Pressespiegel
/ Dokumentation
haGalil vor dem Aus:
Sprache des Friedens
Andrea
Livnat*, Tel Aviv
Ein Gastbeitrag in der Basler Zeitung, erschienen
am 16.03.2005.
Internet-Infos.
Was hat Theodor Herzls «Altneuland» mit Tel Aviv zu tun? Und wann ist in
diesem Jahr eigentlich Purim? Sie suchen ein koscheres Käsekuchenrezept?
Antwort auf diese Fragen und vieles mehr findet man bei haGalil, Europas
größtem Bildungs- und Kommunikationsangebot zum Judentum, das täglich
aktuelle Nachrichten zu jüdischem Leben in Deutschland, Europa und Israel
liefert. Dass haGalil gleichzeitig eine der erfolgreichsten Maßnahmen gegen
Antisemitismus im Internet ist, wissen nicht alle.
Seit 1995, also seit Beginn der breiten Nutzung des Internets, hat sich
haGalil der immer stärker werdenden rechtsradikalen und antisemitischen
Nutzung des Mediums entgegengestellt. Im Laufe der Jahre entwickelte haGalil
modellhafte «Gegenstrategien zur rechten Propaganda im Internet». Dieses
zivilgesellschaftliche Engagement entsprang der Erkenntnis, dass man es
nicht zulassen kann, dass gerade das Internet, das Medium der Zukunft, als
Hauptpropagandamittel der Rechten missbraucht wird. Und wir wissen,
Antisemitismus, Antizionismus und Hetze im Internet müssen im Internet und
mit den Möglichkeiten des Internets bekämpft werden.
Finanzielle Probleme.
Heute steht haGalil vor dem finanziellen Aus. Nach gut zwei Jahren Förderung
durch «entimon», ein Programm, das vom deutschen Bundesfamilienministerium
im Rahmen des «Aufstands der Anständigen» initiiert worden war, wurde diese
überraschend eingestellt.
Der formale Vorgang eines Trägerwechsels, der aufgrund anhaltender
Auseinandersetzungen mit dem bisherigen Trägerverein «Tacheles reden! e.V.»
nötig wurde, gab den Anlass. Die Ablehnung wird bürokratisch formal
begründet, es geht um Fristen, Drittmittel und inhaltliche Ausrichtung des
Projektes.
In einem offenen Brief an die Bundesfamilienministerin Schmidt und
Bundeskanzler Schröder appellieren Hunderte von Wissenschaftern,
Medienschaffenden, Politikern und Künstlern für die Weiterförderung von
haGalil. «haGalil ist eine wesentliche Garantie des friedlichen
Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher kultureller Prägungen in einem
freien Europa und seiner gutnachbarlichen Beziehungen zu Israel», heißt es
in dem Brief, dem sich auch zahlreiche bekannte Schweizer Persönlichkeiten
anschlossen.
David Gall, Herausgeber von haGalil, hofft, dass es noch zu einer Einigung
mit dem Ministerium kommen wird. Denn was passieren würde, wenn haGalil vom
Netz geht, wäre für die gesellschaftliche Entwicklung fatal: Die
Schutzwallfunktion von haGalil wäre eingerissen. Genau dasselbe würde sich
ereignen, wenn man haGalil auf eine kommerzielle Ebene überführen müsste und
haGalil beispielsweise zur Praxis vieler Zeitungen überginge, die
tagesaktuellen Nachrichten frei zugänglich zu halten, die Nutzung des
Archivs aber kostenpflichtig zu machen.
Bisher ist haGalil für alle Leser kostenlos, und so sollte es auch bleiben!
Wenn nämlich die Information in haGalil zu Themen wie «Nahost», «Talmud»
oder «Schächten» in ein geschlossenes Verzeichnis verschwindet oder sogar
ganz vom Netz genommen werden muss, dann werden wieder das rechtsextreme
Nationaljournal, Horst Mahler, ein NPD-Ideologe, und die NPD die oberen
Ränge der Suchmaschinen belegen.
* Andrea Livnat, haGalil onLine, Tel Aviv,
Journalistin
hagalil.com
16-03-2005 |