Emotionalisierte Solidaritätskampagnen:
Die selektive
Solidarität der Steirischen Friedensplattform
"...anscheinend lernen die hebrews nicht aus
der geschichte - obwohl sie diese jedem anderen vorhalten um noch ein paar
dollars rauszuquetschen..."
Von Karl Pfeifer
Ich
habe versucht mich über die Grundsätze der Steirischen Friedensplattform
zu informieren, nachdem ich die obigen antisemitischen Stereotype über einen
Aufruf der Friedensplattform fand. Leider steht auf ihrer Homepage
unter der Rubrik "über uns", dass die Seite sich im Aufbau befindet. Bei
näherer Betrachtung ihrer Publikationen fällt ihre Nähe zur Grazer KPÖ auf.
Freilich war schon die Friedensbewegung während der Existenz der Länder des
"realen Sozialismus" eine Frontorganisation der KPÖ, deren Ziel es war, auch
und gerade Menschen aus anderen weltanschaulichen und politischen Lagern zu
mobilisieren. Ein Blick in ihre Homepage genügt, um festzustellen: Zentrales
Thema der Steirischen Friedensplattform ist der israelisch-arabische
Konflikt.[1]
Die
Frage, weshalb von all den blutigen Konflikten im Nahen Osten fast
ausschließlich der israelisch-arabische Konflikt wahrgenommen und
ausgerechnet der jüdische Staat oft untergriffig und ungerecht angegriffen
wird, während man über massive Menschenrechtsverletzungen und blutige
Kriege, wie den irakisch-iranischen Krieg schwieg und schweigt, hat mich
bereits 1982 beschäftigt. Ich schrieb damals u.a. und das ist leider bis
heute aktuell geblieben: "Diskutiert man diese Frage in Österreich, so hört
man häufig: "Bedeutet der österreichische Anteil an der Ermordung von
Millionen Juden, daß man 50 Jahre danach den Staat Israel überhaupt nicht
kritisieren darf." Meine Antwort auf diese Frage ist und war eindeutig:
"Jede sachliche Kritik, die Israel mit dem gleichen Maßstab wie andere
Staaten mißt, ist berechtigt. Wenn aber Juden, jüdische Organisationen oder
der jüdische Staat mit besonderen Maßstäben gemessen werden, dann haben wir
es, was immer die Diskriminierer beabsichtigen und denken, mit
Antisemitismus zu tun." [2]
Um
die Frage zu beantworten, muss man die ideologisch auf Israel Fixierten mit
der Realität des Nahen Ostens konfrontieren, obwohl die meisten, diese wenn
überhaupt nur selektiv wahrnehmen, sei es weil sie nicht wollen, sei es weil
sie dazu nicht fähig sind.
Diese
selektive Wahrnehmung insbesondere bei Kommunisten und Friedenskämpfern hat
eine lange Geschichte. Ein Beispiel dafür ist die KPÖ, die brav und folgsam
antisemitische Lügen verbreitete, als diese – versteckt hinter der Maske des
"Antizionismus" – aus den Ländern des "realen Sozialismus" kamen,
und gleichzeitig den Antisemitismus leugnete. Im Volksstimme-Leitartikel zum
Slansky-Prozeß, am 28. November 1952, hieß es: "Da sie doch nicht zugeben
können, daß sie eine entscheidende Niederlage erlitten haben, wollen sie
jetzt aus diesem Prozeß gegen die amerikanische Verbrecheragentur einen –
‚Judenprozeß’ machen." Ende 1952 wurden die im Slansky-Prozeß gefällten
Todesurteile vollstreckt, von den 14 Hingerichteten waren 11 Juden.
Am
14. Januar 1953 erschien in der Volksstimme ein Artikel, der über die
Ärzteaffäre unterrichtete, das war die Beschuldigung gegen eine Gruppe
sowjetischer Ärzte, denen man vorwarf, sie hätten sich zum Ziel gesetzt, das
Leben leitender Persönlichkeiten der Sowjetunion durch vorsätzliche
schädliche Behandlung zu verkürzen: "Die meisten Mitglieder der
Terroristengruppe standen mit der internationalen jüdischen
bürgerlich-nationalen Organisation ‚Joint’ in Verbindung.... Der verhaftete
Wowsi gestand während der Untersuchung, für den Moskauer Arzt
Schimoliowitsch und den bekannten jüdischen bürgerlichen Nationalisten
Michoel [es handelt sich um den Schauspieler Solomon Mikhoels, Präsident
des Jüdischen Antifaschistischen Komitees, der im Auftrag Stalins während
des Krieges in die USA fuhr, um Unterstützung zu mobilisieren und 1948 von
"Tschekisten" ermordet wurde], aus den USA von der Organisation ‚Joint’
die Weisung zur Ausrottung der leitenden Kader der Sowjetunion erhalten zu
haben..." [3]
Es
musste 1968 wieder zu einer antisemitischen Kampagne in "Volkspolen" kommen,
damit doch einige in der KPÖ dagegen protestierten. Anfang 1969 stellte die
KPÖ sogar Antisemitismus in der eigenen Partei fest. Seither ist viel Wasser
die Donau und die Mur herabgeflossen, aber Lehren aus dieser Geschichte
haben die mit der KPÖ eng zusammenarbeitenden Friedenskämpfer nicht gezogen.
Wie eine Mantra wird wiederholt, dass Antisemitismus nur bei
Rechtsextremisten zu finden ist und es links keinen Antisemitismus gibt und
geben kann.
So geschah es auch in
Graz. Auf Grund eines Protestes von Mayday 2000 [4] untersagte der Rektor
der Universität eine Diskussionsveranstaltung bei der Fritz Edlinger hätte
moderieren sollen. KPÖ Graz und die Steirische Friedensplattform
haben sich sofort solidarisch mit dem Herausgeber der antisemitischen
Hetzschrift "Blumen aus Galiläa" erklärt und den Vorwurf der Verbreitung
antisemitischer Propaganda einfach vom Tisch gewischt. [5]
Fritz
Edlinger machte über Monate hinweg das Gleiche, doch da er an der Grazer
Universität sprechen wollte, hat er einen Rückzug angetreten und sich von
diesem Machwerk distanziert. Über die Folgen der Veranstaltung im Dezember,
an der auch Edlinger teilgenommen hatte, berichtete Falter Steiermark
(1-2/06) : "PALÄSTINA Um den Protesten gegen einen Auftritt von Fritz
Edlinger – Herausgeber des antisemitischen Buches "Blumen aus Galiläa" zu
begegnen, erklärte sich Zeitgeschichtler Helmut Konrad bereit, bei der
Veranstaltung an der Grazer Uni das Problem anzusprechen. Nach der
Diskussion geriet nun Konrad selbst ins Kreuzfeuer. Der Verein für Palästina
nannte seinen Auftritt beschämend, da er die Palästinenser nicht erwähnt
habe, In einem offenen Brief schrieb der Verein, Konrad könnte von seinen
Enkeln mit der Mitschuld an den Verbrechen gegen die Palästinenser
konfrontiert werden. Konrad verständnislos: "Da wird mir Mitschuld an
Kriegsverbrechen unterstellt."
Tatsächlich unterzeichnete für den Verein Palästina (Steiermark) Herr Al
-Hussein Waleed diesen offenen Brief an Prof. Helmut Konrad, in dem
u.a. folgender Vorwurf zu lesen ist:
"Ihre Ressentiments gegenüber dem palästinensischen Volk waren unüberseh-
und unüberhörbar! Wie sonst lässt sich erklären, dass Sie keinen einzigen
Satz darüber verlieren, wie wichtig Veranstaltungen über die Lage in
Palästina auf der Uni sind? Wie erklären Sie, dass sie über das traurige
Schicksal eines jüdischen Professors an der Karl-Franzens-Universität
sprechen, aber kein einziges Wort für das Schicksal des palästinensischen
Volkes finden?"
Der
Brief schließt mit folgenden Sätzen: "Die Lage
unseres Volkes ist so dramatisch, dass bereits ein Nicht-Einnehmen einer
solidarischen Position als zustimmendes Schweigen gewertet werden kann.
Genug Palästinenser haben an jenem Abend ihre Worte registriert. Im Namen
der palästinensischen Gemeinde hier in Graz und Steiermark verlangen wir
Ihre Entschuldigung."
