Unwissenheit und
Gleichgültigkeit - dies sind zwei Erscheinungen, die sich ergänzen, und
die das zentrale Problem darstellen, mit dem sich die EU
auseinandersetzen muss, um ihre revolutionären Ziele umzusetzen.
Eine umfassende Studie machte den
Vertretern der EU die aus ihrer Sicht schwerwiegende Tatsache klar, dass
75% der Bürger des Kontinents noch niemals von ihnen gehört haben.
Weiterhin ergab sich aus der Studie, dass nach fast 50 Jahren
kontinentaler Integration 57% der Bürger nicht einmal wissen, dass ein
europäisches Parlament existiert.
Jetzt stellt es sich heraus, dass
der europäische Kampf um die Schaffung öffentlichen Ansehens auch über
die Grenzen der EU-Staaten hinaus erweitert wurde.
Im spezifischen Fall Israels ist
Europa heute zu der Schlußflogerung gelangt, dass - um Fuß im Nahen
Osten zu fassen, zunächst dafür gesorgt werden muss, dass die Israelis
die dramatischen Entwicklungen, die zu einer Föderalisierung Europas und
dessen Etablierung als neue Großmacht führen, nicht länger ignorieren.
Die Europäer wollen uns davon
überzeugen, dass diese Etablierung auch weitreichenden Einfluss auf die
vitalen Interessen des Staates Israels hat.
An diesen Bemühungen beteiligte sich auch der diensthabende Präsident
der EU, der protugiesische Außenminister Jaime Gama, der sich eigens
nach Jerusalem bemühte, um feierlich das Forum Israel-EU" einzuweihen.
In einem Interview mit
haArez
erklärt Gama den Gedanken, der hinter diesem Forum steht, wobei er sich
insbesondere auf den Status Europas und auf die Probleme konzentriert,
die die europäischen Regierungen heute beschäftigen.
"Mit dem neuen Forum soll die
offizielle Diplomatie ergänzt werden Es wird sich in erster Linie darauf
konzentrieren, Kontakte zwischen der europäischen und der israelischen
Gesellschaft herzustellen", erklärt er. "Im Rahmen des Forums werden
sich Professoren, Studenten, Schriftsteller, Journalisten, Künstler,
Geschäftsleute und Experten treffen, um Meinungen auszutauschen,
Befürchtungen, Sorgen und Hoffnungen vorzubringen. Wir werden Kongresse
initiieren, Seminare und Austauschprogramme. Hier soll ein dynamischer
Rahmen für gegenseitige Kommunikation geschaffen werden."
Gama gibt hier eigentlich zu, dass
trotz der kulturellen und geographischen Nähe, und trotz der besonderen
historischen Beziehungen zwischen Israel und Europa die Gründung des
Forums eigentlich Aufschluss darüber gibt, dass die erwünschten
Beziehungen noch nicht erreicht werden konnten.
In seiner Rede bei der Einweihung
des Forums erinnerte der Minister daran, dass Mißverständnisse, deren
Ursprung bei beiden Seiten liegt, noch immer in gewisser Weise die
Beziehungen überschatten. Dennoch sagt er: "Ohne historische Rechnungen
anzustellen- mit der neuen Regierung in Israel haben wir ein bedeutendes
Kapitel der Beziehungen aufgeschlagen. Das Jahr 2000 wird sicherlich als
ein entscheidendes Jahr in Erinnerung bleiben."
In seiner Analyse kommen die neuen
Beziehungen auf drei Ebenen zum Ausdruck: "Zunächst sollte beachtet
werden, dass die Gründung des neuen Forums gleichzeitig mit dem
Inkrafttreten des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel
erfolgt. Das erste israelisch-europäische Zusammentreffen im Rahmen des
Assoziationsabkommens wird am 13. Juni in Lissabon stattfinden", sagte
Gama mit deutlichen Stolz.
Ein weiterer Punkt, den Gama als
wichtiges Symptom für die neue Atmosphäre präsentieren möchte, ist das
Einverständnis, das die EU-Staaten dem Beitritt Israels zur westlichen
Gruppe in der UNO erteilt haben.
