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Pädagogik gegen Antisemitismus:
Ohne Biss und Nutzen

Von Ingolf Seidel

Im Herbst 2000 rief Bundeskanzler Gerhard Schröder staatsoffiziell den "Aufstand der Anständigen" aus gegen die zunehmenden Manifestationen des Rechtsextremismus in Deutschland.

Für die Umsetzung ihrer Vorstellungen des Engagements gegen den Rechtsextremismus schuf die rot-grüne Bundesregierung unter anderem drei Programme, blumig betitelt mit Namen wie Civitas, Xenos und entimon, zur Förderung sogenannter zivilgesellschaftlicher Strukturen, welche die demokratische Kultur im Lande befördern sollten.

Vorspiel

Unter dem Dach dieser Programme entstanden verschiedene Projekte, darunter nicht wenige mit pädagogischer und politisch-bildnerischer Ausrichtung. Eines dieser Projekte, durchgeführt während der Jahre 2003 bis 2005, in Trägerschaft des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e.V. (IDA), soll im Folgenden näher betrachtet werden.

Das aktuell sichtbare Ergebnis dieses, durch Mittel aus dem Programm "entimon – gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus" geförderten, Projektes sind zwei Broschüren, die einen Umfang von jeweils rund 50 Seiten haben.
Unter dem gemeinsamen Titel Antisemitismus – ein gefährliches Erbe soll Band 1 Informationen zu Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus bieten. Der zweite Band trägt den Untertitel Handreichung für die pädagogische Praxis. Erschienen sind beide Bände Mitte diesen Jahres unter der Redaktion von Dr. Frank Wichert, Birgit Rheims und Dr. Stephan Bundschuh.

Auf das Erscheinen der Broschüren durfte man skeptisch gespannt sein, firmierte doch das Vorhaben auf der Internetpräsenz von IDA unter dem blumigen Titel Primärer, sekundärer und tertiärer Antisemitismus. Pädagogische Modelle und Materialien zur Bearbeitung aktueller Erscheinungen des Antisemitismus in der Bundesrepublik. Anlass zu solcher Skepsis bot die Verwendung des ominösen Terminus tertiärer Antisemitismus, welcher weder in der Publizistik und noch weniger in der wissenschaftlichen Diskussion um Antisemitismus verwendet wurde und wird. Dennoch findet sich der Projekttitel bis heute unverändert auf der Homepage von IDA, taucht allerdings in den beiden Broschüren nicht weiter auf. Nach schriftlicher Auskunft von Birgit Rheims, der Projektleiterin, wurde der Begriff "Ende 2002 in dem Projektantrag als Kurzform gewählt um Denk- und Verhaltensweisen zu thematisieren, die vor allem bei muslimischen MigrantInnen anzutreffen sind. Dabei geht es um das Phänomen des Hasses auf die Politik Israels, auf alle Juden weltweit". Nun ist die Diskussion darum, ob es sich bei dem pathischen Hass auf Israel und dessen alleinige  Existenz, um einen "neuen Antisemitismus" im Sinne einer neuen "Qualität" judenfeindlicher Ressentiments handelt, durchaus seit einigen Jahren im Gange. Nur spielt in dieser Debatte weder der Begriff tertiärer Antisemitismus eine Rolle, noch ist es legitim als Träger eines "neuen Antisemitismus" ausschließlich jugendliche Migranten und Migrantinnen mit muslimischer Religion zu identifizieren.
Letzteres besitzt zwar vor dem Hintergrund eines politisierten Islam, dem Antisemitismus als Ideologem gewissermaßen ein konstitutives Element ist, und in einem quantitativen, wie im globalen Sinn seine Berechtigung. Eine derartige Formulierung, wie sie scheinbar Teil des ursprünglichen Finanzierungsantrages war,  verengt jedoch unzulässig den analytischen Focus und klammert beispielsweise die judenfeindlichen Einstellungen bei jenen Linken und Globalisierungskritikern aus, denen  Israel als "Jude unter den Staaten" fungiert. Selbstverständlich ist es notwendig, auch im Kontext politischer Bildungsarbeit, die Funktion des politischen Islam als totalitäre Ideologie zu kritisieren, in deren Logik ein Antisemitismus sich paart mit imperialen Gelüsten und einer archaischen Kultur von Ehrenmorden an dissidenten Frauen. Nur ist einer solchen Kritik auch eine Kritik des Antiimperialismus und des antizionistisch kaschierten Antisemitismus beiseite zu stellen. Was IDA hier als Versatzstücke von Theorie präsentiert ist dazu kaum geeignet. Oder grundsätzlicher formuliert, es wäre eine Aufgabe von politischer Bildungsarbeit eben Ideologiekritik zu leisten und sich hierüber auch selbst zu entpädagogisieren.

Die anfängliche Skepsis gegenüber dem IDA-Projekt erhielt weitere Nahrung durch einen Werbeflyer für ein "Training", welches sich "an MultiplikatorInnen der Jugend(verbands)arbeit" wendet. Leider ist dieser Flyer aktuell nicht mehr über die Website von IDA abrufbar. Das dort präsentierte Programm hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. So nahm ein Stadtrundgang zu jüdischem Leben recht breiten Raum ein. Die Frage nach dem cui bono einer solchen Übung stellt sich vehement, da dies unter der Überschrift "Antisemitismus erkennen und entgegentreten" firmiert. Nicht, dass es nicht sinnvoll ist, Kenntnisse zum Judentum zu vermitteln. Ganz im Gegenteil. Nur der Kontext in einem Seminar, welches mit ‚Antisemitismus erkennen und entgegentreten’ betitelt ist, wirkt befremdlich. Von den gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen  des Ressentiments scheint man abzusehen.

Eine weitere Eigentümlichkeit sei an dieser Stelle noch anzumerken. Während das erwähnte Werbefaltblatt einen einstündigen Programmpunkt unter dem Titel "Opa war kein Nazi"-Antisemitismus und deutsche Geschichte vermerkt, schrieb Frau Rheims dem Autor in einer diesbezüglichem E-Mail: "Die Aneignung deutscher Geschichte war kein expliziter Gegenstand unserer Veranstaltungen". Wie soll auch die pädagogische Behandlung der Judeophobie ohne Eingehen auf die deutsche Geschichte daher kommen?

Zwei Broschüren:
Viel Text – wenig Erkenntnisgehalt

Die beiden, in diesem Jahr veröffentlichten, Broschüren des IDA-Projekts beinhalten nun in erster Linie eine Reihe von Texten, die sich sowohl um verschiedene Ausdrucksformen von Antisemitismus drehen, als auch die Themen von Identität und Differenz von Rassismus und Antisemitismus behandeln. Selbstverständlich fehlen auch nicht Texte, die beanspruchen "Anregungen für die außerschulische Bildungsarbeit gegen Antisemitismus" zu geben. Insgesamt fällt es jedoch etwas schwer, die inhaltliche Trennung des Heftes Informationen zu Geschichte und Gegenwart von der Handreichung für die pädagogische Praxis nachzuvollziehen, da es im zweiten Heft thematische Wiederholungen des ersten Bandes gibt, so zum Beispiel bei dem Kapitel über Verschwörungsmythen, die einer Erklärung bedürften.
Auch fällt auf, dass die angebotenen praktischen Übungen nicht nur sehr rar gesät sind. Die  acht praktischen Angebote sind entweder kaum modifiziert aus dem Kontext der antirassistischen Bildungsarbeit übernommen. Oder sie stellen eine Art Werbeanzeige dar, wie im Fall des angebotenen Rollenspiels Delicate Balance, dessen Inhalt und Zielsetzung zwar beschrieben werden, zur praktischen Durchführung wird man jedoch auf das Institut für internationale Zusammenarbeit des deutschen Volkshochschulbundes verwiesen. Eine andere Übung wurde übernommen aus dem, für die Praxis sehr empfehlenswerten, Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit. Leider wurden hier die entscheidenden Reflexionsfragen, welche das Original den Ausführenden an die Hand gibt, einfach ausgelassen. Etwas pikant daran ist die Tatsache, dass die Neuauflage des 'Bausteins' ebenfalls mit Mitteln des entimon-Programms finanziert wurde.

