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NZZ

Wirtschaftliche Höhenflüge und religiöse Stolpersteine:
Ein kleines Vermögen in Israel

Arbeiten in Israel

Die Arbeitswelt ist in Israel im Umbruch und hat in der mittlerweile in gewissen Bereichen 
stark religiös geprägten Gesellschaft ihre eigenen Gesetze, wie der langjährige 
Korrespondent George Szpiro der NZZ in einem Artikel darlegt. 
Sein Beitrag ist Teil einer Serie zum Thema 'Arbeitswelten', in der die NZZ in lockerer 
Folge über Aspekte des Arbeitsalltags in verschiedenen Regionen dieser Welt berichtet.

In Israel pulsiert das Arbeitsleben: Die Software-Branche hat Tel Aviv zu einem weltweiten High-Tech-Zentrum werden lassen. Allerdings stossen Jungunternehmer auf Widerstände unterschiedlicher Art. Investoren zeigen sich weniger risikofreudig als in den USA, und die teilweise noch strengen religiösen Regeln sind nicht immer förderlich fürs Geschäft.

In den ersten Jahrzehnten nach der Staatsgründung suchte Israel den wirtschaftlichen Erfolg in traditionellen Tätigkeiten wie der Landwirtschaft oder der Textilbranche. Doch für eine arbeitsintensive Produktion sind die Lohnkosten heute im regionalen Vergleich viel zu hoch - bei einem gesetzlichen Mindestlohn von umgerechnet 1200 Fr. monatlich und hohen Sozialabgaben. Nun basiert die Wirtschaft auch in Israel mehr und mehr auf Hochtechnologie. Vorzügliche Universitäten sorgen für einen ständigen Nachschub an spezialisierten Arbeitskräften, der allerdings die Nachfrage schon nicht mehr ganz zufriedenstellen kann. Vor allem in und um Tel Aviv hat sich ein Boom junger Hardware- und Softwarefirmen entwickelt, und heute gilt die Stadt am Mittelmeer als eines der High-Tech-Zentren der Welt. Der Bedarf an «Brainpower» ist so stark gestiegen, dass die sieben Universitäten des Landes aus allen Nähten platzen. Die Nachfrage nach akademischen Diplomen treibt teilweise abstruse Blüten. So gibt es zum Beispiel eine Regelung, laut der Staatsangestellte, die an einer höheren Lehranstalt studierten, automatisch Gehaltserhöhungen erhalten. Eine zweitklassige Hochschule aus England richtete flugs einen Übersee-Campus ein, an dem ein sehr rudimentäres Programm unterrichtet wird. Heute hat die Lehranstalt mehr Studenten in Israel als in der Heimat. Nach Absolvierung eines solch leichtgewichtigen BA- Programmes konnten zum Beispiel viele Polizisten Gehaltserhöhungen von monatlich über 1000 Fr. einstreichen.

Andauernde Weiterbildung

Zipporah ist eine der dynamischen, aufwärtsstrebenden jungen Frauen, wie sie für die «Yuppies» in Tel Aviv typisch sind. An der Universität von Tel Aviv studierte sie Englisch und Französisch, um dann während eines halben Jahres in einem grossen Hotel als Receptionistin zu arbeiten. Ihre Sprachen kamen ihr dabei gut zustatten, doch das akademische Studium war überflüssig. Entsprechend gering waren das Salär und die Chancen, in eine interessante Position aufzusteigen. Ihre direkte Vorgesetzte verdiente nach dreissig Arbeitsjahren umgerechnet 2000 Fr. im Monat. Frustriert über solche Aussichten, wechselte Zipporah zu einer High-Tech-Firma, wo sie als rechte Hand des Vizepräsidenten für Marketing eingestellt wurde. Nach zwei Jahren betrug ihr Gehalt schon etwas über 3000 Fr. Aber Zipporah war sich bewusst, dass sie mit ihrem Sprachenstudium nie höhere Managementfunktionen würde übernehmen können. Deshalb absolvierte sie einen Programmierkurs, und eine Beförderung rückte in den Bereich des Möglichen.

Doch zwei Jahre nach ihrem Eintritt wurde der Betrieb an eine amerikanische Firma verkauft. Für Zipporah war dies die Gelegenheit zu einem Szenenwechsel. Sie bekam ihre Abfindung in der Höhe von zwei Monatsgehältern und begann sich nach einem neuen Betätigungsfeld umzusehen. Vorerst trug sie sich beim Arbeitsministerium als Arbeitslose ein und bezog während eines halben Jahres Unterstützungsgelder. Erwerbslose müssen jedoch jede ausgeschriebene Arbeit annehmen, und Zipporah konnte nur mit Mühe Stellen als Gärtnerin oder als Betreuerin in einem Altersheim ablehnen. Ein weiterführender, teilweise vom Ministerium finanzierter Kurs in der Programmiersprache Java folgte. Nach Beendigung des Kurses fand Zipporah eine Anstellung in der Werbeabteilung einer Technologiefirma als Mitarbeiterin für Marketing und Kommunikation. Ihr Gehalt begann bei 2500 Fr. und sprang nach bloss drei Monaten auf 3500 Fr. Immer nach karrierefördernden Beschäftigungen Ausschau haltend, immatrikulierte sich Zipporah beim Israeli Institute of Academic Studies, einem Zweig der Manchester University in England. Während des zweijährigen berufsbegleitenden Studiums lässt sie sich bei Kosten von 18 000 Fr. zum Master of Business Administration ausbilden. Dieses Diplom werde ihr weitere Türen öffnen, hofft sie. Zipporah erwartet dieser Tage ihr erstes Kind. Dann wird sie den ihr gesetzlich zustehenden dreimonatigen Mutterschaftsurlaub beanspruchen und später die Karriereleiter weiter hochklettern.

Jüdische Speisegesetze als Stolperstein

Norbert immigrierte im Jahr 1995 mit seiner Frau Annemarie und den fünf Kindern nach Israel. In Frankfurt war er ein erfolgreicher Filmemacher und Geschäftsmann gewesen, doch gefiel ihm das Leben in Deutschland nicht mehr. Insbesondere die antiisraelische Einstellung seiner zumeist weit links orientierten Freunde behagte dem als religiöser Jude erzogenen Norbert nicht. Norbert war relativ wohlhabend und wollte sich eine Veränderung leisten. Die geschäftlichen Bemühungen des Ehepaars in Israel lassen sich mit einem geläufigen Witz treffend umschreiben: «Wie kann ein Immigrant in Israel ein kleines Vermögen erwirtschaften? Am besten, indem er mit einem grossen Vermögen einwandert.»

Annemarie, eine promovierte Kunsthistorikerin, und Norbert beschlossen, in Jerusalem ein Restaurant zu eröffnen. In der Heiligen Stadt, so meinten die beiden, hält sich der potenzielle Kundenkreis an die jüdischen Speisegesetze, und deshalb sollte das «Habustan», ein ansprechender Altbau mitten in der Stadt, ein koscheres Restaurant werden. Die jüdischen Speisegesetze schreiben eine Trennung zwischen Fleisch- und Milchgerichten vor, und jedes Restaurant muss sich für das eine oder das andere Menu entscheiden. Da die Fleisch-Restaurants durch die Vertreter des Rabbinats strenger überwacht werden, entschieden sich Norbert und Annemarie für ein «milchiges» Restaurant, in dem Fisch, Spaghetti und Käseprodukte angeboten werden dürfen.

Um das entsprechende «Kaschrut»-Zertifikat zu erhalten, musste das Restaurant am Sabbat, das heisst von Freitagnachmittag bis Samstagabend, geschlossen bleiben. Somit lag der Betrieb an Wochenenden, an denen Restaurants auf aller Welt einen Grossteil ihres Umsatzes erwirtschaften, brach. Ein weiteres Problem bestand darin, dass Weine und Spirituosen in koscheren Gaststätten bloss wenig mehr als 10% des Umsatzes ausmachen, während in vergleichbaren unkoscheren Gaststätten mindestens doppelt so viel Alkohol konsumiert wird. Dazu kamen die zusätzlichen Kosten, wie zum Beispiel die Honorare für die mehrmals wöchentlich durchgeführten Kontrollbesuche des Kaschrut-Inspektors. Neben den Beschränkungen der religiösen Speisegesetze mussten Annemarie und Norbert zusätzlich mit einem typischen Einwandererproblem kämpfen: Unkenntnis der lokalen Verhältnisse. Der Koch, der bis zu seiner Einstellung im «Habustan» bloss ein Souschef gewesen war, gab sich in typisch israelischer Überheblichkeit als Chefkoch aus und verlangte ein Gehalt von 6000 Fr. monatlich. Dies lag etwa einen Drittel über dem sonst üblichen Salär (allerdings bleibt einem Arbeitnehmer nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben bloss etwa die Hälfte übrig). Die fünf Küchenhelfer, Araber aus Ostjerusalem, erhielten - viel bescheidener - je 1600 Fr. Die Serviceangestellten bezogen ihr Einkommen aus den Trinkgeldern, die an guten Tagen bis zu 200 Fr. pro Tag betrugen.

Naivität der Immigranten

Aber der Erfolg blieb aus. Nach zehn Monaten, als bei Norbert alle roten Lichter angegangen waren, beliefen sich die Verluste auf 150 000 Fr. Das Wirteehepaar beschloss, den Betrieb radikal umzustellen. Aus dem koscheren «Habustan» wurde «Al Fresco», eine Gaststätte für einen säkularen Kundenkreis. Crevetten und Muscheln wie auch Steaks in Rahmsauce - alles Gerichte, die das Kaschrut-Gesetz bisher verboten hatte - standen nun auf dem Menu. Natürlich folgten lautstarke Proteste aus der streng religiösen Umgebung. Jeden Sabbat versammelten sich zwei- bis dreihundert orthodoxe Juden vor dem Restaurant und demonstrierten gegen die Präsenz des «frevlerischen» Unternehmens. Berittene Polizisten sorgten dafür, dass der Unfug nicht ausartete, Radio und Fernsehen berichteten über das Geschehen, und «Al Fresco» war voll ausgelastet.

