"Dunkle
Geister aus der Vergangenheit überschatten die dramatische Situation
im Nahen Osten". Mit diesen Worten eröffnete Walter Schwiemer,
Generalsekretär der EU-Kommission, die Pressekonferenz zum Abschluss
der europäischen Konferenz gegen Rassismus.
An der Konferenz, die vor
kurzem in Straßburg unter dem Titel "Alle sind verschieden, alle
sind gleich" zusammentrat, nahmen 570 Vertreter aus 50 Ländern und
"nicht-staatlichen Organisationen" teil.
Israel hat den Status eines
Beobachters in der EU-Kommission, und die kleine israelische
Delegation schrumpfte im Verlauf der Konferenz aufgrund der
Ereignisse in Israel noch mehr zusammen. Schwiemer gab tiefer Sorge
im Hinblick auf die gefährlichen Entwicklungen im Nahen Osten
Ausdruck, die ganz Europa beeinflussen könnten, und rief die Seiten
auf, Verluste von Menschenleben zu verhindern.
Antisemitische Aktionen
und Angriffe verurteilt
Er verurteilte mit aller
Schärfe jede Form von antisemitischen Aktionen und Angriffen, die
derzeit in Europa, vor allem in Frankreich und Deutschland zu
verzeichnen sind, "die uns an die dunklen Tage unserer gemeinsamen
Geschichte erinnern".
Dennoch wurde der
Antisemitismus in der bei Abschluss der Konferenz veröffentlichten
Pressemitteilung mit keinem Wort erwähnt. Jüdische Organisationen
drückten ihre tiefe Enttäuschung aus, dankten dem Generalsekretär
aber auch für seine freundlichen Worte.
In der politischen Erklärung
der Konferenz wurde der Antisemitismus als eines der Übel
bezeichnet, gegen die sich der gemeinsame Kampf richtet. Es war
jedoch interessant und überraschend festzustellen, dass der
Antisemitismus und der Holocaust als schrecklichstes Resultat des
Rassismus in den Reden weitaus häufiger angesprochen wurden als in
den schriftlichen Verpflichtungen, so als sei die Hand davor
zurückgeschreckt. Der französische Minister hat in seiner Rede weder
Juden noch Holocaust oder Antisemitismus auch nur mit einer Silbe
erwähnt.
Haider - eine "klägliche
Episode"?
Die Konferenz wurde nach
strengen und klaren Regeln geführt, die den Teilnehmern Monate
vorher zugeschickt worden waren, dennoch gab es einige Vorfälle und
Ausbrüche. Der österreichische Minister für Kultur und Kommunikation
wurde zum Beispiel mit Spruchbändern, auf welchen es hieß "Keine
Koalition mit Rassismus", und mit Buh-Rufen empfangen, die bis zum
Ende seiner Rede anhielten. Schwiemer bezeichnete die Frage
Österreichs als "klägliche Episode", so als sei sie bereits von der
Welt verschwunden.
Asylanten verrotten in
Gefängnissen
Der deutsche Schriftsteller
und Nobelpreisträger
Günther Grass war der letzte Redner. "In Deutschland", sagte
er traurig, "meinem Land, werden Asylanten unmenschlich behandelt,
und sie verrotten zu Tausenden in Gefängnissen". Die Gesetze würden
nicht mit der nötigen Entschlossenheit umgesetzt, und das
Schwerwiegendste sei seiner Meinung nach die Tatsache, dass die
rechtsradikalen Kräfte von Regierungskreisen unterstützt würden. Und
Deutschland sei ja nach wie vor für die Verbrechen des Naziregimes
verantwortlich, betonte er. Er stellte auch eine neue Forderung: das
europäische Parlament soll einen von dem Volk der Sinti und Roma
demokratisch gewählten Vertreter erhalten, damit das andauernde
Unrecht, das diesem Volk widerfahre, endlich gestoppt werden könne.
Alle Redner waren sich in
einem Punkt einig: in den letzten ein bis zwei Jahren kommt
Rassismus immer stärker zum Ausdruck, und dies stelle eine Gefahr
für Europa und die Demokratie dar. In allen Diskussionsgruppen wurde
die Notwendigkeit von Mitteln für geeignete Erziehung, von
gemäßigten Medien und geeigneter Gesetzgebung betont. Es entstand
der Eindruck, dass es sich hier nicht nur um einen Kampf für die
Opfer von Rassismus handelt, sondern dass die satten europäischen
Staaten sich vor den Folgen des Rassismus schützen wollen. Dennoch
gaben die Reden bei der Konferenz durchaus Grund zur Hoffnung.
haGalil onLine
06-11-2000
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