[6]
Dies
ist unbestreitbar eine neue Qualität der politischen Diskussion und die
Grazer Freunde des Herrn Al-Hussein Waleed wären gut beraten, von ihm zu
fordern, sich für diesen Brief bei Prof. Konrad zu entschuldigen. Doch seine
Anschauung, man dürfe gegen Antisemitismus in Österreich nur dann auftreten,
wenn man auch zum Konflikt Israel/Palästinenser (IL/PA) eine (einseitige)
Stellungnahme abgibt, hat leider Schule gemacht.
Die
Steirische Friedensplattform erklärte in ihrem Brief vom 23.11.
"Wir sind gegen Antisemitismus, gegen Faschismus und gegen jede Art von
Rassismus!"
Wie
das in der Praxis ausschaut fand ich auch auf ihrer Homepage und zwar nach
einem langen Artikel von Uri Avnery, der so endet: "Und die Menschen in
Israel? Die armen, durch eine Gehirnwäsche gegangenen, verzweifelten und
apathischen Leute mischen sich nicht ein. Die schweigende, blutende Mehrheit
benimmt sich so, als ginge dies sie und ihre Kinder nichts an. Sie folgen
Scharon, wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln direkt ins Verderben
nachfolgten."
Unmittelbar danach folgt folgende Eintragung:
"spiral_23
18.09.2003, 14:03
und wann wird der kriegsverbrecher ariel sharon endlich deportiert ?- oder
man knallt ihn einfach ab - wie damals dieser ultraorthodoxe wirrkopf -der
yitzak rabin - erschoss. - dieser hatte ja gezeigt ,dass auch yassir arafat
und die palestinenser durchaus den Frieden wollen!- lieber bauen die hebrews
eine mauer - letztmals passiert unter dem stalinistischen regimes in den
ehemaligen warschauer pakt staaten . aber anscheinend lernen die hebrews
nicht aus der geschichte - obwohl sie diese jedem anderen vorhalten um noch
ein paar dollars rauszuquetschen - ridicolous ! gestern wurde den hebrews
wieder einmal der arsch im un sicherheitsrat gerettet - durch ein veto des
selbsternannten wer nicht für uns ist- ist für den terror faschoregimes in
den USA !"
[7]
Hier
kommt in der anscheinend unter den Grazer Postern üblichen Sprache das zum
Licht, was man in der Theorie leugnet. Nämlich der ganz gewöhnliche
Antisemitismus: Die Juden lernen nicht aus der Lektion, die ihnen die
nationalsozialistisch geprägte deutsch-österreichische Volksgemeinschaft
gab, die Juden lernen nicht aus der Geschichte – und sie erdreisten sich
"diese jedem anderen vorhalten um noch ein paar dollars rauszuquetschen."
Diese Eintragung befindet sich bereits mehr als zwei Jahre auf der Homepage
unter der ein Aufruf der Steirischen Friedensplattform steht und hat
keinen der kommunistischen, sozialistischen und katholischen
Friedenskämpfer, die sich zum Teil derartig intensiv mit IL/PA beschäftigen,
gestört.
Mayday 2000 geht in einer absolut lesenswerten Stellungnahme auf die
antisemitische Argumentation dieser Friedensfreunde detailliert ein.[8]
In
ihrem Brief an den Rektor der Grazer Universität behauptet die Steirische
Friedensplattform sogar: "Nachrichten über die Situation in Palästina
haben nicht viel Platz in unseren Medien". Das weist auf
Realitätsverweigerung hin. Über keinen anderen Konflikt wird so viel
berichtet (und leider oft so parteiisch) wie über den Konflikt IL/PA.
Die
Fokussierung auf diesen einen Nahostkonflikt und die fast totale
Vernachlässigung anderer Konflikte, die ganz andere Dimensionen haben, wie
sie charakteristisch für einige Gruppen nicht nur in Graz ist, wirft Fragen
auf, was diese einseitige emotionalisierte Stellungnahmen für die
vermeintlichen Interessen der Palästinenser motiviert.
Wenn
nämlich stimmt, was sie behaupten, dass ihre Konzentration auf den Konflikt
IL/PA nur vom Mitleid und Mitgefühl für die Leiden der Palästinenser
motiviert ist, wieso gibt es kein Mitleid, keine Solidarität für die vielen
anderen Verfolgten, Vertriebenen und Unterdrückten im Nahen Osten?
Wieso
wird von diversen "Antizionisten" der perverse Vergleich der
palästinensischen Lage mit dem Holocaust gezogen? Und weshalb wiederholen
sie immer wieder den Vorwurf, Israel würde an den Palästinensern einen
Völkermord begehen? Jede zuverlässige Statistik zeigt das die hohe
Bevölkerungswachstum auf. Doch diejenigen, die überschwänglich Partei
ergreifen, wünschen nicht mit Statistiken oder der Realität verwirrt zu
werden.
Gerade diese Tage, beschwerten sich "Ärzte ohne Grenzen", dass humanitäre
Katastrophen in Europa nur sehr beschränkt wahrgenommen werden und erwähnten
dabei auch den Sudan.
Ende
2005 erschoss die ägyptische Polizei 25 sudanesische Flüchtlinge vor einem
Gebäude des UNHCR in Kairo, die zu einer Gruppe sudanesischen Flüchtlingen
gehörten, die verlangten in ein anderes Land gebracht zu werden u.a. auch
weil sie unter ägyptischen Alltagsrassismus litten. Das hat kaum eine
Reaktion ausgelöst.
Die
Vereinten Nationen geben jährlich einen "Bericht über die menschliche
Entwicklung" heraus, der 177 Staaten nach Einkommen, Gesundheit und
Erziehung reiht. Im letzten Bericht (ISBN 3-923904-61-4) über das Jahr 2005
finden wir einige Absätze über die Lage im von Islamisten regierten Sudan,
in dem der Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden "in zwei
Jahrzehnten über zwei Millionen das Leben gekostet und sechs Millionen
Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht. Sobald dieser Konflikt
überstanden war, brach eine neue vom Staat angestachelte humanitäre Krise in
der Region Darfur im Westen des Landes aus. Bis heute hat der Konflikt
schätzungsweise 2,3 Millionen Binnenflüchtlinge produziert; mindestes
200.000 weitere Menschen sind in den benachbarten Tschad geflohen."
Und
weiter: "Derweil erzeugt der Konflikt [Darfur] die Bedingungen für eine
langfristig ungesicherte Nahrungsmittelversorgung. Das Ausmaß der
Vertreibung ist so groß und dauerhaft, dass aller Voraussicht nach nur
wenige Haushalte in ihre Heimatorte zurückkehren werden. Dies hat zum
Ergebnis, dass es für die Menschen noch schwieriger wird, Zugang zu
Nahrungsmitteln zu erhalten und ein Einkommen zu erzielen."
"Die
Auffanglager in der Region Darfur mit schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen
sind zum Symbol der Vertreibung geworden. Nachdem sie von Milizen, die von
der Regierung unterstützt werden, aus ihrer Heimat vertrieben wurden, sehen
sich die Menschen weit höheren Risiken von Unterernährung und
Infektionskrankheiten gegenüber als zuvor."
Soweit aus dem nüchternen Bericht der Vereinten Nationen.
Wie
sieht das die Steirische Friedensplattform?
"Die Vorbereitung von
neokolonialen Kriegen soll den BürgerInnen mit Argumenten um
Vollbeschäftigung und Erhalt des Wohlstands schmackhaft gemacht werden. So
auch im Sudan: Der Konflikt in Darfur, durch Waffenlieferungen aus dem
Westen geschürt, wird jetzt den Weltmedien präsentiert, um Interventionen
durchzuführen. Ob militärisch oder politisch, wichtig ist, sie unter dem
Deckmantel der Hilfestellung zu verbergen. Reich an Ressourcen wie Erdöl,
Kobalt, Chrom und Platin ist der afrikanische Kontinent ein weiterer
Spielball der reichen, industrialisierten Länder, die alles daran setzen,
sich an seinen Reichtümern zu bedienen. Kolonialisierung bedeutet, dass ein
Teil der Menschheit
auf Kosten des anderen Teils lebt. Die zunehmende Aufrüstung, ob mit
Euro-Fighter oder Fuchs Panzer, folgt dieser Logik. Der global
voranschreitende Unfriede geht mit der global voranschreitenden
Ungerechtigkeit Hand in Hand!" [9]
Diese
"materialistische" Schilderung übersieht einige wichtige Fakten, in Darfur
werden Bauern von ihren Feldern von Milizen verjagt, die von der Regierung
unterstützt werden. Eines der Länder, die jede Verurteilung des Sudans durch
die UNO verhindern ist die Volksrepublik China, die mit dem Sudan enge
wirtschaftliche Beziehungen pflegt und alles daran setzt "sich an seinen
Reichtümern zu bedienen". Aber an all dem Elend im Sudan, sollen laut
Friedensplattform allein die "Waffenlieferungen aus dem Westen" die
Schuld tragen, Auch dann wenn die unglücklichen Bauern in Darfur, die
von den Milizen verjagt werden keine Waffen haben. Die Friedensplattform,
hat aber – wie in den "guten alten Zeiten" des "realen Sozialismus" – die
Welt in zwei geteilt, auf der einen Seite sind die unterdrückten Völker und
auf der anderen Seite, die Unterdrücker. Wenn die islamistische Regierung in
Khartum zu den "unterdrückten" gehört, dann gehören ihre Opfer
notwendigerweise zu den Unterdrückern, eine klassische Opfer-Täter Umkehr.
