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Acoma-Pueblo, schon
seit tausend Jahren bewohnt, ist ein Indianerdorf im westlichen Teil
des Staates New Mexico. Salomon Bibo war ein Jude aus dem Ort
Brakel, der jetzt ein Stadtteil von Dortmund ist. Im Jahre 1885
wurde Salomon Bibo Gouverneur von Acoma-Pueblo und somit der einzige
Nicht-Indianer, der jemals dieses Amt innehatte. Wie kam er zu
dieser Auszeichnung? Ist er Jude geblieben?
Zur Beantwortung
dieser Fragen und zum besseren Verständnis dieser erstaunlichen und
verwickelten Geschichte müssen wir erst einmal mit den
Pueblo-Indianern von New Mexico und den Bewohnern von Acoma-Pueblo
Bekanntschaft schließen.
Geschichtliches:
Die Welt des Pueblos.
Als die ersten spanischen Entdecker im
Jahre 1540 in dem Gebiet ankamen, das heutzutage der Staat New Mexico ist,
fanden sie Indianer vor, die in mehrstöckigen Wohngebäuden aus Adobe, dem
luftgetrockeneter, Lehmziegel, lebten, Mais, Bohnen und Kürbis anbauten und
in unterirdischen Räumen, jetzt Kivas genannt, ihren religiösen Pflichten
nachkamen. Die Spanier nannten diese Dörfer "Pueblos", um ihre Bewohner von
den eher nomadischen Apache- und Navajoindianern in diesem Gebiet zu
unterscheiden. Pueblo von Acoma liegt auf einem Hochplateau, auch Mesa
genannt, das bis vor kurzem nur auf einem Fußpfad zugänglich war. Wegen
seiner günstigen Abwehrlage wurde das Pueblo erst 1599 von den Spaniern
erobert, und auch dann erst nach einem blutigen Kampf, in dem achthundert
Acoma-Indianer umkamen und viele der Überlebenden hingerichtet oder als
Sklaven verkauft wurden. Zur Warnung für andere Indianerstämme wurde
außerdem allen Männern über 25 Jahren ein Fuß abgehauen. Bald darauf wurde
eine katholische Missionskirche errichtet, und die Bewohner von Acoma wurden
Katholiken - zumindest hatte es diesen Anschein. Im Geheimen übten sie ihre
traditionelle Religion weiterhin aus. Die spanische Verfolgung der
Indianerreligion und wirtschaftliche Unterdrückung führte zum Puebloaufstand
von 1680, in dem sich die Pueblo-Indianer von ganz New Mexico verbündeten
und die Spanier nach Süden bis El Paso zurückdrängten. Zwar nahmen die
Spanier New Mexico 1693 wieder ein, doch straften sie die Pueblo-Indianer
nie wieder wegen ihrer eigenen Religion. Die Einwohner von Acoma-Pueblo und
der anderen Pueblos blieben katholisch, hielten aber auch weiterhin an ihrer
eigenen religiösen Tradition fest.
So wie ihre Religion entwickelte sich auch
die Regierungsform von Acoma-Pueblo allmählich zu einer Mischung aus
spanischen und indianischen Bräuchen. Die traditionsgemäße Herrschaft ihrer
eigenen Priester wurde fortgeführt, doch nahmen die Pueblos zusätzlich von
den Spaniern überlieferte Ämter - darunter Gouverneur, stellvertretender
Gouverneur, usw. - an. Diese Beamten stellten den Kontakt mit den Spaniern,
Mexikanern und später den Amerikanern her, und durch sie wurde der heilige
innere Kern des Pueblos und dessen Religion vor neugierigen Außenseitern
geschützt.
In den achtziger Jahren des 19.
Jahrhunderts fand eine Änderung in der traditionellen Lebensweise in Acoma
statt. Anglo-amerikanische und spanische Siedler nahmen unberechtigten
Besitz von Acoma-Ländereien. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung kam es
wegen Landbesitz zu Streitereien mit dem benachbarten Pueblo von Laguna. Die
Gefahr von Überfällen durch Navajoindianer wurde beseitigt, als die Navajos
auf Reservationen geschickt wurden, so daß die Leute die Mesa von Acoma
verlassen und näher bei ihren Feldern leben konnten. 1880 kam die "Atlantic
and Pacific Railroad" nach New Mexico und brachte eine Fülle von
Industriegütern wie z. B. Kochkessel und Porzellangeschirr. Eine Reihe von
Acoma-Dörfern wurden entlang der Eisenbahn gegründet.
