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Bei der Debatte um die
rechtsradikalen Nutznießer des Internet scheint man inzwischen die
Möglichkeit, diesem Gegner in Fleisch und Blut gegenüberzustehen, völlig
auszuschließen. Der virtuelle Raum wird zum Alibi für Konfliktscheue, und
die Verpflichtung, den Anfängen zu wehren, verschwindet hinter dem Hinweis
auf die endlosen Weiten des Netzes. Auch bei der Regulation eines Mediums,
das sich weitgehend von nationalstaatlichen Hoheitsgrenzen unabhängig
organisiert, sollten die klassischen Methoden politischer Streitkultur nicht
in Vergessenheit geraten. Die Auseinandersetzung mit Neonazis, Antisemiten
und Holocaustleugnern beginnt lange, bevor diese sich auf den Bildschirmen
ausbreiten, und es liegt nicht nur bei juristischen Institutionen, ob sie
gewonnen wird.
Ein Fall, in dem das Internet eine zentrale Rolle einnimmt und gerade die
gesellschaftliche Institutionen ihrer Verantwortung nicht gewachsen zu sein
scheinen, bewegt seit zwei Jahren die akademische Welt Neuseelands. Er ist
exemplarisch für die Trägheit, mit der der organisierten Rechten weltweit
begegnet wird: Ein deutscher Doktorand der Auslandsgermanistik an der
Universität Waikato (Hamilton) verbreitet seit Jahren von seinem
Neuseeländischen Wohnsitz aus revisionistische und antisemitische Propaganda im
Internet. Nach Bekanntwerden des Falls protestierten einzelne Angehörige der
Universität zusammen mit der jüdischen Gemeinde Neuseelands und verlangten den
Ausschluss des Studenten von der Universität. Diese gab den Fall dem "Race
Relations Committee" zur Prüfung, welches entschied, die Äußerungen seien (zumal
meist in deutscher Sprache) nicht dazu geeignet, in Neuseeland Rassenhass zu
schüren. Auch sei Holocaustleugnung dort keine Straftat. Damit sah sich die
administrative Seite aus der Pflicht. Für die Universitätsleitung schließlich
war es ein Konflikt zwischen dem individuellen Recht der freien Meinungsäußerung
und linken Sittenwächtern, der zugunsten des bürgerlichen Freiheitsrechts
entschieden wurde.
Gespaltenes Verhältnis zum Recht
Es empfiehlt sich jedoch, den Fall genauer zu betrachten, da der betroffene
Student, Hans Joachim Kupka, in Deutschland kein Unbekannter ist. Während der
Ära Schönhuber war der heute 55-jährige Kupka im Landesvorstand der bayerischen
Republikaner, Bezirksvorsitzender von Niederbayern und Beauftragter für die
Saalordner der Partei. Allerdings entwickelte er, wie viele Law and
Order-Extremisten, selbst ein gespaltenes Verhältnis zum bürgerlichen Recht. In
der von Klaus-Henning Rosen herausgegebenen Publikation Die Republikaner,
Aspekte einer rechten Partei wird berichtet, Kupka habe sich ins Ausland
abgesetzt, nachdem ihm falsches Titelführen vorgeworfen wurde und er in seinem
Institut für Zelltherapie eine Millionenschuld aufgetürmt hatte. In seinem
Neuseeländischen Exil begann er, an der Universität Waikato Germanistik zu
studieren, was ihm trotz fehlender deutscher Hochschulberechtigung die dortige
Studienordnung ermöglichte.
Durch seine rechtsradikalen Äußerungen aufmerksam geworden, stellten Angehörige
der Universität Nachforschungen an und stießen auf Kupkas Internetpropaganda.
Man begann, den Protest zu organisieren und den Fall publik zu machen. Das
Studentenmagazin Nexus informierte die Öffentlichkeit und dokumentierte Kupkas
Aussagen, darunter Ausfälle gegen Eli Wiesel und die szeneüblichen Rechenspiele
mit den Opferzahlen des Holocaust. Mittlerweile interessierte sich auch die
überregionale Presse Neuseelands für den Skandal. Die Waikato Times und der
New-Zealand-Harold zogen Parallelen zum Prozess des bekannten Holocaust-Leugners
David Irving gegen die Historikerin Deborah Lipstadt, der zeitgleich in London
stattfand.
Ging es in London noch um eine Buchpublikation, so rückte der Neuseeländische
Fall das Internet in den Mittelpunkt des Interesses. Wie der Sunday Star
berichtete, produzierte Kupka seit Mitte der 90-er Jahre etwa 3000 Seiten im
World-Wide-Web. Für das amerikanische Nizkor-Projekt, das in Zusammenarbeit mit
der American Jewish Association speziell die Homepages von Holocaust-Leugnern
untersucht, rangiert er unter den führenden 400 Holocaust-Leugnern weltweit. Der
antisemitische Charakter seiner Publikationen wurden von Experten wie Konrad
Kwiet, Inhaber des Lehrstuhls für Holocaust-Studien an der Universität Sydney
und Historiker bei der australischen War-Crimes Commission sowie Peter
Longerich, dem Direktor des Institute for Holocaust Studies an der Universität
London, bestätigt. Kupkas Argumentationsmuster sei das bei Holocaustleugnern
typische. John Moses, emeritierter Historiker der Universität Queensland,
verglich Kupkas Texte in seinem Gutachten mit den Arbeiten Irvings und
titulierte beide als "hasserfüllte Spinner".
Doch geht es für Kupkas Gegner nicht um dessen private Überzeugung oder seine
internationale Tätigkeit als Neo-Nazi. Ziel ist, zu verhindern, dass dieser
seine Tätigkeit mit einem akademischen Titel einer angesehenen Neuseeländischen
Universität aufwertet. Besonders zynisch erschien die Protektion Kupkas durch
die Universität angesichts seines Dissertationsvorhabens: einer Untersuchung
über "die Verbreitung der deutschen Sprache in Neuseeland". Für diese Studie ist
empirisches Arbeiten in Form von Interviews mit der deutschsprachigen Gemeinde
Neuseelands notwendig.
Diese Gemeinde besteht aber überwiegend aus emigrierten Juden, deutschen
Muttersprachlern also, die eben jenem Ereignis entkamen, dessen Stattfinden
Kupka bestreitet: dem Holocaust. Ebenfalls um ein Gutachten gebeten, nannte
Luise Freudenberg von der FU Berlin die Vorstellung, Kupka solle Interviews mit
deutsch-jüdischen Flüchtlingen machen, "mehr als ekelhaft". Kupkas Gegner im
Lehrkörper wiesen darauf hin, dass Antisemitismus nicht mit seinem
Forschungsprojekt vereinbar sei. "Die Universitätsleitung stiehlt sich aus der
Verantwortung", so der Vorwurf des New Zealand Jewish Chronicle und
verschiedener Organisationen, die versuchen, Kupkas Promotion zu unterbinden.
Die Universität Waikato weist nach dem Spruch des Race Relations Committee
vorerst jeglichen Handlungsbedarf von sich. Der zuständige stellvertretende
Universitätspräsident Bryan Gould gibt sich fachfremd und vom Urteil
internationaler Experten unbeeindruckt. Germanist Volker Knüferman, der Kupka
wissenschaftlich betreut, hält dessen Texte für "äußerst harmlose Kommentare".
Aber selbst wenn die Universität weiterhin nicht handelt, dürfte das
Forschungsprojekt Kupkas nicht mehr zur Ausführung kommen. Nach vehementen
Protesten der jüdischen Gemeinde Neuseelands hinsichtlich der Gefahr der
Retraumatisierung ihrer Angehörigen durch die Konfrontation mit
Holocaustleugnern, lassen sich kaum mehr Muttersprachler finden, die sich über
die Verbreitung der deutschen Sprache in Neuseeland interviewen lassen.
Auch Hans Joachim Kupka selbst passte der Wirbel um seine Person wohl nicht ins
Konzept: Zur Zeit hat er Neuseeland verlassen und hält sich an einem unbekanntem
Ort auf.
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Frankfurter Rundschau 2000
Erscheinungsdatum 25.08.2000
haGalil onLine
28-07-2000
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