Von Schnorrern und
Spekulanten:
Eine
Stadtführung in München
Ort des
Geschehens: München; eine Stadtrundfahrt mit der Trambahn in den
Münchener Osten wird angeboten. Nach einer Einführung über den Verlauf
und die Geschichte der Stadtbefestigung geht es vom Sendlinger-Tor-Platz
in Richtung Gärtnerplatz. Dort erfahren wir, daß diese Ecke einen
schlechten Ruf hatte, weil hier Häusler und andere arme Leute wohnten -
Menschen, die kein Wohnrecht in der Stadt hatten. Die Gegend lag tief,
war wegen der Nähe zur Isar sumpfig und immer wieder von
Überschwemmungen bedroht.
Sie wurde
von den Eichthals, die aus Westdeutschland gekommen waren, als
Bankkaufleute „zu Reichtum gekommen waren" und „jüdischen Glaubens waren
in spekulativer Absicht aufgekauft". Wir werden dann so positioniert,
daß wir in die Reichenbachstraße hineinschauen können. Das Haus, das am
häßlichsten ist, ist der Sitz der jüdischen Gemeinde. Wir werden auf die
Betonpoller verwiesen und daß keine Autos vor dem Gebäude parken dürfen.
„So
präsentiert sich die jüdische Gemeinde" ist der Kommentar. Als ob die
jüdische Gemeinde sich das aussuchen könnte. Von „defensiv und
verschanzt" ist die Rede, von „diesen Leuten" und „Israeliten", . Auch
die „armen Ostjuden, die früher hier gewohnt haben" finden Erwähnung.
Außer daß „im Hof eine Synagoge steht", was so nicht stimmt, erfahren
wir über jüdisches Leben heute nichts. Juden werden - wie üblich bei
solchen Unternehmungen - historisiert und sind über die Stereotypen der
„armen Ostjuden" und der „reichen jüdischen Banker" abgedeckt.
Bei anderen
Minderheitengruppen wie z.B. den Schwulen, deren Treffpunkte und Cafes
das Viertel heute prägen, ist der Stadtführer zu mehr Differenzierung
fähig.
Die
Bermerkungen über „Sicherheit" , „abschotten" und das „sich präsentieren
der jüdischen Gemeinde" waren identisch mit denen, die ich vor einiger
Zeit vor dem jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße im
Rahmen der Führung „safer city" des gleichen Veranstalters gehört habe,
in der es darum ging, wie neue Sicherheitskonzepte den Stadtraum
verändern.
In einem
ihrer Essays nennt Ester Dischereit in ihrem Buch „mit Eichmann an der
Börse" diese Art des Umgangs „die verweigerte Einfühlung". Warum sind
diese - in beiden Fällen - jungen nichtjüdischen Deutschen nicht in der
Lage, sich zu befragen, was es für sie bedeuten würde, wenn ihr
Kulturzentrum, ihr Treffpunkt oder ihr G-ttesdienstort in dieser Form
geschützt werden müßte?
Am nächsten
Tag nahm ich dann - beim gleichen Veranstalter - an der Trambahn-Tour in
den Münchener Westen teil. Als es dann um den Karolinenplatz ging, der
infrastrukturell erschlossen wurde und attraktiv war für den Adel und
das gehobene Bürgertum wegen seiner Nähe zur Residenz wurde nicht von
Aufkäufen in spekulativer Absicht gesprochen. Und auch der von Herrn
Borst konzipierte Stadtteil „Borstei" an dem der Herr Borst sicher nicht
wenig verdient hat angesichts der Wohneinheiten für 2500 Menschen in 77
Häusern wurde nur unter dem Gesichtspunkt verhandelt, welche neuen
Konzepte von Wohnen hier umgesetzt wurden.
Forum:
Eine ganz
normale Stadtrundfahrt?
Iris
haGalil onLine 22-08-2001 |