"Holocaust-Industrie":
Eine Podiumsdiskussion mit Norman
Finkelstein
Der Piper-Verlag hat anläßlich des Erscheinen von Norman
Finkelsteins umstrittenen Buches "Die Holocaust Industrie" in
Deutschland in Berlin eine Podiumsdiskussion mit dem Autor
veranstaltet. Neben ihm saßen Rafael Seligmann, Sten Nadolny und der
Historiker Peter Steinbach. Moderiert wurde die Veranstaltung von
SZ-Redakteur Johannes Willms.
Finkelstein war eigentlich gekommen, um
seine Thesen vor dem deutschen Publikum zu verteidigen. Thesen, die durch die
Diskussionen im Vorfeld schon bekannt sind. Der Holocaust diene der
amerikanischen jüdischen Eliten in den USA zur Stärkung der eigenen Position. Es
habe sich eine Ideologie herausgebildet, die den Holocaust sakralisiere und
jeden Vergleich verbiete. Dabei seien die jüdische Organisationen Nutznießer der
Entschädigung gewesen, indem sie das Geld, das zur Entschädigung der Opfer
gedacht war, nur teilweise ausbezahlt und zum anderen Teil für eigene Zwecke
gebraucht hätten.
Das an diesen Thesen vieles falsch ist,
daß Finkelstein falsche Tatsachen verwendet und schlecht recherchierte Daten
vorlegt, ist längst nachgewiesen. Die interessanten Teile seines Buches sind
abgekupfert bei dem anderen Holocaust-Buch, daß in Deutschland durch Finkelstein
abgedrängt wird, Peter Noovicks "Nach dem Holocaust - Der Umgang mit dem
Massenmord". Diese intensiv recherchierte Untersuchung des Umgangs mit dem
Holocaust in den USA seit 1945 zieht eine kritische Analyse der Transformation
der Holocaust-Erinnerung als Ersatzreligion säkularer Juden.
Finkelstein war also gekommen, um diese
Thesen, die falschen und die abgekupferten, zu verteidigen. Doch das mußte er
gar nicht, im Gegenteil erntete er viel Beifall. Und zwar immer dann, wenn er
den USA und den vielbeschworenen "jüdischen Organisationen" jede moralische
Autorität absprach, über die deutsche Geschichte zu richten. Finkelstein sprach
auch von einer "schäbigen moralischen Erpressung" des Jüdischen Weltkongresses
und der Jewish Claims Conference bei den Verhandlungen über die Entschädigung
von NS- Zwangsarbeitern.
Offenbar vergaß der
Universitätsprofessor, wo er sprach, in Berlin, im Land der ehemaligen Täter, in
dem sich noch immer viele nicht der eigenen Geschichte stellen können. Es sei
der immer wiederkehrende "Phantomschmerz" der Deutschen mit ihrer vom Holocaust
gezeichneten Geschichte, der sich hier Bahn breche, urteilte Rafael Seligmann im
Hinblick auf die Reaktionen der Zuhörer.
Als dann die Lage im Saal eskalierte,
dürfte sich selbst Finkelstein darüber bewußt geworden sein, daß seine Thesen
rechten Ewiggestrigen entgegen spielen. Als dann Transparente entrollt wurden
mit "Holocaust Industrie = Siemens", zum Protestgeschrei sich zwei Männer
erhoben und "Deutsch und frei und national!" brüllten, kam es zur Schlägerei,
die Polizei mußte anrücken.
Dabei wollte Finkelstein doch mit seiner
Kritik an "Missbrauch und Ausbeutung" der Holocaust-Opfer und den überzogenen
Geldforderungen der jüdischen Verbände gerade gegen antisemitische Vorurteile
vorgehen, betonte der Autor nach diesem Zwischenfall.
Doch die Instrumentalisierung seiner
Thesen durch die Rechte hatten in Deutschland viele vorhergesehen. Salomon Korn
vom Zentralrat der Juden in Deutschland hatte daher seit Monaten für das Verbot
des Erscheinens des Buches in Deutsch plädiert.
Man muß sich dessen bewußt sein, daß sowohl Peter Novicks wie auch Norman
Finkelsteins Buch Teil einer inneramerikanischen und größtenteils innerjüdischen
Debatte sind. Während aber die amerikanische Öffentlichkeit sehr wohl zu
unterscheiden wußte zwischen Novicks seriöser wissenschaftlicher Arbeit, die
dennoch provokativ ist und Finkelsteins schlagzeilengeiler Polemik, kann das die
deutsche Öffentlichkeit offenbar nicht.
Und da scheint Finkelsteins Reaktion auf
die rechten Schläger in seinem Publikum wie ein Hohn: "Man muss es würdigen,
dass Sie als Deutsche sich bemühen, mit ihrer Vergangenheit fertig zu werden.
Sie kämpfen da mit. Sie sind uns Amerikanern um Lichtjahre voraus."
Andrea Übelhack
haGalil onLine 09-02-2001 |