Geschichtliches:
Deutschland und der mißlungene
Freiheitsaufstand
Die Geschichte der Ansiedlung von Juden in
Deutschland hat im 9. Jahrhundert begonnen, als jüdische Gemeinden in
Städten wie Mainz am Rhein und Regensburg an der Donau gegründet wurden.
Trotz Kreuzzügen und Vertreibung, Blutverleumdung und Pogromen blühte das
Judentum in den kleinen deutschen Königreichen und Fürstentümern - - es gab
bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kein vereinigtes deutsches Land. So wie
ihre Landsleute überall in Europa lebten auch die Juden in den deutschen
Staaten in ihren eigenen Enklaven oder Gettos mit beschränkter
Bewegungsfreiheit und Berufswahl. Durch eine Ironie des Schicksals war es
Napoleon, der verhasste französische Feind, der die Juden in Deutschland aus
ihren Gettos und ihrem eingeschränkten Dasein befreite, als seine Soldaten
1812 einen großen Teil dieses Gebietes eroberten.
Nach Napoleons vernichtender Niederlage bei
Jena rollte eine Woge deutschen Nationalgefühls durch die kleinen deutschen
Staaten. Viele der Gesetze für die Judenemanzipierung wurden beiseitegefegt.
Zwar blieben viele Juden weiterhin im Bereich des Handels und der Industrie
aktiv, doch wurden sie von den weitgehend konservativen Regierungen, die
nach Napoleons Niederlage ans Ruder kamen, von der Ausübung ihrer
bürgerlichen Rechte und Pflichten abgehalten. Zum Beispiel war es Juden
versagt, ein Offizierspatent zu erwerben oder einen Lehrstuhl an einer
Universität innezuhaben, und die Universitäten begrenzten die Anzahl von
jüdischen Bewerbern um Studienplätze.
Im Jahre 1848 scholl der Ruf nach Freiheit
und deutscher Einigkeit durch das Land. Sieben Juden wurden in das Parlament
aufgenommen, das in Frankfurt zur Gestaltung einer Nationalverfassung
zusammentrat. Zahlreiche Juden wurden andererorts auf politischen Kongressen
und Kundgebungen an anderen Orten hoch gepriesen. Unglücklicherweise wurden
die liberalen Intellektuellen 1848 schnell von der reaktionären Bewegung in
die Flucht geschlagen, und viele mußten ins Exil gehen. Unzählige Deutsche,
Juden sowohl als auch Christen, mußten aus der Heimat fliehen, und viele
emigrierten nach Amerika.
Die Familie Bibo
in Deutschland und Amerika
Salomon, der Sohn Salomon und Blümchens
Bibo, wurde 1853 in Brakel, Westfalen, in Preußen geboren, wo sein Vater
Kantor war. Seine älteren Brüder Nathan und Simon waren während der
chaotischen Zeit, die der Unterdrückung der liberalen Regierung folgte, nach
Amerika ausgewandert. Salomon folgte dem Beispiel seiner Brüder; er kam am
16. Oktober 1869 in New York an, von wo aus er nach Santa Fe reiste, um dem
Geschäft seiner Brüder beizutreten. Die letzteren hatten sich Anfang der
sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts in New Mexico niedergelassen und ihr
Geschäft zunächst mit Kapital gegründet, das ihnen die Familie Spiegelberg,
jüdische Pioniere in diesem Staat, zur Verfügung gestellt hatte. Jacob
Salomon Spiegelberg nahm 1848 an Kearnys militärischer Expedition nach New
Mexico teil und gründete in demselben Jahr eine allgemeine Handelsfirma in
Santa Fe. Bald traten auch seine Brüder und ein Neffe in Jacob Spiegelbergs
Firma ein, und damit wurde der Grundstein für ein Kaufmannsgeschlecht in New
Mexico gelegt. Willi, einer der Brüder, wurde später im Jahre 1886 zum
Bürgermeister von Santa Fe gewählt. Es war zum Teil dem Kapital Spiegelbergs
zu verdanken, daß die Brüder Bibo schnell ihre eigene unabhängige Firma mit
Niederlassungen in Laguna, Fort Wingate, Cebolleta, Bernalillo und Grants
gründen konnten. Wie die meisten Handelsleute bediente sich Salomon bei
seinen Geschäften mehrerer Sprachen - Acoma, Laguna, Navajo, Zuni, Spanisch,
Deutsch, Jiddisch und Englisch. Mit seinen Brüdern sprach er Deutsch und
Englisch.1
Im Laufe seiner Geschäfte hörte Salomon
anscheinend, daß die Bewohner von Acoma-Pueblo mit der vom Bund
durchgeführten Landvermessung von 1876 und 1877 im Zusammenhang mit dem
ihnen zugewiesenen Land nicht zufrieden waren. Salomon und sein Bruder Simon
schrieben deshalb mehrere Briefe an das amerikanische Innenministerium und
erreichten, daß die Vermessung im Jahre 1881 durch das Ministerium überprüft
wurde. Diese Untersuchung fiel jedoch nicht zugunsten vonr Acoma aus und die
Regierung stellte ihnen die Eigentumsurkunde aufgrund der Vermessung von
1877 aus, wodurch alle weiteren Ansprüche verhindert wurden. Auf Betreiben
von Walter und Robert Marmon, die nicht nur Regierungsvermesser, sondern
auch Missionare der presbyterianischen Kirche und Kaufleute waren, und die
in den Lagunastamm eingeheiratet hatten, wurde ein großer Teil des
umstrittenen Landes von Laguna Pueblo zugestanden.2 Es ist nicht zu
verwundern, daß die Indianer von Acoma PUeblo unzufrieden waren.
Am 12. Dezember 1882 beantragte Salomon
Bibo beim Kommissar für Indianerangelegenheiten eine Lizenz für den Handel
mit den Indianern von Acoma-Pueblo und gründete die erste
Geschäftsniederlassung in dem alten Ort Acoma hoch oben auf seiner
geschützten Mesa. Er hatte einen beträchtlichen Einfluß auf die Bewohner von
Acoma, zum Teil wegen seiner Heirat mit einer Frau namens Juana Valle, die
dem Acoma-Stamm angehörte und die Enkelin eines ehemaligen Gouverneurs war.
Zu der Zeit gab es keinen Rabbi in dem Staatsgebiet New Mexico, und es
wurden zwei Trauungen abgehalten, eine indianische vor einem katholischen
Priester in Acoma am 1. Mai 1885 und eine Ziviltrauung vor dem
Friedensrichter am 30. August. Durch seine Heirat mit einer Acoma-Frau wurde
Salomon ein Mitglied des Stammes. Er und seine Frau lebten erst in Acoma,
dann in einigen der umliegenden Dörfer und zuletzt zogen sie der
Jahrhundertwende nach San Francisco.
Der Pachtstreit
Salomon Bibo und sein Bruder Simon, der
nahebei in dem Städtchen Grants einen Geschäft führte, monopolisierten bald
die ganze Wirtschaft der Acomas. In der Tat verpachteten die Acomas am 7.
April 1884 das ganze ihnen von der Regierung zugeschriebene Gebiet auf ihrer
Reservation an Salomon Bibo.3 Dieser Pachtvertrag erregte den Zorn des für
Acoma zuständigen Indianerbevollmächtigten Pedro Sanchez, und er drohte mit
dem Entzug von Salomon Bibos Lizenz für den Handel mit Acoma. Darauf wandte
sich Sanchez an den U. S.-Kommissar für indianische Angelegenheiten mit der
Klage, daß der Pachtvertrag allen möglichen Spekulanten freie Bahn schaffe
und die Indianer letzten Endes in Armut stürze. Sanchez traf sich dann mit
Gouverneur Del Vallo im Ort McCarty's Station. Auf seinen Wunsch waren auch
Robert und Walter Marmon anwesend. Die zwei Marmons, die selbst gern das
Land der Acoma gepachtet hätten, dienten als Zeugen für die Behauptung des
Gouverneurs, daß Bibo den Pachtvertrag vom Gouverneur von Acoma ohne die
Zustimmung des Acoma-Volkes erhalten habe.