Bereits bei einem ersten Durchblättern der Druckschriften fällt auf, dass es sich bei den meisten der 47 Aufsätze um Kürzungen von Zeitungsartikeln oder aus umfangreichen Büchern, bzw. Studien handelt. Nur sechs Schriften, die redaktionellen Einleitungen nicht mit gerechnet, stellen augenscheinlich so etwas wie Originalproduktionen dar. Dies muss kein zwangsläufiges Manko darstellen, wenn die Gesamtarbeit durch Auswahl und Zusammenstellung eine gewisse Konsistenz erhält. Ein Gutteil der versammelten Autoren und Autorinnen sind äußerst profiliert auf dem Gebiet der Antisemitismusforschung, wie Werner Bergmann und Wolfgang Benz vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung oder, die eher einer kritischen Gesellschaftstheorie verpflichteten, Lars Rensmann und Thomas Haury. Demgegenüber ist Viola Georgi dem postmaterialistischen Ansatz von Maurice Halbwachs verbunden und hat ihre Schwerpunkte in den Bereichen  ‚Menschenrechtserziehung’, historisch-politischer Bildung und Migrationsforschung.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen die Unterschiedlichkeit der präsentierten Ansätze sich mit Antisemitismus auseinander zusetzen, wobei die inhaltliche Spannbreite durch Texte von Raul Hilberg, Bassam Tibi, dem ‚Extremismusforscher’ Hans-Gerd Jaschke, Robert S. Wistrich, dem Journalisten Philipp Gessler und Salomon Korn noch deutlich erweitert wird. Es wäre müßig jeden Text zu besprechen, jeden Verfasser hervorzuheben.
Die Krux des Dargebotenen liegt vor allem in dem wenig kontextualisierten und beliebigen Nebeneinander, sowie dem Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff.

Deutlich wird das bereits an dem grundlegenden Text Frank Wicherts Antisemitismus: Kontinuität und Wandel. Wichert versucht sich, auf gerade drei Seiten, der Darstellung unterschiedlicher Definitionen davon, was unter Antisemitismus verstanden wird, anzunähern. Wie es der positivistischen Wissenschaft eigen ist, beginnt er mit Wilhelm Marrs rassistischer Darstellung, um danach in kurzen Absätzen Werner Bergmann, die Historikerin Rita Botwinick, Shulamit Volkov, Yehuda Bauer, George L. Mosse, nebst Helen Fein und Lars Rensmann zu zitieren. Das Ganze ist selbstverständlich brav durch Fußnoten abgesichert und auch ein kurzer Verweis auf Max Horkheimer fehlt nicht. Nur an der Problematik geht solches dennoch vorbei. Von den, sich an die Kritische Theorie anlehnenden Reflexionen eines Lars Rensmann bleibt bei Wichert als Quintessenz, dass jener ein "differenziertes Instrumentarium zur Bestimmung verschiedener Formen von Antisemitismus" bietet, welches "aber nicht nur dessen genauerer Analyse, sondern (...) auch der Gefahr eines inflationären Gebrauchs von 'Antisemitismus-Kritik' entgegentreten (soll, I.S.), die nach seiner Ansicht zur 'kriterienlosen und alarmistischen Verallgemeinerung der Antisemitismus-Kritik (ver)führen kann'." (IDA 2004, Bd.1, S. 9)
Auch an anderen Stellen wird Rensmanns Versuch der Aktualisierung einer kritischen Theorie über Antisemitismus derart ausschnitthaft betrieben, dass von den gesellschaftskritischen Impulsen, die ein solcher Ansatz anstrebt, kaum etwas bleibt. Zwangsläufig muss die essayistische Aufmachung der IDA-Broschüren zu Verkürzungen und unverbundenem Nebeneinanderstellen führen.
Eine Methodik von der sich eben jener Lars Rensmann in der häufiger zitierten Studie Demokratie und Judenbild ausdrücklich abgrenzt: "Die Untersuchung avisiert (...) nicht ‚abstrakt’ positivistisch, schematisch oder bloß additiv die Bestimmung und Bedeutung verschiedener Indikatoren und konstitutiver bzw. einflussreicher Faktoren (des Antisemitismus, I.S.), die in einem konzeptionellen Teil erarbeitet werden" (Rensmann 2004, S. 41)

Antisemitismus wird von Wichert bestenfalls als Oberflächenphänomen betrachtet und der Frage danach, wie eine Entstehung des antisemitischen Subjekts aussieht, wird überhaupt nicht nachgegangen. Gerade dies hätte allerdings einen besonderen Wert für Pädagogik, wie auch für die politische Bildungsarbeit. Was für Wicherts Darstellung des Begriffs des Antisemitismus gilt, kann für die gesamte Materialsammlung gesagt werden. Nämlich, dass sie eine "Halbbildung" (Adorno) produziert, in deren Klima "die warenhaft verdinglichten Sachgehalte von Bildung auf Kosten ihres Wahrheitsgehalts und ihrer lebendigen Beziehung zu den Subjekten" (Adorno 2003, S. 103) überdauern. Eine Reflexion über die Grenzen und Möglichkeiten von Bildung, wie auch ihrer Bedingungen in der Warengesellschaft wird man allerdings in den beiden Heften ebenso vergeblich suchen, wie Hinweise auf die Autoritarismusforschung, die doch gerade für pädagogisch Arbeitende recht nützlich wären.

