Die
hervorragende Sammlung jüdischer Musik, die von jüdischen Musikern und
Folkloristen (Sh. An-Ski, J. Engel, Z. Kisselhof, L. Saminsky und vor allem
M. Beregovski) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammengetragen
und 50 Jahre unter Verschluss gehalten wurde, wurde im Jahre 1994 von Prof.
Adler in Kiew in der Vernadsky Zentralbibliothek der Nationalen Akademie der
Wissenschaften der Ukraine wiederentdeckt.
Seit
damals hat die Hebräische Universität Jerusalem unermüdlich versucht, diese
Schätze der Musikfolklore des osteuropäischen Judentums (hauptsächlich in
Jiddisch) all denen zugänglich zu machen, die sie studieren möchten.
Die
Sammlung ist Frucht des intensiven Zusammentragens und Studierens jüdischer
Folklore, wie es in Russland und später in der Sowjetunion während der
ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts betrieben wurde. Die ersten Anstrengungen,
die gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem Kreis um J. Engel (1868-1927)
ausgingen, führten zu der Organisation der Baron Horace Ginzburg jüdisch
ethnographischen Expedition in den Jahren 1911-1914, die unter der Leitung
des Folkloristen Sh. An-Ski (1868-1920), Autor des Dybbuk,
durchgeführt wurde.
Das
gesammelte Material -- darunter ungefähr 1000 Volkslieder, die auf 500
Zylindern aufgenommen wurden -- wurde 1929 nach Kiew übersandt, wo es unter
die Obhut Mosei I. Beregovskis (1892-1961) kam, Leiter des
musikethnographischen Kabinetts des Instituts für jüdische Kultur an der
ukrainischen Akademie der Wissenschaften. Beregovski trieb die Entwicklung
der Sammlung ungeheuer voran. Das Resultat waren Tausende von Dokumenten --
sowohl Tonaufnahmen als auch Transkriptionen von Musik und Text, die eine
beachtenswerte Quelle jüdischer Musik bilden. 1949 wurde Beregovski nach
Sibirien deportiert , und die Archive verschwanden unter dem Einfluss der
anti-jüdischen Massnahmen, die vom Sowjetregime ausgingen. Von seiner
Rückkehr aus dem Exil im Jahre 1955 bis zu seinem Tod im Jahre 1961,
verkündete er mehrmals, dass sein "Kabinett" jüdischer Musik spurlos
verschwunden wäre. Wissenschaftler, die sich mit jüdischer Musik und
Beregovskis Arbeit beschäftigten äusserten sich ähnlich; manche glaubten
sogar, dass die Archive zerstört worden waren.
Seit der
Wiederentdeckung der Sammlung im Jahr 1994 hat der Jewish Music Research
Center der Hebräischen Universität in Jerusalem keine Mühe gescheut in
Zusammenarbeit mit der UNESCO, der israelischen Regierung, zahlreichen
jüdischen Organisationen sowie der enthusiastischen Unterstützung grosser
Persönlichkeiten wie Elie Wiesel und die inzwischen verstorbenen Yehudi
Menuhin und Sir Isaiah Berlin, den Inhalt der Sammlung der Welt zugänglich
zu machen; zunächst in Form eines detaillierten Katalogs, der die Noten- und
Textanfänge auflistet.
Die
Verhandlungen mit den ukrainischen Partnern zur Sicherung der Zusammenarbeit
in der Ausführung dieses Projekts stiessen auf ernsthafte Schwierigkeiten.
Trotzdem haben wir einen teilweisen Zugang zur Sammlung gewonnen, und das
Katalogisieren der Archive hat schon bedeutende Fortschritte gemacht.
In seinem
Vortrag wird Prof. Adler einen Abriss der Geschichte der Sammlung geben und
über ihre Wiederentdeckung erzählen. Er wird einen Überblick über die
ungefähr 8.300 Stücke der Archive geben, wovon viele sowohl den Text als
auch die Melodie bewahrt haben.
KleSmer, Chasanuth, Smiroth, Nigunim...
Zwei
Drittel der Sammlung besteht aus jiddischen Volksliedern und
Instrumentalstücken im Klezmerstil. Das restliche Drittel ist aufgeteilt
zwischen liturgischen Gesängen und Hazzanut, Semirot (Lieder für den
Shabbattisch) und andere häusliche Lieder sowie hassidische Niggunim (das
sind Melodien ohne Worte), volkstümliche Theaterstücke genannt Purim
shpil, und Aufnahmen der Stimmen berühmter Persönlichkeiten.
Der
Vortrag wird sich auf die aussergewönliche Bedeutung der Kiewer Sammlung
konzentrieren, die die Musiktradition einer besonders vielfältigen Epoche
der osteuropäischen jüdischen Kultur bewahrte kurz vor ihrer fast
vollständigen Zerstörung durch die Nazis und ihrer Kollaborateure.
Die
Ausführungen werden auch einige Beispiele früher Tonaufnahmen (darunter
kantorale Gesänge, hassidische Niggunim, jiddische Lieder und eine
hervorragende Aufnahme der Stimme Sholem Alekhems), die vom Kiewer Institut
für Information-Aufnahmen (Dir. Prof. V. Petrov) neuaufgenommen wurden,
sowie die Projektion einiger Manuskripte aus den Archiven beinhalten.
Eine
Veranstaltung der
Jüdischen Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen
und Nigun - Verein zur
Förderung Jüdischer Musik e.V.
Di.
11-04-2000 19.30h
in den Gemeinderäumen Springwall 16
Duisburg (UKB 10.00DM)
haGalil onLine
02-04-2000
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