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Zentralrat der Juden in Griechenland

Kentriko Israilitiko Symvoulio protestiert:
NPD-Chef in Griechenland unerwünscht

Gegen den Besuch des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, zur Unterstützung einer rechtsextremen Gruppierung im griechischen Kommunalwahlkampf hat der Jüdische Gemeindebund Griechenlands, der Kentriko Israilitiko Symvoulio, scharf protestiert.

Moisis Constantinis, Sprecher des KIS, erinnerte an das schreckliche Leiden Griechenlands unter deutscher Besatzung. 15% aller Griechen verloren damals ihr Leben. Das Land wurde ausgeraubt und ausgehungert. Bis zum heutigen Tag weigert sich die Bundesrepublik Überlebende der Massaker zu entschädigen.

Trotz eindrucksvollstem Widerstand und der mutigen und opferbereiten Solidarität der gesamten griechischen Bevölkerung, gelang es nur eine Minderheit der jüdischen Bürger über die NS-Herrschaft zu retten. Vor diesem Hintergrund sei der Besuch des NPD-Chefs mehr als geschmacklos.

Ausgebeutet und vergast
Das Schicksal der griechischen Juden unter deutscher Herrschaft 1941-1944


ersch. in der "jungen Welt", 11.09.2000, von Martin Seckendorf

Griechische und deutsche Medien berichten über ein Schiff, das am Meeresboden in der Ägäis vor der Südküste der Peloponnes liegt. Taucher wollen ein Wrack geortet haben. Das Medieninteresse entzündet sich an der vermuteten Ladung. An Bord des gesunkenen Schiffes könnte sich der "Schatz von Thessaloniki" befinden, den die Deutschen den Juden der Stadt 1943 abgepreßt haben, bevor sie sie nach Auschwitz in die Gaskammern deportierten.

Hauptverantwortlich für die Ghettoisierung und Enteignung der Juden in der deutschen Besatzungszone "Saloniki- Ägäis" war Max Merten, ein Wehrmachtsbeamter im Range eines Kriegsverwaltungsrates. Er soll die Verladung des Schatzes auf das Schiff und dessen Versenkung veranlaßt haben, weil er den Schatz nach dem Krieg selber heben und sich aneignen wollte.

Abb. Deutsche Soldaten auf der Akropolis, Photographie v. Gerhard Gronefeld, Athen, 13. Mai 1941, DHM, Berlin

Das Wrack im Mittelmeer ruft das Schicksal der griechischen Juden unter deutscher Besatzung in Erinnerung. Damals sind 83 Prozent der jüdischen Vorkriegsbevölkerung Griechenlands umgebracht worden. Die 2 000 Jahre alte jüdische Gemeinde in der oft als "Klein-Jerusalem" bezeichneten Stadt Thessaloniki wurde fast vollständig ausgelöscht.

Sonderkommando Rosenberg

Mit der in Griechenland am 6. April 1941 einfallenden 12. deutschen Armee marschierte auch eine Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes ein. Sie sollte mit logistischer Unterstützung der Wehrmacht "Terroristen, Kommunisten, Juden und andere Reichsfeinde" bekämpfen. Nachdem sich im Juni 1941 die Deutschen in ihre in Absprache mit dem faschistischen Italien festgelegten Besatzungszonen (nämlich "Saloniki-Ägäis", Athen-Piräus und Westkreta) zurückgezogen hatten, konzentrierte sich die Verfolgung der Juden auf die sogenannte Saloniki-Zone. In der italienischen Zone blieben die Juden zunächst weitgehend unbehelligt - bis zur Kapitulation Italiens im September 1943.

Ein Sonderkommando des Chefideologen der Nazis, Alfred Rosenberg, war der 12. Armee angegliedert. Für "Exekutivmaßnahmen" stand dem Sonderkommando Wehrmachtspersonal aus der Geheimen Feldpolizei (GFP) und der Militärverwaltung zur Verfügung. Archive, Bibliotheken, Zeitungsredaktionen, Kirchenämter, Behörden, Bankschließfächer, Krankenhäuser, Wohn-, Geschäfts- und religiöse Gemeinschaftseinrichtungen wurden durchsucht und brutale polizeiliche Verhöre durchgeführt. Das Kommando hat historisch wertvolle Dokumente, Kulturgüter und lithurgische Gegenstände beschlagnahmt und nach Deutschland transportiert, darunter 100 000 Bücher aus den jüdischen Bibliotheken in Thessaloniki. Ziel dieser Aktionen war die Gewinnung von Argumenten für die antisemitische Propaganda und die Sammlung von statistischem Material, von Namen, Adressen, Arbeitsstellen, Eigentums- und Vermögensverhältnissen, Angaben, die für die von Rosenberg vorbereitete "rationelle" Art des Völkermords, für Hitlers "Endlösung der Judenfrage", von Bedeutung waren.

Im Sommer 1942 verschärfte die Wehrmacht den Druck auf die Juden Thessalonikis. Die Militärverwaltung ordnete die Zwangsarbeitspflicht für Juden an. Unter unmenschlichen Bedingungen wurden die Arbeiter in der Erzförderung, u.a . in den vom Krupp-Konzern in Essen für die deutsche Kriegswirtschaft ausgebeuteten Chromerzgruben, sowie im Straßen- und Flugplatzbau eingesetzt. Die Aktion trug alle Merkmale der "Vernichtung durch Arbeit". Dieses "Prinzip" bei der Ausmerzung ethnischer oder politischer "Feinde" wandte das Nazi-Reich insbesondere ab Herbst 1941 angesichts der hohen Verluste der Deutschen vor Moskau an. Es beinhaltete, die Arbeitskraft der Todeskandidaten vor der Vernichtung möglichst vollständig zu verwerten. Dazu hatte der Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, SS- Obergruppenführer Pohl, befohlen, der Einsatz müsse "im wahren Sinn des Wortes erschöpfend sein, um ein Höchstmaß an Leistung zu erreichen". An der Ausführung dieses Befehls waren im Gebiet Saloniki-Ägäis in kurzer Zeit über vierhundert jüdische Zwangsarbeiter gestorben. Aus erschöpften, todkranken Arbeitern war keine Leistung mehr herauszuholen. Um aus dieser "Angelegenheit" dennoch Gewinn schöpfen zu können, verfiel Kriegsverwaltungsrat Merten auf den "Dreh", die jüdische Gemeinde für die Auslösung aus der todbringenden Zwangsarbeit eine Ablösesumme in Höhe von umgerechnet mehreren Millionen Reichsmark zahlen zu lassen. Einen großen Teil dieses Geldes hat Merten offenbar in die eigene Tasche gesteckt.

Anfang 1943 verstärkten deutsche Militärs und Diplomaten den Druck auf die italienischen Militärbehörden, die in ihrer Zone lebenden Juden den " Endlösungs "-Maßnahmen zu unterwerfen. Generaloberst Löhr , Oberbefehlshaber der in Griechenland befehlsführenden Heeresgruppe E, bedrängte den italienischen Oberbefehlshaber, General Carlo Geloso , mit den dort lebenden griechischen Juden nach deutschem Beispiel zu verfahren.

"Endlösung" in Thessaloniki

Als die Italiener das ablehnten, begannen die Deutschen ab Frühjahr 1943 in ihrer und in der bulgarischen Zone Griechenlands mit der "Endlösung". Als erste deportierte man die etwa 4 000 griechischen Juden der Provinz Belomorje , wie die Bulgaren das Gebiet nannten, in Vernichtungslager, meist nach Treblinka, wo fast alle - etwa 97 Prozent - sofort im Gas erstickt wurden.

Anfang Januar 1943 fanden in Athen Beratungen zwischen dem Bevollmächtigten des Reiches in Griechenland, Dr. Günter Altenburg, dessen Vertreter in Saloniki, Generalkonsul Schönberg, dem Oberkommando der Heeresgruppe E, dem Befehlshaber Saloniki-Ägäis und der SS statt, auf denen die Einzelheiten einer schnellen "Endlösung" im Bereich Saloniki- Ägäis besprochen sowie der Ablauf und die Verantwortlichkeiten festgelegt wurden. Für die "Endlösung" im Befehlsbereich Saloniki-Ägäis stellte die hochrangige Januarbesprechung eine Frist von sechs bis acht Wochen.

Zwei Drittel aller Juden Griechenlands, etwa 50 000 Menschen, lebten in diesem Befehlsbereich. In einer konzertierten Aktion der Wehrmacht, der Dienststellen des Reichsbevollmächtigten Altenburg und der Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD ab Januar 1943 erfolgten die Erfassung, Enteignung, Ghettoisierung und Deportation der Juden.

Am 6. Februar 1943 ordnete die Militärverwaltung unter Max Merten die Kennzeichnung und Ghettoisierung an. Am 1. März mußten alle Juden eine detaillierte Vermögenserklärung abgeben. Wenige Tage danach wurde ihr gesamter Besitz beschlagnahmt. Alles Bargeld mußte abgeliefert werden. Es wird vermutet, daß Merten, wie schon bei der Zwangsarbeiteraktion des Jahres 1942, einen erheblichen Teil der konfiszierten Güter und des Bargeldes für sich abgezweigt hat - eine weitere Quelle, aus der sich der vermutete Schatz in dem Wrack vor Kalamata speist. Die Militärverwaltung (Merten) verkündete kraft der ihr verliehenen vollziehenden Gewalt die Terrormaßnahmen. Deren Durchführung übertrug sie den in "Endlösungsfragen" erfahrenen Profis der Außenstelle des Sicherheitsdienstes Thessaloniki und dem Sonderkommando des Sicherheitsdienstes unter Leitung des Eichmann-Mitarbeiters SS-Hauptsturmführer Wisliceny (Sonderkommando der Sicherheitspolizei für Judenangelegenheiten ).

Am 15. März 1943 ging der erste Transport in das Tausende Kilometer entfernte Auschwitz. Um die zu Kriegszeiten knappen Transportkapazitäten restlos auszunutzen und den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten, pferchte man die Menschen eng zusammengedrängt in Viehwaggons. 2 600 bis 2 800 Menschen wurden auf diese Weise pro Transport deportiert. Viele überlebten den neuntägigen Transport nicht und kamen tot in Auschwitz an. Fast alle Juden aus Griechenland wurden von der Rampe sofort in die Gaskammern getrieben. Im Sommer 1944 erwähnte der Kommandant von Auschwitz, Höß , beiläufig, daß die griechischen Juden zur Arbeit u. a. in den Betrieben der IG-Farben-Industrie AG körperlich nicht fähig und sofort zu ermorden sind. Nur einige junge Frauen habe er in den Block 10 überstellen lassen, wo Professor Clauberg qualvolle medizinische Experimente an ihnen durchführte.

Als im April 1943 der Oberrabbiner Koretz an den Kollaborationsministerpräsidenten Rallis bei dessen Besuch in Thessaloniki appellierte, dafür zu sorgen, " daß die seit 2 000 Jahren bestehende Kultusgemeinde zu Saloniki nicht liquidiert werden möge", lehnte Rallis eine Intervention kategorisch ab. Der Befehlshaber Saloniki-Ägäis sah in diesem Vorfall einen Versuch "der Gegenwirkung gegen einen militärischen Befehl", ließ Koretz mit seiner ganzen Familie festnehmen und auf die Liste jener Juden setzen, die "mit einem der nächsten Transporte abbefördert " werden sollten, wie es in einem Bericht des Generalkonsuls Schönberg vom 16. April 1943 an Altenburg über den "Skandal" hieß. Der Bericht Schönbergs spiegelt die Zustimmung des Altenburg-Apparats mit den Maßnahmen des Befehlshabers wider. Der im Januar vorgegebene Zeitplan wurde eingehalten. In kurzer Zeit deportierten die Nazis etwa 50 000 Juden aus der deutschen Besatzungszone in die Vernichtungslager.

Menschenjagd in der italienischen Zone

Der Oberbefehlshaber Löhr und der "Reichsbevollmächtigte" Altenburg steigerten den Druck auf die Italiener, in ihrer Zone endlich mit der "Endlösung" zu beginnen. Um das Argument der Italiener zu entkräften, wegen der Deportationen aus Thessaloniki hätten die Deutschen zur Zeit kein Schiffs- und Waggonraum zur Verfügung, schlug das Auswärtige Amt vor, daß die Juden der italienischen Zone bis zur Gewinnung neuer Deportationsmöglichkeiten vorübergehend "in Sammellagern zusammengezogen und die arbeitsfähigen Kräfte als Baukompanien für Festungsbauten oder zur Verbesserung von Eisenbahnlinien" nach dem Vorbild der Aktion vom Sommer 1942 in Thessaloniki eingesetzt werden sollten. Altenburg halte "einen solchen Plan für sofort durchführbar und wünschenswert", heißt es in dem Schreiben. Dem Druck der Deutschen versagten sich die italienischen Befehlshaber auch weiterhin, so daß die Juden im größten Teil Griechenlands noch eine kurze Atempause erhielten.

