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Schändung des jüdischen Friedhofs in Berlin Weißensee

Otmar Kagerer restaurierte zerstörte Grabmäler 
– und wurde selbst Opfer von Hass:
Symbol einer steinernen Zeit

Von Heidrun Graupner / Süddeutsche Zeitung

Süddeutsche Zeitung


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Berlin, im August – Manchmal hat er davon geträumt, auf diesem Friedhof angestellt zu sein. Nur noch die alten, mit Efeu bewachsenen Grabsteine unter den hohen Bäumen restaurieren und die Gedenkstätten der Opfer des Holocaust. Das war vor der Wende, in seinem anderen Leben, wie sich Otmar Kagerer ausdrückt.

Der Steinmetzbetrieb, in dem er seit 1975 arbeitete, lag dem Jüdischen Friedhof Weißensee gegenüber. Schon damals hat der Steinmetz Kagerer auf dem Friedhof kleinere Arbeiten erledigt, beeindruckt von den Grabstätten aus der Blütezeit Berlins, den Gräbern von Samuel Fischer, Hermann Tietz, Berthold Kempinski oder Josef Schwarz; das Mausoleum des Sängers mit dem hohen Giebel war im Dritten Reich Versteck von mehreren Juden.

Seit dem 19.  November vergangenen Jahres hat der Jüdische Friedhof noch eine andere, eine tiefere Bedeutung für Otmar Kagerer bekommen. In dem Betrieb vis à vis ist er nach wie vor zu finden, als eigenes Geschäft mit vier Filialen führt er es jetzt. Er sei ein Gewinnler der Wende, sagt er, er habe sich in seinem Beruf entfalten können, ein richtiger Kick sei die Wende gewesen – ein erstaunliches Wort für den ruhigen Mann, der am Computer sitzt und Grabsteine entwirft. Nicht, dass sein früheres Leben schlecht gewesen sei, ein ruhiges, relativ unabhängiges Leben, weil er keine Position hatte, in der man sich einfügen musste.

Wenn Hilfe notwendig ist, dann restauriert Kagerer umsonst Grabsteine, auf den christlichen Friedhöfen und auf dem jüdischen, nach Konfessionen fragt er nicht. Im Oktober 1999 wurde der Jüdische Friedhof Weißensee geschändet, wie schon so oft in seiner jüngsten Geschichte, in DDR-Zeiten war das so und nach der Wende – 1950, 1959, 1971, 1992. Am 3. Oktober wurden 103 Grabsteine umgeworfen und zerstört, das Denkmal für die deportierten Juden an der Putlitzbrücke mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.

Kagerer, damals stellvertretender Obermeister der Steinmetzinnung, rief seine Konkurrenten zusammen. Jeweils zwei oder drei Mitarbeiter aus acht Steinmetzbetrieben restaurierten in wenigen Tagen die Grabsteine und stellten sie wieder auf. Dass nur er Drohanrufe erhalten hat, dass am 19.  November in den frühen Abendstunden in der Filiale in Marzahn sein Steinlager verwüstet, 150 Grabsteine zerstört wurden, hat seiner Meinung nach einen einfachen Grund: Er war zu Beginn der Hilfsaktion in der Berliner Presse abgebildet und zitiert worden.

Aus dem Helfer war ein Opfer geworden. Das Lager war nicht versichert, weil die Prämien teuer sind. Der Schaden betrug 60 000 Mark. Zeugen, die den Einbruch vom nahen S-Bahnhof aus beobachtet hatten, meldeten sich nicht, der Vorfall schien niemanden zu interessieren. Die Polizei, erzählt Kagerer, habe sich das verwüstete Lager nur vom Zaun aus angesehen, Spurensicherung, so wurde ihm gesagt, sei wegen des schlechten Wetters nicht möglich. Die Täter wurden nicht gefunden. Kagerer vermutet, dass es dieselben waren, die den Friedhof geschändet hatten, die Steine waren auf ganz ähnliche Weise umgekippt worden.

„Die Judensau machen wir kalt“ 

Gefasst wurde der Anrufer, der sofort, als die Hilfsaktion der Berliner Steinmetze bekannt wurde, Kagerer bedroht, Familie und Mitarbeiter tief beunruhigt hatte. Immer hatte er den Satz gesagt: „Wenn die Judensau die Steine auf dem Friedhof aufstellt, machen wir ihn kalt. “ Mit der Zerstörung des Steinlagers hatte er nichts zu tun, ein 62-jähriger Mann, fünf Jahre älter als Kagerer, fast dieselbe Altersgruppe. „Das ist für mich völlig unverständlich, wie sich so etwas, dieser Hass, in ihm aufbauen konnte“, sagt Kagerer. „Ich habe in meiner Jugend keine Juden kennen gelernt. “

Der Schock saß tief, plötzlich selbst das Opfer zu sein. Er fragte sich nach diesem 19.  November, was werden solle, wenn die Täter wieder kämen. Betrieb und Familie würden dann in arge Nöte geraten. Schon der Schaden von 60 000 Mark war schlimm genug. Dass er Hilfe erhalten könnte, daran dachte er nicht. Die Amadeu-Antonio-Stiftung für Opfer rechtsradikaler Gewalt rief zu Spenden für den Steinmetz auf. „Wir wollten signalisieren: Er hat den Schutz der Öffentlichkeit“, sagte die Kuratoriumsvorsitzende Anetta Kahane. Der Racheakt gegen Kagerer hatte die Stiftung alarmiert. Wenn es gelinge, engagierte Bürger einzuschüchtern und existenziell zu bedrohen, wenn diese Menschen nicht offensiv unterstützt würden, „dann werden Zivilcourage und Engagement immer mehr zur seltenen Ausnahme“, hieß es im Spendenaufruf. „Wer immer sich durch sein Handeln für demokratische Grundwerte einsetzt, muss es in der Gewissheit tun können, selbst auch Solidarität durch die Gesellschaft erfahren zu können. “

120.000 Mark wurden gespendet. 60.000 Mark erhielt Otmar Kagerer, 60.000 gingen in einen neu gegründeten Steinmetzfonds für Opfer von Gewalt. Er habe sich in dieser Zeit gefühlt, als säße er im Kino und schaue sich selbst zu, sagt er. Es sei nicht mehr sein beschauliches Leben gewesen, sondern ein fremdes, ein öffentliches, mit Interviews und Ehrungen, zuletzt im Mai, als er vom brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe „das Band für Mut und Verständigung“ überreicht bekam.

„Es wäre vermessen zu sagen, es ist vorbei. Morgen kann es wieder passieren“, sagt Kagerer. Dennoch – er würde morgen wieder helfen. „Ich bin in der Solidarität groß geworden, wir haben uns immer gegenseitig geholfen, nur so konnten wir überleben. “ Nur eines täte er nicht mehr: sich in die Öffentlichkeit begeben. Bescheiden im Hintergrund würde er agieren. Die wichtigste Erfahrung der vergangenen Monaten aber war die Solidarität in der anonymen Großstadt. Er habe helfen wollen, sei Opfer geworden und ihm sei wiederum geholfen worden. Dies sei entscheidend, „dass sich der Kreis geschlossen hat“.

haGalil onLine 22-08-2000


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