antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

NZZ

Die Dauer der Diaspora:
Die Geschichte des Judentums
in einer Gesamtansicht

Von Andreas Kilcher

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...


Aktivieren Sie die JAVA-Faehigkeit Ihres Browsers!

Ferien - Fitness - Wellness

Aktivieren Sie die JAVA-Faehigkeit Ihres Browsers!
Zu gross angelegten Geschichtsentwürfen gehört eine Art historiographischer Chuzpe, die Unverfrorenheit nämlich, die Komplexität geschichtlicher Daten und Ereignisse auf (phänomenologisch) vereinfachende Muster zu reduzieren und (historisch) linearisierende Zusammenhänge herzustellen, mit einem Wort: eine historische Totalansicht zu entwerfen.

Solche Entwürfe sind zweifellos - gerade dank ihren erheblichen Vereinfachungen - auch "nützlich" und vor allem für eine erste Information hilfreich. Ob sie aber einen mehr als einführenden oder populärwissenschaftlichen Wert haben, erweist sich daran, wie mit derprekären Simplifizierung umgegangen wird. Darin liegt die eigentliche Kunst der Universalgeschichte.

Die "Illustrierte Geschichte des Judentums", herausgegeben von dem Cambridger Historiker Nicholas de Lange, leistet hierzu - auf nicht sparsam bebilderten 450 Seiten - einiges an Überzeugungsarbeit, was angesichts des unbescheidenenAnspruchs gewiss nötig ist: Die Darstellung "versucht, die kontinuierliche Geschichte des jüdischen Volkes von den fern liegenden Ursprüngen bis hin zu unserer Zeit nachzuzeichnen". Zwar wird dabei zuweilen mit Gemeinplätzen operiert, so etwa in dem einleitenden Satz: "Die Juden waren stets ein Volk auf Wanderschaft." Bedenken mag auch der Anspruch hervorrufen: "Die Aufgabe des Historikers ist es, die Dauer inmitten des Wandels ausfindig zu machen." Dennoch haben de Lange und seine acht Mitarbeiter - namhafte Historiker aus den USA, England und Israel - einige Vorkehrungen getroffen, um historiographische Naivitäten zu vermeiden.

Dazu zählt zunächst die Einsicht, dass eine "chronologische Aufzeichnung aller Ereignisse" nicht möglich ist, sondern nur die Darstellung einiger "sorgfältig ausgewählter Schlüsselaspekte". Getragen ist diese Auswahl von der Erkenntnis, dass Geschichtsschreibung stets eine Interpretation und Neuerfindung durch eine bestimmte Generation ist: "Die Geschichte des jüdischen Volkes wird ständig neu- und umgeschrieben." Dann freilich stellt sich die Frage, welches denn die erkenntnisleitende Perspektive dieser Neuformulierung jüdischer Geschichte ist, geschrieben von vorwiegend anglo-amerikanischen Historikern und veröffentlicht zuerst 1997 in Toronto.

Bestimmend, so wird deutlich, ist das Bewusstsein jener Katastrophe, die - mit Blick u. a. auf die Zerstörung des Tempels in Jerusalem 70 n. Chr. und die Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 - zwar nicht die einzige, wohl aber die gravierendste in der Geschichte der Juden war: der Holocaust. Die schwerwiegende Konsequenz daraus nämlich ist die Unmöglichkeit jeder heilsgeschichtlichen oder auch nur säkular fortschrittsoptimistischen Sinngebung der Geschichte: Esgibt für die Juden keinen Sinn in dieser Katastrophe.

Während die grossen Entwürfe jüdischer Geschichte im 19. Jahrhundert entweder ältere Geschichtstheologien erneuerten (z. B. Samson Raphael Hirsch) oder aber in der Säkularisierung und Modernisierung des Judentums den Sinn jüdischer Geschichte sahen (z. B. Heinrich Graetz), kann am Ende des 20. Jahrhunderts weder Theologie noch Fortschrittsoptimismus ein Konzept jüdischer Geschichte sein; es bleibt nur die Einsicht einer Negativität: "Auf jeden Fall hat sich die Geschichtsschreibung von der Theologie geschieden."

Die zweite historiographische Voraussetzung ist die Perspektive der Diaspora. Die Geschichtsschreibung in Israel - um den Unterschied zu zeigen - befindet sich seit einiger Zeit in einem geradezu ödipalen Generationenkonflikt zwischenden älteren zionistischen Ideologisierungen jüdischer Geschichte und einer postzionistischenDistanzierung davon. Bei de Lange hingegen erscheint die Gründung des Staates Israel unverfänglich als "Gegengift gegen die Verzweiflung nach dem Holocaust", vor allem aber: Israel bleibt eingebettet in den grösseren Horizont eben jener Diaspora, die eingangs mit der Formel "die Juden waren stets ein Volk auf Wanderschaft" beschrieben wurde.

Dies aber bedeutet nicht weniger, als dass es eine isolierte "jüdische Geschichte" gar nicht gibt, dass diese vielmehr erst in der Auseinandersetzung - produktiver, aber auch verletzender Art - mit anderen Kulturen und Völkern erkennbar wird. "Jüdische Geschichte" resultiert folglich aus der Beobachtung der Möglichkeiten und Grenzen "kultureller Kompromissfähigkeiten"; sie ist immer schon die Geschichtevon "Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden", so de Lange in der Einleitung.

Diese Optik der Diaspora leitet folgerichtig die Auswahl der acht "Schlüsselaspekte", unter denen die "Geschichte der Juden" erzählt wird. Als eigentlicher Anfang jüdischer Geschichte nämlich wird hier nicht ein mehr oder weniger historisches oder mythisches Königreich gesetzt, sondern vielmehr eine Diaspora: "Genau genommen begann die jüdische Geschichte erst nach der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier im Jahre 586 v. u. Z.", so Seth Schwartz in seinem Kapitel über "Die Ursprünge". Diesen Anfang bestätigt das zweite Kapitel aus "Die Entstehung der Diaspora" von Oded Irshai: Es beginnt nochmals mit der babylonischen Gefangenschaft.

Die folgenden Kapitel entwickeln diese Perspektive weiter: Sie thematisieren das Verhältnis im Mittelalter zwischen "Kirche und Synagoge" auf der einen (Ora Limor) und der jüdischen und der islamischen Kultur auf der anderen Seite (Jane S. Gerber), die Integration in die moderne Welt seit der frühen Neuzeit (David Sorkin) und die Shoah als "schwärzeste Stunde" in der Geschichte der Juden unter den Völkern (Michael R. Marrus).

Bezeichnend ist schliesslich auch, dass die "Illustrierte Geschichte des Judentums" nicht mit dem Zionismus und dem Staat Israel endet. Die "freie Nation im eigenen Lande", so die israelische Nationalhymne Hatikwa, erscheint bloss als eine Möglichkeit jüdischer Moderne. Die jüdische Diaspora - dies zeichnet sich fünfzig Jahre nach dem Holocaust sogar für Deutschland ab - ist fortsetzbar, erneuerbar (Bernard Wasserstein).

Mehr noch: Vielleicht kann sie dem aktuellen Zionismus vor Augen halten, dass jüdische Geschichte immer schon Auseinandersetzung und Austausch mit nichtjüdischen Nachbarn bedeutete.

Neue Zürcher Zeitung, 6. März 2001

haGalil onLine 08-03-2001

 

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved