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Über den Alltag in Israel:
Ankommen - Yesh mah la´assot!

Von Oliver Maor, Tel Aviv

Manarah

"Eyn mah la´assot" - da kann man nichts machen - ist ein beliebter Satz im alltäglichen Israel. Kaum eine andere Phrase könnte die tiefsitzende Resignation zum Ausdruck bringen, mit der sich viele Israelis einem alltäglichen Wahnsinn entziehen, dem Wahnsinn des andauernden Konfliktes mit den Nachbarvölkern und der bleiern wirkenden Behinderung der Entwicklung des Landes, die immer und immer wieder durch diesen Konflikt ausgelöst wird.

Wer aus einem konfliktarmen Land nach Israel reist, nimmt - bis die Gewöhnung einsetzt - im israelischen Alltagsbild durchaus wahr, daß "irgendetwas nicht stimmt". Die zahlreichen Uniformen der vielen wehrpflichtigen jungen Frauen und Männer, die im Straßenbild kaum zu übersehen sein dürfte, die Taschenkontrollen am Eingang jedes Einkaufszentrums oder Supermarktes, oder auch schon, bei der Einreise, die Tatsache, daß Israel als wohl einziges westliches Land jede Ein- und Ausreise, auch der eigenen Bürger, in einer Datei registriert, sind Hinweise auf eine ständig präsente, sublime Gefahr, die "überall und nirgendwo" lauern mag. 

Es ist nicht etwa so, daß der Tourist, der ins Land kommt, oder auch der gewöhnliche Bewohner sich aktuell bedroht fühlt oder fühlen müßte. Dort, wo man sich gewöhnlicher weise aufhält, sieht man weder brüllende Horden steinewerfender Jugendlicher, noch notdürftig aus Tonnen oder Betonblöcken errichtete Straßensperren. Nirgends gewinnt man den Eindruck, man müsse nun fortlaufen, um sich vor Angriffen zu schützen. Die im israelischen Alltag sichtbaren Zeichen des Konfliktes wirken eher wie ständige Mahnungen, daß wir bedroht sind - ohne aber daß die Bedrohung unmittelbar sichtbar wäre. Im Interesse der eigenen Sicherheit, der Sicherheit des Landes muß man sich ständig in die Tasche oder in den Kofferraum schauen lassen. Eyn mah la´assot. Kacha b´Israel, so ist es in Israel.

Die Wehrpflicht beträgt im Regelfall für israelische Männer drei, für Frauen zwei Jahre. Die Grundausbildung ist sehr hart. Theoretisch könnte man sich ohne Mühe vor der Wehrpflicht drücken, was aber praktisch nur Ultrareligiöse tun und künftig auch nicht mehr sollen: Die gemäßigt religiösen Männer absolvieren sehr häufig einen mit einem religiösen Kurs kombinierten Wehrdienst, Frauen aus dieser Gesellschaftgruppe dann eine Art Zivildienst. 

Bei Bewerbungen ist es in in der israelischen Gesellschaft äußerst wichtig, welcher Armeeeinheit man angehörte, ob man etwa nur als "Jobnik" irgendeine Verwaltungstätigkeit ausübte oder aber in einer "ausgewählten Kampfeinheit" womöglich sein Leben, in jedem Falle aber seine Gesundheit riskierte. Später werden Männer zu "Miluim", Wehrübungen eingezogen, die nicht selten einen Monat im Jahr andauern. 

Ist gerade keine Präsenz in der Militärbasis erforderlich, geht man während dieser Zeit, ständig abrufbereit, auch einmal in Uniform, mit Gewehr, für ein paar Stunden ins Büro. Oder nimmt das Handy "ins Feld" mit, um mit Geschäftspartnern eben von dort aus zu verhandeln. Niemand zweifelt an der Notwenigkeit der Armee, der Miluim, des eigenen Einsatzes, aber dringende Geschäftspost darf eben auch nicht liegenbleiben. Telearbeit vom Militär aus. Eyn mah la´assot.

Wehrpflicht und Armee sind selbstverständlich nicht nur Trockenübungen, und das bedeutet auch, daß es kaum eine Familie in Israel gibt, die nicht einen Angehörigen in einem der Kriege verloren hat. Die ganz überwiegende Mehrheit der Israelis ist davon überzeugt, daß es für Juden keinen anderen Ort als Israel gibt, um wirklich in Würde zu leben.
Ohne Israel, dem Garanten jüdischer Freiheit und Ehre, auch in der Diaspora, sind Juden der Willkür fremder Mächte ausgesetzt. Und was die Geschichte lehrt, was sie vermittelt, ist, daß man sich nicht sicher sein kann, in der Minderheit zu überleben, aller Garantien zum Trotz. 

Die Reconquista in Spanien, die gescheiterte "Judenemanzipation" in Europa, die Shoah, diese Ereignisse haben gezeigt, daß die Rezepte der Integration in andere Gesellschaften, mit oder ohne Assimilation, Luftschlösser sind. Kurzfristig vielleicht nicht, über Jahrtausende aber schon. Heute in Ehren und allen Würden, sind in der Galluth, der Diaspora, schon morgen, völlig überraschend und ohne eigenes Zutun, der Haß und die denkbar größte Erniedrigung möglich. 

Die Geschichte wird ungern abschnittsweise betrachtet. Wunden der Vergangenheit vernarben, die Narbe bleibt aber. Es gibt keinen Grund, zu vergessen, zu verdrängen. Nur auf sich selbst kann man sich noch verlassen. Die Welt "außerhalb" ist manchmal erstaunlich bunt, vielfältig, wohlhabend. Amerika, Europa, das sind Länder, in denen zu arbeiten es sich lohnt, in Frieden, Freiheit, Wohlstand. Wäre man nicht zumindest doch potentieller Außenseiter. 

Mit Überraschung wird es gesehen, daß ein religiöser Jude Vizepräsident der USA werden möchte. Daß es außerhalb Israels doch nicht so viel Diskriminierung gibt, daß dies unmöglich wäre. Daß ein Jude, der den Shabbat hält und keine Konzessionen an die Mehrheitsgesellschaft macht, inmitten des Staatswesens eines nichtjüdischen Staates stehen kann und es nicht nur in einer Nischenexistenz im geschäftlichen oder künstlerischen Bereich zu etwas bringen kann. 

Antisemitische Anwürfe gegen solche Menschen würden aber kein Erstaunen auslösen. Die Erinnerung an die seltsamen Mechanismen der Diaspora sind in Erinnerung geblieben. Dauerhaft können Juden dort nichts werden, selbst wenn das Gold dort glänzt, selbst wenn Israel nicht Teil der großen weiten Welt ist, sondern ein Staat, der ständig um seine Existenz bangt, weil im Endergebnis doch alle, außer Juden selbst, gegen etwas Jüdisches in der Gesellschaft sind. 

Der Taxifahrer aus Jerusalem sprach von Israel als großem Bluff. Nicht ernstzunehmen. Alles Leid, das ertragen werden mußte, in der Erinnerung mitschwingt, führt zu Selbstmitleid, Resignation. Der Rückzug ins Private, ins eigene Über-Leben, hilft dort weiter. Im Mittelpunkt steht, wie sichere ich mit meinem mageren Gehalt, nach allen Abzügen, daß ich meine Wohnung abbezahlen kann, meine Kinder eine halbwegs vernünftige Ausbildung erhalten. In einer traurigen Phase wird eben nicht geglaubt, daß der große Wurf gewagt werden kann. Es geht schlecht, manchmal gelingt auch eine Kleinigkeit. Es glänzt aber nichts. Eyn mah la´assot.

In den Nachrichten hört man über die neuesten Entwicklungen des Konflikts. In der Vergangenheit hat Israel seinen Staat etwas sichern können. Die Feinde sind geblieben. Und sie werden wohl Feinde bleiben. Wer versteht schließlich Araber. Das sind Gewalttätige, die schon als Kinder aufgehetzt werden. Gut, da ist der Araber, der mit einem im Büro arbeitet. Ein netter Mann, der immer freundlich ist und viel Verstand hat. Mit guter Berufserfahrung, im Ausland studiert, spricht exzellentes Englisch und Hebräisch natürlich ohne Akzent. Schön, daß wir ihn haben, da kann man ihn doch auch mal bitten, den Ordner mit den arabischen Dokumenten durchzuschauen, in denen er auch prompt den Haken an der ganzen Sache findet.

Unvorstellbar, daß ihn jemand diskriminieren würde. Als die Unruhen wieder losgingen, war ihm das so peinlich, er wollte mit kaum jemandem reden. Man wünscht ihm auch höflicherweise keinen schönen Feiertag, weil es ja nicht sein Feiertag ist. Eine schöne Zeit, bis Dienstag, das sagt man eben. Einen schönen muslimischen Feiertag wünscht man ihm auch nicht. Wir kennen seine Feiertage ja nicht, die stehen ja nicht im Kalender. Wenn er dabei ist, spricht man auch vorischtiger über Araber. Sagt nicht unbedingt, daß man Arabern eigentlich nicht trauen kann, mit ihnen keine Verträge abschließen würde. Er könnte es so verstehen, daß man ihn persönlich treffen wollte. Er ist so ein netter Kerl, das will man nicht. Sonst weiß man nicht so viel über ihn. 