Um seine Anschuldigungen weiter zu
festigen, hielt Pedro Sanchez eine Versammlung mit 60 Acoma ab und fragte
sie, ob sie dem Pachtvertrag mit Bibo zugestimmt hätten. Alle Acoma außer
Del Vallo, dem Gouverneur des Acoma-Pueblos, verneinten. Del Vallo sagte:
"Als Bibo mit mir über eine Pacht sprach, bezog er sich auf das Stück Land, das
wir in der Nähe von Gallo Spring haben. Er wollte es, um seine Herden darauf zu
weiden und daß es ihm verbliebe nachdem er die Tiere abgeliefert habe, die ihm
einige der Acoma-Indiander als Anteil gegeben hatten, und unter dieser
Voraussetzung habe ich das Abkommen unterschrieben."4
Der Gouverneur behauptete weiterhin, er hätte angenommen, daß die Laufzeit
des Vertrags drei Jahre anstatt 30 sei, und daß er ihn nicht für eine
30-jährige Laufzeit unterschrieben hätte. Daraufhin forderte Sanchez Bibo
auf, den Vertrag für ungültig zu erklären, doch Bibo weigerte sich. Sanchez
legte dem Kommissar nahe, die nötigen Schritte zum "Schutz dieses armen
Pueblos" zu unternehmen.5
Als es den Bewohnern von Acoma
offensichtlich wurde, daß sie Bibo, den von ihnen geachteten Geschäftsmann,
verlieren könnten, hielten sie am 21. Juli 1884 eine Versammlung in
McCarty's Station ab und richteten ein Gesuch an den Kommissar für
indianische Angelegenheiten mit der Bitte, Bibos Lizenz als gültig
anzuerkennen. Sie erklärten ferner, daß sie den Vertrag, der nach Sanchez'
Behauptung durch Betrug mit den Acoma geschlossen worden war, in allen
Punkten unterstützten und aufrechterhalten wollten. Das Gesuch trug fast 100
Unterschriften, einschließlich die des Gouverneurs del Vallo.6
Sanchez setzte seine Bemühungen fort,
Salomon Bibo loszuwerden. Er stellte einem anderen Händler eine Lizenz aus
und schrieb an Gouverneur del Vallo über Bibos betrügerische Absichten.
Sanchez warnte ihn,
"vor Salomon Bibo und seiner Bande auf der Hut zu sein"7
und daß es die Schuld der Acoma sei, wenn
"ihr es zulaßt, daß ihr von denen betrogen werdet, die als Wölfe in
Schafskleidung zu euch kommen"8
Am 30. Juli wurde Salomon Bibo vom Entzug seiner Lizenz in Kenntnis gesetzt
und aufgefordert, alle seine Waren bis spätestens 20. August 1884 zu
entfernen. Dann wandte sich Sanchez zwecks weiterer Genugtuung an den U. S.
Bezirksstaatsanwalt:
"Ich stelle ehrerbietig die Bitte, alle erforderlichen Schritte im Interesse von
Acoma-Pueblo zu unternehmen und Salomon Bibo zu einer Annullierung des Vertrages
zu zwingen und besagten Bibo und seinen Besitz sowie seine Angestellten vom Land
des besagten Pueblo zu entfernen."9
Aber Bibo ließ sich nicht in die Flucht schlagen. Stattdessen schrieben die
Acoma und sein Bruder Simon Bibo, der gleich ihm ein Händler war, an den U.
S.-Kommissar in dieser Angelegenheit und stellten ihre Seite des
Vertragsstreites dar. Sie stellten fest, daß Solomons Angebot eine
Gegenmaßnahme für ein Angebot war, das die Brüder Marmon von Laguna im
vergangenen Jahr gemacht hatten. Die Brüder Marmon wollten das Land für zehn
Jahre pachten - - gegen eine Gebühr von zehn Kühen. Salomon Bibo sagte den
Indianern, daß eine Kuh pro Jahr zu wenig war. Stattdessen bot er einen
anderen Vertrag an, falls sie ihr Land verpachten wollten, unter dessen
Bestimmungen die Acomas alle Weide- und Anbaurechte behalten sollten. Zu
einem Zeitpunkt hatte der Bevollmächtigte Sanchez diesen Vertrag Bibos
gutgeheißen, doch änderte er später seine Meinung. Und die Marmons von
Laguna wollten Salomon Bibo loswerden, weil er den Lagunas gesagt hatte, sie
müßten den Teil des Landes zurückgeben, der den Acoma gehörte.10 Salomon
Bibo erstattete einen etwas verschiedenen Bericht von der Unterredung mit
Sanchez in McCarty's Station. Demnach waren es nur ungefähr dreißig Indianer
(nicht sechzig), die sich dort eingefunden hatten, und es gab keinen
Dolmetscher. Nur der Sohn des Gouverneurs war anwesend, der dem
Bevollmächtigten versicherte, daß er über die Situation Bescheid wußte und
mit dem Vertrag mit Bibo sehr zufrieden sei. Daraufhin, so berichtete
Salomon Bibo, sei Sanchez aufgefahren,
"Wie! Du hast kein Recht, das zu sagen - - also setz' dich hin!! Dieser Mensch
Salomon Bibo hat euch verkauft, er hat euer Land verkauft und das Land eurer
Kinder, und wenn ihr diesen Vertrag nicht sofort zurücknehmt, wird euch die
Regierung schwer bestrafen."11
Dem Gouverneur del Vallo wurde dadurch solche Angst eingejagt, daß er bereit
war, alles zu tun, was Sanchez wollte. Der Bevollmächtigte zog ein Dokument
hervor, das in Laguna vorbereitet worden war und die Nichtanerkennung des
Vertrages mit Bibo enthielt und legte es dem Gouverneur zur Unterschrift
vor. Salomon Bibo berichtete, daß die Anführer der Acoma später
zusammenkamen und ein Gesuch aufsetzten, in dem sie Sanchez ablehnten und
feststellten, daß sie ohne ihn auskommen könnten. Was Salomon Bibo betrifft,
glaubte Simon Bibo, daß ihn keine Behörde von seinem Handel mit den Acoma
ohne deren Einwilligung abhalten konnte.