Nach der Kapitulation Italiens wurde die deutsche "Endlösung" sofort auf ganz Griechenland ausgedehnt. Am 3. Oktober 1943 ordnete der Höhere SS- und Polizeiführer die Erfassung der Juden an. Da sich nur wenige Juden zur "Erfassung" meldeten, befahl der Befehlshaber in Griechenland, General Speidel , alle Juden, die sich nicht hatten registrieren lassen, sofort zu enteignen. Wehrmacht und Sicherheitsdienst der SS begannen mit der Jagd auf die Juden. Auf dem Festland konnten viele von ihnen untertauchen oder sich durch Flucht zu den linksgerichteten ELAS-Partisanen retten. Auf den Inseln jedoch und im Gebiet um Joannina, wo die rechtsgerichtete Partisanenarmee EDES die antijüdischen Maßnahmen unterstützte, fielen fast alle in deutsche Hände. Über die Deportation der Juden von Joannina am 25. März 1944 berichtete ein Kommando der Gruppe Geheime Feldpolizei (GFP) 621 beim XXII. Gebirgsarmeekorps. Nach vorheriger Ghettoisierung seien dank "vorbildlicher" Zusammenarbeit von GFP mit anderen Wehrmachtseinheiten, der Feldgendarmerie sowie griechischer und deutscher Polizei alle Juden verhaftet und 95 Prozent von ihnen deportiert worden - insgesamt 1725 Menschen. Widerstand habe es nur von der linksgerichteten Befreiungsfront EAM gegeben. Aus den rechtsgerichteten EDES-Kreisen werde "volle Zustimmung laut".

Kurze Zeit später begannen die Maßnahmen gegen die 2 000 Juden auf Korfu. Der Feindlagebearbeiter ( Ic ) der Korpsgruppe Joannina bat am 28. April 1944 seinen vorgesetzten Abwehroffizier der Heeresgruppe E, beschleunigt mit den " Endlösungs "-Maßnahmen auf der Insel zu beginnen. Der Ic-Offizier machte auf einen besonderen Vorteil der schnellen Deportation aufmerksam: Viele "unnütze Esser" würden verschwinden. Der Abtransport bedeute "eine nicht unerhebliche Erleichterung der Ernährungslage". Nachdem die Kriegsmarine den knappen Schiffsraum und die Heeresgruppe den ebenso raren Kraftstoff für den Transport auf dem Festland bereitgestellt hatten , begann die Deportation. Am 17. Juni 1944 meldete der Befehlshaber der Sicherheitspolizei dem für Korfu verantwortlichen Generalkommando des XXII. Gebirgsarmeekorps, von der Insel seien alle Juden, insgesamt 1795 Personen, abtransportiert worden.

Kriegsverbrechen bis heute ungesühnt

Die letzten Opfer waren die Juden auf Rhodos. Am 13. Juli 1944 befahl der Kommandant Ost-Ägäis, Generalleutnant Kleemann, die Erfassung, Ghettoisierung und Enteignung der Juden. Danach begann die Deportation. Wenige Wochen vor dem Ende der deutschen Herrschaft in Griechenland ging der letzte Transport von Rhodos in die Gaskammern des fast 3 000 Kilometer entfernten Auschwitz. Der "Endlösung" fielen etwa 58 900 Menschen zum Opfer.

Für die Mitwirkung an der Ermordung der griechischen Juden mußte sich bis heute keiner der Offiziere oder Beamten des deutschen Besatzungsregimes verantworten. Viele der damals Verantwortlichen, insbesondere aus der Wehrmacht und dem Apparat des "Reichsbevollmächtigten", konnten nach 1945 ihre Karriere nahezu bruchlos im auswärtigen Dienst oder in der Bundeswehr fortsetzen. Nur Max Merten bekam wegen seiner Tätigkeit als oberster Verwaltungschef in Thessaloniki zeitweilig Schwierigkeiten. Wegen seiner alten Verbindungen zu griechischen Kollaborationskreisen und guten Beziehungen zum Bonner Establishment selbstsicher geworden, reiste er 1957 zur Erledigung privatgeschäftlicher Angelegenheiten nach Griechenland. Dort wurde er verhaftet und zu 25 Jahren Haft verurteilt. Die Bundesregierung forderte seine Freilassung. Die Griechen verlangten im Gegenzug, daß Merten vor ein deutsches Gericht gestellt wird und die Bundesrepublik die Opfer der deutschen Besatzungszeit entschädigt. Die Bonner Regierung lehnte die Entschädigung ab, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.

Druck auf Bonn durch DDR-Initiative

Bei diesem Verhandlungsstand trafen in Bonn für die Bundesregierung bedrohliche Nachrichten aus Ostberlin ein. Die DDR erklärte sich bereit, die griechischen Opfer zu entschädigen und bot Verhandlungen auf höchster Ebene an. Es war klar, daß dies über kurz oder lang zur Anerkennung der DDR durch Griechenland führen würde. Damit wäre an einem geostrategisch sensiblen Punkt die Bonner Hallstein- Doktrin durch einen NATO-Verbündeten durchlöchert worden. Die Doktrin artikulierte bekanntlich die Anmaßung, die Bundesregierung vertrete alle Deutschen in West und Ost. Jede Anerkennung der DDR durch einen anderen Staat zog den Abbruch der diplomatischen Beziehungen der BRD zu diesem Staat mit allen ökonomischen Konsequenzen nach sich.

