antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

Der Holocaust im zeitgenössischen Spielfilm:
Von Jaguaren und Juden

Le16 Jerusalem Appartement

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...

 

Eine neue Welle kommerzieller Filme greift auf ein 60 Jahre altes Thema zurück, den Holocaust. Allein in den letzten drei Jahren erlebten wir die Aufführungen von Das Leben ist schön, Jakob der Lügner, Sunshine, Gloomy Sunday, Zug des Lebens, Aimée und Jaguar, Comedian Harmonists, Die letzten Tage und Kalmans Geheimnis.

Anders als frühere Filmproduktionen, die das Thema behandelten, richten sich diese Kinofilme an ein breites Publikum und sollen beträchtliche Gewinne erzielen. Darin sind sie bemerkenswert erfolgreich. Seit 1997 wurden allein in den deutschen Kinos an die fünfzehn Millionen "Holocaust–Film– Zuschauer" gezählt.

Darin sehen viele ein Zeichen öffentlichen Engagements für Gedenken und Toleranz. Je mehr Menschen sich durch das Unrecht des Naziregimes betroffen fühlen - so meinen sie - desto wahrscheinlicher ist ihr künftiges Engagement gegen Unterdrückung. Andere wiederum stehen diesem Trend kritischer gegenüber. Sie halten den fiktiven kommerziellen Film für ein ungeeignetes Medium zur Darstellung des Holocaust. Der Nobelpreisträger und Holocaust–Überlebende Elie Wiesel zum Beispiel besteht darauf, dass nur dokumentarisches Material zur Darstellung des "Undarstellbaren" verwendet werden dürfe.

"Das Problem mit fiktiven Holocaust–Filmen liegt im Medium selbst," meint Christina von Braun, Professorin für Kulturwissenschaften an der Humboldt–Universität in Berlin. "Kinofilmen gelingt es, die Zuschauer davon zu überzeugen, dass das, was sie sehen, wirklich ist." Es ist schwer, von Braun zu widerlegen. Tatsächlich werden die Zuschauer durch die völlige Dunkelheit in den Kinos, Dolby-Sound-Anlagen und riesige Leinwände gefesselt. Historisch präzis gestaltete Filmkulissen, zusammen mit sorgfältigen Kostüm- und Make-up – Techniken, erlauben es, die Bilder authentisch wirken zu lassen. Die neueste Kameratechnik setzt diese perfekt bis in die kleinsten Einzelheiten um. Die Bilder scheinen wirklich, aber sie sind es nicht.

"Ein weiteres Problem besteht darin, dass wir Film so eng mit Unterhaltung verbinden," fährt von Braun fort. Kinogänger erwarten vor allem, unterhalten zu werden. Kino ist die Freizeitaktivität Nummer eins beim ersten Rendezvous, und der Besuch am Imbißstand ist eine der beliebtesten Anlaufstellen bei Kinoausflügen. Romantik und Popcorn schaffen jedoch ein fragwürdiges Ambiente für die Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Weitere Assoziationen stellen sich außerhalb des Filmerlebnisses ein: "Denken Sie nur an all die Menschen, die Schindlers Liste (´93) sehen, sich danach die Filmmusik kaufen und sie zu Hause anhören!" sagt von Braun.

Die Filmindustrie ist, wie alle anderen Unternehmen, profitorientiert. Um Kassenerfolge zu erzielen, müssen Filme so produziert und vermarktet werden, dass sie dem Geschmack eines großen Zielpublikums entsprechen. Ganz gleichgültig, wie grauenvoll das im Film dargestellte Geschehen ist, die Bilder müssen dennoch attraktiv sein. Dazu gehören auch leicht identifizierbare Filmfiguren und eine spannende Handlung. Werden diese Elemente nicht vorsichtig und geschickt eingesetzt, können sie rassistische Stereotypen verstärken.

Aimée und Jaguar(´97) zum Beispiel erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebesaffäre zwischen zwei Frauen in Nazideutschland - einer Jüdin und einer Nichtjüdin. Die blonde Aimée ist eine nichtjüdische Hausfrau, Mutter von drei Söhnen und Ehefrau eines SS–Offiziers. Wie ihr Name besagt, ist sie in den Augen vieler ein Objekt der Begierde. Sie ist immer der passive Partner in einer Beziehung und noch dazu ziemlich naiv. Jaguar ist eine dunkelhaarige jüdische Frau, voller "jüdischer" Gerissenheit (sie ist Journalistin bei einer Nazizeitung), sexuell abenteuerlustig und aktiv (sie ist in Affären mit zahlreichen Frauen verwickelt und posiert für einen Pornophotographen). 

