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Die an Ehud Barak gerichtete
Frage tönt ähnlich wie jene in Inseraten zur Behandlung von
Impotenz: "Behandeln Sie das Problem wirklich?" Als sich die Krise
mit der Meretz-Partei zuspitzte, fand Barak Zeit, die Zauberer zu
sich zu berufen, die diesem Lande die Plage des Systems der
Direktwahl des Premierministers beschert haben.
Er beriet sich mit ihnen über
Möglichkeiten, das System zu bewahren. Genau so wie besagte
Inseratenkampagne Männer auffordern, sich den wirklichen Ursachen zu
widmen und sich nicht darauf zu beschränken, ihren Frauen Blumen zu
schicken und sie mit Komplimenten zu überschütten, zauberten die
gelehrten Professoren alternative Ideen aus ihren Hüten hervor:
Heraufsetzung der Mindestquote für den Einzug in die Knesset,
zeitliche Trennung der Wahlen des Premierministers und der Knesset
und was der Zaubermittelchen sonst noch sein mögen.
Den Hauptpunkt aber ließen sie
unberührt: die Annullierung des Wahlvorgangs mit den zwei
Wahlzetteln. Es ist erstaunlich, dass nicht einmal die Urheber des
Direktwahlsystems, Akademiker, für welche intellektuelle Ehrlichkeit
eigentlich selbstverständlich sein sollte, es nicht fertig bringen,
das Scheitern ihrer Erfindung offen zuzugeben. Im Gegensatz zu ihren
Vorhersagen hat das vor fünf Jahren geborene Wahlsystem alle
gesetzten Ziele verfehlt. Die Zersplitterung in der Knesset hat
zugenommen, die Fähigkeiten des Premierministers, zu regieren, habe
abgenommen, die Frequenz der Regierungskrisen ist gestiegen, die
beiden Großparteien sind abgebröckelt, was Umstände in der Knesset
geschaffen hat, welche ihre Selbstauflösung und die Abhaltung
vorgezogener Wahlen fördern.
Wer den Schaden des neuen Systems
am stärksten am eigenen Leibe erfahren hat, sind die
Premierminister, die durch eben dieses System ans Ruder gelangt
sind: Benjamin Netanyahu und Ehud Barak. Man hätte denken müssen,
dass sie das System als erste zurückweisen würden, doch beide
widersetzen sich diesem Ansinnen. Während Netanyahu derzeit
unwichtig ist, sollte Barak sich schon Gedanken machen: Warum bemüht
sich jemand, der Tag um Tag wegen dieses Systems bittere Pillen
schlucken muss, so sehr um seine Erhaltung?
Barak will zwar, wie er sagt,
Veränderungen am System in Erwägung ziehen, doch ist er nicht
bereit, das Prinzip der zweifachen Wahlen abzuschaffen. Nur unter
dem neuen System bezieht der Premier seine Autorität vom Volk und
verpflichtet sich, was seine Politik betrifft, dem Volke gegenüber.
Nicht die Knesset ist nach Baraks Ansicht die Quelle der Macht des
Premiers, sondern das Volk. Diesem gegenüber müsse der Premier sich
für sein Auftreten verantworten. Baraks Haltung deutet ebenso auf
einen fundamentalen Fehler im Verständnis der Spielregeln hin, nach
welchen die israelische Demokratie seit 52 Jahren geführt wird, wie
auch auf ein problematisches politisches Temperament.
Das neue Wahlsystem hat keine
präsidentielle Regierungsform geschaffen. Vielmehr hat es das
Repräsentationssystem am Leben belassen, wobei das Volk seine Macht
an die Legislative abtritt. Parallel dazu hat das Volk ähnliche
Befugnisse an den Premier zediert. Das neue System hat in anderen
Worten eine Zwitterform einer Regierung geschaffen, in welcher der
Premier zwar direkt gewählt wird, trotzdem aber vom Vertrauen der
Knesset abhängt. Aus diesem Grunde funktioniert das System nicht.
Barak liebt das neue System nicht, weil es gut wäre, sondern weil er
davon ausgeht, dass es das einzige ist, das seine Wiederwahl
garantiert. Von der Warte eines Politikers aus betrachtet, mag dies
eine legitime Anschauung sein, doch sollte es dann auch dargestellt
und nicht in eine Reihe von staatspolitischen Argumenten verkleidet
werden. Das Motiv ist vollkommen egoistisch. Etwa so, als ob Barak
gesagt hätte: Le peuple c'est moi - das Volk bin ich, und zur Hölle
mit dem Staat.
Ein optimales Wahlsystem gibt es nicht. Viele Nationen befassen sich
mit dieser Frage, und nicht wenige ändern ihr System von Zeit zu
Zeit. Man tut auch gut daran, keine allzu übertriebenen Hoffnungen
in Bezug auf die Lösung aller Probleme auf ein bestimmtes System zu
setzen. Wenn eine Gesellschaft in sich selber hinsichtlich
existentieller Fragen tief gespalten ist, wird kein System die
Wunden heilen und die politische Unruhe eindämmen.
Im Vergleich zum heutigen System ist das frühere (mit einigen
Anpassungen) für die israelische Polit-Szene besser geeignet: Es
garantierte eine breite Vertretung des Volkes und bot gleichzeitig
die Chance für die Entwicklung zweier großer parlamentarischer
Blöcke. Uzi Benziman
haGalil onLine
28-07-2000 |