So fehlt denn auch, verwunderlich bei diesem Thema, weniger erstaunlich in der Logik der Herangehensweise, jeglicher Hinweis auf Zusammenhänge zwischen einem spezifischen Verständnis von Arbeit, warenförmigem Freizeit- und Konsumverhalten und einer  regressiven, narzisstischen Konstitution der Einzelnen.

Es bleibt auf jeglicher Ebene, und das ist nicht allein dem IDA-Projekt vorzuwerfen, sondern ist typisches Problem der gesamten staatlichen Kampagne gegen ‚Rechts’, schon die  Frage unbegriffen, warum trotz millionenschwerer Aufklärungsprojekte in diesem Land sich die pathologischen Projektionen des Antisemitismus immer wieder auf das Neue zeigen und massieren. Dies zeigt sich nicht allein in Deutschland, sondern gerade auch weltweit und im Zusammenhang mit einem Rückbezug auf islamistische Gemeinschaftsmodelle, in Form einer phantasierten weltweiten Umma, als Gemeinschaft der Gläubigen, die sich gegen komplexe Realitäten von Gesellschaft wenden und ihren Hass und Todessehnsucht als suicide killer, oder deren Unterstützer, vor allem an jenen ausleben, die ihnen für Individualität und  Gesellschaftlichkeit stehen. Hierbei lässt sich nicht so tun, als hätten dem "Gottesbegriff des Propheten (...) Kriegszüge, gewaltsame Bekehrung, Ausrottung der Feinde niemals widersprochen" (Horkheimer 1985, S. 156) und als besäße nicht auch der Islam zur nationalen Macht besondere Affinitäten (vgl. ebda). Vor einer solchen Grundlage allerdings ließe sich das manichäische Weltbild, sowohl von Islamisten, wie auch des Panarabismus als säkularisierte Spielart analysieren. Die Funktion von Verschwörungstheorien gerade auch im arabischen Diskurs, in denen die Juden, oder wechselweise der US-Imperialismus, als Begründung dafür herhalten müssen, warum alle bisherigen arabischen Nationalismen ebenso gescheitert sind, wie auch das Umma-Konzept sich an den inneren Widersprüchen der verschiedenen islamischen Rackets bricht.

Um jedoch solcherart Kritik gar nicht erst aufkommen zu lassen, Horkheimer würde heute sicherlich der Islamophobie geziehen, wird von den IDA-Redakteuren ein Text Bassam Tibis aus der ZEIT derart verkürzt wiedergegeben, dass zwar seine Textstellen in denen er den ‚klassischen’ Islam von der Judeophobie freispricht, bestehen bleiben. Verschwunden sind in der IDA-Broschüre allerdings jene gewichtigen Passagen,  die eine Kritik an der Blindheit der deutschen Islamwissenschaft gegenüber dem Djihadismus darstellen; und weiter fehlen Tibis, zwar zu kurz greifende, aber wichtige Aussage, dass der schiitische Islam eine "fanatische Unterscheidung zwischen Reinheit (tahara) und Unreinheit (na-asa)" (Tibi 2003) trifft und diese auf die Juden überträgt.
Darin findet sich nach Basam Tibi "eine Grundlage für eine schiitische Spielart des Antisemitismus im Islam, die wir seit Chomeini vor allem durch die Äußerungen iranischer Ajatollahs kennen." (Tibi 2003)
Ob diese Kürzungen mit der Absicht geschahen Textstellen, die nicht in das Konzept der antirassistischen Bildungsarbeit von IDA passen, lieber auszulassen, oder ob dies nur der Oberflächlichkeit des Gesamtkonzepts geschuldet ist, sei dahin gestellt.

Selbstverständlich fehlt in den IDA-Heften auch nicht ein, in grauem Kasten besonders prominent präsentiertes "Info", dazu, dass "Israelkritik (...) nicht gleich Antisemitismus" ist (IDA 2004, Bd.1, S. 32). Die Marginalie, dass Kritik an Israel nicht zwangsläufig antisemitisch sein muss, sich jedoch häufig genug dahinter dann doch dass Ressentiment verbirgt, scheint einer besonderen Hervorhebung zu bedürfen, jedenfalls nach Ansicht der Autoren.

Hier rächt sich arg das augenscheinliche Fehlen einer schlüssigen Antisemitismustheorie der Herausgeber. Sie stellen eine Liste von vier Kriterien auf, an denen deutlich werden soll, ab welchem Israelkritik antisemitisch sei. Darunter fällt auch, wenn "unzulässige Vergleiche zwischen Israel und dem Nationalsozialismus hergestellt werden und z.B. die Aktionen der israelischen Armee mit der SS und dem Völkermord an den europäischen Juden gleichgesetzt werden, um (fett i.O., I.S.) das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen (...)." Dieses "Info" schließt mit einem Zitat Moshe Zimmermanns, welches hier ausführlich wiedergegeben werden soll: "Ein und derselbe Satz oder Ausdruck kann unterschiedliche Intentionen haben. Sogar Vergleiche mit dem Nationalsozialismus erhalten so eine unterschiedliche Bedeutung: Ein Vergleich kann auf die Unterschiede abzielen, er kann aber auch eine Verharmlosung oder Relativierung des Nationalsozialismus beabsichtigen oder eine Delegitimierung des Judentums." Pikant daran ist, dass Zimmermann  nicht nur gerne als jüdischer Kronzeuge bei Solidaritätsveranstaltungen für Palästinenser auftritt, um über reale oder vermeintliche Verfehlungen der israelischen Regierung zu referieren und "von neonazistischen und holocaustleugnenden Websites hoch gelobt wird", so haGalil-Autor Karl Pfeifer (http://www.nahost-politik.de/israel/zimmermann.htm). Zimmermann vergleicht eben auch selbst gerne einmal die Waffen-SS mit der israelischen Armee. Es kommt eben auf die Intention an? Mitnichten.

Skandalös und den Sprecher entblößend ist jede Gleichsetzung israelischer Politik mit dem Nationalsozialismus. Und es ist auch keine Frage des Standortes zu analysieren, dass auch Juden sich antisemitisch äußern können, wie auch das Beispiel von Norman Finkelstein zeigt. Wenn aber ein Begriff von dessen was Ideologie ist in diesem Zusammenhang fehlt und statt dessen Antisemitismus ‚nur’ als Vorurteil kategorisiert wird, dann gelangt man wohl zu solchen "Infos". Und Moshe Zimmermanns Zitat ist eben auch gar zu nützlich, es dient der Entlastung. Schlechtestenfalls ist die Funktion dessen, immer wieder Juden als Entlastungszeugen oder als moralische Autoritäten dafür zu präsentieren was doch alles über Juden, bzw. Israel diskursfähig ist, eine des Philosemitismus.

Die Frage danach, warum immer wieder der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern herhalten muss um alle möglichen Projektionen zu bedienen wird von IDA weder gestellt, noch sich ihr wirklich genähert. Es täte jedoch gerade im Kontext von politischer Bildungsarbeit Not den Antisemitismus sowohl in seiner Form als Ideologie, als auch in seinen sozialpsychologischen Voraussetzungen zu analysieren, um wirklich einen Beitrag zur Bekämpfung der Judeophobie zu leisten.

Ähnlich negativ fällt das Fehlen einer eigenständigen Thematisierung des Antiamerikanismus auf. Auch wenn Antisemitismus und Antiamerikanismus beileibe nicht in eins zu setzen sind, so ist doch "eines der Hauptmerkmale des gegenwärtigen neuen Antisemitismus in Europa als Epiphänomen des Antiamerikanismus auszumachen." (Markovits, S. 173)
Hier ist Andrei Markovits nur insofern zu widersprechen, als dass der Antiamerikanismus, weder in Deutschland, noch in Europa erst ein neues Phänomen ist und schon gar nicht nur für einen neuen Antisemitismus konstitutiv ist.