In einer Szene, in der sie Aimée beobachtet, erscheint sie ebenso aggressiv und exotisch wie das Tier, das sie verkörpert – ein Jaguar. Sie ist auch sadistisch. An Aimées Geburtstag verführt sie ihre frühere Freundin direkt vor Aimées Augen. Kurze Zeit danach endet ihre Romanze mit Aimée abrupt, als die Nazis sie verhaften und deportieren. Aimée bleibt leidend zurück. Der Film Aimée und Jaguar verbreitet unachtsam Nazi–Stereotypen: Jaguar ist ebenso gefährlich für ihre Geliebte wie es Juden nach Darstellung der Nationalsozialisten für Deutschland gewesen waren. Eine kurze Begegnung Aimées mit Jaguar zerstört ihr Leben.

"Eine Gemeinsamkeit in der Struktur vieler Holocaust–Filme" erklärt Errol Morris, Regisseur des Dokumentarfilmes Herr Tod: Aufstieg und Fall des Fred A. Leuchter (´99) "ist der Sieg über das Unglück." In Spielbergs beiden Holocaust–Filmen, Schindlers Liste und Die letzten Tage (´99,) erzählen Überlebende von den Hindernissen und Erfahrungen am Rande des Abgrundes, denen sie beim Kampf ums Überleben ausgeliefert waren. Sie sind am Leben, weil sie gesiegt haben. Für Errol Morris gibt es jedoch "am Holocaust nichts Triumphierendes. Der Holocaust ist durch Absurdität und Launen des Schicksals überlebt worden." "Der Sieg über das Unglück ist ein zutiefst christliches Motiv," behauptet Christina von Braun. In der christlichen Mythologie ging aus der Kreuzigung Jesu eine Religion hervor, die sich über die ganze Welt verbreitete und heute noch eine beträchtliche politische und kulturelle Macht besitzt. Die Action–Filme Hollywoods zum Beispiel, vor allem James Bond und Rambo, zeigen den Sieg über einen gefährlichen Hindernisparcours. "Kaum mehr als seine Ausstattung und die spielerische Verwendung von Ironie unterscheiden einen James Bond-Film von vielen Holocaust–Filmen," folgert von Braun. Das Judentum hingegen ist anders. Schon früh lehnte es Menschenopfer ab und unterschied sich damit von anderen Religionen.

Das Leben ist schön (´98) stellte den Holocaust im Rahmen einer Komödie dar und mag dadurch mehr Aufruhr ausgelöst haben als andere zeitgleiche Filme. Der Hauptdarsteller Guido ist ein typischer Harlekin aus dem Italien der frühen dreißiger Jahre. Seine Flexibilität und sein Sinn für Humor ermöglichen es ihm häufig, das scheinbar Unmögliche zu erreichen. Guidos Albernheit ist arglos und harmlos, und seine Tricks schaffen zu Beginn eine heitere Atmosphäre. Während der ersten Hälfte des Films gibt es keinerlei Hinweise auf das Judentum. Die Zuschauer erfahren nicht einmal, dass Guido Jude ist. Die Stimmung verändert sich, als die Nazipolitik die Stadt erreicht. Angesichts Guidos vollständiger Assimilation und seiner heiteren Harmlosigkeit erscheint die Politik der Nazis umso absurder.

Anders als sonst werden Juden in diesem Holocaust–Film nicht als hilflose Opfer dargestellt. Guido wahrt seine Persönlichkeit während des gesamten Films. Seine Witze setzen sich sogar bis in die Szene seines Todes fort, die vielleicht das Slapstick–Meisterstück des Films darstellt. Dennoch endet Das Leben ist schön mit einem nachdenklichen Ton. Während andere Filme hier triumphierend enden könnten, hat dieser Film ein dramatisches Ende. Guidos Sohn überlebt zwar, doch da seine Mutter Nichtjüdin ist, ist er es nach jüdischer Tradition auch nicht. Durch Guidos Tod stirbt folglich auch das Judentum in dieser Familie - wie auch tatsächlich im größten Teil Europas.

