antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Jüdisches Leben in Europa

Mit der Hilfe des Himmels

Juden, Judentum, Israel Nach Israel...

Die alltägliche Gefahr:
Wenn schon Vierjährige Ausländer hassen

Der Mord an einem Schwarzen in Dessau hat
die wenigen Ausländer in der Stadt tief verstört


Aktivieren Sie die JAVA-Faehigkeit Ihres Browsers!

Ferien - Fitness - Wellness

VON ANNETTE RAMELSBERGER

Dessau – Jede Nacht um halb drei Uhr verlässt Juliao Dosse seine tief schlafende Frau Elisa, streichelt dem sechsjährigen Albert übers Haar, packt die Tasche und tritt auf die Straße. Dann wartet er. Wartet da in der kühlen Nachtluft auf einen Kollegen, der ihn im Auto zur Frühschicht in den Schlachthof mitnimmt. Oft sind es nur fünf Minuten, die Juliao Dosse da steht, auf dieser nächtlichen Straße mitten in Dessau.

Manchmal sind es auch zehn, wenn sich der Kollege verspätet. Und dann steigt in ihm ein Gefühl hoch, das schwer zu ertragen ist. Es ist etwas, das sich dieser große, kräftige Mann nur ungern eingesteht. „Da habe ich Angst“, sagt er. „Wirklich Angst. “ Seit jenem Tag, als es geschah.

Der kleine Albert würde nie sagen, dass er Angst hat. Dafür ist er viel zu munter. Macht aus Bierfilzen kleine Frisbees und lässt sie über den Tisch sausen. Grinst übers ganze Gesicht. Doch seit jenem Tag geht er nicht mehr auf den Spielplatz. Ganz lange kuschelt er sich jetzt an seine Mutter. „Albert kommt jetzt in die Schule, Ende August“, sagt Elisa Dosse. „Ich weiß nicht, wie es werden soll. Vielleicht soll er sich mit anderen Kindern zusammentun und nur in der Gruppe gehen. “ Die Dosses leben seit 1988 in Dessau, und sie lebten dort zufrieden. Der Vater arbeitet im Schlachthof, die Mutter als Aushilfe. Ein ganz normales Leben. Mit einem Unterschied: Elisa, Juliao und Albert Dosse sind schwarz.

Vor acht Wochen haben die Dosses eine Grillparty gegeben. Auch ihr Freund Alberto Adriano war dabei und seine Familie. Adrianos Frau brachte die Kinder schon früher nach Hause, ihr Mann wollte nachkommen. Es sind keine zweihundert Meter zwischen Dosses Wohnung und der von Adrianos. Man könnte sich zuwinken. Es war ganz still, nachts um ein Uhr. Nur auf einer Parkbank fläzten sich drei junge Männer, grölten betrunken. Und als Adriano zu ihnen sagte, sie sollten doch ruhig sein, die Leute wollten schlafen, da packten sie ihn, schlugen ihn zusammen, zogen ihm die Kleider aus, schleiften ihn auf den Rasen und traten ihn so heftig und ausdauernd, dass er drei Tage später starb.

„Überlegen, wo man langgeht“

Wenn Juliao Dosse morgens um halb drei vor seiner Haustür steht, kann er die kleine Stele sehen, die zur Erinnerung an seinen Freund Adriano im Park errichtet wurde.

Gar nicht weit entfernt, im Revier an der Wolfgangstraße, sitzt Polizeidirektor Gerald Kohl. Was er für Herrn Dosse tun könne? „Nichts. “ Das kommt direkt, ohne Girlanden, ohne gedrechselte Worte. Ein paar Tipps könne er geben, sicher. Aber nichts, auf was die Leute nicht auch selber kämen. „Überlegen, wo man langgeht, nicht direkt an Alkoholisierten vorbeigehen, sie nicht ansprechen, nicht allein gehen. “ Das Vertrauen der Ausländer zur Bevölkerung müsse man eben aufbauen, sagt Kohl. Zu einer Bevölkerung, von der Kohl weiss, „dass teilweise Deutsche weggucken, wenn Ausländern was passiert“.

Familie Dosse hat viele deutsche Nachbarn. Und die wissen, dass die Familie mit der des getöteten Adriano befreundet ist. Hat einer der Nachbarn angeboten, dass sie klingeln könnten, wenn sie Angst haben? Dass sie zu ihnen kommen könnten, wenn sie bedroht würden? Elisa Dosse guckt erst so, als wenn sie die Fragen nicht verstünde. Dann wird klar, dass sie ihr nur unglaublich weltfremd vorkommen. Sie schüttelt den Kopf.

Sher Shah Akbari hat einen Computerladen in Dessau, drei deutsche Angestellte und eine deutsche Ehefrau. Der gebürtige Afghane hört manches, was so geredet wird in Dessau. Auch dass man jetzt gefälligst nicht mehr so viel Theater um den Mord am Stadtpark machen solle. Das sei ja nun mal erledigt. Und Akbari hat natürlich auch die Fernsehsendung gesehen, in der ganz normale Dessauer sagten, für einen ermordeten Deutschen hätte es sicher keinen Gedenkstein gegeben. Nur für so einen Ausländer. Und außerdem: Was hatte der denn nachts im Stadtparkt verloren? Gleichzeitig aber sind die Dessauer stolz auf den Direktor des weltbekannten Bauhauses, Professor Omar Akbar, auch ein gebürtiger Afghane. Von dessen Können, von seinen Aktivitäten erhofft sich die Stadt internationalen Glanz, von ihm lässt sie Wissenschaftler und Architekten in die Stadt lotsen – Seminarsprache: Englisch.

Um Arbeitsplätze geht es nicht

Auch Sher Shah Akbari ist ein sehr nützlicher Ausländer – immerhin hat er drei Arbeitsplätze geschaffen, für Deutsche. Aber um das geht es nicht. Wenn Akbari ausgeht, muss er überlegen, wohin und wohin nicht. Wo Glatzen sein könnten, wo Bier fließt und wo sie zuschlagen könnten. Da steht dann ein großer, selbstbewusster Mann von 25 Jahren und sagt: „Man geht nicht einfach auf ein Fest, man passt auf, ob das gefährlich werden könnte. Das tut mir für meine Frau leid, deren Leben ist ja auch beschränkt dadurch. Und der Seele tut es nicht gut. “

Razak Minhel trägt die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland. Verliehen für seine Verdienste um das Verständnis zwischen Ausländern und Deutschen. Er ist Ausländerbeauftragter der Stadt Dessau. Seine Frau Sharifa ist schon seit 20 Jahren in Deutschland, sie hat in Jena Jura studiert. Neulich kam ihre kleine Tochter aus dem Kindergarten und fragte: „Mama, was ist ein Ausländer?“ „Warum?“ fragte Sharifa. „Weil meine Freundin sagt: Sie hasst alle Ausländer. “ Die Freundin ist vier.

Auch Tatjana Schewtschenko lebt seit 20 Jahren in Dessau. Die Russin ist hier verheiratet, sie fühlt sich verantwortlich für ihre Stadt. Deswegen ist sie in die 10.  Klassen der Schulen gegangen und hat versucht, über Ausländer zu sprechen, über die Geschichte. „Die haben mich nicht einmal zu Wort kommen lassen. Die haben nur gesagt, dass wir Ausländer einen Haufen Geld bekommen von der Regierung, dass wir unsere Kleider von oben kriegen, unsere Wohnungen. Die haben das Gefühl, da seien Tausende, die ihnen auf der Tasche liegen. Die wissen überhaupt nicht, dass wir arbeiten, dass wir Unternehmer sind, Wissenschaftler, Künstler. “ Am Schluss ist ein Junge aufgestanden und erklärte Schewtschenko, Hitler sei ein guter Politiker gewesen, unter ihm seien Autobahnen gebaut worden und es habe für alle Arbeitsplätze gegeben. „Ich war so deprimiert“, sagt die Russin. „Die fühlen sich so stark. “

John Greene fällt nicht auf, wenn er in Dessau durch die Straßen schlendert. Ein freundlicher Herr, zurückhaltend, belesen. Psychotherapeut. Er hat auch keinen Grund, abends Angst zu haben – so weiß wie er ist. Und dennoch hat selbst er sein Verhalten geändert. Seitdem er in der Gaststätte angesprochen wurde, weil er sich mit Freunden auf englisch unterhielt. „Schon wieder Ausländer“, riefen ihm ein paar Jugendliche nach. Seitdem verstaut der Amerikaner seine englischsprachigen Zeitungen in der Tasche.

Im Stadtpark von Dessau steht eine Frau mit Kinderwagen. Das Kleine darin ist vielleicht ein halbes Jahr. Die Frau steht nur da. Und schaut. Auf die Stele, das Bild mit dem Trauerstreifen und die fast schon verwelkten Blumen. Dann schiebt sie den Kinderwagen weiter und geht heim in die Plattenbauwohnung mit Blick auf den Park. Frau Adriano ist seit acht Wochen Witwe.

haGalil onLine 07-08-2000

UnterwegsJTC - Jewish Culture Tours


haGalil onLine

1995/96/97/98/99/2000 © by haGalil onLine®
Munich - Kirjath haJowel - All Rights Reserved
haGalil onLine - Editorial

Click Here!

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved