Anmerkungen zu aktuellen Debatten:
Jüdische Geschichtsschreibung am Jahrhundertwechsel
Von Thomas Meyer
Der Autor lebt als freier Journalist in München und arbeitet
an einer Studie über "Ernst Cassirers Judentum".
Die folgenden Bemerkungen gelten zwei großen Tagungen (I. und II.),
die jeweils auf Schloss Elmau stattfanden. Hierbei ging es um die
„Jüdische Geschichtsschreibung“ bzw. die moralische oder
unmoralische Frage nach einem Vergleich zwischen Nationalsozialismus
und Kommunismus.
Leicht geänderte Fassungen erschienen in der „Frankfurter Rundschau“
vom 20. Juli bzw. 22. August diesen Jahres. Der dritte Teil wirft
einen Seitenblick auf die mit großer Hingabe geführte Debatte über
das neue Buch von Norman G. Finkelstein. Allen drei Abschnitten
liegt die Absicht zugrunde, über aktuelle Auseinandersetzungen zu
informieren, wobei man bei Finkelstein mehr über das deutsche
intellektuelle Klima erfährt als über das jüdische.
I.
Keine Geschichtsschreibung ist von so vielen
Auseinandersetzungen und Unsicherheiten geprägt wie die jüdische. Die
Vernichtung der europäischen Juden, die Gründung des Staates Israel, die
Möglichkeit in der Diaspora weitgehend friedlich mit Nichtjuden zusammenleben zu
können sind völlig disparate, gleichwohl auf das engste miteinander im
Zusammenhang stehende Ereignisse im 20. Jahrhundert. Deren religiöse, nationale
und intellektuelle Konsequenzen in einer "jüdischen Geschichtsschreibung"
widerspiegeln zu lassen, stellt nahezu unüberwindbare Hürden dar. Die
traditionellen Kategorien der Geschichtswissenschaft scheinen hier zu versagen.
In dieser Situation überschwemmen aus anderen
Disziplinen schillernde Theoriemodelle den Markt, die zunehmend in der jüdischen
Geschichtsschreibung rezipiert werden. Während Denker wie Lyotard jede Kohärenz
geschichtlicher Faktizität und Erkenntnis bezweifeln, ebnen andere, etwa Hayden
White oder Frank R. Ankersmit, die Unterschiede zwischen Literatur und
Geschichte ein. Und erst kürzlich hat Geoffrey Hartmann in seinem
vieldiskutierten Buch "Das beredte Schweigen der Literatur" an eine Idee vor
allem der zwanziger Jahre erinnert: jüdische Identität wieder zu gewinnen über
die Beschäftigung mit dem klassischen Bildungskanon. Damit aber drängen sich für
die jüdische Geschichtsschreibung schwerwiegende Fragen auf: "Wie steht es mit
der Einzigartigkeit der jüdischen geschichtlichen Erfahrung? Was hat es auf sich
mit dem Geheimnis des Überlebens der Juden durch alle Zeiten hindurch? Wie ist
das Verhältnis von Juden und Judentum (ist die ganze jüdische Geschichte
jüdisch)? Welchen Wert besitzt die jüdische Geschichte - nicht für den
Wissenschaftler, sondern für das jüdische Volk?"
Auf einer Tagung in Schloss Elmau diskutierten
zwanzig Historiker unter der Leitung von Michael Brenner, Inhaber des Lehrstuhls
für Jüdische Geschichte und Kultur in München, das Thema "Jüdische
Geschichtsschreibung am Jahrhundertwechsel: Standorte und Perspektiven".
Fluchtpunkt nahezu aller Vorträge waren die von Yosef Hayim Yerushalmi bereits
1982 in seinem Standardwerk "Zachor: Erinnere Dich!" gestellten Fragen. In
sieben Sektionen, die von dem Problemkreis "Geschichte und Erinnerung" über
"Juden und Nationalismus", "Gender und Jüdische Geschichte" bis hin zur
letztlich zentralen Fragestellung nach dem "Holocaust und seiner Historischen
Darstellung" reichten, näherte man sich konstruktiv dem Dissens über die
möglichen Antworten auf Yerushalmi.
Sehr schnell wurde dabei klar, dass die
mehrfache Herausforderung "Jüdischer Geschichtsschreibung" nicht ohne klare
theoretische Konzepte angenommen werden kann. So plädierte David N. Myers (Los
Angeles) für den Einbezug des modernen Skeptizismus, etwa den Jacques Derridas
im Bezug auf die Wahrheitsansprüche der Sprache, um die selbstgesetzten Grenzen
in Yerushalmis Fragen zu erweitern. Das "Überschreiten von Grenzen" muss dabei
aber an der Frage orientiert bleiben, ob für die Juden gut sei, was diese
Theorie verspricht. Entgegen der enthusiastischen Aufzählung neuer Möglichkeiten
der Geschichtsschreibung blieb sein Ausblick ambivalent, denn er gestand, dass
zahlreiche "Fallgruben" auf dem Weg zur Erkenntnis warten. Sein Fazit, dass die
moderne jüdische Geschichtswissenschaft über "flüssige Kategorien" verfügen
müsse, die die Dynamik sich ständig verändernder Rahmenbedingungen in einer
kontingenten Welt reflektieren, fand Aufnahme in zahlreichen anderen Beiträgen.
Shmuel Feiner (Bar Ilan) und Ismar Schorsch
(New York) konnten in der Vorstellung der Jüdischen Aufklärung ("Haskalah")
bereits erfolgreiche Anwendungen der "flüssigen Kategorien" präsentieren. Erst
jenseits, so ihr Konsens, generalisierender Großbegriffe wie "Projekt der
Moderne", "Akkulturation" oder "Erfindung der Tradition" ließen sich die
spezifischen Entwicklungslinien der Prozesse jüdischer Selbstdefinition
nachzeichnen. Die Achtsamkeit auf die Brüche, der Versuch, unterschiedliche
Tendenzen in der Geschichte in ihrer Spannung statt in falscher Harmonisierung
zu beschreiben, führe, so Feiner, zu einer "offenen Geschichte", die sich ihrer
"humanistischen" Werte erinnert.
Daran knüpften Shulamit Volkov (Tel Aviv) und
Carlo Ginzburg (Los Angeles) in ihrer gemeinsamen Zurückweisung von Robert
Liberles' (Beer Sheva) Versuch an, "Alltagsgeschichte" mit der Naivität ihrer
Neuentdeckung zu betreiben. Die freiwillige Unterschreitung internationaler
Standards, wie sie seit Edward P. Thompsons "Die Entstehung der englischen
Arbeiterklasse" von 1963 gesetzt sind, bringe weder etwas für die Annäherung an
eine jüdische Identität noch für die Forschung selbst. Volkov insistierte auf
klare Begriffe, die sich, in bewusster Transformation auf die spezifischen
Bedingungen der Geschichte von Juden, zu bewähren hätten. Dabei müsse man den
Mut haben, jüdische Geschichte als die Geschichte von Juden zu schreiben, um die
Dichotomien von Assimilation und Orthodoxie als lediglich von Außen oktroyierte
Formen jüdischer Lebensweisen zu vermeiden. Ähnlich argumentierte Ginzburg, wenn
er über "Geschichte von unten" sprach. So wichtig die Rekonstruktion des
Schicksals der "Namenlosen" sei, so dürfe sie doch nicht einher gehen mit der
bloß äußerlichen Freude an der Entdeckung immer neuer Quellen. Wer sich der
Aufgabe stelle, etwa "Mikrohistorie" zu beschreiben, müsse sich der "mittleren
Reichweite" seiner Forschung bewusst sein: weder die Generalisierung des
Vorgefundenen noch seine Minimalisierung ist das Geschäft des Historikers.
Vielmehr sei es die Darstellung des Exemplarischen.
Natürlich wurde in diesen Diskussionen
deutlich, dass die "Jüdische Geschichtsschreibung" vor ähnlichen methodischen
und methodologischen Problemen steht wie andere Geschichtsschreibungen, etwa die
Deutsche, auch. Während aber dort schon lange das Projekt "nationaler
Geschichtsschreibung" aufgegeben wurde, eher friedliche Koexistenz verschiedener
Schulen herrscht, kann dies für die "Jüdische Geschichtsschreibung" nicht
gelten. In den beiden Fragen, die Yfaat Weiss (Haifa) und Saul Friedländer (Los
Angeles/Tel Aviv) an Ulrich Herbert (Freiburg) stellten, wann denn ein deutscher
Historiker eine Geschichte des Holocaust aus der Sicht der "Opfer" schreibe bzw.
warum die in der deutschen Geschichte nur Deutsche vorkämen, kam das Andere der
jüdischen Geschichte deutlich zum Ausdruck. Herbert erinnerte an den steinigen
Weg, der zurückzulegen war, um den heutigen Stand der Forschung überhaupt zu
erreichen. Man dürfe Joachim Fests dubiose Speer-Biografie, die ja gerade die
Opferperspektive bewusst ausblende, nicht mit der wirklich ernsthaften
Holocaustforschung verwechseln. Gleichwohl tat sich hier der Graben auf, der
wohl noch ohne Brücke auskommen muss. Zu recht wurde der Versuch einer "shared
history", von Friedrich Wilhelm Graf (München) in die Debatte geworfen,
zurückgewiesen, denn zu sehr haftet ihr der Geruch des theologischen Mottos
"geteiltes Leid ist halbes Leid" an.
Gerne hätte man mehr über die Politisierung der
jüdischen Religion gehört, den Forschungsstand osteuropäischer Wissenschaftler -
die gänzlich fehlten - zur Kenntnis genommen. Doch gelang es in drei Tagen, die
Lebendigkeit und Fruchtbarkeit der "Jüdischen Geschichtsschreibung" in einer
Weise zu dokumentieren, die ganz und gar auf Formelhaftigkeit verzichten kann.
II.
Grundsätzlich hatte die Idee ihren Reiz: Man nehme ein derzeit tatsächlich auf
den Nägeln brennendes Thema wie die ironische Frage nach dem "kleineren Übel" im
Vergleich zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus, lasse dreizehn
ausgewiesene Experten aus dem In- und Ausland, darunter Historiker, Soziologen
und ein ehemaliger polnischer Außenminister drei Tage lang im oberbayerischen
Schloss Elmau unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber diskutieren, und
versehe das Ganze mit der Aussicht, das Ergebnis in einem renommierten Münchner
Verlag zu publizieren. So weit, so gut. Der entscheidende Fehler unterlief den
Veranstaltern allerdings, als sie eine auf zunächst dreieinhalb Stunden
angesetzte öffentliche Podiumsdiskussion mit sieben der Teilnehmer unmittelbar
im Anschluss an deren Gespräche abhielten. Müde, von der Komplexität des Themas
inzwischen sichtlich überfordert und angesichts tropischer Temperaturen völlig
erschöpft, waren sie nur noch in der Lage, Schlagworte zu nennen, kaum aber
einen zusammenhängenden Gedankengang zu entwickeln. Also war nach etwas mehr als
zwei Stunden Schluss, ohne dass die wenigen Sommerfrischler oder die vielen
Journalisten gewusst hätten, warum sie wieder einmal dem Ruf des Berges gefolgt
waren.
Gabriel Motzkin und Avishai Margalit (beide
Jerusalem) hatten im Namen des Franz Rosenzweig Centers Jerusalem nach Elmau
geladen, um den Stand der Debatte "Über den Vergleich von Kommunismus und
Nationalsozialismus und die Bedeutung in der Nachkriegszeit" nach dem Erscheinen
des "Schwarzbuch des Kommunismus" zu bestimmen. Vor allem der Herausgeber
Stéphane Courtois hatte die Ergebnisse der Studie genutzt, um die
kommunistischen Regimes in einem Vergleich mit dem Nationalsozialismus als das
größere Übel auszuweisen. Damit war die Frage, ob der historische Vergleich
jenseits ideologischer Absichten Erkenntnisse fördern könne, wieder aktuell
geworden. Um überhaupt Vergleiche sinnvoll durchführen zu können, so Motzkin,
müssen sie auf einem Konsens aufruhen, den er in den Bewertungskriterien von
Moral und Unmoral gegeben sieht. Erst dann lassen sich die tieferen Wurzeln der
beiden Systeme, unabhängig von ihrer zeitlichen Koinzidenz, näher bestimmen. Die
Kategorie des Vergleichs bedarf allerdings weiterer Vorklärungen: Was wird
verglichen und wer vergleicht?
So war der wichtigste Erklärungsansatz im
Kalten Krieg, die Totalitarismustheorie, vor allem für die liberalen Demokratien
in Amerika und England ein "Werkzeug" (Dan Diner) der Selbstlegitimation. Damit
war man im Westen auf der sicheren Seite, denn wenn die beiden Unrechtssysteme
gleich schlimm waren, dann musste der Kampf gegen das fortbestehende Regime,
also den Kommunismus, geführt werden. Eine solche ideologische Blickverengung
versuchte Dan Diner aufzubrechen. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sieht
er die Möglichkeit, weitere Differenzierungen vorzunehmen, die nicht
instrumentalisiert werden können. Einig waren sich Diner und Motzkin in der
Einschätzung des Nationalsozialismus als "integrierendem Nationalismus" (Dan
Diner), weil er mit der Zustimmung der Bevölkerung agierte, während der
Kommunismus den Terror gegen sein eigenes Volk richtete: Der Denunziant von
heute konnte morgen selbst zum Opfer werden. Wer also einen Vergleich zwischen
den beiden Phänomenen durchführt, muss sich bewusst sein, dass die bisherige
Rezeptionsgeschichte und ihre politische Instrumentalisierung den Blick auf die
Herrschaftsformen verstellen kann.
Streit entzündete sich einzig an der beliebten
Rede vom "kollektiven Gedächtnis" und seiner Bedeutung. Nicht umsonst griff der
Soziologe Helmut Dubiel (New York) auf den Urvater dieser Theorie, auf Maurice
Halbwachs, zurück, um der schwammigen Begrifflichkeit Konturen zu verleihen.
Bronislaw Geremek (Warschau) plädierte für ein gesamteuropäisches Erinnern, das
die Chance einer Objektivierung der Geschichte ebenso ermögliche, wie die
schonungslose Nennung der Wahrheit. Souverän ignorierten die beiden eigentlichen
Kontrahenten des Nachmittags, Dan Diner und Reinhart Koselleck (Bielefeld), die
Differenzierungsversuche ihrer Kollegen. Koselleck erwies sich dabei einmal mehr
als getreuer Schüler von Carl Schmitt. In dem er nämlich auf die Subjektivität
der Primärerfahrung insistierte und das "kollektive Gedächtnis" als Konstrukt
und "Propaganda" von Lehrern, Pfarrern und Professoren und somit als "Ideologie"
kennzeichnete, bestand er auf der "Heillosigkeit der Welt": Jeder ist mit seinen
eigenen Erfahrungen und Erinnerungen belastet, eine Umformung des Erlebten in
identitätsstiftende Symbole erscheint Koselleck unmöglich. Das Gedächtnis ist
zersplittert, den gemeinsamen Erfahrungsraum gibt es nur im Augenblick des
Aufeinandertreffens von Freund und Feind: "Gegensätzliche Erinnerungen entstehen
aus gemeinsamen Erfahrungen in Konfliktsituationen." Koselleck verwies mit
diesem Verdikt indirekt auf die Denkmaldebatte, in der über die Form eines
gemeinsamen Gedenkens und seiner Darstellung gestritten wird.
Gerade weil die von der Tagung gestellte Frage
in den vergangenen zwei Jahren mit großer Intensität verhandelt wurde, etwa auf
dem Historikertag 1998 in Frankfurt/Main, musste man darüber verwundert sein,
dass gerade die kontroversesten Punkte ausgespart blieben. Die Frage nach der
Funktion des Vergleichs, seinen Grenzen und seinen epistemischen Voraussetzungen
blieb ebenso ungestellt wie die Frage nach den Umsetzungsmöglichkeiten in der
konkreten Forschung. Interessant hingegen war zu beobachten, wie schwer es
selbst den Experten fiel, nicht in die überwunden geglaubten ideologischen
Gräben zurück zu fallen. Plötzlich entstand zwischen dem China-Experten
Jean-Louis Margolin (Paris) und dem amerikanischen Sowjetologen Martin Malia
(Berkeley) ein Dissens darüber, ob die Veröffentlichung des "Schwarzbuches" Le
Pen in die Hände spiele. Diese schon von "Le Monde" geäußerte Sorge warf
schlagartig ein Licht auf die Schwierigkeiten, den Vergleich als objektives
Erkenntnismittel einsetzen zu können. Für künftige Debatte wünschte man sich,
dass die Teilnehmer eine Warnung von Niklas Luhmann beherzigten: "Der Vergleich
tendiert zur Überspannung und damit zur Aushöhlung dessen, was für bestimmte
Phänomene nach ihrer inneren Selbstbestimmung eigentümlich ist."
III.
