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israel.de |
Die Crux liegt im Detail. Während der Noch-US-Präsident seinen Aufruf an
Palästinenserchef Arafat richtet und während seine Außenministerin die
"internationale Gemeinschaft" auffordert, sich "hinter die USA zu
stellen", spricht die französische Spitze - Regierung und
Staatspräsidenz inklusive - grundsätzlich beide konfliktführenden Seiten
an.
Dreimal nannte Frankreichs
neogaullistischer Staatschef Jacques Chirac das Stichwort "UNO", als er
am Donnerstag, nach dem Lynchakt von Ramallah, einen neuerlichen Appell
an die israelische Regierung und die palästinensische Führung lancierte.
Wie die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten sieht auch Frankreich die UNO
als das zur Friedenssuche legitimierte internationale Gremium an.
Nach dem Lynchen hatte das
Außenministerium der rot-rosa-grünen Regierung in Paris die israelische
Spitze aufgefordert, "mit Maßen" zu reagieren. Kurz nach den
Bombardements aus den israelischen Hubschraubern drängte der
sozialistische französische Regierungschef Lionel Jospin seinen Kollegen
und Parteifreund Barak zum "Stopp der Gewaltspirale".
Die französische Position zum
Nahen Osten hat sich immer von der US-amerikanischen unterschieden, seit
General de Gaulle, der 1967, am Vorabend des Sechstagekrieges, ein
Embargo gegen Waffenlieferungen nach Israel verhängte. Bloß setzt Paris
längst nicht mehr auf Beziehungen in die arabische Welt, sondern
spätestens seit Mitte der 80er-Jahre auf Ausgleich. Mitterrand war der
erste französische Präsident, der einen Staatsbesuch in Israel
absolvierte. Chirac ist derjenige, der den bislang engsten Kontakt zu
den Ländern des Nahen Ostens pflegt. Er telefoniert nicht nur regelmäßig
mit allen beteiligten Mächtigen - von Israel über die palästinensischen
Gebiete bis hin zum Libanon und zu Syrien -, sondern er hat auch den
jahrzehntelangen, lähmenden Konkurrenzkampf mit der US-Diplomatie ad
acta gelegt. Chirac zweifelt nicht die vorherrschende Rolle der USA im
Nahen Osten an, sondern plädiert seit langem für eine Arbeitsteilung, in
der die UN- und die europäische Diplomatie eine größere Rolle spielen.
1995 hat Chirac die französische Mitverantwortung für das Vichy-Regime
und für die Deportationen aus Frankreich anerkannt - die weitestgehende
Geste eines französischen Präsidenten gegenüber der jüdischen Gemeinde.
In diesem Zusammenhang muss man
auch Chiracs Drängen auf eine "internationale Untersuchungskommission"
sehen, die sich mit den israelischen Schüssen auf palästinensische
Steinewerfer befassen soll und zu der nach französischer Vorstellung
eben nicht nur Israel, Palästinenser und USA, sondern auch die UNO und
die EU gehören sollen. Dass ihm dafür in der vergangenen Woche aus dem
direkten Umfeld Baraks die "Unterstützung von Terroristen" und eine
"Gefährdung des Friedensprozesses" vorgeworfen wurde, gehört zu den
vielen Aufgeregtheiten der letzten Tage. Baraks Sonderentsandter in
Europa, Schimon Peres, nahm diese schweren Anschuldigungen in Paris
inzwischen zurück. "Gestern ist gestern", sagte er in einem Interview
mit der Zeitung Le Monde, "wir müssen jetzt in die Zukunft
schauen." Inzwischen zeigt sich auch die israelische Führung mit einer
Untersuchungskommission über den engen und traditionellen Dreierrahmen
hinaus einverstanden.
DOROTHEA HAHN
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