Die deutsche Polizei patrouilliert schon seit
einiger Zeit im Netz - auf der Suche nach rechter Propaganda, aber
auch nach Fällen von Wirtschaftskriminalität, Waffen- und
Drogenhandel. Allerdings bisher mit wenig Erfolg.
Nach Einschätzung der Fachzeitschrift Kriminalistik
fehlt es den Beamten "an Kompetenz, an Aus- und Weiterbildung und
materieller Ausstattung bei den zuständigen Polizeidienststellen".
Beispiel Berlin: Ein einziger PC mit Internetzugang
steht dort in der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes
(LKA). Eine Überwachung rechter Propaganda ist so fast unmöglich.
Hinweise erhalten die Staatsschützer in erster Linie aus der
Bevölkerung, von anderen Kriminalämtern oder vom Bundeskriminalamt
(BKA).
Die Möglichkeiten, gegen gesetzeswidrige Inhalte
vorzugehen, sind gering. Deutsche Provider bittet man, den Zugang zu
schließen und Adressen der Herausgeber mitzuteilen. Soweit möglich,
geschieht das auch. Ist der Provider aber im Ausland, scheitern die
Beamten meist.
Auf einer BKA-Tagung in Meckenheim suchten
Staatsschutzspezialisten, Verfassungsschützer und Internetprovider
kürzlich nach Wegen, um die Ermittlungschancen zu verbessern.
Rechtlich umstritten ist, ob sich Ermittler als
angeblich Interessierte an die User heranarbeiten dürfen. Der
Rechtsanwalt Thomas Stadler hält solche Methoden für rechtswidrig
(www.freedomforlinks.de).
In einigen Bundesländern arbeitet die Polizei aber
so und hält dies durch die Polizeigesetze für gedeckt. Vorreiter bei
der anlassunabhängigen Recherche im Netz war 1995 die bayerische
Polizei. Im Münchener Polizeipräsidium, später auch beim LKA, wurde
eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet.
Über das genaue Vorgehen will man sich in München
nicht äußern. Doch klar ist, dass die Polizeisurfer schon mal
pädophile Neigungen vortäuschen und hoffen, dass man ihnen Bilder
mit strafbaren Inhalten übermittelt. In den anderen
Kriminalitätsbereichen ist es ähnlich. 520 Verdachtsfälle kamen so
letztes Jahr zusammen.
Ob die nachfolgenden Ermittlungen aber auch zu
Festnahmen oder gar Verurteilungen führen, ist häufig unklar. Ebenso
beim BKA, wo seit 1999 eine Recherchegruppe anlassunabhängig mit der
Maus nach Straftätern fahndet. 2.671 strafrechtlich relevante
Verdachtsfälle stellte sie 1999 fest (davon 66 Staatsschutzdelikte)
und leitete sie an die Polizei weiter. "In der Regel erfahren wir
nicht, was dann daraus wird", heißt es beim BKA.
Das wird auch nach der Meckenheimer Tagung so
bleiben. "Unmittelbar", bestätigte BKA-Pressesprecher Dirk Büchner,
"ändert sich erst mal nichts." Zwar kündigte das BKA den Aufbau
einer Datenbank zur Registrierung rechtsextremer Websites an, doch
die verstärkte Kooperation mit anderen Behörden und ausländischen
Polizeien wie dem amerikanischen FBI kann nur "die Erkenntnisse
verdichten". In den USA, wo die meisten rechtsextremen Texte ins
Netz gestellt werden, ist deren Verbreitung nicht strafbar.
So endete die Tagung mit Appellen. Die Provider
sollen Hinweise auf rechte Inhalte sofort an die Polizei
weiterleiten und alle technischen Möglichkeiten zu ihrer
Unterbindung ausschöpfen. Die Polizei selbst will verstärkt
anlassunabhängig recherchieren. Trotz der schlechten technischen
Ausstattung seiner Abteilung sieht auch der Berliner Staatsschutz
darin die einzige Chance und arbeitet an einem Rechtsgutachten,
unter welchen Bedingungen verdeckt im Internet ermittelt werden
könnte. Das grundsätzliche Problem aber bleibt: An der Grenze ist
meist Schluss. "Das Strafrecht", sagt ein Staatsschützer, "ist hier
eine recht stumpfe Waffe."
taz Nr. 6279 vom 25.10.2000, Seite
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TAZ-Bericht OTTO DIEDERICHS
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25-10-2000
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