"Seine Absichten mit diesen Indianern sind die allerbesten und vollkommen in
ihrem eigenen Interesse - - die Männer, Frauen und Kinder lieben ihn wie einen
Vater, und er ist ihnen auf dieselbe Weise zugetan."12
Simon Bibo fügte hinzu, daß Salomon Bibo den Acoma geraten hatte, ein Dorf
an einem günstigeren Ort anzusiedeln und ihre Kinder zur Schule zu schicken,
und daß er neue Methoden und Maschinen für den Landbau eingeführt hatte.
Hiram Price, der Kommissar für indianische
Angelegenheiten, entschied, daß der Pachtvertrag nicht zu genehmigen sei.
Die Handelslizenz für den Rivalen wurde erteilt, doch wurde Sanchez im
folgenden Jahr durch einen anderen Bevollmächtigten ersetzt. 1885 wählten
die Acoma Salomon Bibo zu ihrem Gouverneur. Die Wahl des Gouverneurs durch
die traditionsgemäßen religiösen Oberhäupter ist eng an den innersten
religiösen Kern des Pueblos gebunden, deshalb wird der eigentliche Grund,
warum Salomon Bibo für dieses Amt gewählt wurde, nie zutage kommen, doch ist
es offenbar, daß er getreue Anhänger gewonnen hatte.
Während seiner Jahre als Gouverneur war er ständig beschäftigt. Sein größter
Erfolg war das Schaffen neuer Ausbildungsmöglichkeiten für die Bewohner von
Acoma. 1885 beaufsichtigte er die Einstellung des ersten Schullehrers in
Acoma und stellte eines seiner Häuser für den Unterricht während des ersten
Jahres zur Verfügung; später wurde eine staatliche Schule in einem seiner
Gebäude in McCarty's Station eröffnet.
Schulausbildung war jedoch eine ziemlich umstrittene Angelegenheit. In jenen
Tagen war das Hauptziel der indianischen Erziehung "den Wilden zu töten und
das Kind zu schonen," indem alle indianischen Bräuche ausgemerzt wurden, die
dem Kind die Möglichkeit des Eintritts in die vorherrschende weiße
Gesellschaft verwehren könnten. Anfangs wurde dieses Ziel erreicht, indem
die Kinder auf Internate außerhalb der Reservation, wie zum Beispiel die
Indianische Schule in Carlisle, Pennsylvania, geschickt wurden, doch wurden
bald Schulen auf den Reservationen gebaut. In allen Schulen war es den
Kindern untersagt, ihre Muttersprache zu sprechen, und ein Vergehen gegen
dieses Verbot wurde streng bestraft. Den Kindern, die nach altem Brauch ihr
Haar lang trugen, wurde es abgeschnitten. Ebenso war das Tragen der
traditionellen Tracht verboten.
Daraus folgte, daß viele Acoma die Schulen beschuldigten, die alten Bräuche
zu zerstören. Umgekehrt weigerten sich die Acoma-Kinder, die eine Ausbildung
genossen hatten, nach Acoma zurückzukehren. Und jene, die zurückkamen,
weigerten sich oft, an den traditionellen religiösen Zeremonien teilzunehmen
oder wieder ihre alte Tracht anzulegen. Die Reaktion der religiösen Anführer
war oft, die Schuljungen (so wurden sie genannt) zum Tragen der
Indianerkleidung und zur Teilnahme an den Tänzen und Zeremonien zu zwingen.
Im Jahre 1889, als Salomon Bibo nicht mehr Gouverneur war, schrieb er an
Hauptmann Pratt, Leiter der Indianischen Gewerbeschule in Carlisle,
Pennsylvania und beschuldigte den Gouverneur im Amt und eine "kleine Bande
seines Stammes"13, am 2. September, einem Festtag, Männer und Knaben der
Acoma gefesselt und ausgepeitscht zu haben, zur Strafe dafür, daß sie der
Schule nicht ferngeblieben waren, ihr Haar kurz geschnitten und sich
geweigert hatten, Indianerkleidung zu tragen. Es war ein unmißverständlicher
Versuch seitens der religiösen Anführer, angesichts der neuen Entwicklungen
ihre Autorität wieder geltend zu machen.
