Klammer Schutzwall PHILIPP
GESSLER
Viele Infos, wenig Geld: Das jüdische Online-Magazin "haGalil.com"
wird leider nicht mehr staatlich finanziert
Die Appelle klingen dramatisch - aber genauso ist die
Lage: haGalil.com, nach Eigenauskunft "das größte jüdische online-Magazin in
deutscher Sprache", steht vor dem Aus. "Der ,Aufstand der Anständigen',
ausgestattet mit immerhin 200 Millionen Euro (!), finanziert lieber
Buntstifte für Davidsternchen und Filmabende für Eingeweihte", warnen im
Internet die Onlineredakteure des Magazins, die vor allem im Münchener Raum
leben. "Ein riesiges, im Internet 24 h täglich abrufbares Bildungs- und
Informationsangebot zum Judentum bleibt auf der Strecke."
Tatsächlich ist haGalil (Hebräisch für: Galiläa) ein für
das jüdische Leben in Deutschland kaum zu überschätzendes Diskussions- und
Informationsforum. Rund 300.000 Personen besuchen die Seiten monatlich.
Wichtiger aber ist seine Wächterfunktion: So war es haGalil.com, das die
antisemitische Rede des früheren CDU-Abgeordneten Martin Hohmann als Erstes
publiziert und damit den Skandal initiiert hatte.
Das Onlinemagazin versteht sich als "Schutzwall" gegen
Antisemitismus im Netz - wie haGalil-Herausgeber David Gall erläutert: Da es
kaum Wissen über das Judentum in Deutschland mehr gebe, verbreite sich
(getarnte) antisemitische Propaganda recht leicht im Netz. Da steuert
haGalil gegen, indem es auf 15.000 htm-Seiten kostenlose und seriöse
Informationen zum Judentum anbietet und so via Masse rechte Hetze verdrängt.
Zudem liefern die haGalil-Mitarbeiter der Polizei Hinweise über
antisemitische Websites.
Diese Hauptarbeit leisten drei fest angestellte und etwa
20 freiberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter - bisher. Denn haGalil ist
de facto pleite und kann seit Januar keinen Lohn mehr zahlen. Der Grund: Die
indirekte staatliche Förderung wurde nach vier Jahren eingestellt. Etwa 90
Prozent der Einnahmen von haGalil stammten von Beihilfen des
Bundesfamilienministeriums im Zuge des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz
und Demokratie".
Allerdings erhielt haGalil die Förderung nicht direkt,
sondern über den Berliner Verein "Tacheles Reden e. V." Diesem
Bildungsverein gegen Antisemitismus überwies das Ministerium schätzungsweise
mehrere zehntausend Euro pro Jahr für das Programm "OR - Licht. Bildung
gegen Antisemitismus"; "Tacheles Reden" und haGalil erhielten davon je die
Hälfte.
Im Laufe der nun mehrjährigen Zusammenarbeit aber kam es
nun zu Differenzen darüber, was mit diesem Geld zu tun sei, wie Gall
erläutert: Während haGalil weiter (nur) den Internetauftritt gestalten
wollte, unternahm "Tacheles Reden" zunehmend auch andere Aktivitäten, etwa
eine Filmreihe. Deshalb beschloss man, getrennte Wege zu gehen: "haGalil
e. V." wurde gegründet. Doch für eine weitere Förderung war ein
"Trägerwechsel" nötig, weg von "Tacheles" hin zu "haGalil e. V."
Das Familienministerium aber wollte den "Trägerwechsel"
auf "haGalil e. V." nicht mitmachen und stellte deshalb die Förderung ein.
Eine Sprecherin des Ministeriums nennt die Entscheidung zwar bedauerlich,
sieht aber derzeit keine Möglichkeit für eine weitere finanzielle
Unterstützung."
taz Nr. 7611 vom 10.3.2005, Seite 18, 106
TAZ-Bericht PHILIPP GESSLER
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hagalil.com
28-02-2005 |