Israelische Soldaten in
Gaza
Tomer kann dem Leben im
Moment nichts abgewinnen: „Ich habe den miserabelsten Job der Welt. “ Tomer ist
19 Jahre alt und Soldat, allerdings an einem der absurdesten Orte auf der
Westbank – in Hebron. Der Junge aus Tel Aviv steht schwer bewaffnet an einen
Olivenbaum gelehnt neben einer Schranke, die er dann und wann öffnet.
Für den Wasserwagen aus
Jerusalem etwa, der den acht Familien in Tel Rumeida die Duschtanks auffüllt.
Die jüdischen Familien, die aus Brooklyn stammen und kaum Hebräisch sprechen,
leben in Wohncontainern. Zwischen ihren Blechhütten haben sie einen Spielplatz
errichtet für ihre Kinder, die nur auf diesen 30 Quadratmetern toben können,
nicht aber jenseits von Stacheldraht und Betonmauer. Denn da draußen, sagt auch
Tomer, „ist Krieg“.
450 Juden
haben sich in Hebron niedergelassen – inmitten von 120 000 Palästinensern. In
den Berichten über die Unruhen taucht Hebron immer wieder auf. Man sieht Bilder
israelischer Soldaten, wie sie sich in der verbarrikadierten Altstadt mit
Schüssen wehren gegen Steine und Brandsätze der Palästinenser. Einer dieser
Soldaten ist Tomer: „Ich versuche, daneben zu schießen“, sagt Tomer, obwohl ihn
diese Aussage ins Gefängnis bringen kann.
„Siedler sollten
abziehen“
Er hat es satt, „diese
verrückten Siedler zu schützen. Warum befiehlt (Israels Ministerpräsident) Barak
denen nicht, hier abzuhauen, Juden haben hier nichts zu
suchen!“ Dem Frieden zuliebe und um Geld „nicht sinnlos zu verschwenden“ sollten
die Siedler aus Hebron abziehen. Rund um die Uhr werden sie von 2000 Soldaten,
180 internationalen Beobachtern, Elektrozäunen und Videokameras geschützt. Das
kostet Israel jährlich sechs Millionen Mark. Tomer darf eigentlich nicht mit
Journalisten sprechen, aber er findet es „wichtig, dass die Welt erfährt, dass
die meisten israelischen Soldaten Frieden wollen und keinen Krieg“.
Auch Itay hasst seinen Job.
Er ist 19 und einer der Soldaten, die in dem israelischen Stützpunkt nahe
Netzarim in Gaza ihren Wehrdienst absolvieren. Seit elf Tagen wird der
Stützpunkt von palästinensischen Jugendlichen attackiert: „Die reinste Hölle“,
sagt Itay. Die Wut wundert ihn nicht: „Wir haben in Gaza nichts verloren“, sagt
er. In dem schmalen Streifen Land leben 6000 rechtsextreme Juden
unter 1,3 Millionen Palästinensern. Israelische Soldaten sind im autonomen Gaza
nur wegen dieser 6000 Siedler da, unfreiwillig: „Wenn wir uns ganz aus Gaza und
der Westbank zurückziehen würden, könnten zwei Staaten miteinander Frieden
suchen und die Palästinenser nicht mehr behaupten, wir unterdrücken sie“, sagt
Itay.
Auch wer – von der Armee
übrigens nicht genehmigte – Gespräche mit Soldaten in Nablus führt, hört Klagen
über den „sinnlosen Krieg“. Nablus ist palästinensisches Autonomiegebiet. Mitten
im Zentrum liegt das Josefsgrab, das bis zum Samstag von israelischen Soldaten
geschützt wurde. Schai ist 19 und schob dort Dienst. „Der Welt“ wollte er am
Freitag noch sagen, dass er, „wenn ich könnte, sofort abhauen würde“. Es sei
„provokativ“, inmitten von Palästinensern ein Grab zu schützen. Ein paar Stunden
später ging Schais Wunsch in Erfüllung: Generalstabschef Schaul Mofaz ließ die
Grabstelle räumen. Wenig später wurde sie von palästinensischen Jugendlichen
zerstört.
Thorsten Schmitz