Es sind diese einfältigen Vereinfachungen, auf die man dann eine breite
"Volksfrontbewegung" aufbauen kann, und dabei spielt die Verteufelung
Israels keine geringe Rolle. Das liest sich unter dem Titel "ISRAEL" dann
so:
"Die
US-Regierung unter Bush jun. führte mit diesem Krieg den Totentanz im Nahen
Osten fort, den Vater Bush 1990 im Duett mit der israelischen Regierung
eröffnet hatte." [9] Wieder einmal leistet die Friedensplattform
tüchtig Realitätsverweigerung. Israel hat sich weder am ersten noch am
zweiten Irakkrieg beteiligt. Während des ersten Irak-Kriegs wurde Israel mit
irakischen Raketen beschossen und getroffen. Doch was macht das schon, wenn
die Plattform ein Duett unterstellt, das es nicht gab, während sie
nicht erwähnt, dass Syrien sich im ersten Irak-Krieg an die Seite der
Alliierten stellte.
Wenn
wir dann der Logik der Plattform folgen, dann ist "die 2. Intifada
mit ihren Selbstmordattentaten" lediglich die Kehrseite, denn "Israel hat
den Friedenswillen der PalästinenserInnen mit Füßen getreten." Wer aber nur
die israelischen Versäumnisse nach den Vereinbarungen von Oslo erwähnt, und
kein Wort über die palästinensischen sagt, der wird der komplexen Realität,
dieses Konflikts nicht gerecht.
Im
Bericht der Vereinten Nationen finden wir auch die für die Palästinensische
Autorität (PA) gültige Feststellung: "Die Entwicklungshilfe hat die
menschliche Entwicklung nicht immer auf positive Weise unterstützt, zum Teil
aufgrund von Fehlern und Versäumnissen auf Empfängerseite und zum Teil, weil
die Geberländer zugelassen haben, dass strategische Überlegungen die
Oberhand über Entwicklungsanliegen gewinnen."
Manchmal hat diese positive Diskriminierung der PA skandalöse Dimensionen.
Die PA wurde nämlich bevorzugt ohne jede Beziehung zu ihrer Situation oder
Bedürfnisse. Macht es einen Sinn, solch umfangreiche Hilfe zu gewähren, wenn
die PA kein Zeichen gibt, diese Hilfe effektiver zu verwenden? Die der PA
gewährte Finanzhilfe hat in Wirklichkeit ihre Entwicklung gehindert.
Der
Bericht widerspricht den voreingenommenen Warnungen vor wirtschaftlichen und
gesundheitlichen Katastrophen auf dem Gebiet der PA, denn er teilt die 177
Länder in drei Kategorien der menschlichen Entwicklung, und zwar in Hohe,
die entwickelten Länder, in Mittel, die Länder im Mittelfeld und die
schwachen Länder in der Kategorie niedrig. Die PA ist im mittleren Feld und
vor den meisten arabischen Staaten eingereiht.
Die
PA befindet sich auf dem siebenten Platz von 103 Entwicklungsländern im
Armutsindex des Berichts, gleichstehend mit Singapur, Kuba und Kolumbien und
ist in einer besseren Situation als Ägypten und Saudi Arabien. In den Jahren
nach Oslo, so der oben erwähnte Bericht der Vereinten Nationen "waren in den
besetzten palästinensischen Gebieten gewisse Verbesserungen bei der
menschlichen Entwicklung zu verzeichnen." Ohne Intifada wäre die Situation
der PA wesentlich besser, denn die vier Jahre Gewalt haben die Armutsrate
mehr als verdoppelt.
Natürlich ist die PA verantwortlich für die sich fortsetzenden Misserfolge,
für die Korruption, die verschwendete Spenden und den Mangel an Transparenz.
Hätten Arafat, Abu Mazen und Co die seit 1994 erhaltene Hilfe rational
eingesetzt, durch Entwicklung der Industrie- und Tourismus-Infrastruktur und
hätten sie die finanzielle Unterstützung terroristischer Organisationen die
sie als "Aufrechterhaltung von Sicherheitskräften" verstecken,
gestoppt, dann hätten sie viele Arbeitsplätze geschaffen und jeder
Palästinenser hätte einen Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen.
So
aber werden fast wöchentlich Ausländer als Geisel genommen, damit die PA
noch weitere Terroristen als Mitglieder ihrer "Sicherheitskräfte" einstellt.
Die
"Rettungsmissionen" der USA, der EU und Japans versagen nicht nur bei der
Lösung der Grundprobleme der palästinensischen Gesellschaft, sondern führen
zur Verhinderung von zweckmäßigen Programmen für eine grundlegende Änderung.
In
Graz veranstaltete am Freitag den 26. September 2003 die Steirische
Friedensplattform fünf Stunden "Solidarität mit Palästina. Ihre
Forderung "Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge in ihre
Heimat!" verdient Beachtung. Denn 1948 gab es 650.000 – 750.000
arabische Flüchtlinge aus dem Gebiet des Staates Israel. Heute zählt man
ungefähr vier Millionen "palästinensische Flüchtlinge", deren überwiegende
Mehrheit bereits in dritter und vierter Generation außerhalb Israels lebt.
Die UNRWA unterstützt zum Beispiel im Libanon, Menschen als
"palästinensische Flüchtlinge", deren Großeltern bereits im Libanon geboren
worden sind. Ein großer Teil dieser Menschen vegetiert in Flüchtlingslagern,
hat kein Recht im Libanon zu arbeiten und kann nicht die Staatsbürgerschaft
seines Geburtslandes erhalten. Anstatt für deren Rechte einzutreten, fordert
die Plattform ihre Rückkehr nach Israel, was in der Praxis die
Zerstörung des jüdischen Staates bedeuten würde. Wer diese Forderung erhebt,
will bewusst oder unbewusst den tragischen Konflikt prolongieren.
Es
gibt in der Welt viele Millionen Flüchtlinge, doch die UNO erkennt sonst
nirgendwo Menschen, die in der dritten und vierten Generation bereits in
einem Land leben, als Flüchtlinge an. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie
parteiisch die Vereinten Nationen Flüchtlinge behandelt.
Die
Steirische Friedensplattform ist nicht zuletzt als Frontorganisation
der Grazer KPÖ einseitig und selektiv in ihrer Solidaritätsarbeit und sie
verharmlost auch den verwurzelten Antisemitismus, der sich – wie hier
aufgezeigt – nicht nur auf Rechtsextremisten beschränkt.
Wer
ausgerechnet in Graz emotionalisierte Solidaritätskampagnen führt und
unzulässige Gleichsetzungen beziehungsweise Vergleiche zwischen Holocaust
und "Verbrechen am palästinensischen Volk" toleriert bzw.
unterstützt, der ersetzt politische Kritik durch Ressentiments und macht
sich als Partner für einen seriösen Dialog unglaubwürdig.
Anmerkungen:
(1)
http://www.luxorbis.org/friedensplattform.at/seiten/archiv.html
(2) Karl Pfeifer: Splitter und Balken, Wochenpresse, 7.9.1982
(3) Leopold Spira: Feindbild "Jud'", S. 121– 125, Löcker Verlag, 1981, ISBN
3-85409-023-4
(4)
http://mayday.widerstand.org/download/rektorbrief.doc
(5)
http://www.kpoenet.at/presseblick/1163.html
(6)
http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&
task=view&id=4054&Itemid=82
(7) http://g24.at/Article307.html
(8)
http://mayday.widerstand.org/aussendung33.htm
(9)
http://www.luxorbis.org/friedensplattform.at/dateien/stfp_petition_eu_volk.pdf |