Als Folge dieses Berichts wurde der Kommissar für indianische
Angelegenheiten angewiesen, den Gouverneur zu verhaften und in Albuquerque
ins Gefängnis zu werfen, bis er einem Bezirksverhör unterzogen wurde.
Währenddessen ernannte die Behörde einen "fortschrittlichen" Acoma, der bis
zu den Wahlen im Jahre 1890 als Vertreter des Gouverneurs diente.
Nichtsdestoweniger hielt das gespannte Verhältnis zwischen den Anhängern der
Tradition und der U. S. Bundesregierung an. Die bestehenden Probleme wurden
durch die Tatsache erschwert, daß viele der heimkehrenden Schüler Berufe
erlernt hatten, für die es in Acoma keine Arbeitsstellen gab, wie z. B., das
Schneidern, Drucken, Malen, alles Fächer des Berufsausbildungsprogramms,
wodurch die Schüler verschiedene Gewerbe erlernten, indem sie selbst ihre
Schlafräume im Internat aufräumten und sauberhielten, die Wäsche erledigten,
und ähnliche Arbeiten verrichteten.
Um von der immer schwieriger werdenden Lage in Acoma Abstand zu gewinnen,
zog Salomon Bibo mit seiner Familie Anfang 1900 von dort weg und wohnte
zuerst in dem nahegelegenen Ort San Rafael, New Mexico. Als das Jahr 1920
herankam, lebte die Familie in San Francisco, Kalifornien, wo einige der
Kinder die Schule besuchten. Während seiner "fortschrittlichen" Jahre hatte
Salomon sowohl Feinde als auch Freunde in Acoma erworben. 1920 erhielt er
einen Brief von Frank Ortiz, dem Gouverneur von Acoma, in dem ihm mitgeteilt
wurde, daß er auf dem Land der Acoma kein Weiderecht oder andere Vorrechte
mehr hatte, da sein Wohnsitz nicht länger in Acoma war. Einige der Acoma
waren verschiedener Meinung und bestanden darauf, daß Bibo das Recht auf
eine Genehmigung zum Weiden von Schafen hätte. Salomon legte bei Gouverneur
Ortiz und dem Leiter der "Southern Pueblos Agency" Berufung ein mit der
Begründung, daß seine Frau dem Acoma-Stamm angehöre, daß er ein Haus und
Ackerland auf der Reservation besitze und daß er für vier Amtsperioden
Gouverneur gewesen war.
Der Gouverneur unterbreitete dem Anwalt des Pueblos diese Angelegenheit für
ein Rechtsgutachten mit der Anmerkung, daß Salomon Bibo seit seiner Abreise
von Acoma auf keine Weise an dem Leben des Pueblos teilgenommen noch seinen
Bewohnern geholfen hatte. Der Anwalt war der Ansicht, daß der Gouverneur und
der Rat das Recht hätten, die Familie von der Stammesmitgliedschaft
auszuschließen. Nach traditionellem Acoma-Brauch gehörte alles Land dem
cacique (d. h. dem traditionellen religiösen Anführer und Oberhaupt des
Pueblos) und er war berechtigt, es an Bittsteller zu vergeben. Wenn das Land
nicht länger gebraucht wurde, konnte er es anderweitig zuteilen. Es wurde
eine Versammlung zur Debatte dieser Angelegenheit berufen und die Beamten,
Oberhäupter und Bewohner von Acoma stimmten dafür, ihn nicht zurückkehren zu
lassen und daß er außerdem kein Recht zur Rückkehr hatte. Auf jeden Fall
sind die Beziehungen zwischen den Bibos und den Acoma-Indianern bis zum
heutigen Tag unklar geblieben.
