Frankfurt - Nach dem
Bombenanschlag von Düsseldorf beginnt mit der Suche nach dem
Schuldigen auch die Suche nach den möglichen Motiven des
Attentäters.
Die Frage, was im Kopf eines
Menschen vorgeht, der gezielt oder billigend den Tod unschuldiger
Menschen in Kauf nimmt, beschäftigt Viele. Doch eine Antwort auf
diese Frage ist schwierig.
Planlos sei der Anschlag mit
Sicherheit nicht gewesen, sagt Diplom-Psychologin Sabine Nowara vom
Institut für forensische Psychiatrie in Essen. "Wenn man so etwas
tut, dann will man jemanden treffen, das wird ja mit irgendeiner
Intention gemacht." Möglich sei aber jeder denkbare Rachegrund.
Politische Hintergründe seien ebenso denkbar wie Wahnvorstellungen.
"Ein Motiv kann es sein,
Macht ausüben zu wollen, irgend etwas bewegen zu wollen", sagt
Thomas Bliesener vom Institut für Psychologie der Universität
Erlangen-Nürnberg.
Auch Rudolf Egg, Leiter der
Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, nennt eine ganze Reihe
möglicher Ursachen für Anschläge wie in Düsseldorf. "Da kann jemand
ganz planlos zugeschlagen haben, so wie ein Amokläufer."
Es geschehe aber auch immer
wieder, dass jemand Attentate auf Menschen verübe, von denen er sich
verletzt, bedroht oder verfolgt fühle. Das könne so weit gehen, dass
der Betreffende auch Menschen treffen wolle, die lediglich
Ähnlichkeiten mit den von ihm ins Visier Genommenen hätten.
"Das könnten in diesem Fall
Menschen sein, die an einer S-Bahn-Station wohnen oder die S-Bahn
benutzen."
Denkbar sei natürlich auch
ein politischer Hintergrund der Tat. Hier zeige die Erfahrung, dass
systematische Unterschiede beim Vorgehen Rückschlüsse darauf
zuließen, ob die Täter einem links-oder rechtsextremistischen
Hintergrund zuzuordnen seien. "Linksextremisten wie etwa die RAF
haben in der Vergangenheit ganz gezielt bestimmte Personen oder
Gebäude treffen wollen", berichtet der Kriminal-Psychologe.
Scheinbar planlose Anschläge, bei denen jeder getroffen werden
könne, stammten dagegen erfahrungsgemäß von rechtsextremistischen
Tätern.
Ein Beispiel sei der
Anschlag auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980. "Bei dem
Düsseldorfer Anschlag besteht somit eine formale Ähnlichkeit mit
rechtsextremen Anschlägen."
Dennoch seien Rückschlüsse
auf den oder die Täter nicht möglich, solange es kein
Bekennerschreiben gebe und der verwendete Sprengstoff nicht bekannt
sei, betont Egg. "Wenn nicht gezielt bestimmte Personen getroffen
wurden, dann ist zu vermuten, dass es nicht darauf ankam, wenn es
traf." Das Mitleid mit den Opfern sei beim Täter auf jeden Fall
ausgeschaltet.
"Ein Attentäter fühlt sich
verfolgt, die Opfer seiner Tat stehen für ihn alle auf der anderen
Seite", sagt Egg. Empathie für die Opfer sei für den Täter nicht
möglich, da sein Selbstmitleid alles andere überwiege. "Er denkt
sich: Was mir angetan wurde, ist viel wichtiger und schlimmer als
das, was mit meinen Opfern geschieht."
Da ein Bombenleger sich
verfolgt fühle, verdienten aus seiner Sicht alle anderen in gleicher
Weise eine Bestrafung. "Da ist es dem Attentäter auch egal, ob da
eine Schwangere dabei ist, wie jetzt in Düsseldorf."
Der Diplom-Psychologe glaubt
aber nicht, dass der Anschlag in Düsseldorf die Tat eines psychisch
Kranken war. "Da müsste dann schon ein irgendwie entstandener Hass
auf bestimmte Personen vorhanden sein, etwa auf Menschen, die etwas
mit S-Bahnen zu tun haben."
Manchmal sei es aber auch
möglich, dass Menschen, die sich verfolgt fühlten, Zuflucht in
radikalen politischen Kreisen suchten. "Das könnte dann ein
politischer Anschlag sein, der nicht von Anfang an einen politischen
Hintergrund hatte", sagt Egg.
Denn Menschen mit
Verfolgungsfantasien fühlten sich teilweise in radikalen politischen
Gruppierungen aufgehoben. Schließlich führe der Hass auf bestimmte
Menschengruppen, wie etwa Ausländer, Juden und Homosexuelle, zu
ähnlichen Ausgrenzungsfantasien wie bei dem Menschen, der sich
verfolgt fühle.
Zu Mutmaßungen über einen
rassistischen Tathintergrund sagte Nordrhein-Westfalens
stellvertretender Ministerpräsident Michael Vesper (Grüne), er
"scheue sich zu spekulieren über Dinge, die sich möglicherweise als
falsch herausstellen". In jüngster Zeit habe es allerdings wieder
vermehrt Angriffe auf Ausländer gegeben. Politik und Gesellschaft,
auch die Regierung, seien nun gefordert, rechte Gewalt stärker zu
bekämpfen.
Diskussion [
Terror von Rechts]
Frankfurter Neue
Presse 29.7.2000
haGalil onLine
10-07-2000
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