer Moslemin nachgestellt. Unter diesem Vorwurf wurden auch immer wieder Juden hingerichtet oder von der Menge erschlagen.

Sie durften keine Waffen tragen und weder zu Pferde noch auf Kamelen reiten. Das bedeutete weitgehende Hilflosigkeit in jenen Regionen, in denen die Blutrache als Abschreckung wirkte. Dazu kam, je nach politischer Phase und Region, die mehr oder weniger scharfe Anwendung von detaillierten Ächtungsmaßnahmen. So durften Juden zwar Eseln oder Maultiere satteln, aber, beispielsweise in Marokko, nur seitlich, so wie es Frauen taten. Trafen sie auf einen Moslem, mussten sie absteigen und zu Fuß gehen. Kam ihnen ein Moslem zu Fuß entgegen, mussten sie ihm unverzüglich den Weg freimachen. Sie hatten schnell zu gehen, auf der linken Straßenseite, die als unrein galt. Sie waren aufgefordert, in Anwesenheit von Moslems eine bescheidene Haltung einzunehmen und die Augen zu senken. Sie mussten den Moslems etwaige Sitzplätze überlassen.

Sie mussten häufig ein kreisförmiges gelbes Stoffstückchen und spezifische – blaue oder gelbe – Kleider tragen, die sie von den Moslems unterschieden und, so wie in Europa, auch meistens der Lächerlichkeit preisgaben. Wiederum in Marokko (und im Jemen) mussten sie außerhalb des ihnen zugewiesenen Viertels barfuss gehen. Sie hatten bei städtischen Bauarbeiten Frondienst zu leisten, sie waren zur Reinigung der städtischen Latrinen verpflichtet, sie mussten als Totengräber und Henker fungieren.

Sie hatten eine hohe Kopfsteuer zu zahlen und wurden stellenweise, so wie im christlichen Europa, in den Geldverleih abgedrängt, der den Moslems verboten war. Die Juden, die unter den Berberstämmen in den ländlichen Gegenden Marokkos und Libyens lebten, waren Leibeigene der Stammesfürsten. Sie mussten die als unrein geltenden Handwerke wie etwa das Schmiedewesen ausüben. In der islamischen Stammesgesellschaft des Jemen war es noch in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts stellenweise üblich, dass ein Stamm die Ermordung eines ihm "gehörenden" Juden durch einen Moslem aus einem anderen Stamm damit ahndete, dass er seinerseits einen Juden aus dem Besitzstand des anderen Stammes tötete. So eine Vendetta zwischen zwei Stämmen, bei der jeweils nur Juden ermordet wurden, konnte über Generationen andauern.

Auch wenn so manches aus einer spezifischen Mischung zwischen örtlichen, tribalen Traditionen und Islam entsprang, kommt man doch nicht umhin, die meisten der oben beschriebenen Gängelungsmaßnahmen gegenüber den Juden auf jene Rechtsgrundsätze zurückzuführen, die von den Gründervätern der wichtigsten moslemischen Glaubensschulen im achten und neunten Jahrhundert festgeschrieben worden waren. Rechtsgrundsätze, die auch noch heute für etliche moslemische Gelehrte zumindest theoretische Gültigkeit haben.

Diese Grundsätze waren Ausfluss der islamisch-arabischen Expansion des siebenten Jahrhunderts. Sie regelten den Status der eroberten ethnischen und religiösen Gruppen. Für Juden und Christen sowie weitere vereinzelte religiöse Gruppen galt die Einstufung als "Leute der Schrift" (also Anhänger des ersten, alt- und neutestamentarischen Teils der göttlichen Offenbarung, auch wenn, aus der Sicht des Islams, Juden und Christen diesen ersten Teil missverstanden beziehungsweise entstellt hätten). Im Gegensatz zu den übrigen, hauptsächlich poly-theistischen Religionsgruppen wurde den "Leuten der Schrift" ("Ahl al Kitab") das Recht auf Leben und auf ihren Kult zugestanden, was in diesem historischen Kontext ein durchaus bedeutsamer Akt der Toleranz war. Aber in den Genuss dieses Status als "Schutzbefohlener" ("Dhimmi") des herrschenden Islams gelangten nur jene, die sich in eine untergeordnete und demütigende Stellung fügten. Dazu gehörte zuvorderst die Entrichtung einer Kopfsteuer, die als eine Art institutionalisierter Fortschreibung des ursprünglichen Kriegstributs der Besiegten verstanden werden muss. Wer gegen diese Diskriminierung aufbegehrte, hatte theoretisch das Recht auf Schutz und Leben verwirkt – auch wenn, wie bereits angesprochen, in der vielseitigen, breitest gestreuten und Jahrhunderte langen vorkolonialen islamischen Ära dieser Rechtskorpus immer wieder auch zugunsten der religiösen Minderheiten faktisch unterlaufen wurde.

In der Praxis der islamischen Gesellschaften gab es also verschiedenste Anwendungsformen obiger Rechtsgrundsätze. Wie in den christlich-europäischen Gesellschaften wurde die jüdische Minderheit phasen- und stellenweise nicht nur toleriert, sondern auch gefördert. Die jeweiligen Fürsten konnten Juden schützen und favorisieren – aus Toleranz, Sympathie, weil sie ihm wertvolle Dienste leisteten, etwa als Verwalter, Händler, Financiers, Diplomaten, Ärzte, spezialisierte Handwerker, ja in frühen Phasen auch als Schutztruppe. Er konnte sich ihrer vollständigen Loyalität gewiss sein, eben weil sie als eine grundsätzlich entrechtete Minderheit auf sein Wohlwollen in besonderer Weise angewiesen waren. Und dann gab es wiederum Phasen grausamster Verfolgung, wenn sich etwa die Wut der Mehrheitsbevölkerung gegen den betreffenden Fürsten und seine Schützlinge richtete, oder wenn der Fürst seine Politik änderte und sich entschloss, die Minderheit zu opfern und/oder zu plündern – das Schema ist ja hinlänglich bekannt.

Grob betrachtet, folgte im Maghreb auf eine Periode der Toleranz unter dem "klassischen Islam", die sich im wesentlichen vom 9. bis ins 11. Jahrhundert erstreckte, ein stetes Auf und Ab mehr oder weniger heftiger Verfolgungen und Ausgrenzungsmaßnahmen. Diese erreichten in den letzten 300 Jahren vor der Unterwerfung des Maghreb durch Frankreich (Algerien 1830, Tunesien 1881 und Marokko 1912) einen abermaligen Höhepunkt durch die Häufung von Pogromen und eine stete Verschärfung der Gängelungen im Alltag. Dies galt vornehmlich für Marokko, das am häufigsten von Machtkämpfen und Unruhen heimgesucht wurde, und traf in geringerem Ausmaß auf Algerien, Tunesien und Libyen zu, die im – eher losen – Rahmen des Osmanischen Reichs standen. Gleichzeitig begann sich aber auch die formalrechtliche Diskriminierung der Juden zu lockern, allerdings meistens in Folge des diesbezüglichen Drucks der europäischen Mächte auf die maghrebinischen und osmanischen Herrscher, was wiederum, stellenweise, den Hass der moslemischen Mehrheit gegen die jüdische Minderheit schürte.

Europas expandierende Mächte weckten Emanzipationshoffnungen – eine Parallele zwischen den Juden Nordafrikas und Osteuropas

hagalil.com 20-12-2006

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