16. Lange Nacht der Museen in Berlin im Jüdischen Museum:
Haremsdamen im Designer-Look
Von Gudrun Wilhelmy
Wenn in diesem Jahr wieder Tausende am 28. August zur
16. Langen Nacht der Museen in das Jüdische Museum strömen werden, stellen
sie sich vielleicht die gleiche Frage: Was hat denn das mit jüdisch zu tun?
Dr. Klaus Siebenhaar, Leiter des Sommerprogramm-Teams des Museums, hat
seinen langjährigen Bekannten, den Modedesigner Harald Glööckler mit seinem
Label "Pompöös" eingeladen, den Abend zu gestalten.
Das diesjährige Thema "Landschaft, Parks und Gärten" ist
mit der Geschichte von Juden in Deutschland bestimmt nicht einfach zu
verbinden. Den zum Museum gehörenden Garten in die Gestaltung des Abends mit
einzubeziehen, erscheint aus dieser Sicht als fast einzige Möglichkeit. Doch
die Idee von Glööckler, der sich selbst eher als Gesamtkunst-Künstler denn
als Modedesigner versteht, in diesem Museumsgarten die Atmosphäre eines
Harems heraufzubeschwören, erscheint eher männlichen oder gar
patriarchalischen Vorstellungswelten Rechnung zu tragen als Jüdischem.
Glööckler selbst hat zu entsprechenden Kreisen mit Harem in Dubai
Verbindungen, wie er selbst sagte, und ist von der Schönheit und dem Charme
dieser Harems-Frauen begeistert. Unterstützt wird er in seiner Gestaltung
des Abends von Udo Walz und René Koch, die bei den Laien-Models für passende
Frisuren und ausgefallenes Make up sorgen, sowie von dem international
bekannten Lichtdesigner von Robert Wilsons Inszenierungen.
Sicher ist, dass es ein prächtiges Farbenspiel geben wird,
eine Atmosphäre in der weibliche Konkurrenz um die Gunst eines einzigen
Mannes bestimmend sein wird. So jedenfalls beschreibt Glööckler die
Grundstimmung eines Harems. Es wird eine Modenschau, eingebettet in eine
Erzählstruktur, gezeigt. Dies ist an sich eine wunderbare Idee, die
Beachtung verdient. In der Geschichte eines nächtlichen Eindringens zweier
fremder Männer in diese eingeschlossene Frauengesellschaft, zeigen sich die
Haremsdamen. Professionell wird es mit Sicherheit sein und aller
Wahrscheinlichkeit nach auch nicht die Spur kitschig oder ordinär. Wer
Freude daran hat, schöne Frauen im sexuell stimulierendem Outfit zu sehen,
wird sicherlich auf seine Kosten kommen.
Die Kritik macht sich an einem überlebten Frauenbild,
zumindest in jüdischen Kreisen wie auch in unserer europäischen Gesellschaft
fest. Haremsdamen, deren Sexualität einer permanenten Unterdrückung
unterworfen ist, als vor Männern geschützte Frauen zu sehen, ist ein sehr
männlicher und unzeitgemäßer Blick. Harems sind aber auch nicht Teil
jüdischer Kultur, nicht einmal in muslimischen Ländern, von wenigen
Ausnahmen abgesehen. Und so wird die Themenbearbeitung im Kontext des
Jüdischen Museums Berlin irritierend und auch irreführend.
Es muss die Frage gestellt werden, warum nicht Geschichten
aus der Bibel und dem Midrasch zur Vorlage einer derartigen einmaligen und
ausgesprochen kostenintensiven Vorführung aufgegriffen wurden, deren
Geschehen sicherlich auch im Garten angesiedelt werden könnten. Wir kennen
daraus beispielsweise die Erzählungen über die vielen Frauen von König
Salomon und seine Begegnung mit der Königin von Saba. Oder die Geschichte
von Bathseba die im Garten badend von ihren Nachbarn beobachtet wird und die
nachfolgenden Verwicklungen und wenig rühmlichen Ereignisse um König David.
Ganz unverständlich bleibt warum nicht die Geschichte von Adam und Eva im
Garten Eden zu einer Gestaltung des Abends Ideenlieferant war. Der Garten
Eden hätte sich vielleicht besonders für diesen Abend geeignet und was sich
dort der Überlieferung nach zugetragen hat, ergibt mehr als nur eine
spannende wie darstellungsfähige Geschichte.
Doch Lilith, die erste Frau Adams, wird an diesem Abend
lachend in einem der Baumwipfel sitzen, auf ihre armen Schwestern im Harem
blicken und wissen, dass sie den richtigen Weg für sich gewählt hat. Und sie
wird wissen, dass sie hier und heute viele Schwestern hat, die Freiheit
einem mit Luxus ausstaffierten Käfig den Vorzug geben.
Zwei der Models stellten anlässlich der Pressekonferenz
Kostüme vor, die während des Spektakels in fünf Akten zu sehen sein werden.
