von Thomas Klatt
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Autor: Gibt man ein jüdisches Suchwort wie "Schabat",
"Pesach" oder "Zion" in eine der Internet-Suchmaschinen ein, so wird man
heute in der Regel zuerst bei HaGalil landen.
Judith Kessler ist Redakteurin bei der Gemeindezeitung "Jüdisches
Berlin" und eine von rund 30 freien Autoren bei haGalil. Für sie ist das
Online-Portal unaufgebbar.
O-Ton Kessler (0:35): "Es ist gigantisch, wenn man was über Religion
wissen möchte, über jüdische Geschichte, über verschiedenste jüdische Themen
außerhalb von Klezmer und Jewish Disneyland, dann findet man das, wenn
überhaupt, dann dort. Es ist eine wichtige Quelle gegen Mythisierung und
Folklorisierung des Judentums, kann vertiefen, Komplexe über jüdisches
Recht, Zuwanderung, fundiert und nicht nur Tageszeitungsmeldungen, ist
verlinkt mit anderen Fachseiten."
Autor: Vor 10 Jahren gründete der gelernte Pharmakologe David
Gall das jüdische Online-Portal hagalil.com. Mittlerweile kann er auf das
Geschaffte stolz sein. HaGalil als deutschsprachige Anlaufstelle liegt auch
auf internationalen Ranglisten weit vorne. Den Spitzenplatz haben sich David
Gall und seine mittlerweile 4 ständigen Mitarbeiter in München und Tel Aviv
mit viel Mühe und Engagement erarbeit. Es geht David Gall vor allem darum,
mit einer massiven Internetpräsenz die antijüdischen Seiten im Netz zu
verdrängen.
O-Ton Gall (0:26): "Es ist eben auch eine Frage der Masse, die die
antisemitische Propaganda zurückdrängt. 100 Seiten unserer Seiten gegen 1
Seite Nazi-Hetze. Zu jedem Thema, z.B. jüdische Feiertage, mit dem sich
Leute wie Horst Mahler durchaus beschäftigen, müssen wir 100 Seiten ins Netz
stellen, und wenn Horst Mahler zu Purim nur eine einzige hat, sind wir
natürlich im Vorteil."
Autor: Auf über 28.000 Internet-Seiten bietet das Portal längst
nicht nur aktuelle Informationen über jüdische Gebetstexte, Kochrezepte oder
Ivrith-Sprachkurse. Aufmerksame Surfer können seit 1997 bei haGalil.com ein
Internetformular benutzen, um verbotene Haß- und Neo-Nazi-Webseiten zu
melden. Von der haGalil-Redaktion aus werden dann die Staatsanwälte
eingeschaltet.
Doch nach einem Entscheid des Bundesfamilienministeriums soll mit haGalil
bald Schluss sein. In den letzten zwei Jahren wurde das jüdische
Online-Portal aus dem Programm "Entimon - Gemeinsam gegen Gewalt und
Rechtsextremismus" gefördert, also dem geldgewordenen Aufstand der
Anständigen.
Über einen Trägerverein flössen 170.000 Euro jährlich. Wieviel davon bei
haGalil wirklich ankamen, ist unklar. Klar ist nur, daß sich Trägerverein
und haGalil darüber zerstritten haben und die Zuschüsse daraufhin vom
Bundesfamilienministerium gestoppt wurden. Da es keinen neuen Trägerverein
gibt und auch keine neuen Anträge gestellt wurden, könne man für haGalil in
2005 keine weiteren Gelder bewilligen, so sieht es zumindest der zuständige
Staatssekretär Peter Ruhenstroth-Bauer.
Regie: OTon Ruhenstroth-Bauer (0:19): "Ich persönlich habe mich einmal
schriftlich und zweimal telefonisch auseinandergesetzt, und habe mich dann
auch in Verbindung gesetzt mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und
der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, die diese
Entscheidung nicht nur nachvollziehen können, sondern sie auch voll so
tragen."
Autor: Mit dieser Einschätzung liegt der Staatsminister wohl
daneben.
Stefan Cramer, Generalsekretär beim Zentralrat der Juden, will nicht
bestätigen, dass der Zentralrat die Mittelstreichung unterstützt. Im
Gegenteil, HaGalil müsse unbedingt als Zeichen gegen Rechts erhalten
bleiben.