Bereits am 29. Januar 2000 veröffentlichte die
"Berliner Zeitung" ein in New York geführtes Gespräch zwischen Stefan Elfenbein
und Norman G. Finkelstein. Schon damals wurde auf das Buch "The Holocaust
Industry. Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering" hingewiesen, das
jetzt für soviel Wirbel sucht. Der Inhalt des Interviews nimmt die nun breit
ausgewälzten ebenso ungeheuerlichen wie unbewiesenen Verleumdungen des
amerikanischen Politologen bereits vorweg. Tenor: "Die JCC (Jewish Claims
Conference, Thomas Meyer) allein dafür verantwortlich, dass viele Opfer, auch
die Sklavenarbeiter, nie entschädigt wurden." So sagte es Finkelstein, doch
niemand interessiert sich zunächst so recht dafür. Es spricht für die hohe
Redlichkeit der "Berliner Zeitung", dass sie am 1. April 2000 ein Gespräch mit
Karl Brozik von der "Jewish Claims Conference" (geführt mit Michael Mönninger)
abdruckte, in dem dieser forderte, was weder im Interview noch im Buch auch nur
in Ansätzen geliefert wird: einen Beweis für die Behauptungen. Der Freiburger
Historiker Ulrich hat inzwischen am 18. August in der "Süddeutschen Zeitung" die
abenteuerlichen Konstrukte von Finkelstein in den wesentlichen Teilen widerlegt.
Schon damals hätte die Bringschuld bei Finkelstein gelegen. Doch der Verdacht
drängt sich auf, dass Finkelstein eher ein Diskussionsklima ausnützen möchte als
selbst zur Aufklärung von angeblichen Missständen beitragen möchte. In dieser
Richtung äußerten sich auch bereits Julius H. Schoeps in der "FAZ" und Jens
Bisky in der "Berliner Zeitung".
Finkelstein, Schüler des vor allem in linken
Kreisen als "unabhängig" gelobten Noam Chomsky, der seinerseits ein
sympathisierendes Vorwort zu einem Buch des berüchtigten französischen
Auschwitz-Leugners Robert Faurisson beisteuerte, und dies im "New Statesman"
heftig verteidigte, ist von seinem eigenen Eifer übermannt. Interessant dazu
sind die Reaktionen in Deutschland. Salomon Korn hat in der "FAZ" bereits darauf
hingewiesen. In der "FAZ" ist es besonders Lorenz Jäger gewesen, eine Art
Spezialist der Frankfurter wenn es darum geht Debatten, die die "FAZ"
verschlief, umso deutlicher zu gestalten, der sagte, was sich so mancher
vielleicht denkt, aber nicht zu sagen wagt. "Dafür ist es, als würde plötzlich
ein Fenster geöffnet." So resümiert Jäger am 14. August das Buch von
Finkelstein. Ein Fenster? Wer einen weiteren Beleg für das krude
Geschichtsverständnis Jägers braucht, der lese doch einmal seinen Bericht über
eine Vorlesung des jüdischen Philosophen Jacques Derrida in Frankfurt/Main.
Nachdem Derrida über die "Idee der Universität" redete, findet der Vortrag
gleich seine historische Einordnung. Bei Jäger liest sich die so: "Man muss
diese Universitätsrede in eine Reihe stellen mit den großen Konzeptionen des
deutschen Idealismus und seiner Erben: mit Kants ‚Streit der Fakultäten',
Schellings ‚Über die Methode des akademischen Studiums', Nietzsches ‚Die Zukunft
unseres Bildungsanstalten', Benjamins ‚Das Leben der Studenten' und Heideggers
Rektoratsrede vom Frühjahr 1933 - ‚Die Selbstbehauptung der deutschen
Universität'." Soweit Jäger in der "FAZ" vom 26. Juni 2000. Ausgerechnet das
Programm einer nationalsozialistischen Universität soll Derridas Intention
wiedergeben? Wird da nicht die Tatsache politisch instrumentalisiert, dass
Derrida tatsächlich Heidegger verteidigt - etwa in "Heidegger und die Frage"? So
wie die rechten Schmittianer stets Jacob Taubes für sich in Anspruch nehmen, um
ihren Helden vom braunen Schmutz reinwaschen zu können, so wird hier der Jude
Derrida mit Heidegger kontaminiert, wie auch Finkelstein Sympathien geschenkt
bekommt, weil er als Jude argumentiert. Finkelstein hat für seinen Unsinn einen
guten Zeitpunkt gewählt.
haGalil onLine 01-09-2000 |