Die VIP-Karteninhaber (75 Euro einschließlich einer Verkostung
orientalischer Speisen) erhalten bevorzugt Sitzplätze. Andere
Museumsbesucher können der Vorführung, für die einmalig die Kostüme mit
ausgesuchten Stoffen aus der Türkei erstellt wurden, stehend verfolgen und
zahlen dafür nicht extra.
Dieses Ereignis wird überwiegend durch Sponsorenmitteln
finanziert, sonst wäre es nicht machbar gewesen. Die Summe wird auf
mindestens 100 000 Euro geschätzt. Hätten die Sponsoren für ein anderes
Thema kein Geld gegeben? Das ist nicht bekannt. Bekannter wird es mindestens
vier Männer machen und nicht eine einzige Frau, und das, obwohl in dieser
Stadt viele Frauen mit professioneller Theatererfahrung leben, und mit einem
sicherlich emanzipatorischen und damit zeitgemäßeren Ansatz, übrigens auch
jüdische.
Die Veranstaltungen anlässlich der 16. Langen Nacht der
Museen im Jüdischen Museum Berlin:
Modenschau des Labels "Pompöös"
Harald Glööckler, der Schöpfer des Labels "Pompöös", wird im Gartens des
Jüdischen Museums Berlin seinen "Sommernachtstraum" inszenieren. Vor der
Kulisse des weitläufigen Garten, verbunden mit eigens entwickelten
Lichtinstallationen des Lichtdesigners von Robert Wilson, wird der Abend zum
sinnlichen Schauspiel.
Wann: 28. August 2004 um 22.30 Uhr
Wo: Museumsgarten
"Flanieren und Posieren"
Eine sinnliche Lange Nacht im Museumsgarten mit Modenschau und Salonkultur
mit eindrucksvollen Dekorationen und Lichtkreationen, die den Museumgarten
in eine Kulisse, in der Schöne und Schöngeistige durch eine Lange Nacht
flanieren und für das Publikum posieren werden, verwandelt.
"Ich möchte mir Flügel wünschen"
Ungleiche Freundinnen: Dorothea Schlegel und Henriette Herz werden in dieser
Theaterperformance über die Berliner Salonkultur um 1800 lebendig. Beide
Frauen stehen für Emanzipation und Selbstbestimmung entgegen aller
gesellschaftlichen Beschränkungen. Zeitgenössische und moderne Texte und
Musik skizzieren ihre Lebensgeschichten und Charaktere der beiden Frauen.
Zwischen den einzelnen Auftritten im Innenhof flanieren die beiden
Schauspielerinnen Simone Schueler und Susanne Opitz in den historischen
Kostümen der Salondamen durch den weitläufigen Museumsgarten.
Wann: 28. August 2004 um 19 Uhr, 20 Uhr, 21 Uhr, 24 Uhr Wo: Innenhof
Für kleine Modedesigner: T-Shirt Workshop
Wie buchstabiert man "Stefanie" oder "Sebastian" auf hebräisch? Große und
kleine Kinder können mit Hilfe von Schablonen und bunten Stoffmalfarben den
eigenen Namen in hebräischen Schriftzeichen auf T-Shirts schreiben.
Zusätzlich schmücken Fabelwesen oder Blumen die persönlichen Unikate.
Wann: 16 - 20 Uhr
Wo: im Innenhof
Preis: 2 Euro pro T-Shirt
Eröffnung der Fotoausstellung Marcelo Brodsky: -
Buena memoria - das "gute" Gedächtnis:
Fotoarbeiten, die an seine ermordeten Schulkameraden und seinen vermissten
Bruder erinnern. Der Künstler ist bei der Eröffnung anwesend. Partner des
Metropolenprogramms „Buenos Aires – Berlin"
Wann: 19 Uhr
Wo: im Segment Gegenwart in der Dauerausstellung, 2.OG
Eintritt für alle Veranstaltungen ab 18 Uhr:
Mit dem Lange-Nacht-Ticket (12 Euro, erm. 8 Euro)
An anderen Orten:
CENTRUM JUDAICUM
um 21.00 h
Hawdala-Zermonie (zum Schabbatausgang)
anschließend Klezmermusik
Oranienburger Straße 28
Alte Nationalgalerie
21.30 + 22.30 h:
Führung: Max Liebermann, Berliner Maler mit Herz und Schnauze
Bodestr. 1-3, Mitte
Liebermann Villa am Wannsee
Führungen ab 18.10 h alle zwei Stunden
Lesung um 19.00 h: Liebermann und sein Garten
Colomierstr. 3
Abgeordnetenhaus von Berlin
18.00 h Vortrag: Vom Palais der Familie Mendelssohn zum Preussischen Landtag
Niederkirchnerstr. 5, Mitte
Terminkalender: Jüdische Kultur in Berlin
Juden und jüdisches Leben in
Berlin
hagalil.com
24-08-2004 |