Klar ist nur eins: Wenn nicht umgehend eine Lösung für die weitere
staatliche Förderung gefunden wird, werden ab März bei hagalil.com die
Monitore schwarz bleiben, sagt David Gall.
Regie: O-Ton Gall (0:25): "Entimon heißt Respekt. Sinn und
Zweck dieser Aktion Aufstand der Anständigen war, diejenigen, die sich
bereits engagiert hatten, haGalil seit 1995, die die ganze Zeit daran
gearbeitet haben, lange bevor die Bundesrepublik anfing sich Sorgen zu
machen um ihren guten Ruf, diese Leute sollten endlich unterstützt werden.
Jetzt scheint schon wieder ein Aus zu sein... Wenn es den Zuständigen um das
eigentliche Thema ginge, und nicht nur darum einen guten Eindruck zu machen,
müsste ich dem Staatsminister nicht hinterher rennen."
Autor: David Gall empfindet das Ministerium als bürokratisch. Man habe
sich wohl verrannt und kümmere sich auch nicht darum, dass hier ein fatales
politisches Signal ausgesandt werde. Seit dem die staatliche
Mittelstreichung bekannt wurde, vermehren sich die Schmäh-, Droh- und
Mordanrufe, sagt der Gründer von HaGalil.
3SAT Kulturzeit-Nachrichten in Kürze:
Julius Schoeps
appelliert an Bundesfamilienministerium
Wenn man bedenkt, dass heute das
Versammlungsrecht im deutschen Bundestag beschnitten oder verschärft
worden ist, dann fragt man sich allerdings, was ist der Politik
wichtiger: die Prävention oder die Maßnahmen. Ich würde sehr dafür
plädieren, dass die Prävention zukünftig stärker gefördert wird...
Zum Projekt
"OR":
Stellungnahme zur aktuellen
Pressemeldung des BMFSFJ
Nachdem zahlreiche Medien
über die Einstellung der Förderung für haGalil.com durch das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichteten,
hat das Ministerium als Reaktion eine Pressemeldung veröffentlicht.
Obwohl darin die Rede davon ist, dass das Ministerium eine "hohe
Transparenz" für zentral hält, werden entscheidende Fakten
betreffend der Förderung des innerhalb von haGalil.com verwirklichten
Projektes "OR" nicht oder falsch wiedergegeben. (print)...
ARD Monitor Bericht zur aktuellen Situation:
Kein Geld mehr gegen Rechtsextreme
Die jüdische Onlinezeitung "haGalil" (Galiläa) war bis zum Jahresende
ein erfolgreiches Element in dem mit Bundesmitteln finanzierten
Aktionsprogramm gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit...
[VIDEO ANSCHAUEN]
joods.nl:
haGalil.com luidt noodklok
Het Duitse hagalil.com, Europa's grootste internetkrant op het gebied
van jodendom en antisemitisme, wordt in haar voortbestaan bedreigd nu de
belangrijkste bron van inkomsten, een staatssubsidie van 100.000 euro,
om vooral bureaucratische redenen niet wordt toegekend...
Associazione per i
popoli minacciati:
La fine per
haGalil?
Lotta all'antisemitismo in Europa - Metta da
parte i supposti formalismi burocratici e continui a sostenere haGalil.
Questo sarebbe un modo efficace e coerente di procedere contro
l'antisemitismo!...
Jungle World:
Fällt die Mauer?
Seit zehn Jahren informiert Hagalil über jüdisches Leben. Das
Online-Bildungsangebot ist ein Bollwerk gegen Rassismus und
Antisemitismus. Nun droht ihm das Aus...
Telepolis:
Hagalil
funkt SOS
Wegen Mittelstreichung
droht dem jüdischen Internetmagazin das Aus...
Frankfurter Rundschau:
Neuer Träger - Geld weg
Das Onlinemagazin "Hagalil" ist in seiner Existenz
bedroht...
Tagesspiegel:
Engagiert, aber arm
Jüdischer Online-Dienst hagalil ringt um Unterstützung...
Tageszeitung:
Klammer
Schutzwall
Viele Infos, wenig Geld - das jüdische Online-Magazin "haGalil.com" wird
leider nicht mehr staatlich finanziert...
[Don't talk, act!]
[Nicht
Reden! Handeln!]
haGalil e.V., Münchner Bank, Bank Nr. 701
900 00, Account Nr. 872 091