Demente und verwirrte Menschen
brauchen einen vertrauten Ansprechpartner. Sie reagieren unruhig auf
Hektik, weil sie keinen Mechanismus besitzen, der sie vor Stress
schützt. Mit dem Angebot der Tagesbetreuung können die Mitarbeiter von
Altenheimen noch gezielter auf die Bedürfnisse der Bewohner eingehen.
Einfach nur Dasein
“Es geht dabei gar nicht um ein
Beschäftigungsprogramm, das die Zeit von morgens bis abends
ausfüllt”, sagt Gabriela Reisgies. Die Krankenschwester und
Sozialpädagogin hat für ihre Arbeit den Begriff “Einfach nur Dasein”
geprägt.
Zwischen
1980 und 1984 lernte Gavriela Reisgies (37) den Beruf der
Krankenschwester. Nach neun Jahren in verschiedenen
Krankenhäusern schloss sie das Studium für Sozialwesen an. Sie
absolvierte ein Praktikum als Betreuerin für Menschen mit
geistiger Behinderung in Kanada und lernte dort die jüdische
Gemeinde kennen. Seit Mai 2000 gestaltet sie die heiminterne
Tagesbetreuung im Saul-Eisenberg-Seniorenheim der Israelitischen
Kultusgemeinde München. |
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Sie meint damit die Aufgabe,
Gesprächspartnerin für jemanden zu sein, der kaum verständlich
machen kann, was sich in seinem Inneren abspielt. “Es hilft den
Bewohnern, wenn ich ihre Hand halte und sie spüren lasse, dass sie
akzeptiert werden, so wie sie sind.” Die Betreuung dementer Menschen
folgt eigenen Regeln. Manchmal ist eine halbe Stunde zugewandtes
Schweigen mehr wert als viele Worte.
Fast alle Bewohner des
Altenheims der Israelitischen Kultusgemeinde tragen in ihrer
Biografie Wunden aus der Zeit des Holocausts. “Anders als in anderen
Altenheimen lehnen viele die Gruppenangebote ab. Sie wollen lieber
allein sein. Zudem kommen sie aus verschiedenen Kulturkreisen und
sprechen oft nicht einmal die gleiche Sprache.”
Für fast alle ist der Schabbat
zeitlebens ein fester Orientierungspunkt in der Woche gewesen.
Gabriela Reisgies ermöglicht den Bewohnern die Feier des Festtags.
Sie knetet und backt mit ihnen die Challa, das Schabbat-Brot.
Heiminterne Tagesbetreuung lebt
von der Kommunikation im Team. Wenn jemand unruhig wird oder
weglaufen will, rufen die Pflegekräfte Gabriela Reisgies. Sie hat
die Zeit, sich den Bewohnern behutsam auf ihrer Ebene zu nähern, und
die Pflegekräfte können sich unbesorgt anderen Aufgaben widmen.
Die Zusammenarbeit ermöglicht
eine Verschränkung aller Angebote. Gabriela Reisgies begleitet
demente Bewohner zur Tanztherapie und anderen Aktivitäten, die im
Haus vom Sozialdienst veranstaltet werden. Sie wirkt damit in zwei
Richtungen: Die schwächeren Bewohner fühlen sich als Teil der
Gemeinschaft und alle selbständigen Senioren sehen, dass sie in
guten Händen sein werden, falls ihre Kraft irgendwann nachlassen
sollte.
Ehre deinen Vater und deine
Mutter,
damit von Bestand seien Deine Tage auf der Erde,
die ''der Ewige'' Dein G'tt dir gibt.
Es mangelt an öffentlicher
Anerkennung
Beim Empfang für die
Pflegekräfte der Landeshauptstadt München am 20. 02. 2001, sagte OB
Ude: “Ohne die Hilfe der Pflegekräfte wüsste die Gesellschaft nicht,
wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern, den Alten und Kranken,
umgehen soll”. Dem strapaziösen Dienst in der Pflege mangle es
jedoch an entsprechender öffentlicher Anerkennung.
“Je nachdenklicher und
sensibler eine Pflegekraft ist, desto mehr leidet sie selbst unter
der Kluft zwischen dem, was zu einer menschenwürdigen Betreuung
nötig wäre und dem was durch die äußeren Zwänge bedingt möglich
ist.” Seit der in München besonders engagiert geführten
Pflegediskussion der Jahre 1996 und 1997 hätten sich die
Verhältnisse nicht gebessert, sondern eher verschärft, so Ude.
“So menschenwürdig, wie es sich
ein Wohlstandsland leisten könnte, sind die Umstände noch lange
nicht”. An die Adresse der Bundespolitik formulierte der Münchner
Oberbürgermeister zwei Einsichten, ohne die man die Probleme nicht
lösen könne: “Wenn es in Altenheimen und ambulanten Diensten
menschlicher zugehen soll, braucht man mehr Personal – und das ist
nicht zu bekommen, ohne dass die Gesellschaft mehr Geld für die
Pflege ausgibt”.
Norbert Huber, Sprecher der
Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in München: "Für
die Pflegekräfte bedeutet Pflegen nicht ‘satt’, ‘sauber’ und
‘trocken’. Sie wollen den Menschen, die Hilfe brauchen, zur Seite
stehen. Sie lieben ihren Beruf und praktizieren diesen mit
Begeisterung – nur die Bedingungen lassen dies immer weniger zu.”
Die Leistung auf den Stationen müsse öffentlich anerkannt werden.
“Wir müssen aufrütteln und das Bewusstsein in unserem Land
verändern. Wir müssen gemeinsam für eine Gesellschaft kämpfen, in
der Hilfsbedürftige eine Lobby haben.”
Das gleiche Ziel verfolgt eine
gerade angelaufene Imagekampagne für Pflegeberufe. Für die Plakate
haben sich drei Vertreter der New Economy zur Verfügung gestellt.
Regina Haberl von der Werbeagentur Robert&Horst, Armin Nusser von
der “wunder media GmbH” und Bernhard Gold von der “CyberProfit AG”
sind jeweils zwei Mal auf den Bildern zu sehen. Links so, wie sie
heute aussehen, rechts mit Hilfe eines Computerprogramms in alte
Menschen verwandelt. Dieser Blick in die Zukunft zeigt: Pflege geht
jeden an, weil jeder alt und hilfsbedürftig werden kann.
In einem Statement erklärte
Bernhard Gold, Vorstand der CyberProfit AG, seine Motive, die
Kampagne zu unterstützen. “Gewöhnlich bleibt in meinem Beruf nicht
viel Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Doch manchmal, wenn ich in
den Spiegel schaue, merke ich, dass ich älter werde. Mir ist sehr
bewusst, dass die Phase der Selbständigkeit und des Erfolgs
irgendwann zu Ende ist. Wenn ich mithelfen kann, etwas von dem Image
der New Economy auf die Pflege zu übertragen, tue ich das gern.”
Sozialreferent Friedrich Graffe
präsentierte die Homepage
www.m-pflege.de
in der das Thema Pflege in allen Facetten dargestellt ist. Erfahrene
Pflegekräfte berichten über ihre Arbeit, man findet eine große
Job-Börse, Adressen sämtlicher Einrichtungen der Altenhilfe in und
um München, Ansprechpartner für Personalfragen und Informationen zur
Ausbildung. |