Viele Opfer bleiben ausgeschlossen:
Verjährt Sklavenarbeit?
Nach den heftigen Auseinandersetzungen um die
"Zwangsarbeiterentschädigung" Anfang dieses Jahrhunderts ist es jetzt still
geworden. Die
Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ)
arbeitet akribisch und nicht nur im Verborgenen. Ihre alltägliche Arbeit ist
für spektakuläres Berichterstattung kaum geeignet. Bereitet sie faktisch
nicht das Schlusskapitel der deutschen Wiedergutmachungspolitik vor?
Mitglieder der "Projektgruppe Messelager in Köln" hatten im
Rahmen ihrer Besucherprogramme in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln über 350
Gäste eingeladen. Sie hatten etwa 2000 "Kölner Sklavenarbeiter" bei der
Nachweisbeschaffung behilflich sein können. Am 19.1.06 übergaben sie ihren
offenen Brief in Berlin.
Kölner mit der Schwester Caritas vor dem BuMiFi
In der Verhandlungspause der Kuratoriumssitzung, dem Organ
mit Richtlinienkompetenz für Stiftungsarbeit der EVZ, wurden sie von den
Vertretern der Parteien, dem Stiftungsvorstand und dem Vertreter der
Bundesregierung empfangen. In dem Gespräch berichteten sie aus ihrer
praktischen Arbeit und unterbreiteten ihre Forderungen:
Aufhebung der Antragsfristen für noch lebende
Anspruchsberechtigte, Transparenz bezüglich der abgelehnten Anträge durch
die Partnerorganisationen und die Einrichtung eines Zusatzfonds, der sich
vor allem aus Mitteln von Unternehmen, die von NS-Zwangsarbeit profitierten
und bisher wenig oder gar nichts eingezahlt haben, zusammensetzt.
Die Vertreterin der Linkspartei war zu dieser Sitzung noch nicht ins
Kuratorium berufen worden und nahm die Forderungen der "Projektgruppe
Messelager in Köln" auf und erweiterte sie um den Kreis der
Anspruchsberechtigten, die bisher durch die Raster gefallen sind, wie die
italienischen Militärinternierten.
Christoph Jetter, der Sprecher der Interessengemeinschaft
ehemaliger Zwangsarbeiter stellt in seinem
Artikel für
antifa 1/2006 fest: "Das 'Entschädigungsgesetz des Jahres 2000'
trägt den Stempel deutscher 'Wiedergutmachungspolitik' seit 1949." Er führte
in seinem Resümee weiter aus: "Unter diesem Blickwinkel ist es gewiss kein
Zufall, dass das in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung von 1998
angekündigte Projekt einer Stiftung "Entschädigung für NS-Unrecht", nämlich
für die "vergessenen Opfer", in der Versenkung verschwunden ist. Nicht
"vergessen" sind die Opfer, sie werden ignoriert, wie die schändliche
Verweigerung jeder Entschädigung beispielsweise für die griechischen oder
italienischen Zivilopfer aus der Zeit der deutschen Okkupation zeigt."
Der Vollständigkeit halber müssen die Kriegsgefangenen
nochmals extra genannt werden, die oft unter menschenunwürdigsten
Bedingungen Sklavenarbeit leisteten. In bürgerschaftlichem Engagement
sammelt der Verein
Kontakte e.V. Spenden und überbringt sie direkt den Opfern. Im
Stiftungsgesetzt werden sie explizit ausgeschlossen.
Offene Fragen bleiben. Das Stiftungsgesetz und die Adressen
von Betroffenenorganisationen sind in der neuen Internetpräsentation nicht
mehr zu finden.
G. Saathoff, EVZ-Vorstand; D. Wiefelspütz SPD; V.Beck Grüne; M. Stadler,
FDP
Die Mängel des Stiftungsgesetzes sind auch mit humanitären
Projekten, die aus den verbleibenden Restmittel bei den
Partnerorganisationen eingerichtet werden sollen, nach Auskunft der
Kuratoriumsvertreter beim Gespräch mit den Kölnern, nicht wegzureden.
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