Bürgermeister von Haigerloch dankt:
Hilfe von Holocaust-Leugner David
Irving
Tausend Exemplare
der Broschüre zum Atomkeller-Museum in Haigerloch wurden seit 1990 verteilt.
Darin ist Bürgermeister Roland Trojan mit dem selbst ernannten Publizisten
David Irving abgebildet, bei dem er sich ausdrücklich für dessen
"großzügige'' Hilfe bedankt.
Stuttgarter Zeitung, 10.01.2001
Als "Wiege
der deutschen Atomforschung'' wird das kleine Haigerloch im
Zollernalbkreis mitunter bezeichnet. In den letzten Kriegsmonaten
haben Deutschlands führende Kernforscher in einem Felsenkeller in
Haigerloch Versuchsreihen zur atomaren Kettenreaktion aufgebaut.
Seit 20 Jahren
sind Details dazu in einem viel besuchten Atomkeller-Museum zu
sehen. Erst in diesen Tagen wurde es um Messinstrumente aus dem
ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut ergänzt, wo Otto Hahn und Lise
Meitner 1938 die Kernspaltung entdeckten.
Dem Tübinger Juristen und Geschichtsforscher Jens Rüggeberg ist in der
offiziellen Broschüre zu diesem Museum nun aufgefallen, dass dort einer der
umstrittensten Publizisten der Gegenwart heftig gelobt wird. "Freundlicherweise
hat uns der Historiker David Irving, London, großzügig mit Bildmaterial aus
seinen Büchern und Sammlungen unterstützt. Ihm gilt unser herzlicher Dank'',
lautet der letzte Satz im Grußwort von Bürgermeister Roland Trojan.
Ähnlich formuliert Trojan in einem Buch und einem Faltblatt zum
Atomkeller-Museum. Das Heft wurde 1990 zum zehnten Geburtstag des
Atomkeller-Museums konzipiert. Darin ist neben einem Text von Irving ein Foto zu
sehen, das Trojan, Irving und dessen Frau anlässlich seines Besuchs in
Haigerloch im Oktober 1981 zeigt. Rüggeberg: "Auch wenn niemand den
Verantwortlichen in Haigerloch eine hintergründige Absicht unterstellt, so
sollte man mit dem Thema Irving nicht umgehen.''
Rüggeberg selbst hat zu Irving erst kürzlich einen Text verfasst. So berichtet
er in einer Dokumentation der Tübinger Geschichtswerkstatt unter dem Titel
"David Irvings letzte Schlacht?'' von der Gerichtsverhandlung am 15. März 2000.
Irving habe Lordrichter Justice Charles Gray auf Deutsch mit "mein Führer''
angesprochen.
Irving hatte die US-amerikanische Geschichtsprofessorin Deborah Lipstadt
verklagt, weil diese ihn in einem Buch als Holocaust-Leugner bezeichnet hatte.
Zu Recht, wie das Londoner Gericht in einem über neun Wochen dauernden Prozess
festgestellt hat. Namhafte Historiker als Gutachter haben dem 1938 geborenen
Irving bescheinigt, er leugne längst feststehende Fakten und versteige sich zu
absurden Thesen.
Laut Eva Menasse, Prozessbeobachterin und Autorin, sind die Bücher des selbst
ernannten Historikers endgültig und anhand unzähliger Beispiele als
betrügerische Machwerke enttarnt. "Auch wenn ,Geschichte' draufsteht, ist doch
nur üble Propaganda drin, die keinen seriösen Bezug zu den tatsächlichen
Vorgängen hat.'' Jens Rüggeberg erzählt, dass Irving dessen ungeachtet Anhänger
und Verleger findet wie den Grabert-Verlag in Tübingen.
Der Dank Haigerlochs an Irving gilt in erster Linie seinen Büchern "The Virus
House'' (Collins, 1967) und "Der Traum von der deutschen Atombombe''
(Bertelsmann Verlag, Gütersloh, 1967). Darin hat sich Irving in Wort und Bild
mit Haigerloch befasst. Jene Daten müssen nicht falsch sein. In den sechziger
Jahren galt Irving als ernst zu nehmender Außenseiter, der wichtige Dokumente
zur NS-Herrschaft zusammenstellte.
Rüggeberg räumt ein, dass Irving eine Wandlung durchgemacht hat. Seit Ende der
siebziger Jahre habe er jedoch den Holocaust relativiert. Auf diese Wandlung
Irvings weist auch Egidius Fechter hin, Kulturamtsleiter der Stadt Haigerloch.
Fechter hat zur Entstehung der Broschüre beigetragen und gilt als ausgewiesener
Fachmann in Fragen des Museums. Rüggeberg sei nicht der Erste, dem der Satz
aufgefallen sei, berichtet er. Haigerloch habe bereits den Verfassungsschutz
eingeschaltet, um herauszufinden, wann Irving diese "irre Wende gemacht hat vom
Experten zum Leugner des Holocausts'', doch die Antwort stehe noch aus.
Von Irvings Verurteilung im Jahr 2000 konnte Haigerloch bei Drucklegung der
Broschüre nichts wissen. "Den Holocaust geleugnet hat Irving aber bereits
1989'', betont Rüggeberg. In den Berichten des Verfassungsschutzes
Baden-Württemberg von 1992 und 1993 ist Irving erwähnt. Nachzulesen sind seine
wirren Thesen von weit weniger als sechs Millionen ermordeten Juden und die
Leugnung der Existenz von Gaskammern auch auf Irvings Homepage. Im Internet
lässt sich auch finden, dass Irving 1982 den Europäischen Freiheitspreis der
"Deutschen National-Zeitung'' erhielt. 1985 wurde ihm der
Hans-Ulrich-Rudel-Preis der DVU überreicht.
Jene Fakten waren in Haigerloch bei der Konzeption der Broschüre offensichtlich
nicht präsent. Egidius Fechter versichert, der Name Irvings werde bei der
Neuauflage des Begleitbändchens zum Atomkeller-Museum in der bisherigen Form
nicht mehr erscheinen. "Die restlichen Hefte sind bald verteilt. Im Jahr 2002
soll die Neufassung erscheinen, da werden wir diese Passagen sicherlich
korrigieren'', betont Fechter.
Von Michael Petersen
haGalil onLine 12-01-2001 |