von Thorsten Schmitz
Überall
unerwünscht
Die Soldaten der
pro-israelischen „Südlibanesischen Armee“ wissen nicht, wo sie nach dem
Abzug bleiben können
Fast niemand hat erwartet, dass
sich die von Israel unterstützte „Südlibanesische Armee“ (SLA) lange
halten könne, wenn die israelischen Soldaten erst einmal aus der Region
abziehen. Aber nur wenige haben damit gerechnet, dass die Miliz derart
schnell auseinander fallen würde. Nach Auffassung der UN-Truppe im
Südlibanon (Unifil) hat die SLA praktisch aufgehört, als Einheit zu
existieren.
Israel scheint auf eine solch
dramatische Auflösung der SLA nicht vorbereitet gewesen zu sein. Ort um
Ort hat die SLA im Südlibanon aufgegeben, weil die radikalislamische
Hisbollah näher rückte. Die Hoffnung auf einen kontrollierten Abzug der
israelischen Truppen aus dem Südlibanon hat sich damit zerschlagen.
Fieberhaft versucht Israel, die von der SLA zurückgelassene
Militär-Ausrüstung nicht der Hisbollah in die Hände fallen zu lassen.
Israelische Kampfflugzeuge bombardierten den in der Nacht zum Dienstag
geräumten eigenen Stützpunkt Sweida, um der nachrückenden Hisbollah
keine Waffen zu hinterlassen. Die rund 2500 Soldaten der SLA und ihre
rund 15 000 Angehörige haben Angst um ihr Leben. Busse voller
verängstigter SLA-Milizionäre mit ihren Familien passieren die
israelische Grenze. Für sie ist in der Nähe des Sees Genezareth ein
Auffanglager errichtet worden.
Im Osten der 15 Kilometer tiefen
Besatzungszone, in den Dörfern Chiam und Hasbaja, ergaben sich
zahlreiche SLA- Kämpfer der libanesische Armee. In Chiam stürmten
Dorfbewohner das dortige SLA-Gefängnis und befreiten etwa 130
libanesische Häftlinge. Ein Sprecher des Roten Kreuzes berichtete, das
Wachpersonal sei vor der Menge geflohen. 300 SLA-Kämpfer sind seit
Sonntag nach offiziellen libanesischen Angaben übergelaufen. Als sie mit
Armeetransportern durch die Küstenstadt Mansuri gefahren wurden,
verhüllten sie aus Angst vor der verärgerten Bevölkerung ihre Gesichter.
Aufgebrachte Menschen schrien: „Zeigt eure Gesichter, ihr dreckigen
Verräter“. Die SLA-Soldaten müssen im Libanon mit ihrer Verurteilung
wegen Hochverrats rechnen. Einige stehen auf Todeslisten der Hisbollah.
In israelischen Medien werden
SLA-Soldaten zitiert, sie hätten gedacht, „Israel bleibt für immer im
Südlibanon“. Der libanesische Präsident Emile Lahoud hat die
SLA-Soldaten öffentlich als Kollaborateure verurteilt und eine von ihnen
gewünschte Amnestie abgelehnt. Hisbollah-Sprecher erklären, sie würden
die SLA-Leute nur dann unversehrt lassen, wenn sie „einen Israeli oder
einen SLA-Kommandanten“ töteten. Ansonsten, sagte Hisbollah-Führer
Scheich Hassan Nasrallah unlängst, „werden wir mit Gottes Hilfe die
SLA-Soldaten in ihren Betten töten“. Erst im Januar starb der
stellvertretende SLA-Chef Akl Haschem bei einem Bombenattentat der
Hisbollah.
Auch in Israel sind die
Zukunftsperspektiven der SLA-Soldaten ungewiss. Schulamit Aloni,
einstige Chefin der linken „Meretz“-Partei und heute Juraprofessorin an
der Tel Aviver Universität, sagt: „Israel ist das Schicksal der
SLA-Angehörigen egal, weil es um Araber geht, und wir glauben und
vertrauen einfach nicht den Arabern.“ Zurzeit „prüft“ Israels
Innenminister Nathan Scharansky nach eigenen Worten lediglich die
„Möglichkeit“, den SLA-Soldaten die israelische Staatsbürgerschaft zu
garantieren oder ihnen zumindest eine vorübergehende
Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren; nach Medienberichten wollen manche
SLA-Soldaten mit ihren Familien nach Frankreich, Zypern oder
Skandinavien emigrieren.
Schon der Vorschlag, den
SLA-Soldaten und ihren Familien in Israel Asyl zu offerieren und sie in
arabischen Städten wie Nazareth leben zu lassen, stößt bei den
israelischen Arabern auf heftigen Widerstand. Mohammed Zeidan von der
Vereinigung arabischer Israelis erklärte: „Wir betrachten die
SLA-Soldaten als Verräter und werden eine Kampagne führen, dass man
ihnen hier weder Land noch Wohnungen verkauft.“
probeabo.htm
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