|
|
Freitag, 6. Oktober 2000
Sprecher der
israelitischen Kultusgemeinden
in Bayern geben sich zuversichtlich
Vorsicht, nicht Angst ist
das Gebot der Stunde
Anschläge nicht Ausdruck
einer Mehrheit der Bevölkerung
Polizei verstärkt Schutz jüdischer Einrichtungen
Von Fritz Riedl und Andreas
Roß
Würzburg – Mit großer
Betroffenheit haben die Jüdischen Gemeinden in Bayern auf die jüngsten Anschläge
gegen jüdische Einrichtungen in Düsseldorf und Potsdam reagiert. Unterdessen hat
die Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen verstärkt.
Josef Schuster (46),
Vorsitzender der Gemeinde von Würzburg und Unterfranken, sagte, dass er sich
unter dem Eindruck der Ereignisse gefragt habe, ob es sinnvoll sei, den Neubau
des jüdischen Gemeindezentrums tatsächlich anzupacken. In Würzburg soll für
einen zweistelligen Millionenbetrag ein jüdisches Gemeinde- und Kulturzentrum
entstehen. Das Vorhaben wurde notwendig, weil die Zahl der jüdischen
Gemeindemitglieder wegen der Zuwanderung von rund 600 Juden
aus der ehemaligen UdSSR auf fast 1000 gestiegen ist. Trotz aller Zweifel und
Bedenken habe er sich für das „jüdische Dennoch“ entschieden. „Wir dürfen uns
nicht in das Mauseloch verkriechen und damit diesen Menschen einen Triumph
gönnen“, sagte Schuster. Zuversichtlich mache ihn die Tatsache, dass die
jüngsten Anschläge nicht Ausdruck der Mehrheit in der Bevölkerung oder gar des
Staates seien. Dies sei ein wichtiger Unterschied zu 1938, wenngleich er sich
noch vor 20 Jahren nicht hätte vorstellen können, dass es in Deutschland einmal
wieder soweit kommen könne, dass man sich Gedanken um die Sicherheit machen
müsse. Deswegen sei er gestern im Würzburger Polizeipräsidium gewesen und habe
vereinbart, dass die unterfränkische Polizei ein besonders wachsames Auge auf
die jüdischen Einrichtungen in Würzburg und Bad Kissingen wirft.
Die Stimmungslage der 920
Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg ist nach den Worten ihres
Vorsitzenden Arno Hamburger „gedrückt, aber nicht entmutigt“. Trotz aller
aktuellen Diskussionen bleibe er dabei, dass der Wiederaufbau der jüdischen
Gemeinden nach 1945 nötig und richtig war. Wer vor dem Hintergrund der aktuellen
Ereignissen den Gedanken Paul Spiegels folgte, der würde letztlich Hitlers Traum
vom judenfreien Deutschland realisieren. Dagegen sei zumindest in Nürnberg in
den zurückliegenden 50 Jahren alles Menschenmögliche getan worden. Vorsicht,
nicht aber Angst sei das Gebot der Stunde. „Wer sich fürchtet, der ist selbst im
Bett nicht sicher“, habe schon sein Vater gesagt. Deshalb sehe er auch keinen
Anlass, die Nürnberger Polizei zu außergewöhnlichen Maßnahmen aufzufordern. „Wir
zahlen unsere Steuern wie alle anderen und wollen wie alle anderen behandelt
werden. “ Sollte die Judenfeindlichkeit zunehmen, werde man sich zu wehren
wissen: „Dass wir uns wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen, das wird sich
in Deutschland nicht wiederholen. “
Düsseldorf habe schreckliche
Erinnerungen wach gerufen, sagte Israel Offmann, Vorsitzender der mit rund 1400
Mitgliedern zweitgrößten jüdischen Gemeinde in Straubing. Zwar sei die Situation
in Niederbayern bei weitem nicht so schlimm, wie in anderen Gegenden
Deutschlands. Erschreckend und bezeichnend für die Stimmung in der Gemeinde sei
jedoch der Umstand, dass er angerufen und mit der Frage konfrontiert worden sei,
ob man noch in die Synagoge kommen könne, oder ob Lebensgefahr bestehe.
In Schwaben hat die Polizei
ein geschärftes Auge auf die jüdischen Einrichtungen. „Wir haben die Zahl der
Streifenfahrten erhöht und weitere Vorkehrungen getroffen“, sagt Walter Beck,
der Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben. Zu den gefährdeten Objekten in
Schwaben gehören die große Synagoge in der Augsburger City, die auch ein
jüdisches Kulturmuseum beherbergt, und die renovierten Synagogen in
Nordschwaben: Ichenhausen, Hainsfarth, Binswangen und Harburg. Aber auch die
zahlreichen jüdischen Friedhöfe, die es in Schwaben gibt, sind in die
Sicherheitsbemühungen der Polizei einbezogen. „Wir haben G'tt sei dank in den
letzten Jahren Glück gehabt, bei uns gab es keine rechtsextremistischen
Anschläge“, berichtet Beck. Man stehe natürlich das ganze Jahr mit den jüdischen
Organisationen in Verbindung und erteile Ratschläge, wenn in den Synagogen
größere Veranstaltungen geplant seien.
Die große Synagoge in
Augsburg gehört zu den gefährdeten kulturellen Einrichtungen in Schwaben und
wird besonders bewacht. „Wir haben die Zahl der Streifenfahrten erhöht und
weitere Vorkehrungen getroffen“, sagt Walter Beck, der Sprecher des
Polizeipräsidiums Schwaben. Zu den gefährdeten Objekten in Schwaben gehören
neben der Augsburger Synagoge, die auch ein jüdisches Kulturmuseum beherbergt,
die renovierten in Nordschwaben: Ichenhausen, Hainsfarth, Binswangen und
Harburg. Aber auch die zahlreichen jüdischen Friedhöfe, die es in Schwaben gibt,
sind in die Sicherheitsbemühungen der Polizei einbezogen.
haGalil onLine
10-10-2000
|