Bonn änderte Griechenland gegenüber sofort seine Haltung. Die Bundesrepublik überwies 1960 eine Einmalentschädigung in Höhe von 115 Millionen DM für politisch, rassisch oder religiös verfolgte Griechen. Merten wurde nach Westdeutschland abgeschoben und dort festgenommen. 1968 stellte ein Westberliner Gericht das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Mangels an Beweisen bzw. wegen Verjährung ein. Für seine fast dreijährige Haft in Griechenland erhielt er eine Entschädigung. Er starb 1976 als juristisch unbescholtener Mann. Die über 90 000 Opfer anderer deutscher Terrormaßnahmen sind bis heute noch nicht entschädigt.

Meine letzten Worte werden sein:
"Es lebe Griechenland!"

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 70.000 Jüdinnen und Juden in Griechenland. Rund 46.000 wurden in Konzentrationslager deportiert...

Kriegsverbrecher:
Hunderte Anzeigen unbearbeitet
Am 16. August 1943 überfiel die 12. Kompanie des Gebirgsjägerregiments 98 den griechischen Ort Kommeno und ermordete 317 Kinder, Frauen und Männer...

Griechenland unterm Hakenkreuz:
Hellas, Hellas, Mutter der Verzweiflung!
Während des Zweiten Weltkrieges wurden in Griechenland von deutschen Besatzern fortgesetzt und massenhaft schwere Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt. Doch die Bundesrepublik verweigert den Dialog mit den Opfern und setzt auf »geräuschlose Entsorgung« der Entschädigungsforderungen...

Die Saat des Friedens:
Das Testament der Toten von Distomo
Hier ist die Erde bitter, es ist die bittere Erde von Distomo. Vorsicht, Besucher, gib Acht, wohin dein Fuss tritt - es schmerzt das Schweigen hier, schmerzt jeder Stein am Weg, es schmerzt vom Opfer und auch vom harten Menschenherz...

Essay über das ungelebte Leben:
Der Tod ist ein Meister - Das Leben ein Lehrling
"Was die Schickung schickt, ertrage", so ein deutsches Sprichwort..

Torheit der Regierenden:
Gefälligkeitsrichter und Parteihistoriker
Man will das Kind ausschütten und das Bad behalten. Das Kind ist die Gerechtigkeit gegenüber den Nazi-Opfern, welcher der BGH, d.h. ein deutsches Gericht nach der Nazi-Ära verpflichtet sein müsste. Das Bad ist die deutsche Ökonomie, in welcher noch immer viel Nazi-Raubgut verbucht ist und bleiben soll.

Kumulierte Amoral im Fall Distomo (Griechenland):
Hinterbliebene der SS-Opfer fordern Gerechtigkeit
Heute läuft die Frist ab, die der Gerichtshof in Strasbourg der Bundesregierung gesetzt hat, um zu einer Entschädigungsklage der Hinterbliebenen der Opfer des SS-Massakers im griechischen Distomo Stellung zu nehmen...

Deutsche Besatzungspolitik:
Griechenland 1941–1944
Ein Beispiel: Am Nachmittag des 10. Juni 1944 wurde die Dorfbevölkerung von Distimo, die nicht in die Berge flüchten konnte, mißhandelt, Frauen und Mädchen vergewaltigt und 218 Zivilisten auf unbeschreibliche Art niedergemetzelt...

Entschädigung:
Alles, was Recht ist
Urteil im Distomo-Prozess...

SS-Massaker:

Es war doch Krieg
In der kommenden Woche wird eine Klage von Überlebenden des SS-Massakers in Distomo vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt...

Griechenland unter dem Hakenkreuz:
Dunkelheit und Kälte

Jährlich reisen hunderttausende deutsche Touristen nach Griechenland, seit Jahrzehnten leben zehntausende griechische Familien in Deutschland – und dennoch kennen nur wenige Deutsche mehr als Bruchstücke des dunklen Kapitels...

Auch die Opfer des Distomo-Massakers müssen entschädigt werden:
Gegen die Logik des Alles oder nichts
Journalistische Provokationen sind nützlich, vor allem, wenn sie stereotype Haltungen und eingeschliffene Reaktionen bloßstellen...

Bilderbuch:
Ein Abstecher nach Athinah?

Früher fuhr die Fähre von Haifa nach Piräos. Über Kafrisin (Limasol / Cypern), Rhodos oder Kreta, dauerte die Reise 3 bis 4 Tage. Während der zweiten Intifada wurde die Linie eingestellt. Niemand wollte mehr fahren...

Antisemitische Ausschreitungen in Griechenland:
SS-Runen und "Juden Raus"-Rufe in Athen und Thessaloniki
In Griechenland wurde von mehreren antisemitischen Manifestationen berichtet, die sich im Laufe der Monate April und Mai ereigneten...

Mikis Theodorakis:
Israel beklagt antisemitische Äußerungen

Israel hat sich bei der griechischen Regierung über Äußerungen von Mikis Theodorakis beschwert...

Besuch des griechischen Präsidenten:
Israel - Türkei - Griechenland
Der Besuch des griechischen Präsidenten in Israel ist ein weiteres Zeichen der sich in Griechenland vollziehenden Veränderungen. Die Wirtschaft wächst schnell, die Beziehungen zur Türkei waren noch nie so gut, und Griechenland fühlt sich Europa näher denn je...

konkret: Heft 08/2000
Eine längst vergessene Geschichte
Warum Johannes Rau um die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki einen so großen Bogen gemacht hat
Eberhard Rondholz
7-8/00 trend online zeitung Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net ODER per Snail: Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin

Anläßlich seiner Staatsvisite in Griechenland im April dieses Jahres machte Bundespräsident Johannes Rau auch einen Besuch in dem kleinen Ort Kalavryta, der im Dezember 1943 als sogenannte »Repressalmaßnahme« von der Wehrmacht zerstört worden war. Über 700 männliche Einwohner des Ortes wurden dabei von Soldaten der 117. Jägerdivision massakriert. Rau legte für sie an der Gedenkstätte einen Kranz nieder und erklärte, es dürfe nicht vergessen werden, welches Leid Menschen in Griechenland von Deutschen zugefügt worden sei.

Das Leid, das Deutsche fast 50.000 griechischen Juden aus Thessaloniki zugefügt hatten, schien der Bundespräsident vergessen zu haben. Sie waren im Frühsommer 1943 von Wehrmacht und SS auf eine Reise ohne Wiederkehr geschickt worden - nach Auschwitz. Ein Mahnmal in der nordgriechischen Hafenstadt erinnert an ihr Schicksal, doch für sie hatte Rau keinen Kranz übrig, als er am 6. April Thessaloniki aufsuchte. Und um die traditionsreiche Jüdische Gemeinde machte »Bruder Johannes«, anders als weiland der Apostel Paulus, einen großen Bogen.