Und drittens - und dies ist
vielleicht der interessanteste Punkt - die Äußerungen Gamas bezüglich
der "Essen-Erklärung". 1994 hat der Europarat, der in Essen
zusammengetreten war, empfohlen, Israel einen "Sonderstatus" zu
verleihen. Die Definition, die in den Statuten der EU keinerlei
gesetzliche Grundlage hat, galt damals im Zusammenhang mit den
Beziehungen der EU zu dritten Staaten im allgemeinen und dem jüdischen
Volk im besonderen als revolutionär.
Die Erklärung blieb jedoch unklar
und wartet seither darauf, mit Inhalt gefüllt zu werden - etwas, das
bisher nicht geschehen ist.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, die Israel in der letzten Zeit
besucht und es vorgezogen haben, eine Diskussion über dieses Thema zu
vermeiden, teilt Gama mit: "Die EU hat in der letzten Zeit
Arbeitsgruppen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, konkrete Wege zu
einer Umsetzung der Essen-Erklärung zu finden." Er beeilt sich
natürlich, dies von "positiven Entwicklungen im Friedensprozess"
abhängig zu machen, dennoch hat es den Anschein, als wiesen seine
Äußerungen auf eine neue und erfrischende Haltung hin.
Gama hofft, auch auf der anderen
Seite eine ähnliche Haltung zu finden: "Es ist mir durchaus
verständlich, dass sich die Israelis automatisch nach den USA
ausrichten", sagt er. "Aber die junge Generation in Israel sollte daran
interessiert sein, die Bedeutung des Prozess der europäischen Union zu
verstehen. Die EU, und nicht die USA, ist ja der wichtigste
Handelspartner Israels. Wir sind Nachbarn. Wir haben eine gemeinsame
Kultur - man sollte sich auch daran erinnern, dass nach dem
Unterzeichnen von Friedensverträgen weniger in Begriffen militärischer
Logik, und mehr in Begriffen von Entwicklung gedacht werden wird. Dann
wird die EU der wichtigste Partner bei der Umsetzung der Ziele sein, die
an der Tagesordnung stehen werden."
Auf die Frage, ob die schlechte
Lage des Euro, der seit seiner Einführung am 1.1.99 25% seiner Werts
verloren hat, das Ansehen einer internationalen Großmacht, das Gama zu
präsentieren versucht, nicht beeinträchtigt, antwortetet der Minister,
die Schwäche des Euro habe "zu einer Abhärtung des internen europäischen
Markts beigetragen, zu einer Erweiterung des Exports und damit auch zu
einer Erneuerung des Wachstums und Minderung der Arbeitslosigkeit."
Da der Wert der Währung in erster
Linie ein psychologisches Problem ist, hofft man in Brüssel, dass der
Euro seine erwünschte Stärke erhalten wird, wenn er von einer
Rechnungseinheit zu einer "richtigen" Währung werden wird, die endgültig
den Platz der Währungen aller Mitglieder des europäischen Währungsunion
einnehmen wird.
Wenn das geschieht, am 1. Januar
2002, dem Tag an dem die Europäer in ihren Geldbeuteln "echte"
Euromünzen finden, könnte es sein, dass auch das neue Forum, das jetzt
in Jerusalem gegründet wurde, einige israelische Anhänger finden wird,
die sich für die neue europäische Realität begeistern werden.
Das ergänzende Forum der Tel Aviv
Universität
An der Spitze des Forums der EU in
Israel steht der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog. Der israelische
Vorsitzende ist der Industrielle Michael Federmann. Geleitet wird das
Forum von Usi Arad, der zu seinem Generalsekretär ernannt wurde. Das ist
nicht das erste Forum, das sich mit den Beziehungen zwischen Israel und
der EU befaßt. Mit einer feierlichen Rede hat Shimon Peres im Februar
dieses Jahres ein Forum gegründet, das einen ähnliche Namen trägt:
"Israel-EU".
Die beiden Foren ergänzen sich, und
es gibt hier keinen Interessenkonflikt: die EU ist daran interessiert,
das Ansehen Europas in Israel zu verbessern.
Die Tel Aviv Universität versucht
in Zusammenarbeit mit Vertretern der Wirtschaft und der Politik die neue
europäische Offenheit zu nützen, und arbeitet Ideen und Arbeitsprogramme
zur Förderung der Interessen des Staates Israel im Europa aus.
Adar Primor in
haArez
haGalil onLine
18-05-2000
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