Mit dem Umsatz stiegen jedoch auch die Verluste. Der Koch hatte Norbert und Annemarie eingeredet, dass in Israel ein Kostenanteil von bis zu 70% des Umsatzes für Lebensmittel durchaus üblich sei, und es dauerte eine Weile, bis die beiden dahinterkamen, dass dies nicht stimmte. Schliesslich wurde der Koch gefeuert. Er erhielt die Abfindung von einem Monatsgehalt pro Arbeitsjahr, doch in dem prozessfreudigen Land, wo auf 350 Einwanderer ein Rechtsanwalt kommt, klagte er kurzerhand seine früheren Arbeitgeber ein. Laut Vertrag hätte er am Gewinn des Restaurants beteiligt werden sollen, und er behauptete, dass ihm trotz den roten Zahlen noch 35 000 Fr. zustünden. Mittlerweile ist Norbert nicht nur auf seinen früheren Chefkoch wütend, sondern auch auf das Gericht, das dem Verlangen des Klägers nach Beschlagnahmung der Einkünfte des Restaurants sofort stattgab. Alle Kreditkarteneinnahmen des Restaurants gehen nun bis zur Gerichtsverhandlung direkt auf ein Sperrkonto des Rechtsvertreters des Kochs. - Doch auch mit einem neuen Koch schnellte der Profit nicht so in die Höhe, wie Annemarie und Norbert dies gehofft hatten. Anfang Mai entschlossen sie sich deshalb erneut zu einem Kurswechsel. Nach einer Renovation - mehr schummriges Licht, intimere Atmosphäre, bequemere Sitzgelegenheiten - soll das Etablissement in Zukunft unter dem Namen «Leila» firmieren. Statt Gourmetküche und teurem Wein wollen die Wirte eine jüngere Klientel mit mehr Hausmannskost und erschwinglicheren Preisen anlocken und bei der Stange halten.

Schnelllebige Atmosphäre

Dudi erwarb noch vor dem Militärdienst verschiedene Diplome als Elektroingenieur. Dann diente er sechs Jahre in der Armee, die letzten drei Jahre als Ingenieur. Das Gehalt war gut, etwa 5000 Fr. monatlich, wozu noch grosse Steuervergünstigungen kamen. Aber in der Armee konnte er nur wenig Erfahrung sammeln. Zu gross war der Apparat, zu wenig flexibel der Entscheidungsprozess. Für die Beförderungen war man von Politik und Intrigen abhängig. Professionell kam Dudi einfach nicht vorwärts, und er wechselte ins Zivilleben zurück. In Tel Aviv schloss er sich als Produktmanager einer High-Tech-Firma an. Dreieinhalb Jahre später verliess er die Firma wieder, da die erhoffte Beförderung ausblieb. Auf einer Fachtagung hatte Dudi zwei junge Männer kennengelernt, die eine «Startup-Firma» gegründet hatten. Im Allgemeinen bleiben in der schnellebigen Atmosphäre Israels Angestellte bloss etwa zwei bis drei Jahre, und bei jedem Stellenwechsel erwarten die Arbeitnehmer eine Gehaltsverbesserung von 20% bis 30%.

Bei seinem neuen Arbeitgeber war Dudi der Mitarbeiter Nummer 19. Heute gibt es weltweit 150 Firmenangehörige. Dudi ist viel unterwegs und verbringt etwa die Hälfte seiner Zeit im Ausland. Er überlegte sich schon, ob sich ein Umzug in die Vereinigten Staaten lohnen würde. Sein Arbeitgeber würde das sehr begrüssen. Noch vor zehn Jahren wurde die Emigration fast einem Verrat gleichgesetzt, und Ausland-Israeli wurden geächtet. Doch auch in Israel ändern sich die Zeiten. Aber Dudi ist bereit, Gehaltseinbussen in Kauf zu nehmen, um in der Heimat zu bleiben. Die Lebensqualität sei in Israel einfach besser. Für die Gründung einer eigenen «Startup-Firma» würde er allerdings einen Wegzug in Betracht ziehen, denn das Umfeld in den USA sei dem Aufbau von Neuunternehmen förderlicher. Dort fliesse das Geld der Risikokapital-Fonds viel reichlicher, und Jungunternehmern werde freiere Hand gewährt. Hier betrieben Investoren «Mikromanagement» und würden weitere Geldmittel jeweils nur unter strikten Auflagen flüssigmachen. Aber bevor Dudi solch weitreichende Pläne macht, will er sein MBA-Zusatzstudium abschliessen.

haGalil onLine 01-06-2000

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