Für Radu Mihaileanu, den Regisseur von Zug des Lebens (´98), ist Humor ein wesentliches Merkmal jüdischer Kultur. Um vor den Nazis zu fliehen, beschließen die Dorfbewohner in seinem Film, sich als Nazis zu verkleiden und sich selbst zu deportieren. Zug des Lebens ist, anders als Das Leben ist schön, durch und durch jüdisch. Mihaileanus Gestalten sind alle Stereotypen, aber mit einer reichlichen Portion Selbstironie. Seine Gestalten sind dumm und eigensinnig, aber niemals bösartig. Sie sind auch sehr unterschiedlich: Esther ist schön, Schlomo verrückt, Mordechai entschlossen, der Rabbi demokratisch und der Kommunist glühend vor Eifer. Allein ihre Heterogenität widerlegt den eindimensionalen Nazi-Stereotyp.

Mihaileanus Film ist nach traditioneller jüdischer Form aufgebaut. Er lehnt sich an bekannte osteuropäische jüdische Fabeln an, wie Die weisen Männer von Chelm. Diese beginnen in der Regel mit einem Problem, das die Dorfbevölkerung bedroht. Der Rat der weisen Männer - eine Gruppe, die selten weise ist - wird zusammengerufen, um das Problem zu diskutieren. Stets ersinnen sie eine völlig törichte Strategie, die zu einem absurden, vergnüglichen und meist sogar erfolgreichen Ergebnis führt.

Zug des Lebens könnte als eine Neufassung von Purim betrachtet werden, einem Frühlingsfest, das an den jüdischen Widerstand gegen das Pogrom der Perser um 500 v. Chr. erinnert. In Zug des Lebens werden die Vorbereitungen für Purim gezeigt. Ein Passant fragt Frauen, was sie backen, und sie antworten "Hamantaschen natürlich. Es ist Purim!" Zusätzlich benennt Mihaileanu seine Figuren nach denen der Megillah, dem Purimbuch: Seine Esther entspricht der schönen Esther aus der Megillah, und sein Mordechai ist ebenso klug und mutig wie der Mordechai des Purimfestes. Sollte man das Datum des deutschen Kinostarts am 23. März 2000, und damit gerade zwei Tage nach Purim, als eine Einladung auffassen, dieses Fest jüdischen Überlebens mitzufeiern?

So überraschend es auch sein mag, Mihaileanu führt Schindlers Liste als einen wichtigen Einfluß für seinen Film Zug des Lebens an. "Spielbergs Vision hat mich zweifach berührt," sagt er. "Ich fühlte mich zutiefst bewegt. Gleichzeitig wollte ich die Geschichte der Shoah aber nochmals erzählen, ohne dabei einfach auf Tränen und Schrecken zurückzugreifen." 

Mihaileanu war nicht der Einzige, der auf Spielbergs Film reagierte. Nach Schindlers Liste erlebte die Filmindustrie einen regelrechten Boom in der Produktion von Holocaust-Filmen. Schindlers Liste motivierte besonders junge Leute, sich freiwillig und aufrichtig für den Holocaust zu interessieren. Ingrid Lohmann, Professor für Pädagogische Wissenschaften an der Universität Hamburg, fand heraus, dass der Film Schindlers Liste bei jungen Zuschauern umso glaubwürdiger war, weil er eben nicht von der Bundeszentrale für Politische Bildung gemacht wurde, sondern vom Schöpfer von ET und Jurassic Park. Viele sind der Ansicht, dass Schindlers Liste sogar die Politik beeinflusst hat. Sie fragen sich, ob die Entschädigungsverhandlungen für Zwangsarbeiter ohne diesen Film so breite Unterstützung gefunden hätten.

Manche werden sagen, dass kommerzielle Filme unpolitisch sind. Aber wenn ein Film wie Das Leben ist schön drei Oscars gewinnt und 1.236 987 Zuschauer in ganz Deutschland anzieht, oder wenn Zug des Lebens höhere Besucherzahlen pro Filmkopie erreicht als andere deutsche Filme in diesem Jahr, dann kann ein neues Bewusstsein vom Judentum entstehen, selbstsicher und frei von Stereotypen. Das Jüdische Museum begrüßt diese Filme, würde aber gerne ein mahnendes Wort hinzufügen: Lasst Jaguare bitte Jaguare bleiben und Juden Juden.

N.B.O.

Interview mit Rafael Seligmann:
"Trittbrettfahren mit dem Holocaust"

Interview mit Ralph Giordano:
"Diese Filme sind wichtig"

Quelle "Nachrichtenblatt
des Jüdischen Museums in Berlin
"

haGalil onLine 20-03-2001

Radio Praha!
 

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved