Israels Friedensbewegung und Camp David:
Hoffen oder nicht hoffen?
Sind wir wirklich soweit? Erleben wir
jetzt jenen Augenblick der Wahrheit, der so oft vorausgesagt und über
den so endlos spekuliert worden ist? Der Augenblick, in dem ein wirrer,
längst überreifer und zeitlich unbegrenzter Friedensprozess endlich ein
bisschen realen Frieden herstellt - oder alles in einer Explosion aus
Gewalt, Blutvergießen und Hass zusammenkrachen lässt?
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Vor 22 Jahren, als jener andere Gipfel
von Camp David in seiner Schlussphase war, unterzeichnete der damalige
israelische Premierminister Menachem Begin im Kontext eines
israelisch-ägyptischen Friedensabkommens ein Dokument, das die »legitimen Rechte
des palästinensischen Volkes« anerkannte - und sofort danach ersäufte er diese
Verpflichtung in Krieg und Massaker.
Später schuf der Handschlag zwischen
Rabin und Arafat vor dem Weißen Haus die Illusion, dass jetzt endlich Frieden
kommen würde. Dieses Gefühl wurde mehr und mehr ausgehöhlt durch sieben Jahre
nicht eingehaltene Fristen, fortgesetzte Enteignung von Land, Terroranschläge,
Expansion von Siedlungen und Unterdrückung Tag für Tag.
Die Palästinenser scheinen jetzt fest
entschlossen, ihre Unabhängigkeit zu gewinnen - ob mit oder ohne israelisches
Einverständnis. Und sie scheinen zu haarsträubenden Opfern bereit zu sein, um
die Ketten zu sprengen, die sie immer noch einengen. Wenige von ihnen glauben
noch daran, dass sie ihre Freiheit über Verhandlungen erreichen können. Auch bei
den Israelis macht sich Zynismus breit.
Ehud Barak trifft Arafat und
Clinton zu einem »Gipfel der letzten Gelegenheit« in Camp David: ein
lädierter Premierminister, verlassen von den meisten Parteien und
Gruppierungen seiner Koalition, der parlamentarisch darum kämpft, die
Überreste seines Kabinetts zusammenzuhalten - und sich unbekümmert Bahn
bricht. Barak ist völlig überzeugt davon (zumindest dem Anschein nach),
dass er bei dem Abkommen, das er schließt, das kleingeistige politische
System umgehen, sich direkt an das Volk wenden und dessen Unterstützung
bei Wahlen oder in einem Referendum erhalten kann. Aber dazu müsste er
natürlich erst ein Abkommen schließen ...
Wir warteten in der Nacht auf Dienstag in
einem Friedenszelt außerhalb des Ben-Gurion-Flughafens auf ihn, Hunderte von
Aktivisten: einige grauhaarige Veteranen von vielen Demos der Vergangenheit
zusammen mit der »Frieden Jetzt«-Jugend, den »Blue Shirts« und den »Peace
Drummers« mit ihren hypnotischen Rythmen. Der Spruch »Die Mehrheit ist für
Frieden« auf den T-Shirts war durch Gush-Shalom- Sticker wie »Eine legale
Siedlung gibt es nicht« ergänzt. Die Jungen riefen stundenlang das gute, alte
»No more war«, »Frieden ja, Besatzung nein!«, »Israel und Palästina - zwei
Staaten für zwei Völker«, »Stirb nicht umsonst, make peace now«. Und es gab
neue: »Gipfel heute - morgen Frieden« (was sich auf Hebräisch gut reimt), »Ehud,
bring uns Frieden« und »Ehud wird uns Frieden bringen«.
Wird Premierminister Ehud Barak die
hochgesteckten Hoffnungen erfüllen, die die Jungen - und sehr bald werden viele
von ihnen Armeedienst leisten müssen - auf ihn gesetzt haben? Oder geht er nur
nach Camp David, um unannehmbare Bedingungen zu stellen, ein Scheitern des
Gipfels »palästinensischer Unnachgiebigkeit« anzulasten und die Jugend
schließlich aufzurufen, ihm in den nächsten Krieg zu folgen? Baraks
Ausgangspositionen sind die fünf Neins, die er dauernd wiederholt hat, und sie
sind weit entfernt von den palästinensischen Minimalforderungen.
Es stimmt, dass der Premier willens
scheint, etwa 90 Prozent der Westbank aufzugeben, mehr als frühere Regierungen
und sogar er selbst vor einem Jahr noch angeboten haben. Aber die
»Siedlungsblöcke«, auf denen Barak beharrt, wurden an strategischen Orten
gebaut, um die Westbank zu teilen und eine palästinensische territoriale Einheit
zu verhindern. Deshalb würden selbst 90 Prozent bedeuten (und die machen nicht
mehr als 20 Prozent des historischen Palästina aus, alles andere wurde schon
1948 Teil Israels), dass ein palästinensischer Staat nicht lebensfähig ist, eine
Ansammlung von isolierten Enklaven. Nimmt man Baraks erklärte
Kompromisslosigkeit bei der sensiblen und hochemotionalen Jerusalem-Frage hinzu
(»Ewige Hauptstadt Israels, für immer«) sowie die palästinensischen Flüchtlinge
(»Keine Übernahme irgendeiner politischen oder gesetzlichen Verantwortung
Israels«), dann ist nicht nur der weitverbreitete Pessimismus verständlich, der
»Camp David 2« begleitet. Verständlich ist auch die Weigerung vieler
Friedensaktivisten, am Montag überhaupt zur Demo am Flughafen zu gehen, oder zu
einer der größeren Demos, die in Jerusalem und Tel Aviv geplant sind.
Gerade wegen dieser geschwächten Position
wird Barak verzweifelt nach einem Ende des Gipfels und einem Abkommen suchen,
das er der Bevölkerung auch präsentieren kann. Mehr noch, sein politisches
Überleben hängt weitgehend davon ab. Während Palästinenser willens sind, für
ihre Freiheit zu kämpfen, werden Israelis wenig begeistert über einen Krieg
sein, durch den die Besetzung des Gebiets gewährleistet bleiben soll. Kommt es
mit Arafat nicht zu einem Abkommen, dann würde ein Krieg Baraks Wiederwahl
unmöglich machen.
Führt »Camp David 2« aber zu einem
israelisch- palästinensischen Abkommen, dann muss es genauestens analysiert
werden. Wieviele politische Aktivitäten israelischer Friedens- und
Menschenrechtsgruppen werden dadurch hinfällig? Müssen wir weiter gegen
Hauszerstörungen protestieren? Wird die ungleiche Wasserverteilung ein Problem
bleiben? Wird es weiter Landnahme im besetzten Gebiet geben?
P.S.: Just als der Gipfel beginnt, graben
sich israelische und palästinensische Einheiten überall in der Westbank und Gaza
in Befestigungsstellungen voneinander ein und messen Schusspositionen aus. Kurz
vor Beginn des Gipfels schossen nervöse und schießwütige Soldaten, Beschützer
der Siedlung Kfar Darom - die wiederum die Hauptstraße des Gazastreifens in zwei
Teile teilt -, wild um sich, trafen ein vorbeifahrendes palästinensisches Taxi,
töteten die 33jährige Aatidal Muamar und verletzten ihren Mann und das acht
Monate alte Kind schwer. Wird ihr Name als letzte tragische Opfer eines 100
Jahre alten Konflikts in die Geschichte eingehen - oder werden ihnen viele neue
Namen von heute lebenden Palästinensern und Israelis folgen?
Adam Keller und Beate Zilversmidt
/ Tel Aviv
Aus: »The
Other Israel« 11.7.2000.
Übersetzung: Max Böhnel
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