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Auf dem Podium steht er natürlich
nicht, wenn’s losgeht. Giora Feidmans Klarinette tönt leise von draußen her,
singt sich in den Saal hinein – die erste, vorsichtige Kontaktaufnahme mit
dem Publikum.
Einmal vorn angelangt, ist es vorbei
mit der behutsamen Bitte um Aufmerksamkeit, und die ganze Kraft von Feidmans
unbezähmbarer Musizierlust bricht los. Ein gewaltiger Kosmos ist das,
aufgespannt zwischen verzweifelter Klage, plappernder Redseligkeit,
stürmischem Drauflosschlagen und tiefer Melancholie. Fast scheint es, als
würde im Lauf der Jahre Feidmans Klarinette immer unbeschränkter herrschen
über ihren Spieler; als würde dessen Willen immer kleiner werden gegen den
absoluten, für sich stehenden Ton.
Wahrscheinlich ist das auch die letzte
Konsequenz, wenn man so Musik macht. Alles, was Feidman spielt, schmilzt
zusammen in einer prallgefüllten Aktualität. Es gibt kein Programmheft, wozu
auch: Klezmer-Musik, Gershwin, Piazzolla, sogar das Schubert „Ave Maria“
klingen nebeneinander und miteinander; gehen ineinander auf als Bausteine
einer höheren Architektur. Mehr oder weniger nur Zulieferer,
verantwortungsvolle Diener in der Diktatur der Klarinette – wiewohl
ausnehmend gute Musiker – sind auch Feidmans Quartett-Partner im Schloss
Dachau: Gitarrist Manny Katz, Bassist Ken Filiano und wieder der
verspielte Tabla-Meister Brad Catler.
Feidman in Dachau? Denen, die sich
darüber Gedanken gemacht haben, erklärt er in seiner kunstvollen,
englisch-deutschen Universalsprache, wie sehr er es als seine Aufgabe
empfindet, „gegenwärtig “ zu sein. Auch da also wieder dieser Griff nach dem
Augenblick, das fühlen nach dem Puls, das er auch dem Publikum nahe zu
bringen versucht: Ein Feidman-Konzert ohne mindestens zwei-, dreimal
Mitsingen ist undenkbar. Feidman ist ein begnadeter Musikpädagoge, wenn es
darum geht, zu animieren, bereit zu machen für das Erleben von Musik – und
von Stille. Ein Abend also, dem nichts fehlte, oder – Zitat – „to make it
kurz“: großartig.
JOHANNES RUBNER
haGalil onLine
07-08-2000
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