DÜSSELDORF taz - In den
jüdischen Gemeinden hofft man, dass es ein Zufall war. Zu
entsetzlich ist die Vorstellung, dass der Sprengstoffanschlag in der
Düsseldorfer S-Bahn-Station gezielt Juden treffen sollte. "Die hohe
Anzahl der jüdischen Opfer lässt es vermuten, aber es kann natürlich
auch ein ganz anderer Zusammenhang sein, bei dem zufällig die Gruppe
der Sprachschüler getroffen wurde", sagt Michael Szentei-Heise,
Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.
Sieben der neun
Explosionsopfer waren jüdische Kontingentflüchtlinge. Erst seit
wenigen Monaten leben sie in Deutschland. Jeden Tag zwischen 8.30
und 15 Uhr besuchten sie einen Deutschkurs im Stadtteil Flingern.
Ein regelmäßiger, feststehender Termin. Ein Umstand, der auch die
Staatsanwaltschaft beschäftigt.
Nach dem Anschlag fiel der
Unterricht gestern aus. Eine 42-jährige Russin wartete daher
vergeblich vor der Schule. "Wir wurden hier schon öfter angemacht.
Russen und Juden sind hier nicht sehr beliebt", berichtet sie.
Eine gezielte Drohung im
Vorfeld gab es nicht. Aber erst am Dienstag ging in der Jüdischen
Gemeinde in Duisburg eine Bombendrohung ein. Eine halbe Stunde
Autofahrt von Düsseldorf entfernt. Nach dem Drohanruf habe man
sofort die Polizei verständigt, das Gelände geräumt und abgesichert,
so der Vorstandvorsitzende der Gemeinde, Jaques Marx. Es blieb bei
der Drohung. "Antisemitismus ist in Deutschland immer noch latent
vorhanden, und manchmal bricht er durch", sagt Marx. Eingeschmissene
Fensterscheiben, versuchte Einschüsse, Schmähbriefe oder E-Mails mit
wüsten Beschimpfungen kommen immer wieder vor. "Eine jüdische
Gemeinde ist in Deutschland eben leider immer noch nicht so
toleriert wie eine katholische oder protestantische", so der
Vorstandsvorsitzende Marx.
Anonyme Anrufe, Briefe und
E-Mails mit dem Tenor "Wir haben nicht genug von euch vergast" kennt
man auch in der Düsseldorfer Jüdischen Gemeinde. Doch bislang fühlte
man sich nicht direkt gefährdet. Der hiesige Vorstandsvorsitzende,
Esra Cohn, betont das problemlose Zusammenleben und die
Hilfsbereitschaft von Bevölkerung und Behörden, besonders seit der
Emigration von Juden aus den ehemaligen GUS-Staaten.
Von den 6.500
Gemeindemitgliedern sind rund 80 Prozent neu zugezogen. Zu ihnen
zählen auch fünf der Verletzten. Vor einem knappen Jahr kamen sie
aus Russland und der Ukraine. Esra Cohn kennt sie nicht persönlich,
weiß aber, dass sie an Angeboten der Gemeinde für Neuzuwanderer
teilnahmen.
Der Anschlag hat die Gemeinde
erschüttert, der Vorstand kam zu einer außerordentlichen Sitzung
zusammen. Hier wurde beschlossen, die Betreuung der Verletzten noch
zu intensivieren. Schon kurz nach dem Anschlag war der Rabbiner der
Gemeinde in den Krankenhäusern, die Sozialabteilung kümmert sich um
die Angehörigen.
"Ich bin der Meinung, dass
wahrscheinlich ein ausländerfeindlicher Hintergrund zur Tat
motiviert hat, ob es zudem einen antisemitischen Hintergrund gibt -
das wollen wir nicht hoffen", so Cohn.
Auch der Vorstandsvorsitzende
der Jüdischen Gemeinde in Wuppertal, Leonid Goldberg, äußerte sich
ähnlich gegenüber der taz. Aus seiner Gemeinde stammen zwei der
Opfer sowie zwei Ehefrauen nichtjüdischen Glaubens. Zu schnelle
Schlüsse lehnt Goldberg ab - "aber ich hoffe für alle, dass sich
eine antisemitische Motivation nicht bestätigt."
Diskussion [
Terror von Rechts]
ANNETTE KANIS
taz 29.7.2000
TAZ-Bericht ANNETTE KANIS
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29-07-2000
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