Er wohnt irgendwo, wo man selbst nie hinfährt. Ist zwar in Israel, aber man kennt den Ort nur von der Landkarte. Ihn zu Hause besuchen, das wäre vielleicht gefährlich. Man weiß ja nie, wie die Leute dort reagieren. Israeli ist er auch. Wählt bestimmt irgendwelche Araberparteien. Am besten redet man nicht darüber. Sonst könnte es noch hochkommen, daß er vielleicht doch im anderen Lager steht. Dem Lager, das einem gefährlich werden könnte. Eyn mah la´assot.

Ankommen will gelernt sein. Es ist schwierig, braucht Überwindung. Jedes Kind lernt, nach zweitausend Jahren sind wir nun wieder angekommen, auf einem Streifen nun begrünter Wüste. An das Land hat man sich schon gewöhnt. Der vierzehnjährige Israeli, dessen erster Auslandsflug in Berlin endet, war beim Landeanflug erstaunt über die vielen Seen, die man vom Flugzeug aus sehen kann. Welch Luxus es doch in Europa gibt. Viel Wasser. Und alles sieht so fertig aus. Gepflegt, augebaut. 

Wenn in Europa gebaut wird, ist das ernst gemeint. Alles soll so lange halten, wie es halten kann. In Israel merkt man erst langsam, daß Gebäude so errichtet werden können, daß sie auch noch nach dreißig Jahren gut brauchbar sind. Und nach etwas aussehen. So langsam will man nicht mehr alle zehn, zwanzig, hundert Jahre irgendwo ausziehen, um wieder in der Welt herumzuwandern. Und sich wieder provisorisch so niederzulassen, in Gebäuden fremden Baustils. 

Der Baustil Tel Avivs kommt aus Dessau, in Jerusalem baut man klassisch, mit Sandsteinfassade. Daraus wird der eigene Stil. Man beginnt zu verstehen, die ersten Gebäude sind in Tel Aviv schon unter Denkmalschutz gestellt, wegen der hervorragenden Architektur. Nun werden sie sogar repariert und gestrichen. Nach fünfzig Jahren wird klar, das muß eventuell Jahrzehnte halten, Ende der Improvisation. 

Auch im Privaten sorgt man nun ein wenig vor. Das Gehalt ist zwar immer noch gering, im Vergleich zu dem, was man in Europa oder Amerika verdienen könnte. Aber vielleicht wird man hier sogar alt und gibt das wenige Geld nicht nur zum Leben hier und jetzt aus. In den neuen High-Tech-Jobs bleibt ein wenig zum Investieren in die Zukunft der eigenen Familie übrig, man kann etwas tun: Yesh mah la´assot.

Und vielleicht ist der eigene jüdische Staat, das Israel der Zukunft, wirklich nicht nur ein Witz. Vielleicht kann man hier wirklich, ohne laufend von den Nachbarn angegriffen zu werden, über Jahrhunderte leben. Vielleicht ist auch die zweite Utopie nach der vollzogenen Utopie der Staatsgründung, nämlich die Utopie, als Volk im eigenen Land zu leben, ohne laufend Überfälle befürchten zu müssen, irgendwann real. 

Zur Zeit sieht es nicht nach Frieden aus. Aber für eine kurze Zeit, eine kleine Weile, sah es so aus, als hätten die arabischen Nachbarn ein paar wenige Interessen, die sie mit Israel teilen und gemeinsam verwirklichen. Gut, kurze Zeiten sind immer trügerisch, wie die Erinnerung zeigt. Und vielleicht ist es verführerisch, sich einseitig abzusetzen von der Umwelt, sich wieder zurückzuziehen in das eigene kleine Land, das immer noch etwas von einem großen Flüchtlingslager hat. 

Die einseitige Abkoppelung von den Arabern zu wagen, wir hier, die da, wie es auch mit Ägypten leidlich funktioniert, und so mal wieder etwas Ruhe zu haben. Aber in der Zeitung steht nun auch zu lesen, auf Dauer könne das vielleicht auch nicht funktionieren. Will man ankommen, muß man auch mit den anderen dort in Frieden leben. Yesh mah la´assot.

haGalil onLine 26-10-2000

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