Obwohl Bibos Heirat durch eine katholische Zeremonie vollzogen worden war,
scheint er doch nach Berichten von Freunden zu schließen (wie Charles
Lummis, einem Historiker der Pionierzeit) weiterhin großen Wert auf seinen
jüdischen Glauben gelegt zu haben; ein Grund für seine Übersiedlung nach San
Francisco war jedenfalls, daß er seinen Kindern bessere
Ausbildungsmöglichkeiten, sowohl in der jüdischen als auch der weltlichen
Tradition bieten wollte, und die Familie trat dem Tempel Emanu-El in San
Francisco bei. Lummis berichtete ferner, daß seine Frau Juana sich gut in
der Welt ihres Mannes einlebte; ja, es zeigte sich in einem Interview mit
zwei Kindern der Bibos, daß es Juana war, die zuerst nach San Francisco ging
und sich dort 1898 niederließ, als sie sich der Möglichkeiten für
geschäftliche Entwicklungen in der Umgebung von San Francisco bewußt
wurde.14 Sie lernte die englische Sprache und wurde selbst eine gute
Geschäftsfrau, während sie im Geschäft ihres Mannes arbeitete. In den Worten
des befreundeten Historikers Charles Lummis war die Ehe der Bibos
"ein so schönes Beispiel und eine so seltene Inspiration."15
Die Ehe war glücklich und von langer Dauer, trotz des unterschiedlichen
Temperaments der Gatten. Salomon war streitlustig und hitzig, und Juana war
von unerschütterlicher Ruhe; zusammen kamen sie zu Wohlstand. Eine seiner
größten Investitionen war eine Feinkosthandlung namens Bibo, Newman &
Eichenberg, die sich an der Ecke Polk- und Californiastraße befand und wo
heutzutage das bekannte Süßwarengeschäft "Blum's Candy Store" steht.16
In San Francisco besuchte Salomon regelmäßig den Gottesdienst (an hohen
Festtagen) und die meisten Freunde des Ehepaares waren Juden.17 Wenigstens
ein Sohn, Leroy, unterzog sich dem Ritual der Bar Mitzvah im Bush Street
Tempel der Gemeinde Ohabai Shalom.
Die wirtschaftliche Depression ruinierte Bibos Geschäfte in New Mexico und
machte fast alle von Solomon's beträchtlichen Kapitalsanlagen an der Börse
wertlos. 1933 kamen in den Bergen, die Bibo als Sommerweide benützte, seine
insgesamt 20,000 Schafe während eines schweren, frühen Schneesturms um.
Daher bestand Salomon Bibos Nachlaß bei seinem Tod nur aus dem Besitz in San
Francisco.18 Salomon Bibo und Juana lebten zusammen bis Salomon 1934 starb;
Juana starb sieben Jahre später, im Jahre 1941. Sowohl Salomon, der
deutschjüdische Kaufmann und indianische Gouverneur und Juana, seine
Acoma-Frau, wurden eingeäschert und auf dem Friedhof des Tempel Emanu-El in
Colma, Kalifornien, beigesetzt.
Einige ihrer Kinder kamen in späteren Jahren nach New Mexico zurück und
viele der Nachkommen des Salomon Bibo und seiner Brüder wohnen jetzt noch
dort. Der kleine Ort Bibo, New Mexico, bei Paguate auf der Laguna
Reservation, ist nach Solomons Bruder, dem Kaufmann von Grants, benannt.
Mitglieder der Familie seiner Frau wohnen immer noch in Acoma und sie
erinnern sich an die Geschichten über eine Tante, die einen jüdischen
Händler aus Deutschland geheiratet hatte, der ihr Gouverneur wurde. Menschen
jüdischer, spanischer und indianischer Herkunft tragen den Namen Bibo,
Nachkommen dieses einzigartigen jüdischen Pioniers.
Angeführte Literaturstellen
American Jewish Archives, Cincinnati Campus, Hebrew Union College-Jewish
Institute of Religion, Box No. 2802. Interview mit Mr. Leroy Bibo und Mrs. Max
Weiss, Kinder des Salomon Bibo, in Charter Oak, Kalifornien, 21. Februar 1969,
von Dr. N. B. Stern.
American Jewish Archives, Cincinnati Campus, Hebrew Union College-Jewish
Institute of Religion. Microfilme Nr. 1692-1694. "Over the Carpathian Mountains
into Hungary and on to the Rocky Mountains in New Mexico and to the Coast Range
in California by the Golden Gate" ["Über die Karpathen nach Ungarn und weiter zu
den Rocky Mountains in New Mexico und dem Küstengebirge in Kalifornien bei dem
Golden Gate"].
Minge, Ward Alan. "Acoma, Pueblo in the Sky" ["Acoma, Pueblo im Himmel"].
Albuquerque: University of New Mexico Press, 1976.
National Archives, Record Group 75, Letters Sent, 1884, #8717 [Nationalarchive,
Eintragungen Gruppe 75, Versandte Briefe, 1884, #8717]
National Archives, Record Group 75, Letters Received, 1884, #13722
[Nationalarchive, Eintragungen Gruppe 75, Empfangene Briefe, 1884, #13722]
Rochlin, Harriet und Fred. "Pioneer Jews: A New Life in the Far West" ["Jüdische
Pioniere: Ein neues Leben im amerikanischen Westen"], Boston: Houghton Miflin,
1984.