Rau konnte sich das gefahrlos leisten, ohne in Deutschland damit Empörung auszulösen - die Vernichtung der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki, einst das weltweit bedeutendste Zentrum des sephardischen Judentums, ist ein in der deutschen Öffentlichkeit bis heute wenig bekanntes Kapitel der Shoa. In Griechenland aber löste sein Verhalten höchstes Befremden aus, und gerätselt wird dort bis heute darüber, warum Rau die überlebenden Juden von Thessaloniki, die mit einer kleinen Geste der Anteilnahme sicher gerechnet hatten, derart vor den Kopf gestoßen hat. Schließlich gilt er allgemein als Philosemit - er ist Ehrendoktor der Universität Haifa, Träger des Leo-Baeck-Preises und, seit dem 10. März 2000, der Buber-Rosenzweig-Medaille, er hat (als erster deutscher Bundespräsident) anläßlich seiner 30. (!) Israelreise auf deutsch vor der Knesset gesprochen.

Warum also dieser Affront gegenüber der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki? Aus dem Bundespräsidialamt bekommt man ausweichende Antworten, wenn man nachfragt. Der ehemalige griechische Justizminister Georgios A. Mangakis hatte diese Erklärung parat: Rau habe Fragen nach der Anerkennung von Entschädigungsforderungen aus dem Wege gehen wollen (vgl. KONKRET 6/2000, S. 3). Doch das reicht zur Erklärung wohl kaum aus, mit solchen Fragen mußte er schließlich auch in Kalavryta rechnen.

Es dürften eher andere Fragen gewesen sein, denen Rau aus dem Wege gehen wollte - mußte er doch gewärtig sein, daß der eine oder andere Auschwitz-Heimkehrer ihn ansprechen könnte auf einen früheren Parteifreund, der auch einmal Mandant seines politischen Mentors (und Urgroßvaters seiner Kinder) Gustav Heinemann gewesen war. Der Name des Mandanten: Max Merten.

Die längst vergessene Affaire Merten führt uns zurück in die Jahre, in denen Johannes Rau seine ersten politischen Schritte tat, als Kreisvorsitzender der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP). Diese 1952 von dem gerade aus der CDU ausgetretenen Exminister und späteren Bundespräsidenten Heinemann gegründete Partei war eine vor allem vom linken Flügel des politischen Protestantismus geprägte Sammlungsbewegung, die sich den Kampf für die Wiedervereinigung zum Ziel gesetzt hatte und deshalb gegen die deutsche Remilitarisierung kämpfte. Einer der führenden Funktionäre dieser Partei war der Rechtsanwalt Max Merten, derselbe Max Merten, der von 1942 bis 1944 Chef der Wehrmachtsverwaltung in Thessaloniki gewesen war und in dieser Eigenschaft einer der Organisatoren der Judendeportation. Was der Exnazi (NSDAP-Mitglieds-Nr. 4 363 7539) in der GVP suchte, bleibt bis heute im Dunkeln. Jedenfalls sind vom GVP-Bundesvorstandsmitglied Merten irgendwelche programmatischen Äußerungen nicht überliefert.

Sehr wohl bekannt hingegen sind seine Tat-Beiträge zur Vernichtung der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki. Die anderen beiden Haupttäter waren die SS-Hauptsturmführer Alois Brunner und Dieter Wisliceny. Brunner, Eichmanns rechte Hand und für die Deportation von mindestens 120.000 Juden in mehreren Ländern Europas verantwortlich, wurde für seine Verbrechen nie zur Verantwortung gezogen. Er machte sich, wie mancher andere NS-Verbrecher, beim CIA-Vorgänger Counter-Intelligence-Corps (CIC) den Amerikanern nützlich, war dann auch dem BND zu Diensten, später wurde er Berater für Judenfragen in Syrien, das ihm bis heute Gastrecht gewähren soll. Dieter Wisliceny hatte weniger Glück; er wurde im Februar 1948 in der Tschechoslowakei hingerichtet, wegen dort begangener Verbrechen. Zuvor hatte der SS-Offizier aber noch vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal ausgesagt, dort die bereitwillige Mitarbeit der Wehrmacht bei der Judenvernichtung in Griechenland gelobt und unterstrichen, daß »ohne die enge Zusammenarbeit mit der Militärverwaltung die Aktion in Thessaloniki niemals hätte stattfinden können« - d. h.: ohne den Kriegsverwaltungsrat Merten.

Dieser Merten aber ließ sich nach Kriegsende, von der deutschen Justiz nicht belästigt, als Rechtsanwalt in Berlin nieder. Leichtsinnigerweise flog er im April 1957 nach Athen, um einem in Griechenland in Schwierigkeiten geratenen Freund aus deutschen Besatzungstagen, seinem ehemaligen Dolmetscher Arthur Meissner, Rechtsbeistand zu leisten. Merten schien sich sicher zu sein, es könne ihm dort unten nichts passieren. Hatten die Griechen nicht 1946 Desinteresse an seiner Person signalisiert, als das CIC ihnen die Überstellung Mertens angeboten hatte, und hatte nicht der Chef der griechischen Militärmission in Berlin, General Ypsilantis, 1947 im Spruchkammerverfahren für ihn gutgesagt?

Warum die griechische Regierung ihn 1946 nicht hatte haben wollen, lag für Merten auf der Hand: Er hatte eine Menge Unangenehmes über gewisse Kreise des Athener Polit-Establishments auszupacken, über jene von ihm ausgehaltenen Kollaborateure nämlich, die (anders als solche Landesverräter in anderen ehemals besetzten Ländern) nach dem Abzug der Nazis nicht nur weitgehend unbehelligt geblieben waren, sondern auch an der Macht im Staat beteiligt wurden. Hinzu kam: Die griechischen Nachkriegsregierungen hatten sich den Strafanspruch gegen die deutschen Kriegsverbrecher regelrecht abkaufen lassen - gegen Finanzhilfe, Tabakexportgarantien und dergleichen mehr.

Was Merten wohl nicht wußte: Die griechische Seite hatte ihren Verzicht auf die Strafverfolgung deutscher Kriegsverbrecher an Bedingungen geknüpft, die von deutscher Seite nicht vollständig eingehalten worden waren. Es ging dabei auch um Entschädigungsleistungen für griechische NS-Opfer in vergleichsweise bescheidener Höhe, die Bonn nicht zu zahlen bereit war und um die just zum Zeitpunkt seines Besuchs gefeilscht wurde. Ein Widerruf des Strafverfolgungsverzichts für NS-Täter stand angesichts der Bonner Hartleibigkeit ins Haus. Auch war die damalige rechtskonservative griechische Regierung unter Konstantin Karamanlis wegen ihres in Europa einmalig nachsichtigen Umgangs mit deutschen Kriegsverbrechern innenpolitisch unter Druck geraten. Einen in Griechenland so bekannten NS-Täter wie Merten im Lande frei herumreisen zu lassen, das konnte sich die Regierung nicht leisten. Merten wurde verhaftet und unter Anteilnahme der ganzen Nation vor Gericht gestellt.

Bei diesem Prozeß bestätigten Zeugen nicht nur Mertens tatkräftige Beihilfe zur Judendeportation, sie schilderten auch die diabolische Raffinesse, mit der er die wohlhabende Jüdische Gemeinde vor ihrer Deportation ihres gesamten beweglichen Vermögens beraubte und durch falsche Schutzversprechungen einzelnen Opfern erhebliche Geldsummen sowie Gold und Juwelen abpreßte. Daß er dabei auch kräftig in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, gilt als sicher. Der Prozeß endete am 5. März 1959 mit der Verurteilung zu 25 Jahren Haft, von denen Merten allerdings nur kurze Zeit abzusitzen hatte.

Und das verdankte er zum einen der Bundesregierung, die einmal mehr das Mittel der wirtschaftlichen Nötigung ins Spiel brachte, um einem NS-Verbrecher zu Hilfe zu kommen, zum anderen einem seiner Anwälte, der sich als Abgeordneter im Deutschen Bundestag massiv dafür einsetzte, die Ratifizierung eines Finanzabkommens mit Griechenland zurückzustellen, um die griechische Justiz zum Strafverzicht im Fall Merten zu zwingen. Dieser Anwalt war der mittlerweile zur SPD übergewechselte Gustav Heinemann. Heinemann war von Mertens Unschuld überzeugt, und Heinemanns früherer Sozius Dieter Posser (der spätere Justizminister Nordrhein-Westfalens) ist es heute noch - offenbar verfügte Merten über ein sehr gewinnendes Wesen und eine große Überzeugungskraft. So haben ihm zahlreiche Journalisten auch noch die gröbsten Schwindelgeschichten abgekauft.

Der Druck aus Bonn zeitigt schließlich Wirkung: Unter dem (auch von griechischer Seite augenzwinkernd so verstandenen) Vorwand, Max Merten selber noch einmal vor Gericht stellen zu wollen, läßt sich die Bundesrepublik den verurteilten Kriegsverbrecher ausliefern. Am 5. November 1959 landet der Freigepreßte auf dem Münchner Flughafen, wird dort pro forma in Haft genommen und 11 Tage später nach einem Haftprüfungstermin wieder freigelassen. Zu einem Hauptverfahren sollte es nie kommen - ein Ermittlungsverfahren beim Landgericht Berlin wird neun Jahre später, am 4. Juni 1968, in aller Stille eingestellt.

In der Einstellungsverfügung wird Merten zwar der hinreichende Verdacht der räuberischen Erpressung bescheinigt, aber das bleibt für den Täter folgenlos, denn der Tatbestand ist verjährt; hinsichtlich des Unverjährbaren aber, der Beihilfe zum Mord an über 50.000 Juden, lautet die originelle Formel der Berliner Strafverfolger: Merten habe zwar den von Hitler und seinen Mittätern befohlenen Mord an 40.000 bis 50.000 griechischen Juden aus dem Bereich des Befehlshabers Thessaloniki-Ägäis unterstützt und gefördert, indessen: »Es hat sich kein Anhalt ergeben, daß er von dem Mordplan gewußt oder doch die vorsätzliche Tötung der mit seiner Hilfe gesammelten (sic!) und ausgesiedelten (sic!) Juden als Möglichkeit bewußt in Rechnung gestellt und billigend in Kauf genommen hat.« Derselbe Mann also, der monatelang Seite an Seite mit Adolf Eichmanns Emissären mehrere zehntausend Juden »gesammelt« und »ausgesiedelt« hat, soll von Auschwitz nichts gewußt haben. Was ihn übrigens nicht daran hinderte, später stets zu beteuern, er habe die Juden doch bewahren wollen vor jenem Schicksal, von dem er angeblich nichts wußte.

Nach seiner Befreiung aus griechischer Haft hat Merten der Regierung Karamanlis ihre Großzügigkeit nicht gedankt, und der Regierung Adenauer ihren massiven Einsatz auch nicht. Kaum heimgekehrt, beschuldigte er den griechischen Premier, dessen Innenminister Makris sowie dessen Frau Doxoula, ein beschlagnahmtes Seidenlager aus jüdischem Besitz entgegengenommen zu haben, als Belohnung für Kollaboration. Solche Art Belohnung für griechische Kollaborateure und Informanten durch den Chef der Militärverwaltung hat es vielfach gegeben. »Arisierte« Warenlager, Geschäfte und Handelsunternehmen vom Juwelierladen bis zum Textilgroßhandel wurden von Merten an griechische Freunde des Deutschen Reiches verteilt, mehr oder weniger hohe »Ablösesummen« (je nach den Verdiensten) waren auf ein Bankkonto zu überweisen, über das er allein verfügte. Ob auch der spätere Premier Karamanlis tatsächlich zu den von Merten mit »arisierten« Gütern bedachten Kollaborateuren gehörte, ist nie aufgeklärt worden. Wohl aber wurden einige deutsche Journalisten wegen Verleumdung griechischer Politiker in absentia zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

1961 trat Merten dann mit einer abenteuerlichen Geschichte an die Öffentlichkeit, die ihm, so unwahrscheinlich sie auch klang, tatsächlich von einer Reihe als seriös geltender Publikationsorgane abgenommen wurde, u. a. vom »Spiegel«: Er habe 1943, mit Adolf Eichmanns Hilfe, 20.000 Juden aus Thessaloniki vor dem Tod in Auschwitz bewahren wollen, sie sollten mit Schiffen des Roten Kreuzes nach Palästina abgeschoben werden. Das sei den beiden aber damals von Hans Globke, dem Kommentator der »Nürnberger Gesetze«, verboten worden. Mertens Pech: Der gerade in Jerusalem vor Gericht stehende Eichmann konnte sich partout nicht an diese Rettungsaktion erinnern. Statt dessen hatte er im Verhör Belastendes mitzuteilen: »Wenn Dr. Merten als Vertreter des Militärbefehlshabers gegen die Deportation protestiert hätte, hätte Brunner die Deportation nicht durchführen können. Denn das Primat in allen diesen Fragen und die Befehlsgewalt lag bei Dr. Merten als Vertreter des Militärbefehlshabers.«

Globke klagte erfolgreich vor dem Bonner Landgericht gegen Merten, die regierungsnahe Publizistik konnte die Anschuldigungen gegen Adenauers Staatssekretär als internationale linke Verschwörung denunzieren. Auch die DDR wurde ins Spiel gebracht und darauf hingewiesen, daß kein geringerer als der spätere SED-Staranwalt Friedrich Karl Kaul für Merten gebürgt hatte, als der bei der Berliner Anwaltskammer um Zulassung nachsuchte. Merten starb 1971 und war in Deutschland bald vergessen. Nicht so in Thessaloniki, wo einige Auschwitz-Heimkehrer noch heute zittern, wenn sie seinen Namen hören, denn er war für sie der »Herr über Leben und Tod«. Und nach diesem Mann gefragt zu werden, damit hätte Mertens ehemaliger Parteifreund Rau bei einem Besuch der Jüdischen Gemeinde wohl rechnen müssen.

Vor ein paar Wochen ist der Judenjäger Merten, fast 30 Jahre nach seinem Tod, erneut in die Schlagzeilen gekommen. Griechische Taucher wollen in diesem Sommer, so meldete am 17. Juni 2000 die Deutsche Presseagentur, im Auftrag des Zentralrats der Juden in Griechenland nach einem Teil der wertvollen Beute suchen, die der Kriegsverwaltungsrat bei seinem Abschied von Thessaloniki 1944 nicht habe mitnehmen können - Goldbarren, Juwelen und wertvolle liturgische Gegenstände aus dem Besitz der Gemeinde. Ein gesunkenes Schiff mit dem Schatz des Max Merten an Bord will nämlich ein Grieche im Golf von Messenien geortet haben. Erfahren haben will er davon 1957 als Mithäftling Mertens im Athener Averoff-Gefängnis. Ob da tatsächlich noch Teile der Beute auf dem Meeresgrund liegen, sei dahingestellt, wahrscheinlich ist es nicht. Schließlich hätte Merten selber genug Zeit gehabt, die Beute heimlich bergen zu lassen. Doch mag die spektakuläre Schatzsuche Anlaß sein, das Augenmerk auf den Teil des geraubten jüdischen Privatvermögens zu richten, der mutmaßlich beim deutschen Staat gelandet ist, und darauf, wie sich die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches höchst offiziell zum Haupterben dieses Nachlasses gemacht hat.

Allein in Form von Gold und Preziosen, so eine Schätzung der Jüdischen Gemeinde aus den 50er Jahren, habe der Wert der von Max Merten jüdischen Privatleuten abgepreßten und ins Deutsche Reich verbrachten Beute 130 Millionen Mark betragen, was man in Bonn anerkannte. Einen Antrag auf Rückgabe stellen konnten nach Ansicht Bonns indessen nur Überlebende bzw. die Erben der Ermordeten; von denen gab es aber, wie schön für den Bonner Finanzminister, nur noch wenige: Die Antragsteller, die in Bonn vorstellig wurden und z.T. mehr als zehn Jahre um Entschädigung kämpfen mußten, repräsentierten nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums nur 10 Prozent der Geschädigten. Bonn stellte also 13 Millionen zur Ausschüttung bereit, was nichts anderes heißt als: Der Rest der fiktiven Beute, die restlichen 90 Prozent der 130 Millionen, sollten dem deutschen Staat anheimfallen. »Deutschland erbt statt jener, die nicht mehr erben können, weil sie zu Seife geworden sind«, zitierte der »Spiegel« 1971 den Präsidenten des Zentralrats der griechischen Juden, Josef Lovinger.

Ein anderer hatte weniger Entschädigungsprobleme: der Judenjäger Merten. Er erhielt aus der deutschen Staatskasse für die in griechischer Haft erlittene Unbill eine »Heimkehrerentschädigung«. Wieviel das war, ist nicht bekannt, es dürfte aber die seinen wenigen überlebenden Opfern zugestandenen 5 Mark pro Tag in Auschwitz um einiges überschritten haben.

Eberhard Rondholz schrieb in KONKRET 9/96 über den NS-Kriegsverbrecher Priebke

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Children of the Revolution - Eleftheria

Das griechische Jerusalem
Tagung über die Geschichte der Juden von Thessaloniki

Von Eberhard Rondholz

Was Jiddisch ist, das wissen bei uns die meisten, und die Klezmer-Musik der ashkenasischen Juden des europäischen Ostens kennt man ja auch. Von Geschichte und Kultur der Sefarden haben in Deutschland aber nur die wenigsten gehört. Jener Juden, die Ende des 15. Jahrhunderts aus ihrer spanischen Heimat, die sie Sefarad nannten, vertrieben wurden, und die in ihrer Mehrzahl im damaligen Osmanischen Reich Zuflucht fanden. Vor allem in der mazedonischen Hafenstadt Saloniki, damals ein entvölkerter Ort von gerade noch 3000 Einwohnern, ließen sie sich nieder. Sie verhalfen Saloniki zu neuer wirtschaftlicher und kultureller Blüte, vier Jahrhunderte lang war das ihre Stadt, sie nannten sie "Madre de Israel" oder auch "Jerusalem des Balkans". Und sie bewahrten über die Jahrhunderte spanische Kultur und Sprache. Dabei gelang es ihnen, ihr (bald mit hebräischen und türkischen Vokabeln angereichertes) Spanisch zur gemeinsamen Sprache aller Juden im Osmanischen Reich zu machen.

In Thessaloniki assimilierten sie sowohl die griechischsprachigen Juden, die Romanioten, die schon zu Zeiten des Apostels Paulus hier ansässig waren, als auch die einwandernden jiddisch sprechenden ashkenasischen Juden aus Osteuropa. Und schließlich wurde Judenspanisch oder Ladino, wie es auch genannt wird, von einem großen Teil der Griechen gesprochen, sie waren damals ja nur eine Minderheit unter mehreren in dieser Stadt, deren Wirtschaftsleben von der jüdischen Bevölkerungsmehrheit dominiert wurde.

Bis ins Jahr 1912, als am Ende des 2. Balkankriegs die griechische Armee die Stadt einnahm und dem neugriechischen Staatsverband einverleibte.
All das konnte man am vergangenen Wochenende auf einem internationalen Kongress erfahren, den die jüdische Gemeinde der Stadt ausgerichtet hat. Nicht viel mehr als 1000 Menschen zählt diese Gemeinde heute, 50.000 waren es noch im Frühjahr 1943, als SS und Wehrmacht mit ihrer Deportation nach Auschwitz begannen. Ladino hört man in Saloniki nur noch selten. In der Synagoge wird es am Shabat noch regelmäßig benutzt, aber verstanden wird es dort nur noch von den Ältesten. Die sefardische Kultur ist fast untergegangen, zum Forschungsobjekt für Philologen, Historiker und Volkskundler geworden.

Griechen sind allerdings nicht darunter. Die Referenten der Tagung kamen von der Sorbonne und der University of California, aus Basel, Madrid und Jerusalem. Erstaunlich auf den ersten Blick, dass ausgerechnet die Universität der Stadt, die über vier Jahrhunderte das Zentrum sefardischer Kultur gewesen ist, dieses Erbe bis heute ignoriert, wie die Kongress-Organisatorin, Rena Molcho, mit Bedauern feststellte.

Warum das so ist, hat Rena Molho nicht expressis verbis gesagt. Aber man kann das ahnen. Das Verhältnis der Stadt Saloniki zu ihren jüdischen Bürgern ist seit langem gestört, spätestens seit 1943. Anders als in der griechischen Hauptstadt Athen, wo die Juden auf die Solidarität und Hilfe der Behörden wie der Kirche zählen konnten, hat die Stadt Saloniki sich der Deportation ihrer jüdischen Bürger nicht widersetzt. Vielleicht, weil sie auf ein begehrtes Stück Bauland scharf war? Es ging um den jüdischen Friedhof, genauer: um jenen fast zweieinhalb Hektar umfassenden Teil davon, der unbestreitbar jüdisches Eigentum war. Heute steht auf diesem Gelände mit seinen einst 500.000 Gräbern die Universität, und noch 60 Jahre nach der Shoah bemüht sich die jüdische Gemeinde vergeblich um eine kleine Kompensation für das geraubte Stück Land. Geraubt wurde damals nicht nur das jüdische Friedhofsgelände - noch bevor der Kriegsverwaltungsrat Max Merten es der Stadtverwaltung überließ, waren christliche Plünderer am Werk. Um, unter anderen, Jahrhunderte alte marmorne Grabsteine als Baumaterial zu stehlen. Noch heute finden die Nachkommen überlebender Juden gelegentlich Grabmäler ihrer Vorfahren als Spolien in Treppenhäusern oder im Straßenpflaster wieder.

Aber diese Stadt scheint mehr als ein Problem mit ihrer 400-jährigen jüdischen Geschichte zu haben. Ihre heutigen Bewohner, mehrheitlich Nachkommen griechischer Flüchtlinge aus Kleinasien, die 1923 nach dem verlorenen Krieg gegen die Türkei hereinströmten, legen großen Wert auf eine ununterbrochene griechische Kontinuität der Stadt, seit ihrer Gründung vor 23 Jahrhunderten. Eine fixe Idee - vom Untergang des byzantinischen Reiches bis zum beginnenden 20. Jahrhundert war Saloniki alles andere als eine griechische Stadt, wie schon ausgeführt. Und im 19. Jahrhundert waren die meisten Banken und Handelshäuser, Fabriken und Manufakturen in jüdischem Besitz, die schönsten Villen und Herrenhäuser gehörten Juden, einige sind noch heute zu sehen. Die prachtvolle Villa Allatini gehört dazu, dort residiert heute die Präfektur, wem das Haus einmal gehört hat, wissen die wenigsten. Und so ist das auch mit dem Rest der jüdischen Stadtgeschichte, man weiß davon nichts und will es auch nicht wissen. So vieles wäre doch aus den noch reichlich vorhandenen judenspanischen Quellen zu erfahren - literarischen und profanen.

Dass es auch ein jüdisches Proletariat gegeben hat in dieser Stadt, wissen linke griechische Historiker immerhin zu berichten, aber die judenspanischen Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der mazedonischen Metropole werden kaum benutzt - die Zeitungen mit den nicht sehr griechischen Namen "Solidaridad Obradera", "Avanti" oder "El Combate", Organe der jüdischen Gewerkschaft "Federasyon". Man würde sie an ihrem ehemaligen Erscheinungsort auch vergeblich suchen, in der Universitätsbibliothek stehen sie nicht. Von den in Saloniki versammelten Forschern kann man erfahren, wo man diese Periodika suchen muss: im Ben Zwi-Institut in Jerusalem zum Beispiel. Und auch, wer sich wie Samuel Armistead an der University of California seinen Lebtag mit der Erforschung der sefardischen Romanzen-Tradition beschäftigt hat, sucht seine Quellen nicht an dem Ort, der einst der Mittelpunkt der judenspanischen Kultur gewesen ist. Georg Bossong, Romanistik-Professor an der Universität Zürich, erzählt, dass er für seine lingustischen Ladino-Forschungen in Saloniki nur eins gefunden hat: Menschen, die noch ein unverfälschtes Judeo-Espagnol sprachen. Im jüdischen Altersheim.

Etwas Erfreuliches konnten die Veranstalter der Tagung von Saloniki immerhin konstatieren. Zum ersten Mal hat das stadteigene Haus der Geschichte der jüdischen Gemeinde ihre Räume als Tagungsort zur Verfügung gestellt. Und das ist ja schon was.


 

hagalil.com 30-09-2006

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