Mit "Bildung als Bekümmerung um die Idee" wie es Adorno einmal formulierte haben die IDA-Materialen leider herzlich wenig zu tun. Damit schwimmen sie gleichsam im Mainstream anderer Bildungsangebote. Dabei wäre es gerade in einer Bildungsarbeit gegen Antisemitismus angeraten seiner Klientel die schwierige Arbeit am Begriff zuzumuten. Deren emanzipatorischer Charakter läge denn auch darin, die so gern bemühten ‚bildungsfernen’ Jugendlichen zu einer Kritik bei der es ums Ganze geht zu qualifizieren. Das bedeutet sie auch mit den eigenen Beschädigungen zu konfrontieren, deren gesellschaftlichen Charakter offen zulegen und die Möglichkeit der Kritik zu eröffnen. Die beliebten pädagogischen Instrumentarien oder Schlagworte vom Perspektivenwechsel oder der Empathie, welche Jugendliche nach der gängigen pädagogischen Meinung zu erlernen hätten, beruhen auf der "Hoffnung, dass bessere kommunikative Verständigung eine bessere Welt bedeute" (Schäfer 2004, S. 131).
Als wäre der Antisemitismus ein Verständigungsproblem oder ließe sich mit der Übernahme einer jüdischen Perspektive, was immer das sein mag, bekämpfen. Solche Denkungsart beruht, wie Alfred Schäfer im Sinne Adornos richtig anmerkt, darauf, "dass Mittel in Zwecke verkehrt und damit verselbständigt werden" und selber noch in "der Logik der Identifikation" (ebda., S.131) gefangen sind.

Es ist Teil der Hilflosigkeit von Pädagogik, dass die von ihr Anvisierten, seien sie Jugendliche oder Erwachsene, sehr wohl das pädagogische Bemühen bemerken und häufig genug als das wahrnehmen was es ist: als Betrug. Oder wie von Adorno in seinem Aufsatz "Tabus über den Lehrberuf" formuliert: "Das Problem der immanenten Unwahrheit der Pädagogik ist wohl, dass die Sache, die man betreibt, auf die Rezipierenden zugeschnitten wird, keine rein sachliche Arbeit um der Sache willen ist."

Wie es anders gehen kann zeigt, wenn auch nicht alleinig pädagogisch ausgerichtet, das jüdische Online-Projekt haGalil. Nur zeigt das Beispiel haGalil eben auch, dass es in der Logik von institutioneller Förderung nicht besonders opportun zu sein scheint, neben breitgefassten Informationen zu Judentum, Israel, Shoa und Antisemitismus, um nur einige Schlaglichter aufzugreifen, auch noch einen materiellen Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus im Internet zu leisten.
Es ist hier nur in einer Randbemerkung anzufügen, dass das Internet als sowohl wichtigstes Medium zur Verbreitung judeophober Propaganda in den IDA-Heften ebenso ausgespart wird, wie denn auch in der Konsequenz jeder Hinweis auf einen medienpädagogischen Umgang mit diesem wohl wichtigsten Informationsmedium für Jugendliche fehlt.

In letzter Konsequenz stellt sich die Frage welchen Nutzen Projekte, wie das hier besprochene des ‚Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit’ nun haben. So legitim es ist, wenn sich Pädagogen und Pädagoginnen im Bereich politischer Bildungsarbeit mit derlei eine Zeit lang ihren Lebensunterhalt sichern, so wenig tragen Projekte wie das hier vorliegende zum Kampf gegen Antisemitismus bei.

Literatur:

  • Adorno, Theodor W.: Theorie der Halbbildung, in: Gesammelte Schriften, Bd. 8 (2003) Suhrkamp, Frankfurt/M..

  • Adorno, Theodor W.: Tabus über den Lehrberuf, in: Gesammelte Schriften, Bd. 10.2 (2003) Suhrkamp, Frankfurt/M..

  • Horkheimer, Max: Macht und Gewissen, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 7 (1985), Suhrkamp, Frankfurt/M..

  • Markovits, Andrei S.: Amerika, dich haßt sich’s besser. Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa (2004) KVV konkret, Hamburg.

  • Rensmann, Lars: Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland (2004) Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.

  • Schäfer, Alfred: Theodor W. Adorno. Ein pädagogisches Porträt (2004) Beltz, Weinheim Basel Berlin.

  • Tibi, Bassam: Der importierte Hass, in DIE Zeit 07/2003  www.zeit.de/2003/07/Islamismus_neu

hagalil.com 15-01-2006

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