REGENSBURG. Der
neue und alte Kantor und Religionslehrer der jüdischen Gemeinde
Regensburgs heißt Dannyel Morag. Die Erfahrung einer Nacht und eines
Tages an seiner neuen Wirkungsstätte in Wien reichten ihm, seiner
Frau Ester und seiner Tochter Sara für die spontanste Entscheidung
ihres Lebens. Sie packten den Umzugs-Container gar nicht aus und
schickten die Spediteure retour nach Regensburg, wo sie bereits alle
Zelte abgebrochen hatten.
Regensburg nahm den verlorenen Sohn sofort mit offenen Armen auf. Zwei Bewerber
hatten sich in der Zwischenzeit vorgestellt, waren aber bei der Gemeinde nicht
"angekommen". Sie ist von Dannyel Morag verwöhnt. Bei ihm hatte alles gepasst,
vor allem der menschliche Umgang. Innerhalb einer Woche hatte die Familie Morag
wieder ein Dach über dem Kopf, und Sara (5) einen Platz im katholischen
Dreifaltigkeitsberg-Kindergarten.
Nach seiner Heimkehr erscheint dem Kantor Regensburg als "kleines, ruhiges
Paradies" und seine Bewohner sind für den sephardischen Juden "alle Engel". So
waren tatsächlich seine Worte beim ersten Interview auf heimischen Boden.
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Dannyel Morag bei einer Bat Mizwa-Feier in der Synagoge.
Foto: Schabbat Schalom,
MZ-Buchverlag
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Letzten Dienstag war sein erster Schultag und der Kantor voller Tatendrang. Auf
seinem Plan steht ein jüdisches Gemeindeblatt mit dem Arbeitstitel "Schalom
Achim" (Friede mit Dir, mein Bruder) und einmal pro Monat am Freitag Abend ein
gemeinsames Schabbat-Essen mit allen Kindern der Gemeinde. Am Nachmittag will
seine Frau Ester, eine geborene Budapesterin mit hervorragenden
Deutschkenntnissen, mit den Kinder Zöpfe (Challahs) backen.
Die Regensburger Öffentlichkeit, die erst im August vom Abschied des Kantors
informiert worden war, ist von seiner Wiederkehr freudig überrascht. Karin
Hetzenecker hörte im Gebetssaal, wo sie für ihre jüdische Stadtführung
recherchierte, dass Morag nicht nur aushilfsweise für die hohen Feiertage, die
am 29. September beginnen (jüdisches Neujahrsfest), sondern überhaupt und ganz
wieder da ist. Für die engagierte Stadtführerin war dies "die gute Nachricht des
Tages".
"Unser Kantor" musste freilich auch einige Scherze ertragen. Seine 30
Tora-Schüler forderten ihn auf, jetzt die Großpackung mit Merci-Schokolade
zurückzugeben, die sie ihm zum Abschied geschenkt hatten. Dannyel Morag war
damals geradezu überschüttet worden. "Es gab Blumen und Karten wie bei einer
Beerdigung." Diese Woche erfuhr er schließlich, dass er und seine Familie in
Deutschland eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen haben. "Jetzt fühlen
wir uns richtig als Regensburger", sagt Dannyel Morag.
Wie heißt es in den Kalendersprüchen? Erst im Sturme erkennst du den Reiz der
Ruhe: Nach drei Regensburger Jahren hatte die Morags die Aussicht auf
authentisches jüdisches Leben in Wien gelockt, wo die Gemeinde in die Tausende
geht, wo man, so man will, koscher essen gehen und einkaufen kann. Dabei sind es
die Kleinigkeiten, die sich bemerkbar machen, wie der Lulav (Palmzweig), den der
Kantor an Neujahr schüttelt. Den kriegt er in Wien noch am Tag vor dem Fest,
hier muss er ihn schon einen Monat vorher bestellen. Beim Morgengebet im
Steinweg fühlte sich der Kantor in Gebetsmantel, Kippa und Gebetsriemen auf dem
Balkon oft wie der einzige Jude auf der ganzen Welt.
Ein weiterer Grund zu gehen: Seine Frau Ester, eine ausgebildete Fotografin,
Keramikerin und Religionslehrerin, will mit der Schulreife ihrer Tochter wieder
ins Arbeitsleben zurück. Sie hatte für sich in Wien einen größeren Arbeits-Markt
gesehen.
Bei einem Probeunterricht im Juli in Wien, war ja alles noch Gold. Dannyel Morag
unterschrieb einen Vertrag als Leiter der religiösen Abteilung des jüdischen
Gymnasiums. Das Bild änderte sich an Mariä Himmelfahrt, Dienstag, 15. August. Da
sahen die Frauen Wien aus einer ganz anderen Perspektive, die sehr vom Heimweh
nach Regensburg getrübt war. Auch der Kantor, der in Regensburg schalten und
walten konnte, fühlte sich plötzlich wie ein Rädchen in einem großen Getriebe
und sah "viele Menschen und viel Streit" auf sich zukommen.
"So gute Verhältnisse wie hier in Regensburg krieg ich nirgendwo", weiß Danny
Morag jetzt. "Hier ist alles eine große Familie und im Vorstand lässt sich
keiner den Chef raushängen."
haGalil onLine
27-09-2000
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