Weitere Literaturhinweise
Fierman, Floyd S.: "Guts and Ruts, the Jewish Pioneer on the Trail in the
American Southwest" ["Mut und Räderspuren, der jüdische Pionier unterwegs im
amerikanischen Südwesten"], New York: Ktav Publishing House, 1985.
Parish, William. "The German Jew and the Commercial Revolution in Territorial
New Mexico, 1850 - 1900" ["Der deutsche Jude und die Handelsrevolution im
Staatsgebiet New Mexico"], Albuquerque; University of New Mexico. Sechster
jährlicher Forschungsvortrag, 1959.
Anmerkungen
1 Gemeinsames Interview mit Mr. Leroy Bibo und Mrs. Max Weiss, Kinder des
Salomon Bibo, in Charter Oak, Kalifornien, 21. Februar 1969, von Dr. N. B.
Stern; das Manuskript befindet sich im Besitz der American Jewish Archives,
Cincinnati Campus, Hebrew Union College - Jewish Institute of Religion. Box No.
2802.
2 "Over the Carpathian Mountains into Hungary and On to the Rocky Mountains in
New Mexico and to the Coast Range in California by the Golden Gate" ["Über die
Karpathen nach Ungarn und weiter zu den Rocky Mountains in New Mexico und dem
Küstengebirge in Kalifornien beim Golden Gate"]. Das Manuskript befindet sich im
Besitz der American Jewish Archives, Cincinnati Campus, Hebrew Union
College-Jewish Institute of Religion. Microfilme Nr. 1692-1694.
3 Die Vertragsbedingungen sind in einem Brief von C. I. A. Hiram Price an
Pueblobevollmächtigten Sanchez, 28. Juni 1884 enthalten. (Nationalarchive,
Eintragungen Gruppe 75, Versandte Briefe, 1884, #8717) Unter den
Vertragsbestimmungen verpflichtete sich Bibo, für die ersten zehn Jahre einen
Pachtbetrag von $400.00, für die nächsten zehn Jahre $400.00, und für die
letzten zehn Jahre $500.00 für einen Gesamtbetrag von $1,300 zu zahlen. Außerdem
verpflichtete sich Bibo, einen Gewinnanteil von 10 Cents pro Tonne für Kohle
jeder Art zu zahlen und erlaubte den Acomas, auf dem von ihm gepachteten Land
weiterhin ihr Vieh zu weiden und die Felder zu bewässerm und bebauen.
4 Ward Alan Minge, "Acoma, Pueblo in the Sky" ["Acoma, Pueblo im Himmel"].
(Albuquerque: University of New Mexico Press, 1976), 69.
5 ibid.
6 ibid.
7 ibid.
8 ibid.
9 ibid., S. 70
10 Brief von Simon Bibo an E. Whittlesey, 23.Juli 1884. (Nationalarchive,
Eintragungen Gruppe 75, Empfangene Briefe, 1884, #13722).
11 Ward Alan Minge, "Acoma, Pueblo in the Sky" ["Acoma, Pueblo im Himmel"].
(Albuquerque: University of New Mexico Press, 1976), 70.
12 ibid., S. 70 - 71.
13 ibid., S. 79.
14 Gemeinsames Interview mit Mr. Leroy Bibo und Mrs. Max Weiss, Kinder des
Salomon Bibo, in Charter Oak, Kalifornien, 21. Februar 1969, von Dr. N. B.
Stern; das Manuskript befindet sich im Besitz der American Jewish Archives, Box
No. 2802 Cincinnati Campus, Hebrew Union College - Jewish Institute of
Religion.
15 Rochlin, Harriet und Fred. "Pioneer Jews: A New Life in the Far West"
["Jüdische Pioniere: Ein neues Leben im amerikanischen Westen"], Boston:
Houghton Miflin, 1984, 85.
16 Gemeinsames Interview mit Mr. Leroy Bibo und Mrs. Max Weiss, Kinder des
Salomon Bibo, in Charter Oak, Kalifornien, 21. Februar 1969, von Dr. N. B.
Stern; das Manuskript befindet sich im Besitz der American Jewish Archives, Box
No. 2802 Cincinnati Campus, Hebrew Union College - Jewish Institute of
Religion.
17 Gemeinsames Interview mit Mr. Leroy Bibo und Mrs. Max Weiss, Kinder des
Salomon Bibo, in Charter Oak, Kalifornien, 21. Februar 1969, von Dr. N. B.
Stern; das Manuskript befindet sich im Besitz der American Jewish Archives, Box
No. 2802 Cincinnati Campus, Hebrew Union College - Jewish Institute of
Religion.
18 ibid.
haGalil onLine
05-11-2000
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